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Französische Geschichte III, Werke Bd. 10, S. 338 ff.
Gegen Ende September 1681 war ein Aufenthalt des Hofes in Chambord angesagt und Graf St. Aignan bereits dahin abgegangen, um einiges für die Vergnügungen, Komödie und Musik vorzubereiten, als der König plötzlich zu erkennen gab, er werde sich nicht nach Chambord, sondern nach Metz und in das Elsaß begeben. Wenn gefragt ward, in welcher Absicht, so machte man selbst dem kaiserlichen Gesandten kein Hehl daraus. Der König wolle, sagte man ihm, die im westfälischen Frieden ihm abgetretenen Rechte vollends zur Ausführung bringen, er wolle die Huldigung der Stadt Straßburg einnehmen. Die Huldigung einer freien Stadt, die seit unvordenklicher Zeit ihre Freiheit unter dem Schutze des Deutschen Reiches genossen hatte!
Auch das war aber schon vorbereitet. Indem das Elsaß sich unterwarf, hat man auch der Stadt Straßburg bereits gegen Ende des Jahres 1680 angemutet, sich von dem Reiche freiwillig zu trennen, um fortan im Besitz ihrer alten Freiheit unter der Protektion von Frankreich zu leben. Da sie darauf nicht einging, so beschloß man sie mit Gewalt zu unterwerfen. Sich zu verteidigen war Straßburg damals nicht fähig. Die kaiserliche Besatzung, die es zuletzt aufgenommen, war auf Andringen des französischen Hofes abgezogen, der größte Teil der städtischen und schweizerischen entlassen; man zählte etwa 400 Kriegsleute von Gewerbe im Dienste der Stadt. Von den vierzehn Bastionen der Befestigung hätte kaum eine gehörig besetzt werden können. Wohl war die Bürgerschaft kaiserlich und von ganzem Herzen deutsch gesinnt, aber auch eine französische Partei gab es, deren Mittelpunkt die Domherren bildeten; der Rat der Stadt selbst nahm eine zweifelhafte Haltung an. Wenn Kaiser und Reich den Mut des Widerstandes nicht besaßen, woher sollte die Obrigkeit und eine einzelne Stadt ihn nehmen? Von der deutschen Seite hilflos gelassen dachte der Rat nur noch auf Rettung der Stadt vor dem von Frankreich angedrohten Verderben. Man hat gesagt, einige Mitglieder desselben seien mit Geld bestochen worden. Bewiesen ist es nicht, und kaum sollte man glauben, daß Magistrate einer alten freien Stadt sich so tief hätten wegwerfen können. Aber anders ist es doch nicht: von der Bedrängnis ihrer Stadt, und zugleich auf Sicherstellung ihrer Person Bedacht nehmend, mögen einige Ratsherren sich zu Schritten haben hinreißen lassen, bei denen sie ihre Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland aus den Augen verloren. Noch immer sind ihre Verhandlungen mit dem französischen Hofe in Dunkel begraben.Mitteilungen aus den Pariser Archiven enthält das Buch von Legrelle , Louis XIV et Strassbourg. 4. Ausgabe, Paris 1884. Daraus ist zu entnehmen, daß allerdings Bestechung stattgefunden hat, aber nicht in dem Umfange, wie man in den bald nach dem Ereignis in Deutschland veröffentlichten Flugschriften annahm. Nicht durch Verrat ist Straßburg gefallen, sondern man wich der Gewalt. Vgl. E. Marcks, Anzeige des Buches von Legrelle in den Göttinger Gelehrten Anzeigen 1885 S. 139. Sehr unterrichtete, diesem Hofe nahestehende MännerRanke zitiert Berichte des brandenburgischen Gesandten in Paris, Ezechiel v. Spanheim; vgl. Französische Geschichte 5, 241 f. hielten sich überzeugt, und es ist in der Tat wahrscheinlich, daß sie schon im voraus eine Kapitulation, durch welche die Freiheiten und Rechte ihrer Stadt gesichert werden sollten, mit Louvois verabredet hatten.Marcks a. a. O. bezweifelt dies: »Louvois kannte die Verhältnisse genügend, um vorher zu wissen, was man fordern könnte und was er bewilligen wollte«. Genug, mit so gut wie vollkommener Gewißheit des Gelingens konnte der König zur Unterwerfung von Straßburg schreiten. Doch wurden schon deshalb, um nicht eine Gegenwirkung von Deutschland her zu veranlassen, die Vorbereitungen dazu im tiefsten Geheimnis getroffen.
Früh am Morgen des 28. September, es war eines Sonntags, nahmen zuerst ein paar tausend französische Dragoner die Rheinschanze in Besitz; dann erschienen eine Anzahl Regimenter und besetzten rings umher die Zugänge der Stadt. Sie hatten in der Stille um Freiburg und BreisachBreisach war seit 1639 französisch, Freiburg, die alte Hauptstadt der vorderösterreichischen Länder, erst seit 1678. her gelagert und wurden plötzlich herangezogen. Des andern Tages traf Louvois im Hauptquartier zu Illkirch ein. Auf Grund des Ausspruchs der Kammer zu Breisach, welche das Recht der Souveränität über das Elsaß dem Könige zuerkannt habe, forderte er die Stadt auf, sich demselben ebenfalls zu unterwerfen. Jede Unterhandlung darüber wies er von der Hand; würde die Stadt sich der königlichen Gnade würdig machen, so sei er ermächtigt, ihr die Erhaltung ihrer Privilegien zuzusichern; sollte sie widerstehen, so sei er stark genug sie der Verwüstung preiszugeben und werde die Bürger als Rebellen gegen ihren rechtmäßigen Herrn behandeln. Nur der entschlossenste Heldenmut hätte eine Verteidigung wagen können. Einem eben in Belagerungen geübten Feinde gegenüber, wie dieser war (auch Vauban war bereits in die Nähe gekommen), hatte ein solcher Versuch keinerlei Aussicht auf Erfolg; das Zeitalter, wo streitbare Bürgerschaften auf eigene Kraft sich mit mächtigen Fürsten messen konnten, und damit die Epoche der städtischen Freiheit war längst vorbei. Der Magistrat hat keinen Augenblick an Widerstand gedacht. Absichtlich ließ er die Kanonen auf den Wällen ohne Munition, damit nicht der Unbedacht der Bürger einen Konflikt veranlassen möge; mit einer Art von Bedauern über die demokratische Verfassung, die das notwendig mache, bat er Louvois um ein paar Stunden länger Bedenkzeit, auf so lange, bis die Bürgerschaft zu derselben Gesinnung gebracht sei, die er selber hege. Die Schöffen der Zünfte wurden zusammenberufen; als diese überzeugt waren, daß der Widerstand ins Verderben führen müßte, ward ihre Meinung den Bürgern, die auf den Wällen und unter Waffen standen, kundgetan. Tausendmal lieber hätten sie sich zur Wehr gesetzt; sie verwünschten den Rat, aber sie unterwarfen sich der Notwendigkeit. Die Kapitulation, die man nun von beiden Seiten unterschrieb, sicherte der Stadt ihre Verfassung, Rechte, Besitztümer und die Ausübung ihrer Religion; nur das Münster hatte sie dem Bischof und das Zeughaus dem König zu überliefern. Privatgerechtsame konnte sie retten, die politische und religiöse Autonomie, welche sie beim Deutschen Reich von jeher behauptet hatte, war auf immer verloren. Die französische Regierung, wo alles der großen Einheit Untertan war, konnte eine solche ihrer Natur nach nicht gestatten.
Vierzehn Tage darauf hielt der König einen prächtigen Einzug in Straßburg. Sein erster Besuch galt dem Platz, auf welchem Vauban die neuzuerrichtende Zitadelle bereits abgesteckt hatte. Die vorhandenen Befestigungen wurden besichtigt, der Entwurf zu denen gemacht, welche, um den Rhein zu sichern, hinzufügt werden sollten. Ludwig XIV. verschaffte es nun auch unter den Deutschen eine gewisse persönliche Bewunderung, daß er überall selbst zur Stelle war und die Anordnungen traf, zu deren Ausführung des andern Tages geschritten ward. Die aus der Umgegend aufgebotenen Landleute sah man auch Sonntags an den Schanzen arbeiten. Fünftausend Mann lagerten in der Nähe und hielten Wache an der gewonnenen großen Grenzfeste.
Das Unternehmen trug ungefähr denselben Charakter wie der erste Einfall in die spanischen Niederlande und die Invasion von Holland, den der plötzlich hervorbrechenden Gewaltsamkeit auf Grund einseitiger Ansprüche. Den Spaniern waren die Generalstaaten zu Hilfe gekommen, diesen Kaiser und Reich; der endliche Erfolg war aber beide Male das Verderben eben derer gewesen, welche die andern hatten retten wollen. Wer sollte es jetzt wagen, trotz dieser Erfahrung sich dem Allgewaltigen entgegenzusetzen? Wohl fehlte es nicht an Regungen dafür. Eine sonderbare Verwicklung lag darin, daß Schweden, das doch in alle europäischen Angelegenheiten eingriff, von den Reunionen unmittelbar berührt wurde. König Karl XI., der aus dem Hause Pfalz-Kleeburg stammt, gelangte eben damals durch Erbrecht in den Besitz von Zweibrücken, das von der Reunionskammer zu Metz als französisches Lehen betrachtet ward. Ludwig XIV. ließ ihm sagen, er schmeichle sich, sein alter Verbündeter werde die Anerkennung der Lehnshoheit Frankreichs dem Verhältnis zum Kaiser vorziehen. Welch ein Unterschied aber: deutscher Reichsfürst und Lehnsmann von Frankreich, wo alle Autonomie der Großen gebrochen war. Und ohnehin war Karl XI. nicht mehr französisch gesinnt; er war auch über den Frieden von Nimwegen mißvergnügt, in dem ihm doch einige Verluste zugemutet worden waren; sein vornehmster Minister, Benedikt Oxenstierna,Ein jüngerer Verwandter des schwedischen Reichskanzlers Axel Oxenstierna, der 1654 gestorben war. ging von dem Grundsatz aus, daß Schweden, wenn es werden wolle was es sein könne, nicht mehr im Gefolge der französischen Politik einhergehen dürfe. Die zweibrückischen Lehen wurden in Wien nachgesucht; um statt der französischen eine andre Allianz zu haben, wandte sich Oxenstierna an Holland. Auch dahin hatten die Reunionen zurückgewirkt. Von der Einziehung der Grafschaft Chiny war der Prinz von OranienWilhelm III., später König von England. als Besitzer der Herrschaften Vianden und St. Vith,Im nördlichen Teile des jetzigen Großherzogtums Luxemburg gelegen. die zu dieser Grafschaft gehörten, persönlich berührt; er war selbst vor die Kammer von Metz zitiert worden. Aber sein Entschluß stand fest, niemals ein Vasall Ludwig XIV. zu sein, als dessen prinzipieller Gegner er in der Welt erschien. Unter seinem Einfluß wurde zwischen Holland und Schweden eine Assoziation zur Aufrechterhaltung des westfälischen und Nimwegenschen Friedens geschlossen, nach welcher jeder Beteiligte, der die Bedingungen desselben überschreite, sich einem Schiedsgericht unterwerfen sollte. Eine Festsetzung wie diese hätte ohne Zweifel bei dem Friedensschluß selbst getroffen werden müssen. Obwohl sie jetzt zu spät kam und in den friedlichsten Ausdrücken, die sich finden ließen, abgefaßt wurde, denn sonst wäre sie in den Generalstaaten niemals durchgegangen, so erschien sie dem französischen Hofe doch noch immer als eine unwillkommene Protestation gegen sein Verfahren und den Gegnern desselben als ein Moment des Widerstandes.
Im Februar 1681 trat der Kaiser, einige Monate später der König von Spanien der Assoziation bei. Ihr Einfluß auf eine Unzahl Fürsten und Stände des Reiches war so stark, daß man sofort von einer Erneuerung des Krieges gegen Frankreich redete. Dem aber setzten sich andre entgegen, vor allem der Fürst, welcher zu Nimwegen aufs entschiedenste gegen den Abschluß des Friedens gewesen war, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Damals, sagte er, habe man auf einen längeren Stillstand mit den Türken zählen können, tapfere und erfahrene Kriegshäupter seien vorhanden gewesen, eine Armee im Anzuge, die einige Jahre vorher einen Sieg nach dem andern erfochten, Straßburg noch unerobert und mit allen notwendigen Kriegsmitteln versehen; dennoch habe der Kaiser damals den Frieden unter den ungünstigsten Bedingungen geschlossen. Jetzt seien die besten Truppen abgedankt, der türkische Stillstand dem Ablauf nahe, an Einigkeit im Reiche nicht zu denken, Straßburg verloren, und da solle nun der Krieg wieder angefangen werden. Kein Zweifel, daß das Reich an sich dazu berechtigt wäre, aber welche Mittel habe es, den gerüsteten, übermächtigen König zu bestehen? Wenn es mit ihm breche, wer könne ihn hindern, Mainz zu erobern und seine Besitzergreifungen bis nach Franken auszudehnen? Auch das bisher Eingenommene werde er dann mit besserem Schein und größerer Sicherheit besitzen. Jene zu einem Austrag bestimmte KonferenzVon Frankreich zugestanden, als die Ausführung der Reunionen Widerspruch erregte; s. Französische Geschichte 3, 338. war indes zusammengetretenGegen Ende des Jahres 1681 zu Frankfurt am Main.; der Kurfürst drang darauf, daß man den König von Frankreich bei seinem Versprechen, nicht weiter gehen zu wollen, festhalten und, da man ihn nicht angreifen könne, ohne das Bestehen des Reiches in Frage zu stellen, eine Abkunft mit ihm treffen möge. Die Wahrheit dieser Erwägungen ist einleuchtend; denn wie darf man die Entscheidung des Schwertes herausfordern, wenn man zum Kampfe nicht gerüstet ist? Vor allem stimmten die zunächst bedrohten rheinischen Fürsten bei; sie erwarteten nicht das mindeste von den Truppen des Reiches. Eine militärische Bewegung derselben, meinten sie, werde nichts andres bewirken, als daß die französische Kriegsmacht mit ungeheurem Übergewicht das gesamte Reich überflute.
Überdies aber hatte eine erbitterte Stimmung gegen ein Oberhaupt, das sie nicht mehr schützen zu können schien, im Reiche um sich gegriffen. Bei dem Falle von Straßburg hat der Kurfürst von Mainz ausgerufen, Österreich sei nicht mehr fähig, das Reich zu behaupten, man müsse sich einen andern Kaiser suchen. Und diese Gesinnung teilte nun wieder der Kurfürst von Brandenburg. Ergrimmt über den Kaiser, der in Nimwegen gegen seinen Wunsch zum Frieden geschritten, empört über Spanien, durch dessen nachlässige Kriegführung die Zurückgabe seiner über Schweden gemachten Eroberungen zur Ausgleichung notwendig geworden war, und entschlossen diese ein andermal wiederzugewinnen, hatte er mit Spanien-Österreich gebrochen und dagegen die engste Verbindung mit Frankreich getroffen.Bündnisvertrag vom 20. Oktober 1679; vgl. Preußische Geschichte 1, 335 Werke Bd. 25 u. 26. Sobald Schweden einen Rückhalt an dem Kaiser fand, warf sich Brandenburg wie von Naturnotwendigkeit gedrängt auf die Seite von Frankreich. Nur mit Hilfe von Frankreich und Dänemark meinte der Kurfürst die Schweden vom deutschen Boden verjagen zu können; er behauptete, mit diesen beiden Reichen darin einig zu sein, daß die schwedische Macht wieder in ihre alten Grenzen zurückgetrieben werden müsse. Aber überdies machte sich Frankreich anheischig, ihm zu seinen schlesischen Ansprüchen zu verhelfen: eben das sind die beiden Direktionen, durch deren Ausführung Brandenburg später eine Macht geworden ist. Noch nie hatte sich die brandenburgische Selbständigkeit im deutschen Reiche so hervorgetan. Immer gewohnt, die entschiedensten Richtungen einzuschlagen, die letzten Folgen derselben kühnlich ins Auge zu fassen, ging Kurfürst Friedrich Wilhelm auf den Gedanken ein, dem Hause Österreich bei der nächsten Vakanz das Kaisertum zu entreißen und entweder, wie sein Vorfahr Joachim I., dem König von Frankreich selbst oder, was später der ruhmvollste seiner Nachfolger getan hat, einem Fürsten, über den er sich mit Frankreich verständigen würde, seine Stimme bei der Kaiserwahl zu geben. Hatte er nicht einst dem Kaiser Leopold die Krone im Gegensatz gegen die Anhänger von Frankreich verschafft? Er meinte ihn zu dem Manne gemacht zu haben, der er war, und wollte sich nun nicht von seiner einseitigen Politik ins Verderben ziehen lassen. Alles Heil schien ihm darin zu liegen, daß das Reich vor weiteren Verlusten gesichert würde. Der König von Frankreich mußte ihm versprechen, von allen Umgriffen im Reiche fortan abzustehen, allen Rechten und Ansprüchen, welche er auf Besitzungen oder Rechte in demselben sonst wohl machen könne, für sich und seine Erben zu entsagen.Weitere Verhandlungen mit Frankreich s. Preußische Geschichte 1, 344-350.
So geschah, indem Deutschland eine Vergewaltigung erlitt, wie es noch nie erfahren, daß im Innern ein Zwiespalt ausbrach, der jeden Widerstand dagegen unmöglich machte, beruhend auf den alten Gegensätzen der Religion und Politik, der Verstimmung welche die letzten Ereignisse hervorgebracht hatten, der Furcht vor den noch bevorstehenden. Überhaupt für das deutsche Reich ein Moment der größten Gefahr, den es je erlebt. Zu der Entzweiung, die sich in verzweifelten Entschlüssen kundgab, und den Feindseligkeiten von Frankreich kam noch ein mit aller Heftigkeit eines barbarischen Heerhaufens unternommener Angriff der Türken. Mit den ungarischen Mißvergnügten, die sonst von Frankreich her gegen Österreich unterstützt worden, einverstanden, im Verein mit Tököli, den sie als König anerkannten, wälzten sie sich im Jahre 1683 daher, um die Unternehmung gegen Wien durchzuführen, die ihnen anderthalb Jahrhunderte früher mißlungen war.
Man hat oft angenommen, der König von Frankreich habe diesen Anfall hervorgerufen oder einen wesentlichen Einfluß darauf ausgeübt. Ich denke nicht, daß sich das behaupten läßt. Ein wirkliches Einverständnis zwischen den beiden Mächten vorauszusetzen, liegt kein Grund vor. Jede Andeutung von dem Bestehen eines solchen hat der französische Minister Colbert CroissyJüngerer Bruder des Finanzministers Colbert, s. Französische Geschichte 3, 399. mit Ausdrücken des Abscheus zurückgewiesen. Dennoch ist unleugbar, daß auch ohne Übereinkunft ein in der Lage der Dinge begründetes Verhältnis zwischen dem Anfall der Türken und der feindlichen Haltung der Franzosen bestand. Colbert Croissy sagte einmal, nicht die Eroberung von Wien durch die Türken liege im Wunsche der Franzosen, aber allerdings eine längere Dauer der Belagerung; sie meinten, unter dem Eindruck dieser Gefahr alle ihre Ansprüche gegen den Kaiser und gegen Spanien durchzuführen.
Ludwig XIV., der bei der ersten Nachricht von dem bevorstehenden Zuge der Türken die Blokade von Luxemburg aufgehoben hatte, und zwar, wie er verkündigte, um die Verteidigung gegen dieselben nicht zu hindern (denn er wollte zwar noch nichts gegen sie unternehmen, aber auch um keinen Preis als ihr Verbündeter erscheinen), wurde im Sommer 1683 bewogen, auch in den deutschen Sachen von der Strenge seiner Forderungen nachzulassen. Er bestand nicht mehr auf einer definitiven Annahme der von ihm vorgelegten Bedingungen durch einen förmlichen Friedensvertrag, sondern nur auf dem Abschluß eines langjährigen Stillstands.Der Waffenstillstand auf zwanzig Jahre wurde 1684 zu Regensburg abgeschlossen. Schon 1688 brach ihn Ludwig XIV. und begann abermals Krieg gegen Deutschland.