Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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52. Napoleon I. und Napoleon III.

Zur eignen Lebensgeschichte, Werke Bd. 53 u. 54 S. 630 ff.

Wenn man sich überlegt, was man Großes erlebt hat, vielleicht nur als Zuschauer vor der Bühne, so tritt Napoleon und sein Geschlecht alles andre überragend in den Vordergrund. Ich besinne mich noch auf die Höhe seiner Macht. Auf der Schule im Kloster Donndorf als dreizehnjähriger Knabe las ich seine Bulletins aus dem Feldzuge in Spanien, die den größten Eindruck machten, durch Form und Inhalt. Alles, was wir auch bei uns geschehen sahen, war das Werk seiner Hände. In Schulpforta wurde der Zötus zusammengerufen, um von der Einziehung der großen Kommenden zugunsten des Schulwesens, die er verfügt hatte, unterrichtet zu werden. Sachsen, dem wir angehörten, erfreute sich seiner besonderen Protektion. Wir lasen jetzt seine Bulletins in einer französischen Zeitung, obwohl nicht ohne Schwierigkeit. Wir begleiteten ihn auf seinem Feldzuge nach Rußland; der Mathematikus Schmidt, der ihm eine höhere, gleichsam göttliche Mission zuschrieb, dessen Famulus ich damals war, hielt sich von allem auf das genauste unterrichtet – bis zum Brande von Moskau. Napoleon war der größte Sterbliche, vor dessen Namen sich die Völker in Ehrfurcht beugten. Nach dem Falle von Moskau war der Mathematikus nur schlecht unterrichtet. Auf unsern Schulbänken durchzuckte uns die Nachricht von der Kapitulation Yorks wie ein Blitzstrahl; man raunte sich ins Ohr, daß es anders werden würde. Die Völkerbewegung, die dann folgte, erlebten wir mit vollbewußtem Anteil. Napoleon zog an der Schule vorüber, als er seine Kräfte zur Schlacht bei Lützen sammelte. Wir glaubten ihn mitten in seinem Gefolge zu unterscheiden, doch nahmen mir nicht eben Partei für ihn. Ich studierte eben Tacitus, als wir die Proklamation der Verbündeten zu lesen bekamen; sie machte mir den Eindruck, als wenn es ungefähr dieselben Gedanken wären, wie sie im Agricola der Boadicea in den Mund gelegt werden. Endlich, allzu spät für unsere Erwartung, geschah die Schlacht bei Leipzig. Ich höre noch die Stimme Thielmanns,Früher sächsischer General, seit dem Mai 1813 in russischen Diensten, führte 1814 die sächsischen Truppen nach Holland, trat 1815 in preußische Dienste, starb 1824 in Koblenz. der vor dem Tore der Pforte, wo alles zusammenströmte, hoch zu Roß den Sieg der Verbündeten verkündigte. Bald darauf sahen wir die Überreste der geschlagnen napoleonischen Armee auf der andern Seite der Saale, an den Bergen entlang auf dem Rückzüge.

Diese großen Vorkommnisse, welche die Jugend gleichsam mit einem allgemeinen Leben erfüllten, vergessen sich nicht. Wer hätte nicht den Fall dieser Größe mit einer Teilnahme, die freudige Bewunderung war, bis zum Ende begleitet? Er verschwand also, aber sein Wort schien sich zu bewähren, daß nach ihm die Revolution die Runde durch die Welt machen würde. Aus den Schwankungen der Geschicke sahen wir dann einen zweiten Napoleon aufsteigen, der den Ruhm des Kaisertums wiederherzustellen bestimmt schien. Von den kontinentalen Feinden, denen der Oheim unterlegen war, überwand der Neffe die beiden mächtigsten: Rußland und Österreich; bei dem Kampf mit dem dritten erlag er selbst. Seine Stellung war nicht die alte des ersten Napoleon, denn den Kampf gegen England, welcher fast das wesentlichste Moment in dem Leben des Oheims gewesen war, gab der Neffe, der dort ein Asyl gefunden hatte, vollkommen auf. Aber auf dem Kontinent war er doch eine Zeitlang der mächtigste aller Fürsten. Ihm verdankt Italien seine Regeneration; Frankreich nahm unter ihm eine Zeitlang die erste Stelle unter den Mächten ein. Ich beschreibe wohl noch einmal, wie ich ihn auf dem Gipfel seiner Macht in den Tuilerien gesehen und gesprochen habe. Aber seiner Größe war ein baldiges Ziel gesetzt; er erlag dem ersten Ansturm der sich wieder fühlenden deutschen Nation. Eine Restauration seiner Macht schien noch immer vorbehalten zu sein. In England hat man in seinem Sohne, wenn er zur Regierung komme, einen befreundeten Nachbar zu bekommen gehofft. Da ist nun auch der, und zwar durch eine unverzeihliche Nachlässigkeit der Engländer, denen er sich anschloß, dem Schicksal verfallen. Die Napoleoniden leben noch als Prätendenten, wie einst die verjagten Stuarts; ein großes tragisches Geschick hat sich in dieser Familie vor unsern Augen vollzogen.


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