Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Osmanen und spanische Monarchie, Werke Bd. 35. 36 S. 97 ff.
Als Philipp zum ersten Male Spanien verließKarl V. ließ ihn Ende 1548 nach Augsburg kommen, um ihm die Nachfolge im Kaisertum zuzuwenden; Deutsche Geschichte 5, 81. 83. und man ihn auch in anderen Ländern ansichtig ward, bemerkte man zunächst die große Ähnlichkeit, die er äußerlich mit seinem Vater hatte: dasselbe mehr weiße als blasse Gesicht, dasselbe blonde Haar, das nämliche Kinn, denselben Mund. Sie waren beide nicht groß, Philipp noch etwas kleiner, zierlicher, schwächer als sein Vater. Bald ging man in dieser Vergleichung weiter. Die Gesichtszüge des Sohnes schienen doch nicht den Ausdruck von Scharfsinn darzubieten, der den Vater auszeichnete. Man ward inne, daß Philipp, sehr entfernt diesen in natürlicher Leutseligkeit zu übertreffen, hierin vielmehr von ihm weit übertroffen ward. Während der Vater, wenn ihn Reichsfürsten nach Hause begleiteten, umzukehren, den Hut abzunehmen, einem jeden die Hand zu reichen und ihn mit freundlichem Bezeigen zu entlassen pflegte, bemerkte man mit Mißfallen, daß der Sohn, wenn sie ihm das nämliche getan, sich mit keinem Auge nach ihnen umsah, sondern den Blick gerade vor sich hin die Treppe zu seinen Gemächern hinanstieg. Er hatte keine Freude an Jagd und Waffen, er schlug selbst die Einladungen seines Vaters aus, er liebte zu Hause zu bleiben und mit seinen Günstlingen des Gesprächs zu warten. Italiener und Niederländer wurden ihm nicht wenig, die Deutschen entschieden abgeneigt.
Nun schien es zwar, wie er Spanien im Jahre 1551 zum zweiten Male verließ,2) Er reiste nach England, um sich mit der Königin Maria zu vermählen, dann nach den Niederlanden; Deutsche Geschichte 5, 283. 289. als vermeide er jenes herrische, zurückgezogene Wesen, als suche er auch in äußerlichen Manieren seinem Vater ähnlich zu werden, als sei er von jener törichten Einbildung, die man ihm schuldgab, eines Kaisers Sohn, wie er, sei mehr als der Sohn eines Königs, wie sein Vater, zurückgekommen; er zeigte sich bescheidener und leutseliger, er gab gern Audienz und genügende Antworten.Nach Beobachtungen venetianischer Gesandter, die Ranke wörtlich anführt.
Doch in der Tat war das keine Änderung. Er nahm sich zusammen, weil er den Engländern, deren König er zu sein wünschte, gefallen wollte; die stolze, einsame Ruhe, welche die Spanier Sosiego nennen, behauptete er dennochNach Beobachtungen venetianischer Gesandter, die Ranke wörtlich anführt. Teilnahme und Offenheit waren nicht seine Tugenden; selbst der Freigebigkeit befleißigte er sich nicht; aller persönlichen Teilnahme am Kriege zeigte er sich abgeneigt.
Seit er nach dem Frieden von 1559 nach Spanien zurückgegangen war, verließ er die Halbinsel nicht wieder. Selbst hier vermied er, von Ort zu Ort zu reisen, wie die früheren Könige und sein Vater immer getan. Er richtete die Residenz im Schlosse zu Madrid ein; er verließ es nur, um jenen öden Weg hin, wo kein Baum Schatten und kein Bach Mannigfaltigkeit gewährte, nach dem Escorial zu fahren, das er zwischen nackten kleinen Hügeln in einem steinigen Tale Hieronymitenmönchen zum Aufenthalt und seinem Vater zum Grabmal baute, oder um im Frühjahr nach Aranjuez zu gehen, wo er in der Tat die Jagd in die Berge begleitete und sich zu Alcalden und Monteros herabließ, doch ohne sie nach etwas anderem zu fragen als nach ihrem Amte, und ohne sie von etwas anderem reden zu lassen als von ihrem Geschäft. Ein jeder, sagt Cabrera, ward nach seinem Stande wohl angesehen. Die Sorge für seine niemals feste Gesundheit machte ihm die größte Regelmäßigkeit des Lebens zur Pflicht. Er aß dann und wann mit seiner Gemahlin oder mit seinen Kindern, aber in der Regel allein, überaus mäßig, immer die nämlichen erprobten Speisen, immer in derselben Stunde. Auch in höheren Jahren erschien er wohlerhalten; es fiel auf, wie sorgfältig, mit wie vornehmem Anstand er gekleidet war. Sein Sinn war, Würde mit Freundlichkeit zu verbinden; er sagte nie ein kränkendes Wort, er wußte jeden zufriedengestellt zu entlassen. Als er einmal nach Alcala kam, hat er nicht allein Vorlesungen besucht, sondern bei einer Promotion, der er beiwohnte, zwei Realen und zwei Paar Handschuhe, die jeder Doktor erhielt, angenommen, denn auch er war Doktor. Zuweilen finden wir ihn noch im Gehölz bei Segovia, bei den aragonesischen Cortes, einmal in Lissabon, übrigens immer zu Hause. Anfangs erschien er hier bei den Festen des Volkes; später ließ er sich das Jahr ein paarmal auf einer Galerie sehen, welche von seinen Zimmern nach seiner Kapelle ging; in den letzten Jahren unterließ er auch dies und blieb immer in seinen Gemächern.Gleichfalls nach venetianischen Berichten. Da gewöhnte er sich zu dem Ausdruck einer ganz unerschütterlichen Ruhe, eines bis zur Vollkommenheit ausgebildeten Ernstes, einem Ausdruck, der eine völlig unterwerfende Wirkung hatte. Selbst geübte und belobte Redner kamen aus dem Texte, wenn sie vor ihm standen, wenn er sie, wie er pflegte, mit den Augen von oben bis unten maß. Er sagte alsdann: »Beruhigt Euch« (Sosegaos); mit einem leisen Lächeln antwortete er:Gleichfalls nach venetianischen Berichten.
Wir sehen, Philipp II. fehlte die äußerliche Tätigkeit seines Vaters. Von jenem steten Reisen, jenem Eilen nach allen Orten, wo die Gegenwart des Fürsten notwendig schien, war er kein Freund. Er gab denen Beifall, welche an Ferdinand dem Katholischen lobten, daß er seine auswärtigen Kriege mehr führen lasse als selbst geführt, welche daran erinnerten, daß auch Karls Heere unter der Anführung eines Pescara und Leiva glücklicher gewesen als unter Karls eigener. Philipp führte Krieg, doch er selber blieb fern davon. Persönliche Regsamkeit macht die Seele offener, freier und wärmer. Wenn an Philipp immer eine gewisse Starrheit zu bemerken war, so mochte sie auch von dem Mangel an dieser Tätigkeit herrühren.
Die andere Seite der Tätigkeit Karls, im Kabinett, in dem eigentlichen Geschäft, war dagegen mehr auf Philipp übergegangen. Zwar hielt er sich auch hier von unmittelbarer Berührung mit andern lieber entfernt, und wir finden ihn weder persönlich unterhandeln noch an den Sitzungen des Staatsrates teilnehmen. Aber wir werden wahrnehmen, wie das Getriebe seines Staates so eingerichtet war, daß sich die Geschäfte des weitläufigen Reiches sämtlich an seinem Tische versammelten. Alle Beschlüsse seiner Räte von einiger Bedeutung wurden ihm auf einem gebrochenen Blatte vorgelegt, auf dessen Rande er sein Gutachten, seine Verbesserungen anzeichnete. Die Bittschriften, die Briefe, die an ihn einliefen, die Beratungen seiner Minister, die geheimen Berichte kamen hier sämtlich in seine Hand. Seine Arbeit und sein Vergnügen war, sie zu lesen, zu überlegen, zu beantworten. Von hier aus, zuweilen von einem ergebenen Sekretär unterstützt, oft in vollkommener Einsamkeit, regierte er die ihm untertänigen Länder, hielt auch die übrigen in einer Art von Aufsicht; von hier aus setzte er die geheimen Triebräder eines guten Teiles der Angelegenheiten der Welt in Bewegung.
Was ist es nun, was er in einem langen Leben so unablässig treibt? Ist es das Glück der Reiche, deren Leitung ihm anvertraut worden? Man hätte es glauben mögen, solange er in den ersten Zeiten sich von den Plänen und der Ruhmbegier seines Vaters fernzuhalten und nur seine eigenen Länder im Auge zu haben schien. Doch bald begann er auf die allgemeinen Verwicklungen lebhaft einzuwirken. Hatte er dann, wie vielleicht das Vermögen, so auch die Absicht, die Wunden der damaligen Welt zu heilen? Wir können weder das eine noch das andere behaupten. Gehorsam und katholische Religion zu Hause, katholische Religion und Unterwerfung in den andern Ländern, das ist es, was ihm am Herzen liegt, das Ziel aller seiner Arbeit. Er selbst ist dem äußeren Gottesdienste der katholischen Kirche mit einer mönchischen Anhänglichkeit zugetan. Um Erzherzogen, die ihn besucht haben, zu zeigen, wie ehrwürdig ein Priester sei, küßt er einem solchen nach der Messe die Hand. Einer vornehmen Dame, die auf die Stufen des Altars tritt, sagt er: »Das ist kein Platz weder für Euch noch für mich«. Wie emsig, mit wie vieler Sorgfalt, wie vielen Kosten bringt er aus den Ländern, welche protestantisch geworden, die Reliquien zusammen, damit diese Schätze nicht für die katholische Christenheit verloren gehen! Es ist dies wohl nicht innere Religion; aber zu einer Art innerer Religion, welche die Gesinnung zu bestimmen vermag, wird ihm die Überzeugung, er sei dazu geboren, diesen äußeren Dienst aufrechtzuerhalten: er sei die Säule der Kirche, das sei sein Auftrag von Gott. Erlangt er nun hierdurch, daß die meisten Spanier, voll einer ähnlichen Gesinnung, wie ein Italiener sagt, ihn nicht lieben, nicht verehren, sondern anbeten, daß sie seine Befehle für so heilig halten, daß man sie nicht übertreten könne ohne Gott zu verletzen, so werden ihm zugleich durch eine sonderbare Illusion, wenn wir anders mit Recht annehmen, daß seine Äußerungen nicht von einer inneren Täuschung ausgingen, es werden ihm die Fortschritte seiner Macht und die Fortschritte der Religion identifiziert, und in jenen sieht er diese. Hierin bestärken ihn die Niederländer, die zugleich von ihm und dem Papste abfallen. Freilich beseelt ihn im Grunde kein anderer Eifer als der Eifer Karls des Kühnen und Maximilians I., das burgundische, das habsburgische Haus zu erhöhen, der sich schon in Karl V. mit religiösen Intentionen gepaart hatte. In ihm ist diese Vereinigung nur noch viel stärker, und wenn er England zu erobern,Die Armada 1588. wenn er die Krone von Frankreich an seinen Neffen und an seine Tochter zu bringen sucht,Erzherzog Ernst von Österreich, Sohn Kaiser Maximilians und Marias, der Schwester Philipps, 1593 Statthalter in den Niederlanden und zum Gemahl von Isabella, Philipps Tochter, ausersehen, starb 1595; vgl. Französische Geschichte 1,399. so überredet er sich, er tue das zum Besten der Welt, ja zum Heile der Seelen. Wenn ihn nun auf der einen Seite sein zurückgezogener Ernst nicht fähig machte, seinen Nationen in Güte, Leutseligkeit und als ein Vater vorzustehen, so war diese beschränkte und fanatische Sinnesart weit entfernt, ihn zu einem Versöhner der zerfallenen Welt zu machen; er ward vielmehr ein großer Beförderer und Vermehrer ihrer Entzweiung.
Wo Kirche und Staat in Frage kamen, kannte er kein Erbarmen. Das Geheimnis, mit dem er seine Rechtspflege umgab, machte sie doppelt entsetzlich. Als sein Leben zu Ende ging, sah er sein Reich an Menschen erschöpft, mit Schulden beladen, seine Feinde und Rebellen mächtig, frisch, zum Angriff gerüstet; einen Nachfolger aber, der diesen hätte widerstehen, jenem aufhelfen können, den sah er nicht. Sein SohnPhilipp III., aus vierter Ehe 1578 geboren. war ganz untüchtig. Man sagt, dies habe sein Gefühl doch einmal übermannt. Seinem Schwiegersohne Albrecht von Österreich, der sich ganz nach ihm gebildet,Jüngerer Bruder des Erzherzogs Ernst, 1595 – 1621 Statthalter der Niederlande, 1599 mit Isabella vermählt, ein Mann von trefflichem Charakter, frei von Philipps Fanatismus und Mißtrauen. und seiner Tochter Isabella, die er sehr liebte, klagte er's. Zu der Gnade, ihm ein so großes Reich zu geben, habe Gott die andere, ihm einen Nachfolger zu schenken, der dasselbe ferner zu regieren vermöchte, nicht hinzufügen wollen; ihnen beiden empfehle er das Reich. Mit Tränen sagte dies der alte König, er, der beim Tode seiner Kinder die Tränen gespart.
Die Granden von Castilien S. 178-183. Finanzen unter Philipp II. S. 274 bis 292. Sinken des Wohlstandes in Castilien S. 299-313. Aufschwung der Niederlande S. 327 – 334.