Leopold von Ranke
Geschichtsbilder aus Leopold v. Rankes Werken
Leopold von Ranke

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Einleitung.

Nähere Kunde des einzelnen geben Rankes Aufzeichnungen »Zur eigenen Lebensgeschichte«, Sämtliche Werke, Bd. 53 u. 54, seine ebendaselbst und neuerdings in der »Deutschen Revue«, Jahrgang 1904, veröffentlichten Briefe; ferner die Lebensbeschreibung von Alfred Dove im 27. Bd. der »Allgemeinen Deutschen Biographie« und Eugen Guglia, L. v. Rankes Leben und Werke. Leipzig 1893.

Leopold Ranke, geboren am 21. Dezember 1795 in dem thüringischen Städtchen Wiehe, unweit Memleben an der Unstrut, stammt aus einer evangelischen Pfarrerfamilie. Der religiöse Sinn des Pfarrhauses waltete auch in dem Hause seines Vaters, der Rechtsgelehrter war und als kursächsischer Justizkommissarius eine mannigfaltige praktische Tätigkeit übte. Das heimatliche Bergland mit seinen geschichtlichen Erinnerungen an die sächsischen Kaiser und an die Reformation weckte frühzeitig in dem Knaben Liebe zum Vaterlande und zu dessen Geschichte. Eine tüchtige klassische Bildung, die ihn befähigte, später auch die neueren Sprachen in großem Umfange sich anzueignen, und sich in Schriftsteller verschiedenster Art einzulesen, erwarb er sich, nach vorbereitendem Unterricht in der nahen Klosterschule Donndorf, in der altberühmten Schulpforte unter dem gelehrten und strengen Rektor Ilgen. Erschütternde Ereignisse gingen während seiner Schulzeit über Deutschland hin; doch hatte Sachsen nicht so schwer wie andere deutsche Länder unter dem Druck der französischen Fremdherrschaft zu leiden. Gewaltsame Stöße, die der jugendlichen Entwicklung leicht gefährlich werden, blieben dem heranwachsenden Jüngling erspart; aber er erkannte, wie das Leben des einzelnen durch die großen Völkergeschicke bestimmt wird. Er nahm den Eindruck der Bewunderung, die man Napoleon entgegenbrachte, in sich auf, dann aber auch den gewaltigen Wechsel, der im Jahre 1813 eintrat. Die Befreiung des Vaterlandes gewährte die tröstliche Aussicht, unter besseren Verhältnissen ungestört sich einem wissenschaftlichen Berufe widmen zu können: mit diesem Vorsatz verließ Ranke zu Ostern 1814 die Schule und bezog die Universität Leipzig, um Theologie und Philologie zu studieren.

Bald entsagte er der Theologie, weil der damals noch herrschende Rationalismus sein Gemüt nicht befriedigte, auch weil er den Beruf zum geistlichen Amte nicht in sich fühlte. Sein Streben war auf wissenschaftliche Forschung gerichtet; dazu wiesen die klassischen Studien ihm den Weg. Besonders anregend wirkte auf ihn Gottfried Hermann, der die griechische Sprache und Literatur beherrschte wie kein anderer zu jener Zeit, zugleich ein Meister der kritischen Methode, welche die echte Überlieferung von späterem Mißverständnis zu befreien und herzustellen sich zur Aufgabe setzt. Diese Methode übertrug damals Niebuhr von der Philologie auf die Geschichtsforschung; der junge Student las die vor kurzem erschienene römische Geschichte Niebuhrs mit Begeisterung: da fand er neben scharfsinniger Prüfung des Überlieferten auch lebensvolle Auffassung vergangener Zustände. Nicht minder eifrig studierte er das klassische Geschichtswerk des Thukydides, doch daneben auch vieles andere; keineswegs dachte er schon daran, selbst Geschichtschreiber zu werden, sondern eine umfassende philologische Bildung war sein Ziel. Auch neuere Literatur und Kantische Philosophie zog ihn an; von der Theologie behielt er die Neigung zu kirchengeschichtlichen Studien. Er lebte auf der Universität in bescheidenen Verhältnissen, arbeitsam gewöhnt von Jugend auf. Sobald es anging, mußte er auf Abschluß seiner Studienzeit bedacht sein, da der Vater noch mehrere jüngere Söhne und Töchter zu versorgen hatte. Im Februar 1817 erwarb er die philosophische Doktorwürde; im Herbst desselben Jahres machte er seine erste größere Reise, meist zu Fuß. Er durchzog die Rheinlande, sah den wieder deutsch gewordenen, doch unvollendeten Kölner Dom und in Heidelberg die von den Brüdern Boisserée zusammengebrachte Sammlung altdeutscher Gemälde, die später nach München gekommen ist.

Sein nächstes Lebensziel war der Eintritt in das gymnasiale Lehramt. Da seine Heimat inzwischen preußisch geworden war und die preußische Regierung die Förderung des Schulwesens sich damals sehr angelegen sein ließ, wandte er sich nach Berlin, bestand dort im Sommer 1818 die Lehramtsprüfung und erhielt zum Herbst die Anstellung als Oberlehrer am Gymnasium zu Frankfurt a. O. Hier trat er in einen zusagenden Wirkungskreis; der Direktor, erst seit kurzem berufen, war ein von Leipzig her ihm befreundeter Schüler G. Hermanns; unter den Amtsgenossen fand er Männer, die von tüchtigem Streben erfüllt waren. Mit frischer Kraft widmete er sich den Aufgaben des Unterrichts, lehrte Latein, Griechisch, Geschichte in den oberen Klassen und verknüpfte damit die eigenen Studien, die ihn mehr und mehr zu den noch, vielfach unbekannten Quellen der Geschichte wiesen, denn mit oberflächlichen Kompendien wollte er sich nicht begnügen. Zustatten kam ihm eine ansehnliche Bibliothek, die von der 1811 aufgehobenen Universität in Frankfurt zurückgeblieben war; da fand er in altertümlichen Folianten Schriftsteller, die seine ganze Aufmerksamkeit fesselten. Mit eisernem Fleiß ging er daran, sich Auszüge daraus zu machen, um über die Zeiten des 15. und 16. Jahrhunderts ins klare zu kommen. Neben der großen kirchlichen Bewegung der Reformation, mit der er sich in dem Gedenkjahre 1817 schon näher beschäftigt hatte, trat ihm das rege politische Leben der europäischen Staatenwelt in vielen Berichten entgegen, die mannigfach voneinander abwichen: das mußte gesichtet und untersucht werden, wenn über jene Zeiten eine sichere Kunde gewonnen werden sollte. Jahrelang arbeitete er daran, ohne seinem Lehramt untreu zu werden; 1824 konnte er ein Buch herausgeben, das den Titel trug: »Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494-1514«. Es ist kein abgeschlossenes Werk, sondern läßt spätere Fortsetzung erwarten, doch ohne sie ausdrücklich anzukündigen. Die einleitende Abhandlung von der geschichtlichen Einheit der sechs Hauptvölker Europas, drei romanischer und drei germanischer, eröffnet große Gesichtspunkte: in allen Wandlungen ihrer besonderen Entwicklung ist doch immer etwas Zusammenfassendes erkennbar, so auch in der Zeit der zwanzigjährigen Kämpfe, die Hauptgegenstand der Darstellung ist. Sie werden zumeist auf dem Boden Italiens ausgefochten, und dieses Land hoher Kultur, das den Ansturm der Fremden, der Franzosen, Spanier und Deutschen, nicht abzuwehren vermag, erweckt des Verfassers besondere Teilnahme; doch schildert er auch den unfertigen, gärenden Zustand Deutschlands unter dem ehrgeizigen Kaiser Maximilian in treffender Weise. England und Skandinavien greifen nur gelegentlich in die Verwicklungen ein: man merkt, daß die germanischen Nationen noch zu Größerem berufen sind, als in jenem kurzen Zeitraum hervortritt. Den vorläufigen Abschluß bezeichnet die Bildung der großen Habsburgischen Monarchie, die Europa zu umfassen sucht und zugleich die neu entdeckten Gebiete in Amerika ihr eigen nennt. Als lebendige Gestalten treten die handelnden Fürsten, Staatsmänner und Feldherren auf mit vielen einzelnen Zügen, die den sorgsam angeführten Quellen entnommen sind: man sieht, wie der Verfasser sich in jene vergangene Welt eingelebt hat. Die Darstellung hat bei der Fülle des Stoffes etwas Unruhiges, Sprunghaftes; sie liest sich nicht leicht, fesselt aber den aufmerksamen Leser.

Sehr bedeutend ist das anschließende Buch, welches Ranke sofort dem ersten folgen ließ: »Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber«. Da wird man in seine Werkstatt eingeführt und sieht, wie er die für jene Darstellung benutzten italienischen, spanischen, deutschen, französischen Geschichtschreiber klar beurteilt und hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit prüft. Mit wenigen Strichen zeichnet er ihre persönliche Stellung, ihre Behandlung des Stoffes, ihr Verhältnis zu anderen so anschaulich, daß man volles Vertrauen zu seiner Führung gewinnt. Die kritischen Grundsätze Niebuhrs sind hier auf ein neues Gebiet angewandt; mit solcher Schärfe und Sicherheit hatte noch niemand die allerdings berühmten, aber noch wenig durchforschten Autoren, Guicciardini, Mariana, Sleidanus, Jovius, Comines u. a. zusammenfassend beurteilt. Ein Schlußkapitel »Von dem, was noch zu tun sei«, legt in ganz schlichter Weise dar, wie man nun von diesen Geschichtschreibern zu dem vordringen müsse, was ihnen selbst als Quelle diente oder dienen konnte: Urkunden, Akten, Gesandtschaftsberichten, die noch in Archiven und Bibliotheken verborgen seien, dazu auch die mehr volkstümlichen Chroniken heranziehen: allerdings ein weitaussehendes Werk, und der Verfasser verspricht keineswegs, daß er das unternehmen wolle; den Sinn dafür zu wecken, ist ihm schon viel wert. Den Anhang bildet eine höchst anziehende Abhandlung über Macchiavelli, der wegen seiner Besonderheit als politischer Schriftsteller nicht in die Betrachtung der Geschichtschreiber eingereiht werden konnte. Ranke würdigt ihn mit treffendem Urteil als genialen Vertreter einer verderbten Zeit: »Macchiavelli suchte die Heilung Italiens; doch der Zustand desselben schien ihm so verzweifelt, daß er kühn genug war, ihm Gift zu verschreiben«.

Die beiden Bücher erregten berechtigtes Aufsehen; hier wies ein mit allem Rüstzeug ausgestatteter Gelehrter der Wissenschaft neue Bahnen. Die preußische Unterrichtsverwaltung eröffnete dem Verfasser alsbald einen Wirkungskreis, der ihn zu weiterem Schaffen aufforderte; sie berief ihn zu Ostern 1825 als außerordentlichen Professor der Geschichte an die Universität Berlin. In den literarischen Kreisen der Hauptstadt fand er mancherlei Anregung; sein Leben erhob sich aus der bisherigen Einfachheit in höhere Beziehungen, die einen minder selbständigen Geist wohl hätten ablenken können. Aber bei einer natürlichen Begabung für geistreich geselligen Umgang, auch mit hochgebildeten Frauen, wie Rahel Varnhagen und Bettina v. Arnim, die beide ihn zu schätzen wußten, besaß er eine freudige Arbeitskraft und verlor seine wissenschaftlichen Ziele nie aus dem Auge. Die Königliche Bibliothek bot ihm eine umfangreiche Sammlung italienischer Aktenstücke dar, 48 Folianten, an die noch niemand, sich recht herangewagt hatte; nur Joh. v. MüllerBekannter Geschichtschreiber, geb. 1752 in Schaffhausen, schrieb die »Geschichte der Schweizer Eidgenossenschaft« 1780 ff., »Darstellung des Fürstenbundes« 1787 und anderes; 1766 Kabinettssekretär des Kurfürsten von Mainz, 1793 Hofrat in der kaiserlichen Hof- und Staatskanzlei zu Wien, 1804 als Historiograph des preußischen Staates nach Berlin berufen, 1807 Staatssekretär des Königreichs Westfalen, starb in Kassel 1809. Seine »Vierundzwanzig Bücher allgemeiner Geschichte« erschienen erst 1810 nach seinem Tode. hatte in der kurzen Zeit, da er in Berlin lebte, hineingeblickt und auf ihre Bedeutung hingewiesen. Ranke fand bei näherer Untersuchung hier einen Schatz von Berichten venetianischer und päpstlicher Gesandter aus dem 16. und 17. Jahrhundert, wie man sie in jenen Zeiten handschriftlich vervielfältigte, um sie den Sammlungen italienischer Staatsmänner und Kirchenfürsten einzuverleiben; er schätzte sich glücklich, eine solche Sammlung in der Heimat zu finden, während die meisten noch in Italien sein mußten. Einige Bände ähnlichen Inhalts bot ihm auch die Gothaer Bibliothek dar; alsbald ging er daran, aus dem reichen Stoff nähere Anschauung zu gewinnen von den Zuständen Italiens, Spaniens, des türkischen Reiches, worüber jene Gesandten genau und eingehend berichtet hatten. So entstand ihm ein Buch, welches 1827 erschien: »Fürsten und Völker von Südeuropa. Erster Band.« Er behandelte darin die Türkei und Spanien; die italienischen Staaten sollten nachfolgen, er hat sie aber später in anderer Weise behandelt. Neben den Berichten der Gesandten benutzte er natürlich auch die Nachrichten der Geschichtschreiber. Für das türkische Reich leistete ihm die damals neuerschienene »Geschichte des osmanischen Reiches« von dem gelehrten Wiener Orientalisten Joseph v. Hammer treffliche Dienste, darin fanden sich wertvolle Angaben türkischer Geschichtschreiber; aber auch sonst lag eine beachtenswerte ältere Literatur vor, darunter deutsche, jedoch lateinisch geschriebene Werke: die gedruckten Briefe des Ghislain de Busbeck, der 1556–62 Gesandter Kaiser Ferdinands I. in Konstantinopel gewesen war, die 1584 erschienene » Turcograecia« des Tübinger Professors Martin Crusius und die Schriften des gelehrten Joh. Löwenklau (Leunclavius), der von 1582 an den Orient bereiste und 1593 in Wien starb. Für Spanien gemährten Sepulveda, Zurita, Sandoval, die Ranke schon bei seinem ersten Werke benutzt hatte, ferner Cabrera, Marina u. a. die reichlichsten Nachrichten. Aber Farbe und Leben gewann dieses Material erst recht durch die Berichte der Gesandten, die sich ebenso auf einzelne Personen und Handlungen wie auf die öffentlichen Zustände im Ganzen erstrecken. So entstanden jene trefflichen Kapitel des Rankeschen Werkes über die innere Verwaltung der beiden Reiche, über die Zustände in Kastilien und Neapel, welches lange Zeit ein Nebenland der spanischen Monarchie war. Die genauen Angaben der Venetianer über Handel und Gewerbe in Spanien, über Volkszahl, Reichtum des geistlichen Grundbesitzes, Steuerpolitik der spanischen Regierung verwertete Ranke zu einer Darstellung des wirtschaftlichen Lebens, die für spätere Forscher auf diesem reichen Gebiet der Geschichte vorbildlich geworden ist. Die Sprache dieses Buches ist fließender, voller und schöner als die seines ersten Werkes; mit lebhaftem Anteil folgt man der belehrenden Schilderung, die auch über die Ursachen des Verfalls jener einst blühenden Reiche unzweifelhafte Auskunft gibt: wie stehen am Schlusse die aufblühenden Niederlande dem sinkenden Spanien gegenüber!Neue Ausgabe des Werkes in Bd. 35 u. 36 der Sämtlichen Werke, 1877; ebenso die »Geschichten der romanischen und germanischen Völker« in Bd. 33 u. 34,1885.

Rankes lebhafter Wunsch ging nun dahin, selbst Italien zu sehen und dort weiter zu forschen. Die preußische Regierung gewährte ihm schon im Herbst 1827 Urlaub, Geldmittel und Empfehlungen zu einer wissenschaftlichen Reise, welche reiche Früchte tragen sollte. Sein erstes Ziel war Wien, wo er einen bedeutenden Teil des alten venetianischen Archivs zu finden sicher war. Das freundliche Entgegenkommen des aus Preußen stammenden österreichischen Staatsmannes Friedrich v. GentzGeboren 1764 in Breslau, 1786 Sekretär im General-Finanzdirektorium zu Berlin, 1802 durch Vermittlung des Grafen Stadion nach Wien berufen, Rat in der Hof- und Staatskanzlei, gewandt als politischer Schriftsteller, Verfasser der österreichischen Kriegsmanifeste gegen Napoleon 1809 und 1813, Protokollführer beim Wiener Kongreß, ebenso bei den folgenden Kongressen in Aachen, Troppau, Laibach, Verona; starb 1832. verschaffte ihm die Erlaubnis des Fürsten Metternich, das sonst unzugängliche Wiener Staatsarchiv für seine nicht auf Österreichs Geschichte gerichteten Studien zu benutzen. Er fand hier unter anderem merkwürdige Gesandtschaftsberichte über den unglücklichen Prinzen Don Karlos, Sohn Philipps II. von Spanien, und verwertete sie in einer Abhandlung, die 1829 in den Wiener Jahrbüchern für Literatur und Kunst erschien.Wiedergedruckt in Bd. 40 u. 41 der Sämtlichen Werke; Neudruck der »Historisch-biographischen Studien«, 1900. Sie ist ein Muster kritischen Verfahrens, trefflich bis ins einzelne ausgeführt: durch Gegenüberstellung der bisher von zwei entgegengesetzten Parteien in mancherlei Schriften verbreiteten Erzählungen wird der Leser nach und nach auf die Wahrheit hingeführt, die sich dann aus den neugefundenen Dokumenten unzweifelhaft ergibt. Nicht durch Richterspruch der Inquisition ist Don Karlos zum Tode verurteilt worden, sondern an Krankheit starb er in der Haft, die sein strenger Vater über ihn verhängt hatte, weil der Prinz in heftigem Zorn sich drohend gegen ihn erhoben hatte. Ferner fand Ranke in Wien bei den venetianischen Akten wichtige Nachrichten über Einsetzung und Wirksamkeit der Staatsinquisition, deren heimliches Gerichtsverfahren der sonst so glänzenden Geschichte der alten Republik Venedig oft zum Vorwurf gemacht worden ist. Er erkannte, daß die von dem französischen Geschichtschreiber DaruGeboren 1767 in Montpellier, 1795 Beamter im französischen Kriegsministerium, 1805 von Napoleon in den Grafenstand erhoben, 1806-09 General-Intendant in Berlin mit dem Auftrage, die dem preußischen Staat auferlegten Kriegszahlungen mit Strenge beizutreiben, 1811-14 kaiserlicher Minister in Paris, 1818 von König Ludwig XVIII. zum Pair von Frankreich ernannt; starb 1829. in seiner 1819 erschienenen Geschichte Venedigs gegebene Schilderung auf einem gefälschten Dokument beruhe, auf angeblichen Statuten der Inquisitoren von 1454; er zeigte, daß sie erst 1539 eingesetzt und 1600 zu selbständigerer Macht gekommen seien, allerdings eine strenge Aufsichtsbehörde, aber nicht nutzlos grausam, mehr gefürchtet als wirklich gewaltübend, während jene Statuten »in einem Sinne geschrieben sind, welcher nur nach Blut verlangt«. Ranke verfaßte eine Abhandlung darüber, legte sie aber einstweilen zurück, weil er noch weiter in die venetianische Geschichte eindringen wollte. Als nach einigen Jahren italienische Gelehrte, namentlich der Venetianer Romanin, die Sache erschöpfend in Druckschriften darlegten, kam er nicht wieder darauf zurück; die Abhandlung ist erst 1873 in den Sämtlichen Werken (Band 42) als Anhang zu der Darstellung der venetianischen Verfassung gedruckt worden.

Ein Jahr lang verweilte der unermüdliche Forscher in Wien, nicht immer mit Büchern und Papieren beschäftigt, sondern auch dem Leben der Gegenwart zugewandt und fremdartiges Volksleben, das sich hier mit dem deutschen mischte, beobachtend. Fr. v. Gentz lud ihn öfters zu sich ein und gab ihm in politischen Gesprächen Einblick in die damaligen Verhandlungen der europäischen Mächte, namentlich über Griechenlands Befreiung von der Türkenherrschaft; es war ein praktischer Kursus in der Diplomatie, dem künftigen Geschichtschreiber diplomatischer Verhandlungen sehr nützlich. Dann lernte er einen gebildeten Serben kennen, Wuk Stephanowitsch, der ihm Mitteilungen machte über den Freiheitskampf der Serben in den Jahren 1804-16, an dem er teilgenommen hatte. Ranke erkannte, daß dieses tapfere Volk der allgemeinen Teilnahme nicht minder würdig sei als die Griechen, und schrieb, um solche Teilnahme zu erwecken, das Buch »Die Serbische Revolution«, welches 1829 erschien. Er erzählte darin von der alten Heldenzeit der Serben im 14. Jahrhundert, die in ihren Volksliedern lange nachklang, von Sitten und Zuständen, dann von dem Freiheitskampfe, der damit endete, daß Serbien, von Rußland unterstützt, einen einheimischen Fürsten und selbständige Verwaltung erhielt, doch immer noch unter türkischer Oberhoheit. Es war ihm ganz erwünscht, auch einmal Ereignisse der jüngsten Vergangenheit zur historischen Darstellung zu bringen; er verabsäumte nicht, die Einwirkungen der europäischen Politik, namentlich die wechselnden Beziehungen Napoleons zu Rußland und zu der Türkei aus französischen Schriften mit heranzuziehen; die Hauptsache aber war, wie unter dem Drucke der Not sich in dem Serbenvolke ein nationales Kriegswesen und eine nationale Regierungsweise entwickelte, an die alten Sitten anschließend, allmählich sich vervollkommnend. Als später im Jahre 1842 eine neue Auflage des Buches nötig wurde, fügte Ranke eine über die weitere Entwicklung unterrichtende Fortsetzung hinzu: die dritte Ausgabe in den Sämtlichen Werken (Band 43 u. 44) konnte er mit der durch den Berliner Kongreß 1878 ausgesprochenen vollen Selbständigkeit Serbiens abschließen.

Im Herbst 1828 betrat Ranke den Boden Italiens, wo es soviel zu schauen und zu sammeln gab, daß die schriftstellerische Tätigkeit einstweilen ruhen mußte; hier reiften allmählich in ihm die weiteren Pläne für die Zukunft. Zunächst verweilte er einen Winter in Venedig, emsig mit den Schätzen des Archivs beschäftigt; im Frühjahr 1829 kam er nach Rom. Zu den Handschriftenschätzen des Vatikans erhielt er nur beschränkten Zutritt; dafür entschädigten ihn die Privatarchive vornehmer römischer Familien, die sich ihm nach und nach öffneten, namentlich durch Vermittlung des preußischen Gesandten Bunsen,Christian Karl Josias Bunsen, geboren 1791 zu Corbach im Fürstentum Waldeck, 1817 Sekretär des preußischen Gesandten Niebuhr in Rom, 1823 bis 1839 dessen Nachfolger als Gesandter, 1841–54 Gesandter in London; starb 1860. in dessen gastlichem Hause sich auch anregendster Verkehr darbot. Wie bedeutende Eindrücke er in Rom empfing, hat er in Briefen und Aufsätzen selbst geschildert; mit sinnendem Auge betrachtete er die Werke der Kunst und das eigentümliche, überall von kirchlichen Gebräuchen durchzogene Volksleben;Vgl. »Erinnerungen an römische Zustände im Jahre 1829« in Bd. 40 u. 41 der Sämtlichen Werke. auch zu einem Ausfluge nach Neapel und Pompeji nahm er sich Zeit. Mit reicher Ausbeute an historischem Material verließ er Rom im Frühjahr 1830, wandte sich nach Florenz, wo gleichfalls bedeutende Schätze sich auftaten, hielt dann in Venedig und Mailand eine Nachlese und betrat im Januar 1831 wieder deutsches Land. In München und in dem Pfarrhause seines jüngeren Bruders Heinrich, unweit Nürnberg, verlebte er dann einige Monate ruhiger Sammlung und Erholung; nach Ostern begann er wieder seine Lehrtätigkeit in Berlin.

Reiche Belehrung und Erfahrung verdankte er dieser Reise; sie hatte ihn auf eine Höhe des Lebens geführt, die vielen verschlossen bleibt. Nun ging er daran, ihre wissenschaftlichen Früchte in Rede und Schrift nutzbar zu machen. Noch im Jahre 1831 veröffentlichte er die Schrift »Die Verschwörung gegen Venedig 1618«, zur Berichtigung der irrtümlichen Darstellungen dieses geheimnisvollen Vorganges von St. Real, dem Schiller in seinen kleinen historischen Schriften gefolgt war, und von Daru. Eine gleich nach Beendigung der Reise geschriebene Abhandlung über italienische Kunst blieb ungedruckt, bis sie später in den Sämtlichen Werken (Bd. 51 und 52) veröffentlicht wurde; eine andere »Zur Geschichte der italienischen Poesie« las er 1835 in einer Sitzung der Akademie der Wissenschaften vor und brachte sie dann in deren Schriften 1837 zum Abdruck.Wiedergedruckt 1888 in Bd. 51 u. 52 der Werke. Den Hauptertrag seiner Forschungen verarbeitete er zu einem größeren Werke, der Geschichte der Päpste, als Fortsetzung seiner Darstellung der Fürsten und Völker von Südeuropa. Studien zur florentinischen Geschichte legte er einstweilen zurück; einige andere Abhandlungen zur Geschichte Italiens veröffentlichte er in einer Zeitschrift, deren Herausgabe er auf Wunsch der preußischen Regierung übernahm.

*

Die im Juli 1830 in Frankreich vollzogene Staatsveränderung erregte, ähnlich wie früher die große französische Revolution, mancherlei Bewegung im übrigen Europa; den einen erschien sie als ein glücklicher Erfolg des Strebens nach freieren und doch gesetzlich geordnetem Staatsleben, den anderen als neue Erhebung der revolutionären Ideen. In mehreren deutschen Staaten entstanden Unruhen, die durch Verkündigung neuer Verfassungen beigelegt wurden; in Preußen fragte man, ob es nicht Zeit sei, die im Jahre 1815 verheißene »Nationalrepräsentation« ins Leben zu rufen. Seit 1823 bestanden Versammlungen der Provinzialstände, in denen mancherlei Fragen des Staatswohls erwogen wurden; die gesetzgebende Gewalt aber stand von alters her der Regierung allein zu, und diese hatte seit dem Ende der großen Kriegszeit sich als tüchtig bewährt: sollte sie nun einem in Frankreich gegebenen Vorbilde sich anschließen und dabei die ruhige Entwicklung des Staates gefährden? In französischen und deutschen Zeitungen und Flugschriften ergoß sich heftiger Tadel über Preußens Zurückbleiben hinter den Forderungen des Zeitgeistes; dem gegenüber machte der deutsch gesinnte angesehene Buchhändler Friedrich Perthes in Gotha dem preußischen Minister des Auswärtigen Graf Bernstorff den Vorschlag, in Berlin eine Zeitschrift ins Leben zu rufen, die durch geschichtliche Belehrung dem blinden Nachahmen französischen Wesens entgegentrete und die Deutschen auf ihre eigenen Aufgaben hinweise. Der Vorschlag fand Anklang; eine von dem Minister eingesetzte Kommission beschloß die Herausgabe der Historisch-politischen Zeitschrift; zum Herausgeber ward Ranke erwählt, namentlich auf Vorschlag des ihm befreundeten Professors der Rechte v. Savigny.Friedrich Karl v. Savigny, geb. 1779 in Frankfurt am Main, seit 1810 Professor in Berlin, Verfasser der »Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter«, 1815 ff., zweite Auflage 1834, Herausgeber der »Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft«, 1842–48 Justizminister; starb 1861. Die Zeitschrift sollte wissenschaftlich sein, nicht bloß Tagesfragen erörtern; man wünschte eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Ranke war nicht ohne Bedenken, doch nahm er die Wahl an, denn allerdings meinte er, daß die Geschichtsforschung sich nicht nur mit fernen Zeiten und Ländern zu beschäftigen habe, sondern auch mit dem Jüngstvergangenen, das noch unmittelbar nachwirke; Geschichte und Staatskunst standen ihm in enger Verwandtschaft, beide aufeinander angewiesen, wie er das in seiner Rede zum Antritt der ordentlichen ProfessurWerke Bd. 24. 1836 näher nachgewiesen hat.

Zu Anfang des Jahres 1832 erschien in Perthes Verlage das erste Heft der Zeitschrift mit einem einführenden Aufsatz von Ranke,Werke Bd. 49 u. 50; daselbst auch die weiteren Abhandlungen. der darauf hinwies, daß man gegenüber den sich bekämpfenden politischen Theorien auf das Notwendige und Ausführbare bedacht sein müsse; dieses werde durch geschichtliche Betrachtung erkannt. In einer Reihe von Abhandlungen beleuchtete er nun die parlamentarischen Kämpfe in Frankreich seit der Herstellung des Königtums 1814 und 15, das Zustandekommen der neuen Verfassung von 1830, die einander bekämpfenden Vorschläge der französischen Flugschriften von 1831; dem gegenüber die anders gearteten Verhältnisse Deutschlands: hier gelte es nicht sowohl zu behaupten, was durch die Revolution erworben sei, als das durch ihre Einwirkung Verlorene zu ersetzen, vor allem die nationale Einheit, die im alten deutschen Reiche doch immer noch eine politische Form gehabt habe. Die Abhandlung »Deutschland und Frankreich« schloß er mit einem warmen Anruf des deutschen Nationalgefühls: »Nachdem wir sie in allen Zweigen zurückgeschlagen, nachdem wir, in jener großen geistigen Richtung weiterschreitend und zu den Waffen greifend sie auch im Felde überwunden haben, sollten wir uns in dem wichtigsten Lebenselement, in der Form des Staates, an sie anschließen und ihre dürren Erfindungen nachahmen? Es sei ferne! Alles was wir haben und sind, alles was wir in den Jahrhunderten unserer Vergangenheit erworben haben, lehnt sich dawider auf.« Über die preußische Verfassungsfrage sprach er in der Abhandlung »Über die Trennung und die Einheit von Deutschland« sich dahin aus, daß man die Einführung einer allgemeinen Ständeversammlung der Zukunft anheimstellen möge, »wenn dieses Institut bei einer großen Gelegenheit zu einem besonderen Zweck notwendig und durch die Lage der Dinge selbst hervorgerufen werden sollte«; die Hauptaufgaben für die Gegenwart lägen in den Mängeln der deutschen Bundesverfassung, man müsse das Bundeskriegswesen befestigen, gemeinsame Handelseinrichtungen schaffen und namentlich ein gleichmäßiges Preßgesetz, »das der Nation nicht den Argwohn beibrächte, als wolle man geistigen Druck über sie verhängen, aber stark genug, um dem Fortgange des inneren Zerwürfnisses zu steuern.«

Man sieht, mit großem Eifer widmete sich Ranke der übernommenen Verpflichtung. Auch die politischen Zustände Italiens betrachtete er, zunächst historisch in dem Bericht über die Verwaltung des 1814 hergestellten Kirchenstaates durch Kardinal Consalvi unter Papst Pius VII., der 1823 starb,Wiedergedruckt in Bd. 40 u. 41 der Sämtlichen Werke: »Historisch-biographische Studien«; als Anhang daselbst auch die beiden folgenden Abhandlungen. dann politisch in den Aufsätzen »Über die gegenwärtigen Irrungen im Kirchenstaat« und über Flugschriften des Jahres 1831. Von der Türkei gab die Darstellung der »letzten Unruhen in Bosnien« Nachricht.Wiedergedruckt in dem Buche über Serbien und die Türkei, Bd. 43 u. 44. Nun hätte eine Reihe ebenso regsamer Mitarbeiter ihm zur Seite stehen müssen, um die Zeitschrift reich auszugestalten; aber sie fanden sich nur spärlich, und er mochte sie wohl nicht mit dem vollen Eifer eines Journalisten suchen. Einige höhere Ministerialbeamte lieferten Aufsätze über das preußische Zollwesen und über wirtschaftliche Fragen; Korrespondenzen aus Sachsen und der Schweiz konnte er zum Abdruck bringen; das Beste leistete Savigny mit den beiden Abhandlungen über die preußische Städteordnung und über Wesen und Wert der deutschen Universitäten. Zu einem dauernden Erfolg in größerem Leserkreise konnte die Zeitschrift es nicht bringen; sie erschien den meisten zu gelehrt, sie behandelte die Tagesfragen nicht greifbar genug. Perthes hatte gewünscht, daß sie vierzehntägig erschiene; der Herausgeber aber entschied sich mit Rücksicht auf die Länge der Abhandlungen für Vierteljahrshefte. Am Ende des Jahres 1832 gab Perthes den Verlag auf und fortan erschien jährlich nur ein Heft, das letzte 1836. Es war ein Rückzug, doch keine Niederlage; soviel hatte der erste Jahrgang gewirkt, oder wenigstens mitbewirkt, daß man in Preußen sich abwandte von der Franzosenbegeisterung, der viele Süddeutsche bei dem Hambacher Volksfest (Mai 1832) Ausdruck gaben. Und nun gelang der preußischen Politik ein wichtiges nationales Werk: der Zollverein. Ranke legte dessen Entstehung und Bedeutung alsbald in einer trefflichen Abhandlung »Zur Geschichte der deutschen, insbesondere der preußischen Handelspolitik seit 1818« dar.Wiedergedruckt Bd. 49 u. 50. Der übrige Inhalt der späteren Hefte war mehr historisch als politisch; die Abhandlung »Über die Zeiten Ferdinands I. und Maximilians II.«Werke, Bd. 7: Zur deutschen Geschichte. Bd. 49 u. 50. vereinigte den politischen Zweck mit dem historischen in treffender Weise, indem sie aus der deutschen Geschichte bewies, wie schwer es sich räche, wenn man eine Zeit glücklichen Friedens nicht benutze, um vorhandene nationale Aufgaben zu lösen und die Elemente drohender Zwietracht unschädlich zu machen. Mit dem »Politischen Gespräch«, welches in lebendiger Dialogform über Wesen und Aufgaben des Staates handelt, schloß Ranke 1830 die Zeitschrift. Inzwischen hatte er das Geschichtswerk vollendet, welches seinen Ruhm als Geschichtschreiber dauernd begründete.

Die dreibändige Geschichte der römischen Päpste schildert auf Grund des in Italien gesammelten Materials hauptsächlich die Päpste des 16. und 17. Jahrhunderts in ihrer Doppelstellung als Häupter der katholischen Christenheit und zugleich italienische Landesfürsten. Der reiche tatsächliche Inhalt, die anschaulichen Bilder der Persönlichkeiten, die Würdigung des in der katholischen Kirche seit dem Tridentiner Konzil neuerwachten Lebens verschafften dem Buche Anerkennung auch in katholischen Kreisen, zumal da um 1836 die Schärfe der konfessionellen Gegensätze im gebildeten Europa sehr gemildert war; es wurde bald auch ins Französische und Englische übersetzt. Der Geist des Buches ist aber gut protestantisch, und in diesem Sinne hat es auch gewirkt, um so mehr, da es den Ton leidenschaftlicher Erregung durchaus vermeidet und sich auf der Höhe geschichtlicher Betrachtung hält.

Die Einleitung legt das Emporkommen des Papsttums in früheren Jahrhunderten dar. Es ist, wie die Vorrede von vornherein ausspricht, eine »kirchlich-weltliche Macht«, gehört also nicht zum Wesen des Christentums, welches in die Welt eintrat als »Befreiung der Religion von den politischen Elementen«. Allerdings bedurfte die Kirche zu ihrer geschichtlichen Entwicklung einer festen Organisation; eine solche bildete sich unter dem Schutze des römischen Kaisertums nach dem Vorbilde der Staatsordnung des römischen Reiches. Sie hatte daher auch ein monarchisches Oberhaupt, aber mit dem Eintritt der Teilung des ost- und weströmischen Reiches war dann auch eine Teilung der Kirche verbunden. Nur im weströmischen Reiche galt das Papsttum, es gewann aber Kraft und Ausdehnung über ganz Westeuropa unter dem Schutze des fränkischen, dann des deutschen Reiches. Damals wurde »dem geistlichen Stande ein großer Teil der politischen Gewalt übertragen; er hatte fürstliche Macht.« Nun kam die Zeit, wo das Papsttum sich von der kaiserlichen Schutzherrschaft frei machte, als Führer des durch die Mönchsorden ungemein verstärkten geistlichen Standes an die Spitze der »abendländischen Nationen« trat, die griechische Kirche zu unterwerfen und den Islam von den heiligen Stätten zu verdrängen unternahm. Aber seine Erfolge waren nicht dauernd; die selbständige Entwicklung der europäischen Nationen setzte sich der allgemeinen Kirchenherrschaft entgegen; diese selbst geriet in Schwäche und Verwirrung. Es kam zur Kirchenspaltung, da mehrere Päpste gegeneinander auftraten. Man stellte die Einheit wieder her, aber schon hatten die Staaten »einen nicht geringen Anteil an den geistlichen Rechten und Befugnissen an sich gebracht«, den sie auch weiterhin behaupteten. Nun folgte die Opposition auf geistigem Gebiete, zuerst durch Wiederaufleben der Kenntnis des Altertums, dann aus der Tiefe des religiösen Lebens selbst. Mit der in Italien aufblühenden Renaissance konnten die Päpste sich befreunden, mit der deutschen Religiosität nicht. »Unser Vaterland«, sagt Ranke am Schlusse des ersten Buches, »hat das unsterbliche Verdienst, das Christentum in reinerer Gestalt, als es seit den ersten Jahrhunderten bestanden, wiederhergestellt, die wahre Religion wiederentdeckt zu haben. Mit dieser Waffe war es unüberwindlich gerüstet, seine Überzeugungen brachen sich bei allen Nachbarn Bahn.«

So ist der Gegenstand des nun ausbrechenden geschichtlichen Kampfes, der den Hauptinhalt des Rankeschen Werkes bildet, klar bezeichnet. Der keineswegs ursprünglichen, sondern durch bestimmte geschichtliche Verhältnisse entwickelten mittelalterlichen Kirchenform stehen zwei Mächte gegenüber: die Selbständigkeit der Staaten und die religiöse Erneuerung. Der Katholizismus erhebt sich aus innerer Kraft, er ruft den weltlichen Arm zu Hilfe; das Papsttum gelangt abermals zu einer großen Stellung. Aber durch die Entscheidung des dreißigjährigen Krieges wird der Katholizismus in bestimmte Grenzen gewiesen; »an eine Welteroberung, wie er sie vorhatte, kann er niemals wieder im Ernste denken.« In der Folgezeit treten auch katholische Staaten dem Papsttum entgegen, die Aufklärung des 18. Jahrhunderts ist ihm feindlich, durch die französische Revolution gerät es in schwere Bedrängnis; wieder befestigt wird es durch die Herstellung der europäischen Staatenverhältnisse nach Napoleons Sturz. Es ist als ein bedeutendes Moment der europäischen Entwicklung anerkannt, es tritt wie in früheren Zeiten für kirchliche Machtausbreitung ein; die Zukunft ist ungewiß. Der Geschichtschreiber gibt am Schlusse der Hoffnung Ausdruck, daß solche Glaubenskämpfe, wie sie früher die Welt entzweiten, doch nicht wiederkehren werden, die Bewegung der Geister gehe auf religiöse Verständigung, »über alle Gegensätze erhebt sich die Einheit eines reinen und darum seiner Sache nicht minder sicheren Gottesbewußtseins«. Diesen Schluß hat Ranke, als er in späteren Jahren das Werk von neuem herausgab,Sechste Auflage in den Sämtlichen Werken 1874. zehnte Auflage 1900. mit schwerem Herzen getilgt und eine Fortsetzung angefügt über das neue Anwachsen der päpstlichen Macht, das zu dem Konzil von 1870 geführt hat. Er wollte keinen Zweifel darüber lassen, welche Stellung er zu dem erneuten kirchlichen Kampfe einnehme. Gegenüber dem Vordringen der Propaganda betont er den Wert der »in sich fest begründeten protestantisch-deutschen Wissenschaft«; bei dem päpstlichen Rundschreiben von 1864, dem sogenannten Syllabus, sagt er: »Was der Papst verwarf, war, wenn auch nicht gerade in jedem Punkte, doch im allgemeinen das System der modernen Anschauungen und Lehren, die in die Überzeugung des lebenden Menschengeschlechtes übergegangen sind«; er führt an, daß dazu auch der Grundsatz der Gewissensfreiheit gehöre. Der Verlauf des Konzils zeigt, welche Mühe es kostete, die Opposition unter den versammelten Bischöfen zum Schweigen zu bringen; endlich wird die Unfehlbarkeit des selbst entscheidenden, nicht mehr an die Zustimmung der Kirche gebundenen Papstes feierlich verkündet, und in denselben Tagen bricht der deutsch-französische Krieg aus. »Wer wollte sagen, wohin es geführt hätte, wenn das Glück der Waffen zugunsten der katholischen Nation ausgefallen wäre, welches neue Übergewicht dem Papsttum dadurch hätte zuteil werden können! Der Erfolg war der entgegengesetzte. Ein überzeugter Protestant möchte sagen: es war die göttliche Entscheidung gegen die Anmaßung des Papstes, der einzige Interpret des Glaubens und der göttlichen Geheimnisse zu sein.« Das Papsttum, der weltlichen Gewalt beraubt, zieht sich nun ganz auf die Ausübung seiner geistlichen Autorität zurück; damit beginnt eine neue Epoche in dem Dasein dieser Macht. Die Zukunft ist wiederum ungewiß; Rankes Werk aber in seiner erneuten Gestalt bleibt dem deutschen Volke ein unverlierbares Gut; es lehrt, daß die neue Erhebung des Papsttums zwar auch eine geschichtlich begründete Erscheinung ist, aber mit nicht mehr Anspruch auf Geltung und Dauer, als jene Erhebung zur Gegenreformation,: der doch Einhalt getan wurde, freilich erst am Ende des verderblichsten Krieges, der über Deutschland gekommen ist.

Als im Jahre 1836 die Geschichte der Päpste vorläufig abgeschlossen vorlag, faßte Ranke den naheliegenden Entschluß, ihr eine Geschichte der deutschen Reformation folgen zu lassen. Es war die entscheidende Wendung der deutschen Geschichte, die er darzustellen unternahm, der Ursprung der ganzen folgenden Entwicklung Deutschlands. Mit eindringender theologischer Kenntnis ging er daran, aber seine Stellung nahm er auf dem nationalen Standpunkt. Ausgehend von der Größe und dem Verfall des mittelalterlichen Kaisertums schildert die Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation zuerst die unter Kaiser Maximilian I. gemachten aber nur unvollkommen durchgeführten Versuche, dem deutschen Reich eine bessere Verfassung zu geben, dann das gewaltige Ringen der religiösen und zugleich nationalen Bewegung mit den bestehenden kirchlichen Mächten und der dynastischen Politik Karls V., endlich das Zustandekommen des Augsburger Religionsfriedens, der aber die Keime künftiger Zwietracht in sich birgt. »Glücklich die Zeiten, wo ein einziger nationaler Gedanke alle Gemüter ergreift, weil er alle befriedigt; hier war dies nicht der Fall.« Einen tröstlichen Ausblick gewährt jedoch das Schlußkapitel über die Entwicklung der Literatur: Deutschland zeigt im 16. Jahrhundert eine solche Fülle geistigen Lebens auf protestantischer Seite, daß man an seiner Zukunft trotz drohender schwerer Gefahren nicht zu verzweifeln braucht.

Das Werk erschien 1839-43 in fünf Bänden; ein sechster mit urkundlichen Erläuterungen folgte 1846.Vierte Auflage in den Sämtlichen Werken 1867-68; siebente Auflage 1894 Zuverlässige, bisher unbenutzte Quellen hatten sich in der großen Sammlung von Reichstagsakten gefunden, welche die Stadt Frankfurt a. M. bewahrt, dann in den reichsfürstlichen Archiven zu Berlin, Dresden, Weimar, Dessau, für die auswärtigen Einwirkungen in Brüssel und Paris, wo Ranke 1839 zum erstenmal verweilte; nicht gering war auch für dieses Werk der Ertrag seiner italienischen Sammlungen. Er scheute keine Mühe, um zu umfassender Kunde zu gelangen; »man bedaure den nicht«, sagt er in der Vorrede, »der sich mit diesen anscheinend trockenen Studien beschäftigt und darüber den Genuß manches heiteren Tages versäumt. Es ist wahr, es sind tote Papiere; aber sie sind Überreste eines Lebens, dessen Anschauung dem Geiste nach und nach aus ihnen emporsteigt«. Und so gewann er die Zuversicht, ein Werk von bleibender Bedeutung zu schaffen, »überzeugt, daß wenn man nur mit ernstem und wahrheitsbeflissenem Sinne in den echten Denkmalen einigermaßen umfassende Forschungen angestellt hat, spätere Entdeckungen zwar wohl das einzelne näher bestimmen werden, aber die Grundwahrnehmungen doch zuletzt bestätigen müssen; denn die Wahrheit kann nur eine sein«. Später ist ihm von katholischer Seite das gelehrte Werk von Janssen entgegengestellt worden, welches die gleichen Tatsachen ganz anders beurteilt, überall nur den Abfall von der Kirche sieht, wo Ranke neues geschichtliches Leben erkennt. Es bringt auch neues Material herbei, aber der wissenschaftlich freien Forschung kann es nicht Genüge tun. Rankes Werk ist für die protestantische Mehrheit des deutschen Volkes ein Nationalwerk geworden, das die Liebe zum Vaterlande und zu dem geistigen Erbe unserer Väter immer wieder von neuem anregt.

Inzwischen hatte Rankes äußere Lebensstellung sich befestigt durch seine Ernennung zum ordentlichen Professor an der Universität, im Dezember 1833; die Akademie der Wissenschaften hatte ihn schon 1832 zum Mitglied erwählt. Er waltete als anerkannter Meister der Wissenschaft seines Lehramtes in der Hauptstadt Preußens, die immer mehr auch als geistige Hauptstadt Deutschlands anerkannt wurde. Zahlreiche Hörer besuchten seine Vorlesungen, nicht nur Studenten, sondern auch Beamte und Offiziere, obgleich es nicht leicht war seinem Vortrage zu folgen, der nicht in ruhiger Klarheit dahinfloß, vielmehr lebhaft hervorsprudelte und dann wieder anhielt, das Erzeugnis einer den Stoff unaufhörlich neugestaltenden Geisteskraft.Vgl. die Schilderungen bei Guglia, S. 288; R. v. Liliencron, Frohe Jugendtage. Leipzig 1902 Ganz besonders wirkte er auf den kleineren Kreis auserwählter Schüler, die er zu historischen Übungen um sich versammelte. Er ließ sie nicht an der eigenen neuen Forschungsarbeit teilnehmen, abgesehen von gelegentlichen Mitteilungen, sondern wählte leichter zu überschauende Gebiete aus älteren Zeiten, namentlich die Geschichtsquellen der mittelalterlichen Kaiserzeit. Seit 1826 erschien unter Leitung von G. H. Pertz die große Sammlung Monumenta Germaniae; doch war man bei ihrem langsamen Vorschreiten noch vielfach auf die älteren, unvollkommenen Ausgaben angewiesen. Gerade dieser Umstand gab zu fruchtbarem Wirken der Übungen Anlaß; philologische Kritik mußte der historischen die Wege bahnen, und streng ward darauf gehalten, die Eigenart und den Gesichtskreis des Schriftstellers durch Vergleich mit der anderweitigen Überlieferung festzustellen. Aus diesen Übungen ging eine Reihe bedeutender Forscher hervor, die des Meisters Arbeit erfolgreich fortsetzten. Zwei Schüler Rankes wurden bald tüchtige Mitarbeiter an den Monumenten, 1836 Georg Waitz, 1842 Wilhelm Wattenbach; sie sind später, als Pertz von der Leitung zurücktrat, nacheinander an die Spitze des Unternehmens getreten. Aber auch ein eigenes Werk ging aus Rankes Übungen hervor, die »Jahrbücher des deutschen Reiches unter dem sächsischen Hause«. Der erste Band, 1837 mit einer Vorrede von Ranke herausgegeben, enthält die Geschichte Heinrichs I. von Waitz. Mehrere Bände folgten; die Geschichte Ottos II. schrieb Wilhelm Giesebrecht, der später durch seine ausführliche Darstellung der gesamten Kaiserzeit bis Friedrich Barbarossa sich einen Namen gemacht hat. Andere Stoffe wählte Heinrich v. Sybel; er schrieb zuerst 1838 über Jordanis, den Geschichtschreiber der Goten, dann 1841, von Rankes Rat unterstützt, eine Geschichte des ersten Kreuzzuges. Er hat in der Gedächtnisrede, die er nach Jahrzehnten dem Meister hielt,H. v. Sybel, Vorträge und Abhandlungen. München und Leipzig 1897. S. 290 ff. über die historischen Übungen berichtet: »Unter seiner sicheren Leitung lernte der Schüler ohne vieles Theoretisieren die kritische Methode durch eigene Arbeit. Er verstattete ihm freie Wahl des Arbeitsthemas, war aber stets bereit, aus seinem unabsehbaren Wissensstoff lehrreiche Probleme zur Vorlage zu bringen. Fehler gegen die kritischen Gesetze erfuhren in freundlicher Form eine unbarmherzige Beurteilung. Im übrigen ließ Ranke jedes Talent in seiner individuellen Bewegung gewähren, eingedenk der höchsten pädagogischen Regel, daß die Schule nicht Abrichtung, sondern Entfaltung der persönlichen Kräfte zur Aufgabe hat.«

Das Jahr 1848 brachte mit dem Thronwechsel in Preußen neue Anregung in die Berliner Gelehrtenwelt. König Friedlich Wilhelm IV. nahm an dem Gedeihen der Wissenschaft wie der Kunst lebhaften persönlichen Anteil: er berief Männer von hervorragender Bedeutung, wie die Brüder Grimm, nach Berlin; er unterstützte wissenschaftliche Forschungsreisen, er gab der Akademie den Auftrag, die Werke Friedrichs des Großen herauszugeben. Zu der dafür eingesetzten Kommission gehörte auch Ranke, den er als Kronprinz 1828 auf seiner italienischen Reise in Venedig kennen gelernt hatte. Er ernannte ihn jetzt zum Historiographen des preußischen Staates, ein Titel, den früher Pufendorf, der Geschichtschreiber des Großen Kurfürsten, und Joh. v. Müller geführt hatten. Dadurch war es Ranke nahe gelegt, eine Preußische Geschichte zu schreiben. Er ging daran, als er 1843 bei seinem zweiten Aufenthalt in Paris die wertvollen Berichte des Marquis Valori fand, der in den ersten Jahren Friedrichs des Großen französischer Gesandter am preußischen Hofe gewesen war. Diese Berichte gaben Aufschluß über manche Rätsel der Politik jener Jahre; ergänzend traten englische Berichte hinzu, die Ranke alsbald in London aufsuchte. Mit Friedrichs eigenem Werk über diese Zeit, der Histoire de mon temps, hatte er sich schon näher zum Zweck der Herausgabe beschäftigt;Abhandlung darüber im 24. Bande der Sämtlichen Werke sie lag in zwei Bearbeitungen vor, von denen die spätere, mehr ausgeführte in die Ausgabe der Werke des Königs aufgenommen wurde; aus der früheren nahm Ranke einzelne bemerkenswerte Züge in seine Darstellung auf. Den reichsten Stoff fand er natürlich im preußischen Staatsarchiv; hier nahm er auch die bisher fast unbekannten Verwaltungsakten Friedrich Wilhelms I. zur Hand. Der Plan seines Werkes erweiterte sich, er schrieb nach einer Einleitung über die älteren Zeiten die Geschichte der drei ersten preußischen Könige, brach jedoch in der Darstellung Friedrichs d. Gr., die er am weitesten ausführte, bei dem Jahre 1756 ab, denn der Siebenjährige Krieg mußte späteren Studien vorbehalten bleiben. Die »Neun Bücher preußischer Geschichte«, welche 1847 erschienen,Zweite erweiterte Ausgabe 1874 in Bd. 25–29 der Werke; Neudruck 1900. fanden beim Publikum nicht so freudige Aufnahme wie die Deutsche Geschichte; es war eine politisch erregte Zeit, die von dem alten, unbeschränkten preußischen Königtum nicht viel wissen wollte. Ranke ließ sich das nicht irren; er hatte nicht für den Augenblick geschrieben. Seine Darstellung Friedrich Wilhelms I. gab später den Anstoß, die Verwaltungstätigkeit der preußischen Herrscher, ihre weitgehende Fürsorge für das Volkswohl nach allen Richtungen, durch größere Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv klarzustellen; seine tiefdringende Auffassung Friedrichs des Großen, seine meisterhafte Darlegung sowohl der Kriegstaten wie der verwickelten diplomatischen Verhandlungen wurde jüngeren Forschern, denen er noch manches übrig ließ, ein treffliches Vorbild.

Die Reise des Jahres 1843 brachte dem welterfahrenen Manne, der doch die Vorliebe des deutschen Gelehrten für stilles Studieren niemals verleugnete, das Glück einer behaglichen Häuslichkeit. In Paris lernte er die Tochter eines in Dublin wohnenden englischen Rechtsgelehrten kennen, die durch früheren Aufenthalt in Bonn mit deutscher Bildung vertraut war; in England sah er sie wieder und warb um ihre Hand. Sie folgte ihm gern nach Berlin und lebte sich rasch ein in die gelehrten Kreise, die so mannigfache Beziehungen zum Auslande hatten. Ranke freute sich der geistig belebten Häuslichkeit um so mehr, da nach dem Tode seiner Eltern das Band der Gemeinschaft mit Geschwistern und Verwandten loser geworden war. Von den Brüdern, mit denen er in herzlichem Briefverkehr stand, kam ihm jetzt Ferdinand besonders nahe, 1842 als Gymnasialdirektor nach Berlin berufen. Oft lasen sie miteinander in Abendstunden griechische Klassiker; auch für den Druck der Geschichtswerke leistete Ferdinand tätige Hilfe.

Als wissenschaftliche Früchte jener Reise veröffentlichte Ranke 1844 einen Teil der wertvollen Denkwürdigkeiten des englischen Staatsmannes Andrew Mitchell,Werke Bd. 51 u. 52. der 1756 Gesandter bei Friedrich dem Großen war, als der Siebenjährige Krieg ausbrach; ferner 1846 eine aus den Pariser Archiven geschöpfte Abhandlung über die französische Notabelnversammlung von 1787,Werke Bd. 12, als Anhang zur »Französischen Geschichte«. deren Beratungen den Ausbruch der Revolution nicht hatten verhindern können. Weitere Studien über die französische Revolution legte er einstweilen zurück für späteren Gebrauch. Von den Pariser Gelehrten war besonders Thiers ihm näher getreten, Verfasser einer vielgelesenen Geschichte der Revolution, seit 1830 einflußreicher Staatsmann und wiederholt Minister bis 1840, seitdem wieder mit historischen Studien beschäftigt für sein großes Werk »Geschichte des Konsulats und des Kaiserreiches«, dessen erster Band 1845 erschien. Er hatte im August 1841, als er eine größere Reise unternahm, um Stoff zu sammeln, Ranke in Berlin aufgesucht; 1843 empfing er dessen Gegenbesuch in Paris, und es bildete sich, wie Ranke in einer späteren Aufzeichnung berichtet hat,Werke Bd. 53 u. 54, S. 72. »ein freundschaftliches Verhältnis intimster Art, inwiefern ein solches stattfinden konnte zwischen einem Manne, der in der revolutionären Gesinnung erwachsen war und zu ihrer Ausbildung in einer bestimmten Rücksicht das meiste beigetragen hatte, und einem deutschen Gelehrten, der doch mehr der entgegengesetzten Seite angehörte und in dem revolutionären Element eben nur ein Element der Welt erkannte, welches nicht wieder beseitigt werden kann«. Wenn Ranke später noch mehrmals nach Paris kam, war ihm ein Gespräch mit Thiers immer sehr willkommen; was ihn dabei fremdartig berührte, war ihm doch immer lehrreich, und lebendigen Austausch der Gedanken liebte er von jeher, um sich nicht in einseitige Ansichten einzuspinnen.

Die Stürme des Jahres 1848 störten die wissenschaftliche Tätigkeit, gaben aber dem Geschichtskenner Anlaß, seine politische Einsicht in den Dienst des Vaterlandes zu stellen. Nicht wollte er wie Thiers als Abgeordneter oder gar Minister in die Bewegung eingreifen; er hielt sich zurück als stiller Beobachter, aber da der König vertrauensvoll seinen Rat begehrte, verfaßte er mehrere politische Denkschriften, die durch Vermittlung des Flügeladjutanten Edwin von Manteuffel dem Könige zugingen. Sie blieben damals natürlich geheim; erst 1887 sind sie in den Sämtlichen Werken (Band 49 und 50) veröffentlicht worden. In den liberalen Kreisen der Hauptstadt galt Ranke, da er an dem Fortgang der Verfassungsbewegung öffentlich nicht Anteil genommen hatte, als reaktionär gesinnt; die Denkschriften aber zeigen ihn, wie früher die »Historisch-politische Zeitschrift«, auf der Bahn des besonnenen Fortschritts, sehr empfänglich für die großen Aussichten einer neuen Zeit, sofern sie mit fester Staatsordnung vereinbar waren. Die erste Denkschrift, im Mai 1848 verfaßt, als in Berlin die preußische Nationalversammlung zusammentrat, tadelt unverhohlen das von den Ministern zugestandene allzu freie Wahlgesetz, warnt vor weiterer Nachgiebigkeit gegen den Radikalismus, billigt aber die von der Regierung eingeschlagene konstitutionelle Richtung. Die zweite, Anfang Juli, spricht die Zuversicht aus, daß die revolutionären Zuckungen, die sich über das ganze einst von Napoleon überwundene Gebiet verbreitet haben, keinen Bestand haben werden, »namentlich da England und Rußland sich halten,« aber zu wünschen sei, daß von Deutschland, »dem Mutterlande eines gesunden, mit den Interessen der Bevölkerung verbündeten Königtums,« eine selbständige, kluge und kraftvolle Bekämpfung der Anarchie ausgehe. Die dritte Denkschrift, Ende Oktober verfaßt, als die preußische Regierung sich zu entscheidendem Eingreifen anschickte, beantwortet die Frage, ob für Preußen eine konstitutionelle Verfassung anzuraten sei, mit deutlichem Ja, besonders wegen des Verhältnisses zum übrigen Deutschland, denn ratsam sei auch die Annahme des Kaisertums, wovon jetzt so viel und so ernstlich geredet werde: »das konstitutionelle Wesen muß nur ohne Vorliebe und ohne Haß angesehen werden als eine Form, in welcher die jetzigen Menschen nun einmal leben wollen; man muß die Verfassung so einrichten, daß man dabei bestehen kann«; also kein revolutionär-konstitutionelles Königtum, worin »die königliche Macht als Ausfluß des Volkswillens erscheint«, während sie in England bei aller Beschränkung durch das Parlament doch etwas »ureigenes, unabgeleitetes, ursprüngliches« ist: daher keine Abhängigkeit der Minister von der Volksvertretung, kein allgemeines Wahlrecht; wohl aber könne man den materiellen Wünschen der Menge durch eine gewisse Organisation der Arbeit, z. B. bei den öffentlichen Bauten, bei Urbarmachung des Landes entgegenkommen.

Rankes Wünsche inbetreff der preußischen Verfassung erfüllten sich im wesentlichen; die Herstellung des Kaisertums blieb einer späteren Zeit vorbehalten. Er empfahl sie dringend in der vierten Denkschrift, März 1849, indem er hervorhob, daß die Zustimmung der meisten Fürsten zu dem Beschlusse des Frankfurter Parlaments erfolgt sei; es müsse etwas Besseres an die Stelle des unvollkommenen Deutschen Bundes mit seinen der Einheit widerstrebenden Souveränitäten treten: »welch eine Aussicht bietet sich dar, die Macht noch einmal mit den Ideen der Nation in Einklang zu bringen, wenn sich die Fürsten einem Haupte anschließen und in Übereinstimmung mit dem gesunden Teil der Nation gemeinschaftliche Sache zur Bekämpfung innerer und äußerer Feinde machen! Die Idee des Kaisertums fällt wie ein Strahl des Lichts in dieses Chaos.« Die preußische Regierung beschritt wohlmeinend, aber ohne rechte Entschlossenheit den Weg der Unionspolitik; Österreich setzte sich dem entgegen, indem es den früheren Bundestag wieder ins Leben rief; Preußen zögerte und schloß endlich den Vertrag zu Olmütz. Mehrmals wandte sich in dieser kritischen Zeit Herr v. Manteuffel ratfragend an Ranke; es liegen noch drei Denkschriften vor, die letzte vom Januar 1851; sie bemühen sich nachzuweisen, was man Österreich gegenüber doch wohl fordern und festhalten könne. Auch der König sprach öfters mit Ranke; es bildete sich ein näheres, persönliches Verhältnis, doch keineswegs in dem Sinne, daß Ranke gerade als politischer Ratgeber aufgetreten wäre: in freier Erörterung geschichtlicher und politischer Fragen berührten sich ihre Ansichten. Zweimal hat dann Friedrich Wilhelm IV. zur Zeit des Krimkrieges schriftliche Gutachten von Ranke erfordert, zuerst über die Verbesserung der Lage der christlichen Bevölkerung in der Türkei,Gedruckt im Anhange des Buches über Serbien und die Türkei, Werke Bd. 43 u. 44. sodann über die Frage, ob Preußen sich der feindseligen Haltung Österreichs gegen Rußland anschließen und damit die Sache der kriegführenden Mächte Frankreich und England fördern solle.Werke Bd. 53 u. 54. S. 671 ff. Ranke riet, neutral zu bleiben, nicht Österreich zu dienen, ganz so wie der damalige Bundestagsgesandte v. Bismarck, den der König öfters nach Berlin berief, wo er dann auch mit Ranke in Beziehung trat. Das Glückwunschreiben, welches später Fürst Bismarck an Ranke richtete, als dieser 1882 sein Jubiläum als Mitglied der Akademie feierte, spricht von freundschaftlichem Verkehr seit vierzig Jahren;Poschinger. Neue Bismarckbriefe 1, 169; daraus H. Blum, Fürst Bismarck und seine Zeit 6, 236. das mag als runde Zahl etwas zu hoch gegriffen sein, aber in das Jahr 1847, wo Bismarck zum Vereinigten Landtag in Berlin war, darf man gewiß solchen Verkehr setzen; damals wird Bismarck, noch ein Werdender, die soeben erschienene »Preußische Geschichte« gelesen haben und gern dem berühmten Professor näher getreten sein.Vgl. Max Lenz, Ausgewählte Vorträge und Aufsätze (Berlin, Deutsche Bücherei o. J.): Bismarck und Ranke, S, 139 f.

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Im Herbst 1850 weilte Ranke wieder in Paris, um ein neues Werk vorzubereiten, die Französische Geschichte. Viele von den venetianischen Berichten, die er einst in Italien gesammelt hatte, bezogen sich auf Frankreichs Zustände im 16. und 17. Jahrhundert; in Paris boten sich ihm zahlreiche, bisher wenig benutzte Akten und biographische Aufzeichnungen dar: so konnte er auch hier eine auf neues Material gestützte eingehende Darstellung bringen. Er schuf ein Werk, daß in farbenreichen Gemälden das Aufstreben der französischen Monarchie, die Verwirrung der Religionskriege, die Herstellung, die Zeit der Größe unter Ludwig XIV., den Verfall unter seinem Nachfolger schildert. Oft hatte er dabei die traurigen Geschicke Deutschlands zu berühren, dem solche politische Machtentwicklung in jener Zeit versagt war. Die daraus hervorgehende Mahnung klingt schon im ersten Bande durch, wo er erzählt, wie Heinrich II. von Frankreich sich der deutschen Städte Metz, Toul und Verdun bemächtigte, »trotz seiner Erklärung, die deutsche Freiheit beschützen zu wollen«; noch stärker erhebt sie sich bei den Ereignissen des 17. Jahrhunderts. Aber der Geschichtschreiber zeigt auch, wie Ludwig XIV. selbst den Verfall verschuldete durch Überspannung der monarchischen Gewalt und des kirchlichen Eifers: die Unterdrückung der Hugenotten schlug nicht nur dem Wohlstande Frankreichs schwere Wunden, sie verschärfte auch die literarische Opposition, die sich mehr und mehr der Geister bemächtigte und der Monarchie wie der Kirche entgegenstrebte, bis »die Flut der in Frankreich siegreichen Umwälzung, Kirche und Staat vernichtend, sich über Europa ergoß«. Reichliche Mitteilungen aus den Urkunden nebst kritischen Erörterungen fügte Ranke auch diesem Werke bei.

Der erste Band der »Französischen Geschichte« erschien 1853;Vierte Auflage des Gesamtwerkes 1876-77 in Bd. 8-13 der Sämtl. Werke. gleichzeitig veröffentlichte H. v. Sybel den ersten Band seiner »Geschichte der Revolutionszeit«, auf deren Bearbeitung Ranke bei dem Umfange des ihm für die früheren Zeiten vorliegenden Stoffes gern verzichtet hatte. Beide Werke wurden in Deutschland wie in Frankreich mit Beifall aufgenommen. Fand Sybel vielleicht noch lautere öffentliche Zustimmung als Ranke, so lag das in dem Gegenstände, dessen Bedeutung sich niemand entziehen konnte. Der Meister erfreute sich selber an dem Erfolge seines hochbegabten Schülers; dieser aber wirkte treu mit ihm zusammen zur Verwirklichung eines wissenschaftlichen Unternehmens, welches Ranke seit längerer Zeit im Sinne trug, in Preußen aber unter den damaligen Verhältnissen nicht zur Ausführung bringen konnte. König Friedrich Wilhelm IV. nahm lebhaften Anteil an der Französischen Geschichte, aus der ihm der Verfasser bedeutende Abschnitte noch vor Vollendung des Werkes vorlesen durfte; aber sein Unternehmungsgeist war gebrochen, er mochte in den letzten Jahren seiner Regierung nicht mehr Neues schaffen. Dagegen zeigten sich in München günstige Verhältnisse; König Maximilian II. war bemüht, seine Hauptstadt, die schon als Stätte der deutschen Kunst berühmt war, auch zu literarischer und wissenschaftlicher Bedeutung zu erheben. Er hatte als Kronprinz in Berlin studiert und Rankes Vorträge eifrig gehört; die Geschichte war seine Lieblingswissenschaft; sie durch königliche Huld zu fördern entschloß er sich infolge des persönlichen Gedankenaustausches mit Ranke, als dieser im Herbst 1854 seiner Einladung folgend in Berchtesgaden bei ihm verweilte. Ranke hielt damals dem Könige eine Reihe historischer Vorträge, die unter dem Titel »Über die Epochen der neueren Geschichte« später veröffentlicht und der »Weltgeschichte« angeschlossen worden sind. Bei den Gesprächen, die sich hieran knüpften, wies Ranke darauf hin, wie sehr zu wünschen sei, daß die urkundliche Erforschung der deutschen Geschichte in größerem Umfang gefördert werde; es müsse ein Verein von Gelehrten zusammentreten, um dieser nationalen Aufgabe, die zahlreiche Kräfte erfordere, gerecht zu werden. Der König ging freudig darauf ein; zur praktischen Ausführung des Gedankens trug wesentlich H. v. Sybel bei, der 1856 als Professor an die Universität München berufen wurde. So entstand 1858 die » Historische Kommission bei der königlich bayrischen Akademie der Wissenschaften«,Vgl. Sybels Bericht vom Jahre 1883 über ihre Gründung und ersten Unternehmungen; Vorträge und Abhandlungen S. 336 ff. zusammengesetzt aus hervorragenden Gelehrten Deutschlands und Österreichs. Ranke ward zum Vorsitzenden erwählt und leitete die Verhandlungen, die fortan alljährlich im Herbst in München stattfanden, mit großem Eifer bis 1873. Die Reisen nach München waren ihm, der so gern auch Reisen ins Ausland machte zum Zweck seiner Studien, willkommene Gelegenheiten zum Verkehr mit Freunden und Schülern; auch freute er sich des öfteren Wiedersehens mit seinem Bruder Heinrich, der seit 1845 Konsistorialrat in Ansbach war, 1866 als Oberkonsistorialrat nach München berufen wurde; gelegentlich besuchte er bei der Rückreise auch den jüngeren Bruder Ernst, Professor in Marburg.

Bedeutende Werke gingen nun, meist nach Rankes Vorschlägen, aus dem Wirken der Kommission hervor; zunächst umfangreiche Quellensammlungen: die Akten der deutschen Reichstage seit 1376, die Chroniken der deutschen Städte, die Hanserezesse, die politische Korrespondenz der Fürsten aus dem Hause Wittelsbach. Aber auch darstellende Werke wurden unternommen: Jahrbücher der deutschen Geschichte im Mittelalter, zur Ergänzung der früher aus Rankes Übungen hervorgegangenen; Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, Allgemeine deutsche Biographie. König Max nahm an dem Fortschreiten der Arbeiten regen Anteil und besprach sich oft eingehend mit den Gelehrten. Nach seinem frühen Tode 1864 war das Fortbestehen der Kommission eine Zeitlang in Frage gestellt, doch gelang es dem Vorsitzenden, den jungen König Ludwig II. günstig dafür zu stimmen, und so ist die Kommission in Wirksamkeit geblieben und waltet noch ferner, immer neue Aufgaben in ihren Bereich ziehend, zum Besten der deutschen Geschichtsforschung: ein Sammelpunkt wissenschaftlichen Lebens, in welchem die von Ranke aufgestellten Grundsätze umfassender Forschung, sachlicher Kritik, klarer und kunstvoller Darstellung fortwirken und die jüngeren Gelehrten in geistiger Verbindung mit ihren Vorgängern erhalten; eine Erneuerung in höherem Sinne jener historischen Schule von Port-Royal, von der Ranke gesagt hat,Geschichte der Päpste 3, 97. daß sie »einen bemerkenswerten, innerlich bildenden Einfluß auf die Literatur von Frankreich und dadurch von Europa ausgeübt hat«. Als anziehende Zeugnisse von Rankes Tätigkeit als Vorsitzender liegen die Reden vor (Werke, Band 51 und 52), mit denen er die Versammlungen zu eröffnen pflegte, teils fein erwogene und zugleich von Herzen kommende Gedächtnisreden auf König Max und auf jüngstverstorbene Fachgenossen, teils allgemeinere Betrachtungen nationalen Inhalts.

Die Regierung König Wilhelms I. brachte auch in Preußen bedeutende Veröffentlichungen zum Besten der vaterländischen Geschichte in Gang. Seit 1864 erschienen, angeregt von den Berliner Historikern Duncker und Droysen, unter besonderem Schutze des Kronprinzen die »Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg«; es folgte, nachdem 1875 H. v. Sybel zum Direktor der Staatsarchive berufen war, die »Politische Korrespondenz Friedrichs des Großen«; andere Urkundenwerke schlossen sich an unter dem Gesamttitel »Publikationen aus den Preußischen Staatsarchiven«. Die Berliner Akademie, obgleich mit manchen Aufgaben aus anderen Wissenschaften beschäftigt, übernahm die Fortführung der Monumenta Germaniae, zu deren Leitung 1875 Waitz berufen ward. Alles dies war bestimmt, der Zukunft als feste Grundlage der Forschung zu dienen; Ranke sah es mit großer Freude, schuf aber auch selbst noch darstellende Werke in großer Zahl, die dem fröhlichen Aufblühen der historischen Studien sehr zugute kamen.

Sein umfangreichstes Werk ist die Englische Geschichte, 1857-1867 entstanden,Vierte Auflage 1877–79, Bd. 14-22 der Sämtlichen Werke. verknüpft mit zahlreichen Reisen nach London, Dublin, Paris und dem Haag. Überall nahm man ihn mit hoher Achtung und Zuvorkommenheit auf; er war den fremden Gelehrten eine rechte Verkörperung deutschen Fleißes und deutscher Tüchtigkeit. In England wurde er auch bei Hofe eingeführt und besuchte den berühmten Geschichtschreiber Macaulay, dessen Werk einen Teil des Stoffes behandelte, den er zu bearbeiten sich vorgesetzt hatte. Macaulay starb 1859, sein Werk blieb unvollendet. Ranke erklärte in der Vorrede, er wolle mit den einheimischen Geschichtschreibern nicht wetteifern, nicht englische Nationalgeschichte darstellen, sondern die Teilnahme dieses Volkes an den Schicksalen und Unternehmungen der großen abendländischen Völkergenossenschaft, der es angehöre. So hat er denn hauptsächlich die Beziehungen der auswärtigen Politik ins Auge gefaßt, aber stets auch die Rückwirkung auf die inneren Verhältnisse und nicht minder die von diesen ausgehenden Antriebe. Sein Werk bietet nicht so glänzende Schilderungen wie Macaulay, der den Leser fast gefangen nimmt, aber ein großer Reichtum historischen Lebens entfaltet sich, und wer sich von den politischen Verwicklungen weniger angezogen fühlt, findet mannigfache Befriedigung in den Bildern hervorragender Herrscher und Staatsmänner, in der Schilderung der kirchlichen Parteien, die sich auch im Staate bekämpfen, des parlamentarischen Lebens, der See- und Kolonialmacht, der Literatur und Wissenschaft. Es beginnt, gleichwie die Deutsche und Französische Geschichte, mit einem Überblick der älteren Zeiten, wird ausführlich von Heinrich VIII. an und geht durch bis 1760; als urkundliche Grundlagen dienen auch hier Berichte von venetianischen Gesandten, dann natürlich Parlamentsakten und mancherlei englische Berichte, französische Gesandtschafts- und Kriegsberichte; ganz ergiebig sind auch die Berichte des brandenburgischen Residenten Bonnet, die das Berliner Archiv darbot, und besonderen Wert hat der im Haag aufbewahrte Briefwechsel König Wilhelms III. mit dem holländischen Staatsmanne Heinsius. Treffliche kritische Abhandlungen sind beigefügt über die älteren englischen Geschichtswerke von Clarendon und Burnet, sowie über die von König Jakob II. herrührenden Aufzeichnungen.

Während Ranke die Geschichte der Verfassungskämpfe Englands im 17. Jahrhundert schrieb, vollzog sich vor seinen Augen in Preußen ein ähnlicher Kampf, der jedoch nicht zum parlamentarischen Königtum führte, sondern den geschichtlich begründeten Anspruch der Monarchie auf stärkere leitende Macht zum Siege führte. Oft mag er Zweifel hinsichtlich des Ausgangs gehegt haben; die ruhmvolle Erhebung des Staates, die nachher auch von der Volksvertretung willig anerkannt wurde, hatte seinen ganzen Beifall. Wie weit er im einzelnen an den politischen Vorgängen teilnahm, läßt sich nicht erkennen; ein deutlicher Beweis dafür, daß er treu zu seinem Könige stand, ist die hohe Ehrung, welche ihm 1865 zuteil wurde, die Verleihung des erblichen Adels. Zwei Jahre darauf folgte die Ernennung zum Kanzler der Friedensklasse des Ordens pour le mérite. Als im Herbst 1870 die Historische Kommission in München zusammentrat, sprach er in der Eröffnungsrede bedeutende Worte über die neue Epoche, die für Deutschland nun eingetreten sei. In Wien traf er dann mit dem alten Freunde Thiers zusammen, der eine Rundreise durch Europa machte, um Hilfe für Frankreich zu erlangen. Sie sprachen über die Aussichten auf Herstellung des Friedens; Ranke wies nachdrücklich darauf hin, daß das alte Unrecht Ludwigs XIV. wieder gutgemacht werden müsse.Rankes Bericht über diese Unterredung s. Werke Bd. 53 u. 54, S. 586 ff. Thiers wollte nichts von Gebietsabtretung hören; wenige Monate später mußte er als erwähltes Haupt seiner Nation die schweren Bedingungen annehmen. Ranke hat in dem Rückblick, den er 1877 bei der Nachricht von Thiers' Tode verfaßte,Ebd. S. 617. hervorgehoben, mit wie strenger Rechtlichkeit Thiers für Ausführung der Bedingungen gesorgt habe.

Das für Deutschland so freudige Jahr 1871 wurde für den nun ins Greisenalter eingetretenen Forscher schmerzlich durch den Tod seiner Frau und durch die Abnahme seiner Sehkraft, die ihn fortan zum Diktieren nötigte. Aber mit voller Geisteskraft blieb er beim literarischen Schaffen. Er gab seine Vorlesungen an der Universität auf, um sich der Forschung ganz ungestört widmen zu können. Sein Haus wurde einsamer, doch standen ihm seine erwachsenen Kinder, treue Freunde und diensteifrige Schüler zur Seite. Seit 1867 war er mit der Ausgabe seiner Sämtlichen Werke beschäftigt, die ihm willkommene Gelegenheit gab, bedeutende Ergänzungen hinzuzufügen. Aber auch eine ganze Reihe neuer Werke entstand noch, allerdings Schöpfungen des Alters, großenteils nicht so lebhaft und anschaulich geschrieben wie er früher zu schreiben pflegte, aber erfüllt von reifer und umfassender Weisheit.

An die Spitze der Gesamtausgabe stellte er die Deutsche Geschichte, unverändert bis auf wenige Zusätze. Daran reihte sich (Band 7) unter dem Titel »Zur deutschen Geschichte« die Abhandlung von 1832 über die Zeiten Ferdinands I. und Maximilians II. und als neue Gabe eine Fortsetzung bis 1619, eine aus dem Studium der Reichstagsakten geschöpfte Darstellung der Reichstage bis zu diesem Zeitpunkt. Daran schloß sich ein weiteres neues Werk, das vorläufig gesondert ausgegeben wurde, die Geschichte Wallensteins,In den Werken Bd. 23, sechste Auflage 1910. wiederum aus sorgsamen Archivstudien, namentlich in Wien, entstanden, doch hatte er sich schon vorlängst mit den interessanten Problemen, welche sich an diese bedeutsame Gestalt knüpfen, beschäftigt, Nachrichten darüber in Italien, Dresden, Brüssel und sonst gesammelt; nun faßte er das Ergebnis vielfacher Erwägungen anschaulich zusammen. Verbessert im Stil, inhaltlich unverändert gab er sein erstes Buch von 1824; das von 1826 wurde durch eine Fortsetzung der spanischen Geschichte bis 1700 erweitert und erhielt den neuen Titel »Die Osmanen und die spanische Monarchie im 16. und 17. Jahrhundert«.Werke Bd. 35 u. 36. Bedeutende Fortsetzungen erhielten, wie schon erwähnt, das Buch über Serbien und die Geschichte der Päpste. Die Abhandlungen zur Geschichte Venedigs, vermehrt durch eine treffliche Schilderung dieses merkwürdigen Staatswesens im 16. Jahrhundert, wurden in einem Bande zusammengefaßt;Bd. 42. zu den anderen italienischen Abhandlungen traten die über Savonarola, Filippo Strozzi, Cosimo Medici hinzu.Bd. 40 u. 41: Historisch-biographische Studien. Die kritische Abhandlung über Don Karlos erhielt eine darstellende Fortsetzung.Bd. 40 u. 41: Historisch-biographische Studien. Die Neun Bücher Preußischer Geschichte erweiterten sich zu zwölf Büchern,Bd. 25–29. Neue Ausgabe 1900. indem an die Stelle des ersten vier Bücher traten, die von der älteren Zeit Brandenburgs und von dem deutschen Ordensstaate in Preußen nähere Kunde gaben.

Und nun folgte als Fortsetzung der Preußischen Geschichte eine Reihe neuer Werke, die des Lehrreichen die Fülle enthalten. Während der Kriegszeit 1870 schrieb Ranke den »Ursprung des Siebenjährigen Krieges«, ein Kunstwerk von Darstellung verwickelter politischer Verhandlungen; dazu fügte er eine kurze »Ansicht des Siebenjährigen Krieges«, die neben dm ausführlichen Schriften anderer Forscher immer noch bedeutend ist.Beides in Bd. 30. Dann folgte »Die deutschen Mächte und der Fürstenbund«,Bd. 31 u. 32. wiederum hochpolitisch, aber auch mit einer Betrachtung über die Literatur jener Zeit ausgestattet und anziehend durch die lebendige Schilderung Kaiser Josephs II.; ferner »Ursprung und Beginn der Revolutionskriege 1791–92«Bd. 45. zu lehrreicher Ergänzung des Sybelschen Werkes, mit einer Übersicht auch der inneren Vorgänge in Frankreich auf Grund der früher in Paris gemachten Studien. Die dann folgende Zeit zu bearbeiten erhielt Ranke einen besonderen Antrieb durch die Aufforderung des Fürsten Bismarck, die Herausgabe der bisher verschlossen gehaltenen Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers v. Hardenberg zu übernehmen; er begleitete sie mit einer eigenen Darstellung »Hardenberg und die Geschichte des preußischen Staates von 1793–1813«.Bd. 46–48. Bei dem großen Befreiungskriege brach er ab, weil dieser von anderen genugsam beschrieben war, auch Hardenbergs Aufzeichnungen von da an unbedeutend wurden; zwei Schlußkapitel über die 1814 getroffene Bestimmung der Grenzen Frankreichs und über die Herstellung des preußischen Staates gaben dem Werke genügenden Abschluß.

Mit besonderem persönlichem Anteil hatte er schon vorher, in den Jahren 1871–73, den Auftrag der Königin-Witwe Elisabeth von Preußen ausgeführt, den »Briefwechsel Friedrich Wilhelms IV. mit Bunsen« herauszugeben.Neue Ausgabe in Bd. 49 u. 50 der Sämtlichen Werke 1887. Er teilte hauptsächlich Briefe des Königs mit, die von dessen umfassendem, leicht erregbarem und doch von bestimmten Grundsätzen durchdrungenem Geiste anschauliches Zeugnis geben; er fügte Erläuterungen hinzu, wie gerade er sie aus persönlicher Kenntnis geben konnte, so daß manches Dunkel sich lichtete, welches bis dahin über die Entschlüsse des Königs verbreitet war. Ergänzend trat 1878 die Biographie Friedrich Wilhelms IV. hinzu,Bd. 51 u. 52. die er als Beitrag zu dem von ihm veranlaßten Sammelwerk, der Allgemeinen deutschen Biographie schrieb: kein vollständiges Lebensbild, aber auf einzelnes näher eingehend, namentlich auf den Vereinigten Landtag von 1847. Am Schlüsse sagt der teilnehmende Geschichtschreiber: »Von den entgegengesetzten Bewegungen der Zeit wurde Friedrich Wilhelm IV. immer in seiner Seele betroffen. Er hatte vielleicht mehr Gemüt als der Staat ertragen kann. Seine ideale Anschauung stieß mit den Realitäten der Dinge vielfältig zusammen, und in seiner persönlichen Eigenart lag etwas, das die Opposition erweckte. Er war entfernt davon sich glücklich zu fühlen; seine meisten Ansprachen der späteren Zeit haben einen schmerzlichen Zug an sich.« Wie anders lautet das Schlußurteil in der Biographie Friedrichs des Großen, die er um dieselbe Zeit zu gleichem Zwecke schrieb, seine früheren Schilderungen dieses Herrschers kurz zusammenfassend: »Ein Heldenleben, wie es im 18. Jahrhundert möglich war, von großen Gedanken durchzogen, voll von Waffenstreit, Anstrengungen und schicksalsvollem Wechsel der Ereignisse, unsterblich durch das, was es erreichte, die Erhebung des preußischen Staates zu einer Macht, unschätzbar durch das was es begründete für die deutsche Nation und die Welt.« Diese beiden Urteile des damals 82jährigen Geschichtschreibers sind leuchtende Beweise seiner hohen Geisteskraft und edlen Gesinnung.

Mit lebendiger Teilnahme verfolgte namentlich der Feldmarschall v. Manteuffel die Entstehung dieser späteren Werke Rankes. Die im Jahre 1848 geknüpfte Freundschaft der beiden Männer dauerte fort, gegründet auf gemeinsame Anhänglichkeit an Friedrich Wilhelm IV., auf Übereinstimmung in politischen Dingen und auf gleichartige Lebendigkeit des Geistes. Mit Vergnügen empfing Manteuffel, während er die Besatzungstruppen in Frankreich nach Beendigung des Krieges befehligte, die Druckbogen, die ihm oftmals zugingen, und schrieb dem Verfasser seine Bemerkungen dazu, die von eindringendem Verständnis zeugen;Vgl. die von A. Dove, Ausgewählte Schriften (1898), S. 235 ff. veröffentlichten Briefe Manteuffels. im Sommer 1877 brachte Ranke einige Wochen auf dem Landgute des Freundes zu, auch aus Straßburg empfing er herzliche Briefe von ihm mit lebhaftem Dank für die ersten Bände der Weltgeschichte. Persönlich nicht so eng, aber ebenfalls auf tiefgehende Geistesgemeinschaft gegründet, war Rankes Verhältnis zum Fürsten Bismarck; davon zeugt der schöne Brief, mit welchem Ranke den Dank Bismarcks für die Herausgabe der Denkwürdigkeiten Hardenbergs erwiderte:Mitgeteilt von H. Kohl, Bismarck-Jahrbuch 2, 256; vgl. Rankes Brief an A. v. Reumont (Werke Bd. 53 u. 54. S. 531) »Ew. Durchlaucht haben mich durch Ihre beiden Zuschriften vom 22. Jan. und 19. Febr. d. J. nicht allein geehrt und erfreut, sondern mir auch Anlaß zum Denken gegeben. Wie verhalten sich Historie und Politik, in höchster Ausbildung gedacht, zu einander?Dieses Thema hatte Ranke einst in seiner Rede zum Antritt der ordentlichen Professur (Werke Bd. 24) eingehend behandelt. Der Historiker kann niemals zugleich praktischer Politiker sein,Thiers und Macaulay waren auch Staatsmänner; über ihre Geschichtswerke urteilt Ranke in einer seiner Münchner Reden (Bd. 51 u. 52, S. 570): »Das ist nun die schwache Seite von Arbeiten dieser Art, daß sie den Stellungen der Verfasser gemäß nicht frei von Einseitigkeiten sein können. Die beiden Autoren haben es an Fleiß der Forschung nicht fehlen lassen, und die Gabe der Darstellung besitzen sie in eminentem Grade. Daß die Ereignisse nicht in ihrem vollem Umfange erschöpft werden, daß sie noch eine andere objektive Darstellung möglich lassen, ist unleugbar; aber was uns geboten wird, lesen wir mit ebenso viel Belehrung wie Vergnügen.« denn der historische Gedanke hat nur Wert in seiner Allgemeinheit, in dem Licht, das er über den Verlauf der Weltbegebenheiten verbreitet; der praktische Staatsmann dagegen muß auf der Grundlage einer allgemeinen Anschauung doch vor allem den vorliegenden Moment ergreifen, er muß den Forderungen des Moments gerecht werden und den Staat, dem er angehört, auf seinem Wege mit Konsequenz weiter fördern. Die Historie ist bloß instruktiv, die Politik maßgebend und durchgreifend. Daß nun Ew. Durchlaucht, indem Sie diesen hohen Beruf mit einer unvergleichlichen Virtuosität erfüllen, doch auch zuweilen nach meinen historischen Büchern greifen, um sich vergangene Lagen zu vergegenwärtigen, wie Sie mir das in den wohlwollendsten Worten ausdrücken, gereicht mir, der ich am Ende meiner Laufbahn stehe, zu hoher Befriedigung. Denn umsonst werde ich nicht gelebt haben. Ich habe immer gedacht, daß der Historiker alt werden muß. Er muß viel erleben und der Gesamtentwicklung einer großen Epoche anwohnen, um seinerseits fähig zu werden, die früheren Zustände zu beurteilen. So beurteile ich die Laufbahn Ew. Durchlaucht nicht allein mit persönlicher Teilnahme, die mir von alten Zeiten her nahe liegt, sondern auch mit steter auf die allgemeinen Angelegenheiten gerichteter Aufmerksamkeit. Der Historiker kann von Ihnen lernen, Durchlaucht. Für die Wünsche, welche Sie mir für den Nest meines Lebens aussprechen, bin ich Ihnen zu warmem und herzlichem Danke verpflichtet. Mit unbegrenzter Verehrung Ew. Durchlaucht untertänigster Diener L. v. Ranke. Berlin, den 22. Febr. 1877.«

Dem greisen Gelehrten war es vergönnt, noch über die Jahre hinaus zu wirken, die sonst dem Sterblichen als Grenze gesetzt sind. Mit wunderbarer Geisteskraft schuf er noch ein großes zusammenfassendes Werk, die Weltgeschichte; doch brachte er es nicht zu Ende. Wohl wußte er, daß ein solches Werk die Vollkommenheit nicht erreichen könne, aber er erkannte auch die Forderung der Wissenschaft, daß immer wieder der Versuch gemacht werde, das einzeln Erforschte in allgemeinen Zusammenhang zu bringen. Im Besitz eines reichen Wissens und langer Lebenserfahrung durfte er unternehmen, der Nachwelt auch noch die Wege zum höchsten Ziele der Geschichtswissenschaft zu weisen. Die Aufgabe war, das »historische Leben« darzustellen, welches sich, wie die Vorrede sagt, »fortschreitend von einer Nation zur anderen, von einem Völkerkreis zum anderen bewegt«, zugleich auch den »historischen Besitz, den das Menschengeschlecht im Laufe der Jahrhunderte erworben hat« in Religion, Kunst, Wissenschaft, gesellschaftlichen Einrichtungen, und unzertrennbar davon sind »die Erinnerungen an die Ereignisse, Gestaltungen und großen Männer der Vorzeit«. In diesem umfassenden Sinne, Allgemeines und Einzeldarstellung kunstvoll verbindend, schrieb er zunächst in drei Teilen, deren erster 1880 erschien, die Geschichte des Altertums, gestützt auf kritische Forschung, deren Schärfe und Umfang auch seine Freunde und Verehrer in Erstaunen setzte, denn sie hatten ihn immer bei späteren Jahrhunderten tätig gesehen. Aber ihm ging diese Forschung auf die Jugendzeit zurück, mit wohltuenden Erinnerungen verbunden, und mancherlei Aufzeichnungen für seine Lehrvorträge waren als Material vorhanden. So stellte er in anschaulichen Bildern die eigentümlich religiöse Kultur der Völker des Orients, die großen Staatsmänner, Dichter und Philosophen der Hellenen, das gewaltige Gefüge des römischen Staates, die Umwandlung des Erdkreises durch das Christentum dar. Dann ging er weiter zu den großen Völkerbewegungen, die vieles zerstörend doch neues Leben begründeten, zu der Welt des Islam, die sich der christlichen entgegensetzte, zu der Entfaltung der europäischen Staaten, auf deren gemeinschaftliche Entwicklung er schon in seinem ersten Jugendwerke hingewiesen hatte. Er hatte die Freude, daß sein Werk in weite Kreise drang, auch in solche, denen seine Forschung über Politik der neueren Zeiten fremd geblieben war. Man war erstaunt, wie darin erneute geistige Jugendkraft waltete fesselnde Darstellung vereint mit erfahrener Weisheit.

So vergingen ihm die letzten Lebensjahre in noch immer beglückendem Schaffen. Als er seinen neunzigsten Geburtstag feierte, beglückwünscht von Kaiser und Kaiserin, Kronprinz und Staatsministerium, Universitäten und Akademieen, Freunden und alten Schülern, lagen sechs Teile der Weltgeschichte vollendet vor. Doch nur wenige Monate konnte er noch der Fortsetzung widmen; im siebenten Teile mußte er, von Körperschmerz überwältigt, abbrechen, als er an die Regierung Kaiser Heinrichs III. kam. Nach kurzer Krankheit verschied er am 23. Mai 1886. Treue Schüler gaben aus vorhandenen Aufzeichnungen, wie er sie auch bisher benutzt hatte, dem Werk einen gewissen Abschluß. So liegt es der Nachwelt als ein besonderes Vermächtnis des Meisters vor, noch stärker zu ihr sprechend als die vollendeten Werke.

Die Wissenschaft strebt weiter; gerade ihre Meisterwerke weisen über sich selbst hinaus, darin liegt ihre lebenerweckende Kraft. Sie bieten die grundlegende Kenntnis, ohne welche es nicht möglich ist, das neu Errungene richtig zu würdigen; zugleich gewinnen sie durch ihren geistigen Gehalt der Wissenschaft immer wieder neue Diener und Freunde.


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