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Geschichte Wallensteins, Werke Bd. 23 S. 235-241. 313.
Wallensteins Armee war aus allen Nationen zusammengesetzt; in einem einzigen Regiment wollte man zehn verschiedene Nationalitäten unterscheiden. Die Obersten waren, wie vor Alters in den kaiserlichen Heeren, Spanier, Italiener, Wallonen, Deutsche; er liebte auch böhmische Herren herbeizuziehen, um sie an den kaiserlichen Dienst oder auch an seine eigenen Befehle zu gewöhnen. Der Kroat Isolani führte die leichte Reiterei, eifersüchtig darauf, daß kein Ungar ihm vorgezogen würde. Wir finden Dalmatiner und Rumänen; die letzteren zog Wallenstein den Polen vor, deren Obersten sich unbotmäßig und fremdem Einfluß zugänglich zeigten. Besonders war das norddeutsche Element stark bei ihm vertreten; man findet Brandenburger, Sachsen, Pommern, Lauenburger, Holsteiner. Zu beiden Seiten, unter Gustav Adolf und Wallenstein, haben die Norddeutschen den Krieg gelernt. Auf das Bekenntnis kam es unter Wallenstein nicht an; einige seiner wehrhaftesten Obersten waren Protestanten. Wir wissen, daß es zu den Grundsätzen bei der ersten Zusammensetzung der Armee gehörte, Protestanten so gut wie Katholiken aufzunehmen. In dem ungarischen KriegeFeldzug gegen Bethlen Gabor 1626; Ranke S. 35 ff. haben beide zusammen gegen die Türken gekämpft; beim Wiederaufwogen des religiösen Streites stand man von dieser Mischung ab. Wie die Liga nur Katholiken in ihrem Heere sehen wollte, so hatte die Armee Gustav Adolfs einen durchaus protestantischen Charakter; unter Wallenstein überwog der militärische Gesichtspunkt den religiösen. Die Obersten beider Bekenntnisse ein einziges eng zusammenschließendes Ganze unter einem General, der nicht danach fragte, zu welchem ein jeder gehörte. So ist es auch in der französischen Armee in den ersten Dezennien unter Ludwig XIV. und später in der preußischen unter Friedrich II. gehalten worden.
Wallenstein sah es gern, wenn große Herren in seinen Dienst traten; aber auch Kaufmannssöhne, frühere Juwelenhändler, Emporkömmlinge selbst aus der dienenden Klasse waren ihm willkommen. Bei dem Gemisch der Nationen, Bekenntnisse, Stände war das unverbrüchlich militärische Gesetz ein doppelt unbedingtes Bedürfnis der Schlagfähigkeit. Die kleinsten Fehler, wie Eigenmächtigkeiten in der Kleidung, wurden bestraft, wie man sagte, um größere zu verhüten. Wenn man im Felde stand, ward etwas mehr nachgesehen, doch nichts, was die Unterordnung hätte gefährden können. »Ich will nicht hoffen,« sagte er auf einlaufende Klagen, »daß einer unsrer Offiziere sich so weit vergessen hat, unsre Ordonnanzen zu despektieren.« Die Ausschreitungen, an denen es freilich nicht fehlte, sollte kein Oberer ungeahndet lassen; Nachsicht hierbei fand Wallenstein sträflich und drohte mit Exekution an Leib und Leben zu ahnden. Plündernde sind auf der Stelle gehenkt worden. Von Schonung wußte er nichts, weder im Dienste noch vollends dem Feinde gegenüber. Den Antrag, den ihm einst König Gustav Adolf machte, nach dem Vorgang der niederländischen Kriege eine Übereinkunft zu schließen, daß bei einem Zusammentreffen mit sehr verschiedenen Streitkräften die schwächere Partei sich, ohne zu schlagen, ergeben dürfe, verwarf er mit den trotzigen Worten: »Sie mögen kombattieren oder krepieren«.
Das oberste aller Verdienste war bei ihm tapferes Verhalten; nur dadurch erwarb man sich persönliche Rücksicht. Wie Piccolomini die entschiedene Gunst des General hauptsächlich der Tapferkeit verdankte, die er an der Spitze seiner Reiterei in der Schlacht von Lützen bewiesen hatte, so erwarb sich der Kroatengeneral Isolani bei einem Angriff auf die Schweden bei Ansbach, der Graf Dohna bei der Eroberung von Chemnitz seine Freundschaft. Er hielt immer eine Anzahl goldener Ketten in Bereitschaft, um auf der Stelle belohnen zu können; er erhob selbst in den Adelstand; seine Kriegskasse war angewiesen, die Kosten für die Ausfertigung der Diplome zu tragen. In sehr außerordentlichen Fällen ersuchte er auch den Kaiser, einem Befehlshaber seine Zufriedenheit auszudrücken. – Man darf behaupten, daß er dem militärischen Prinzip an und für sich, selbst ohne Rücksicht auf den Zweck des Krieges, im Sinne der anderthalb Jahrhunderte, die dann folgten, Bahn gemacht habe, sowie er ihm durch die Einrichtung der Kontributionen eine regelmäßige Grundlage schaffte. Er war ein geborener Kriegsfürst.
Solange als er gesund war, liebte Wallenstein mit den Obersten zu speisen, denn nichts verbinde die Gemüter mehr als ein heiteres Gelag. Aber bei aller guten Kameradschaft hielt er den Anspruch der unbedingten Unterordnung fest. Wenn er im Feldlager einherging, wollte er nicht gegrüßt sein; wenn er sich dann in sein Quartier zurückzog, so hielt er darüber, daß niemand in der Nähe desselben mit Pferden und Hunden erscheinen, mit klirrenden Sporen einherschreiten durfte. Außerhalb des Feldlagers liebte er eine Pracht zu entwickeln, mit der kein Fürst wetteifern konnte. Was hatte er sich in Prag für einen prächtigen Palast erbaut, mit Säulenhallen, geräumigen, hellen, kunstgeschmückten Sälen, dunklen, kühlen Grotten. In seinem Marstall fraßen dreihundert ausgesuchte Pferde aus marmornen Krippen; wenn er ausfuhr, geschah es mit einer langen Reihe zum Teil sechsspänniger Karossen. Vogelhäuser, fast im orientalischen Stil, sorgfältig erhaltene Fischteiche fand man in seinen Gärten. Vom Schlosse in Sagan erzählt man, er habe es zum achten Wunder der Welt machen wollen. Er hat zugegeben, daß man ihn als Triumphator malte, seinen Wagen von vier prächtigen Sonnenrossen gezogen.
Er war kein Freund von Zeremonien; wie oft unterbrach er lange, von Äußerungen der Untertänigkeit angeschwellte Anreden deutscher Gesandten; er spottete der tiefen Reverenzen, wie sie damals am römischen Hofe gang und gäbe wurden. Aber er liebte von Anfang an den Pomp einer prächtigen Umgebung. Seine Pagen, die er gern aus den vornehmsten Geschlechtern nahm, erschienen in blauem Samt, mit Rot und Gold auf das prächtigste angetan; ebenso war seine Dienerschaft glänzend ausgestattet; seine Leibwache bestand aus ausgesuchten Leuten von hoher und schöner Gestalt. Er wollte, besonders seit er Herzog von Mecklenburg geworden war, durch die Äußerlichkeit eines fürstlichen Hofhaltes imponieren. Er lebte mäßig, aber seine Tafel sollte auf das trefflichste bedient sein; niemand bezahlte reichlicher.
Er hatte sich in Italien die Sitte und Art der gebildeten Welt angeeignet. Unter anderm weiß man, wie sehr er die Damen des Hofes zu Berlin, als er einst daselbst erschien,Im November 1627 nach Beendigung des Feldzuges gegen Dänemark. einzunehmen wußte; von den Anmaßungen, die einige seiner Obersten vor sich hertrugen, war bei ihm nicht die Rede. Aber wehe dem, der ihn in Zorn versetzte. Wie in seiner Jugend, so im Alter war er dann seiner selbst nicht mächtig; er war wie mit Wut erfüllt und schlug um sich; man ließ ihn toben, bis es vorüber war. Er kannte diesen Zustand wohl und suchte die Anlässe, die ihn hervorriefen, zu vermeiden. Er liebte die Aufregung des Gesprächs, in welchem sich leidenschaftliche Aufwallungen eines leichterregten Selbstgefühls Luft machten; die fernsten Aussichten erschienen als gefaßte Entwürfe, die momentanen Ausfälle als wohlbedachte Feindseligkeiten. Von denen, die ihn kannten, wurden sie als das was sie waren, mit dem Worte Boutaden bezeichnet; in die Ferne getragen machten sie vielen Eindruck.
Jedermann, der in seine Nähe kam, litt von seiner Launenhaftigkeit, seinem zurückstoßenden Wesen, seinem gewaltsamen, rücksichtslosen Gebahren. Sein Ruf schwankte zwischen zwei Extremen, daß er das wildeste Untier sei, welches Böhmen hervorgebracht habe, oder der größte Kriegskapitän, dessen gleichen die Welt noch nicht gesehen.
Sein Antlitz erscheint, wie es die bestbeglaubigten Bilder darstellen, zugleich männlich und klug; man könnte nicht sagen groß und imposant. Er war mager, von blasser ins Gelbe fallender Gesichtsfarbe, von kleinen, hellen, schlauen Augen. Auf seiner hohen Stirn bemerkte man die Signatur der Gedanken, nicht der Sorgen: starke Linien, keine Runzeln. Früh ward er alt; schon in den vierziger Lebensjahren erbleichte sein Haar. Fast immer litt er am Podagra; in den letzten Jahren konnte er nur mit Mühe an seinem spanischen Rohre einherschreiten; bei jedem Schritt sah er um sich. Aber in ihm lebte ein feuriger Impuls zu unaufhörlicher Bewegung, Unternehmung, Erwerbung, durch seinen Gesundheitszustand nicht allein nicht erstickt, sondern eher angereizt, der ehrgeizige Trieb sich nach allen Seiten geltend zu machen, seine Macht und die Bedeutung seines Hauses zu gründen, die alten Feinde zu seinen Füßen zu sehen.
Es gab nichts was ihm so sehr im Wege stand, als der geistliche Einfluß und die Prätensionen des hohen Klerus. Wie Wallenstein die Soldaten liebte, so haßte er die verweltlichten Priester. Er hatte nichts dagegen, wenn etwa mit einem Klostergeistlichen, der in der Armee mitzog, nach Kriegsgebrauch verfahren wurde: »denn wäre er in seinem Kloster geblieben, so würde es ihm nicht geschehen sein.« Von Vergabungen zugunsten der Geistlichen wollte er gar nichts hören, denn dadurch entziehe man nur den Soldaten das, was ihnen zukomme. Er scherzte wohl über das Wohlleben der großen Kirchenmänner: wie glücklich seien sie, daß sie die Kabbala gefunden, Fleisch und Geist, die sonst einander bestreiten, zu vereinigen. Höchst verächtlich waren ihm die Beamten, die sich zum Dienst derselben hergaben; Männer wie Slavata und Martiniz erklärte er von allen Kreaturen die es gäbe, zweibeinigen und vierbeinigen, für die bösesten. Jesuiten wollte er in seinem Feldlager nicht dulden; dagegen gestattete er den Protestanten, von denen es voll war, ohne Skrupel freie Religionsübung und die Predigt; man hörte ihn sagen, Gewissensfreiheit sei das Privilegium der Deutschen.
Seine Bizarrerien, die vielmehr dazu dienten, bei der Menge Eindruck zu machen, und die astrologischen Berechnungen der Geschicke für sich selbst und seine Freunde hinderten ihn nicht, Umstände und Dinge, wie sie vorlagen, zu erkennen. Das Phantastische war in ihm mit praktischer Geschicklichkeit gepaart. Er war verschwenderisch und unbesonnen, aber doch auch ökonomisch und umsichtig. In seiner Politik verfolgte er hochfliegende egoistische Pläne; aber zugleich hegte er Absichten, die zu einem bestimmten erreichbaren Ziele zusammenwirkten. Welch ein großartiges Unternehmen, den verderblichen Krieg in Deutschland zu beendigen, den Religionsfrieden in voller Wirksamkeit wiederherzustellen, die Integrität des Reiches zu erhalten! Damit war sein Vorhaben, für sich selbst eine Kurwürde, die das Gleichgewicht der Parteien bilden sollte, zu erwerben, ununterscheidbar verbunden. So tief aber griff das alles in die Verhältnisse der deutschen Fürsten und zugleich der europäischen Machte ein, daß man nur mit der größten Vorsicht, Schritt für Schritt, damit vorwärts kommen konnte. Welch ein Vorhaben, die Macht der Kurfürsten mit der kaiserlichen zu vereinigen und doch ihre Unabhängigkeit zu sichern, das Reich von den Schweden zu befreien und sie doch auch nicht vor der Zeit zu offener Feindseligkeit zu reizen, Protestanten und Katholiken zugleich zu befriedigen! Wallenstein konnte keine allgemeine Sympathie für sich aufrufen, denn die Gedanken, die er verfolgte, waren mit nichten populär; sie waren zugleich mit egoistischen Absichten durchdrungen; überdies aber herrschte allenthalben ein Glaubenseifer vor, von dem er absah. Nur in einsamer Erwägung aller Umstände, wie sie im Augenblick lagen, oder vielmehr im zusammenfassenden Gefühl derselben reiften seine Entschlüsse.
In der Reihe der großen Generale, die nach Selbständigkeit getrachtet haben, steht Wallenstein in der Mitte zwischen Essex in England und Biron in Frankreich auf der einen, Cromwell auf der andern Seite, auf dessen Spuren sich später der gewaltige Korse bewegte, dessen weit umfassendere Erfolge ihn in den Stand setzten, ein neues Kaisertum zu gründen. Was ist der Unterschied zwischen ihnen, warum gelang es den einen und ist es den andern mißlungen? Essex, welcher der Königin Elisabeth von England eine andere Politik aufzwingen wollte, als welche ihr geheimer Rat und sie selbst beliebten; Biron, der sich in Verabredungen mit den Feinden seines KönigsHeinrich IV. von Frankreich; s. Französische Geschichte 2, 63 ff. einließ; Wallenstein, der erst das eine sehr entschieden und mit einer gewissen Berechtigung, darauf das andre wiewohl nur schwach versuchte, hatten mit geborenen Fürsten zu kämpfen, deren Autorität seit Jahrhunderten fest begründet und mit allen andern nationalen Institutionen verbunden war; sie erlagen ihr. Cromwell und Napoleon dagegen fanden die legitime Autorität, als sie es unternahmen sich unabhängig zu machen, bereits gestürzt. Sie hatten mit republikanischen Gewalten zu kämpfen, welche noch keine Wurzeln geschlagen hatten und nur eine bürgerliche Macht besaßen, die dann dem Truppenführer gegenüber, sobald sie sich entzweiten, keinen Widerstand leisten konnte. Weiter fortgehend wird man fragen, warum nun doch das Protektorat mit dem Tode des Protektors verging, aus den Ruinen des gestürzten Kaisertums aber in unsern Tagen ein neues, das als die Fortsetzung des ersten auftritt, sich erheben konnte. Der vornehmste Grund liegt darin, daß Cromwell die sozialen Verhältnisse, wie sie einmal gebildet waren, erhalten vorfand und eher in Schutz nahm als umzustürzen suchte, sodaß sie nach seinem Abgang eine ihnen analoge Regierung notwendig machten; dagegen fand Napoleon eine soziale Revolution in den größten Dimensionen durchgeführt vor; er brauchte sie nur zu konsolidieren und mit seiner militärischen Gemalt zu durchdringen, um ein neues Imperium aufzurichten.
Wallenstein vor Stralsund, S. 85-90. Schlacht bei Lützen, S. 184 f. Wallensteins Absetzung, S. 276 ff. Wallensteins Ermordung, S. 302 ff.