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Französische Geschichte III u. IV, Werke Bd. 10 S. 196 ff. u. Bd. 11 S. 6-8.
Welche Gefühle konnte ein Fürst in sich tragen, dessen Jugend von Stürmen, wie er sie erfahren hatte, erfüllt gewesen war! Soweit sein Gedächtnis in seine früheste Kindheit zurückreichte, hatte er sich selbst als den von Gott bestimmten Vertreter aller weltlichen Autorität im Reiche betrachtet, von allem Widerstreben sich persönlich beleidigt gefühlt. Waren es nicht eben die in Person von ihm in feierlichen Sitzungen ausgesprochenen Unordnungen, gegen welche sich die Fronde erhob? Er hatte einst, um Ärgerem zuvorzukommen, seine Hauptstadt bei Nachtzeit verlassen müssen; ein andermal hatte man die Gardinen seines Bettes weggezogen, um die in das Palais Gekommenen, die ihn nicht noch einmal fliehen lassen wollten, von seiner Anwesenheit zu überzeugen. Seine Mutter hatte ihn unter Gebet für seine legitime Autorität in den Kampf mit den Prinzen geführt, er hatte der Schlacht zugesehen, welche für dieselbe vor den Toren von Paris geschlagen wurde; dann hatte er in dem spanischen Kriege, der zugleich zur Wiederherstellung der Macht im Innern geführt wurde, selber die Waffen getragen, Stenay dem Prinzen von Condé abgewonnen. Wie sollte ihm irgend etwas mehr am Herzen liegen, als diesen so persönlichen Kampf nun vollends durchzuführen, als die zu unterwerfen, welche sich seinem Gebot zu entziehen getrachtet hatten? Sein fürstliches Selbstgefühl dürstete nach dieser Genugtuung.
Er war in der glücklichen Lage, sich dabei nicht als ein Zwingherr vorkommen zu müssen, denn nach soviel widerwärtigen Unruhen sahen die Franzosen jetzt in der Herstellung einer gesetzlichen Herrschaft selbst ihr Heil.Gleichwie später am Ende der Revolutionszeit. Im Gegensatz mit den Verkündigungen der Fronde kam nunmehr bei ihnen die Doktrin vom leidenden Gehorsam auf, nach welcher es dem Volke, auch wenn es von seinem Fürsten Unrecht leidet, darum doch nicht freisteht, die Waffen gegen ihn zu ergreifen, weil dies noch viel größere Übelstände hervorbringen würde; einen Fürsten dürfe man nicht nach den Regeln des Privatlebens richten; man werde einen Strom nicht trocken legen wollen, weil er sich zuweilen über seine Ufer ergieße. Und auch dahin ging die öffentliche Meinung, daß der König ohne Günstling noch allwaltenden ersten Minister regieren müsse. In ausführlichen Anmahnungen ward Ludwig gewarnt, es nicht dahin kommen, keinen Sejanus, keinen Alvarez de Luna über seine Beschlüsse Herr werden zu lassen;Sejanus, Günstling des Kaisers Tiberius; Alvaro de Luna, Minister König Johanns II. von Kastilien, des Vaters der bekannten Königin Isabella; er wurde 1453 gestürzt und in Valladolid hingerichtet. es wäre besser, er würde ein Tyrann über sein Volk als ein Sklave andrer. Den jungen Fürsten beseelte ohnehin ein tiefer Widerwille gegen ein solches Verhältnis. Sein Herz schlug ihm, wenn er beim Studium der französischen Geschichte auf die Hausmeier unter der ersten, oder die von ihrer Untätigkeit hergenommenen Beinamen einiger Könige der zweiten Dynastie kam. Welchen Sinn hatte es auch, die Monarchie herstellen zu wollen ohne den Monarchen? Denn hier vor allem ist zur Ausbildung der Gewalt auch ihr Träger erforderlich. Ein selbstherrschender König war notwendig; durch den Sieg war es Ludwig XIV. geworden; er nahm sich vor, ein König zu sein, wie er sein müsse.
Er besaß von Natur die zum Geschäft der Regierung erwünschtesten Eigenschaften, richtigen Verstand, gutes Gedächtnis, festen Willen. Er wollte nicht allein ein weiser oder ein gerechter oder ein tapferer Fürst sein, nicht allein vollkommen frei von fremdem Einfluß, unabhängig im Innern, gefürchtet von seinen Nachbarn, sondern alle diese Vorzüge wollte er zugleich besitzen. Er wollte nicht allein sein, noch viel weniger bloß scheinen, er wollte beides: sein und dafür gelten, was er war. Aus einigen handschriftlichen Aufzeichnungen, die von ihm übrig sind, erkennt man, wie sehr ihm dies am Herzen lag. Eine der Regeln, die er sich vorschreibt, ist: nie einen Beschluß in der Eile zu fassen, denn ein solcher würde der Reife entbehren; eine andre: niemals schmeichlerischen Hoffnungen zu vertrauen, denn unter dem Einfluß derselben handle man schlecht und rede nicht besser; eine dritte: alles, was er zu sagen habe, vorher zu erwägen, um Reputation zu gewinnen und zu behaupten.
Wenn man ihn im Felde, hauptsächlich bei den Belagerungen, mitten unter mörderischem Kugelregen die vollste Ruhe behaupten sah, so zweifelte man wohl, ob das natürliche Furchtlosigkeit oder vielleicht der Erwägung zuzuschreiben sei, daß nur eine solche Haltung ihm bei dem tapfern Adel und in der kriegsliebenden Nation Ansehen verschaffen werde. Seine natürliche Gelassenheit ward durch das Gefühl des für ihn an seiner Stelle Geziemenden gestärkt. Die Damen des Hofes beklagten, daß er den erhabenen Gaben seines Geistes nicht den freiesten Lauf lasse, sie würden dann noch glänzender erscheinen; daß er sein Selbst allzusehr in die Schranken der Majestät einschließe. Aber er wollte nicht glänzen für den Augenblick, sondern Eindruck machen auf immer. Seine Worte sollten nur gereifte Überzeugungen würdig aussprechen. Im Gespräch mit ihm sollte man erkennen, daß er die Sachen, um die es sich handelte, vollkommen verstehe, die Menschen, die dabei gebraucht wurden, kenne, durchschaue; er sagte eben, was er sagen mußte, nicht mehr, nicht weniger. Was er sich anfangs als Gesetz aufgelegt haben mochte, ward ihm durch Gewöhnung gleichsam Natur. So hatte er seinen an sich kräftigen Körper durch Mäßigkeit und unablässige strenge Leibesübung, die bisher sein einziges Vergnügen gewesen war, noch kräftiger gemacht; er brachte den ganzen Tag zu Pferde zu, ohne Hitze oder Kälte zu scheuen, ohne Ermüdung an sich spüren zu lassen; zu jeder Stunde konnte er schlafen oder speisen; Anstrengung und Genuß schienen ihm ein Spiel zu sein. Nie hätte er einer Gemütsbewegung über sich Raum gegeben, nicht einmal der Freude, geschweige denn der Traurigkeit oder dem Schrecken; Launen ließ er sich nicht anwandeln.
Er war voll Rücksicht im Umgang, namentlich gegen die Damen, auch gegen Frauen geringster Herkunft; verbindlich selbst gegen die, denen er etwas abschlug, erfinderisch, um eine Gnade, die er erwies, durch kleine Aufmerksamkeiten noch angenehmer zu machen. Niemals erlaubte er sich einen anzüglichen Scherz, viel weniger hätte er einem andern einen solchen gestattet. Bemerkte er etwas Ungeziemendes, so liebte er nicht darauf zu achten, ließ aber nach der Hand eine Warnung ergehen. Er war verführerisch, hinreißend, wenn er es sein wollte, in demselben Grade aber schrecklich, wenn er zürnte. Denn auch zu zürnen hielt er für königlich. Seine Stirn war, wie man sich ausdrückte, mit dem Blitz bewaffnet.
Man staunt ihn an, wie Bossuet sagt, und man fühlt sich von ihm angezogen, man liebt ihn und fürchtet ihn. Eine hohe Gestalt, von jener Schönheit, die in dem Ebenmaß aller Glieder besteht und jedermann in die Augen fällt. Die braune, beinahe bronzene Farbe seines Gesichts, das durch die Kinderblattern, deren Spuren es trug, doch nicht verunstaltet war, stimmt zu dem Ausdruck der Energie, die sein ganzes Wesen atmete. In den mancherlei Bildern, die von ihm übrig sind, erscheint das Gefühl der Macht, mit nichten eigentlich selbstherrisch, was ihr nicht entspräche, sondern wo ihr gehuldigt wird, teilnehmend, wo sie über besiegte Feinde triumphiert, beinahe bedauernd, aber immer unverkennbares Selbstgefühl; die Mühe des Befehlens nimmt man nicht mehr wahr, alles gehorcht und beugt sich von selbst.
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Wollte man unter absoluter Monarchie eine Staatsgewalt verstehen, wo jede Existenz von dem Dafürhalten des Fürsten abhängt, alle Kräfte von seinem unmittelbaren Gebot beherrscht werden, wo dem höchsten Willen nur die gleiche und unbedingte Unterwürfigkeit aller gegenübersteht, eine solche war die Monarchie Ludwigs XIV. nicht. Es ist auffallend, daß auch dieser König, wenngleich in viel minderem Umfang als Karl VII., Heinrich IV., doch nicht ohne Analogie mit ihrem Beispiel für ratsam hielt, einige der vornehmsten Großen der Reiches durch ansehnliche Geldzahlungen sich zu verpflichten. Seinem Bruder Philipp, dem Stammvater des Hauses Orleans, gewährte er mit nichten eine durch Gouvernements und fürstliche Rechte ausgezeichnete Stellung, wie sie früher den Brüdern des Königs zuteil geworden war, aber er gab ihm außer einer guten Apanage auch noch eine Pension von einer halben Million, die seinen Gehorsam fesselte. Wie oft hatten Prinzen in dieser Stellung, in den alten wie in den neuesten Zeiten, die Ruhe des Reiches gestört: Philipp von Orleans war vollkommen unterwürfig. So erhielt auch der Prinz von Conti eine Pension und dessen Gemahlin eine noch reichlichere. Auf einer zufällig erhaltenen Liste finden sich die Namen des Herzogs und der Herzogin von Bourbon, der Prinzen de la Roche sur Yon, der Grafen von La Marche. Reiche Geschenke wurden Jahr für Jahr ausgeteilt; an der Tagesordnung sind Geldanweisungen, deren Bestimmung dem Schatzmeister verborgen blieb.
Die ursprüngliche Absicht und das ergriffene Prinzip mußten dahin führen, die Erblichkeit und Käuflichkeit der Ämter völlig abzuschaffen; wie gewaltsam aber auch vorgeschritten ward, unendlich weit blieb man von dem vorgesteckten Ziele entfernt. Trotz aller Reduktionen blieben noch mehr als 45000 Ämter, welche einen Kaufpreis von mehr als 400 Millionen darstellten. Die Besoldungen, welche der Staat dafür zahlte, waren unbedeutend, das Einkommen aber, das durch die Gefälle entstand, überaus ansehnlich, und nur einen geringen Teil davon empfing der Staat durch das Droit annuel zurück. Nicht allein aber die Ämter der Justiz und Finanz, auch die Beamtungen im königlichen Hause, die Offizierstellen in der Armee wurden gekauft. Man hat berechnet, daß diese mit jenen zusammen gegen 800 Millionen Kaufpreis tragen konnten; alles Gelder, die im allgemeinen Handelsverkehr besser hätten verwendet werden können, und durch deren Annahme die regelmäßige Staatsgewalt sich gleichsam Schranken zog. Sie hielt für nötig, ihre Diener durch den Vorteil ihrer Familien an sich zu fesseln.
Von allgemeinen Ständen war nicht die Rede, aber nicht ohne eigentümliches Leben waren die Provinzialstände, welche immer die Aufmerksamkeit der Regierung forderten. Ein Beispiel ist Languedoc, wo die Verordnung Richelieus, welche die Stände zwar bestehen ließ, aber ihnen das Steuerbewilligungsrecht entzog, in den Unruhen der Fronde widerrufen worden war. Die Regierung machte einen Versuch, sie zu erneuern, stand aber aus mancherlei Gründen davon ab. Die Stände von Languedoc traten in die Gerechtsame zurück, welche sie vor Richelieu ausgeübt hatten, und immer knüpften sich lebhafte provinziale Bewegungen an ihre Zusammenkünfte. Die Kapituls von Toulose stellten die populäre Partei dar; die hohe Geistlichkeit und der Adel hielten sich meistens an die Krone, doch bedurfte es in der Regel noch der Einwirkung der Regierung auf die einzelnen Mitglieder, wenn sie mit ihren Anträgen durchdringen wollte. Durch Geldgeschenke und persönliche Begünstigungen erlangte sie dann in der Regel reichlichere Beisteuern, als ihr nach den Festsetzungen Richelieus bestimmt waren.
Die ministerielle Korrespondenz über die Verhältnisse der Provinzialstände bietet übrigens nicht viel Erfreuliches. Man nimmt da nur immer ein Widerstreben lokaler und persönlicher Interessen und beschränkter Auffassung gegen überlegene Einsicht und umfassende Gesichtspunkte wahr. Um ihre ganze Wirksamkeit zu übersehen, müßte man freilich noch die Akten der Versammlungen vor sich haben. Die Tatsache ist, daß provinzialständische Verfassungen in einem Teile des Reiches in voller Wirksamkeit bestanden; in den neu eroberten Provinzen, wie unter andern in Artois, wurden sie aufrecht erhalten und anerkannt.
Indem alles dem Monarchen und seinen Bestrebungen huldigte, waren doch die antimonarchischen Meinungen nicht erstickt. Es zeigen sich vereinzelte Kundgebungen, die aber das Dasein eines unbezwungenen, unversöhnten Elementes in der Tiefe der Nation beweisen. Die Religion des Königtums herrschte, aber sie fand noch Widerstrebende. Zur völligen Durchführung der monarchischen Idee gehörte die allenthalben sichtbare, alles umfassende, in alles eingreifende Tätigkeit des Königs und der Glanz seiner Erscheinung. Unter den Momenten, welche ihren Sieg beförderten, ist keiner von größerem Einfluß als die übereinstimmende Tendenz der Geistlichkeit. Daß der König ihre Prärogative schützte und mehrte, brachte eine allgemeine Befriedigung hervor und befestigte ihre Ergebenheit, welche in Zeiten wie diese, wo die Geistlichen sich der Religion mit Eifer annahmen, unfehlbar eine große Wirksamkeit auf die Menschen ausüben mußte. Ein andres Moment bot der Hof dar, an welchen alles sich anschloß, was durch Geburt oder Rang ein höheres Ansehen im Reiche besaß. Unter Mazarin, der mancherlei Freunde bedurfte, hatte man, offene Schmeichelei mit versteckter Drohung verbindend, Gnaden gefordert; wie ganz anders unter dem König! Ohne dazu aufgefordert zu sein, nach seinem Ermessen, seiner Wahl, wollte er seine Gnadenbeweise erteilen; er war nicht sparsam damit, aber von ihm allein hing alles ab.
So stark nun im Innern die Hand empfunden wurde, welche die Zügel ergriffen hatte, so darf man doch den allgemeinen Gehorsam, den sie fand, nicht lediglich von dieser Gewalt herleiten. Die Hingebung der Großen wie des Adels, die fast ununterbrochene Ruhe der Provinzen, die Anhänglichkeit des Bürgerstandes beruhte noch auf einem andern tieferen Grunde. Es waren die großen Ideen der Einheit der Nation, einer durchgreifenden gesetzlichen Ordnung und einer ruhmvollen Stellung in der Welt, die dem Königtum, welches sie repräsentierte, Dienstwilligkeit und selbst freudiges Anschließen verschafften. An Generalstände dachte man in Frankreich auch deshalb wenig, weil sich an ihren Namen eine Erinnerung an die alten Entzweiungen knüpfte. Damals schienen sie unnütz, da das siegreiche Königtum Mittel gefunden hatte, Frankreich groß und blühend zu machen; niemand verlangte nach ihnen. In ihren bestimmten Wirkungskreisen bewegten sich Provinzialstände und Parlamente; der Rat des Königs stellte die allgemeinen Interessen dar. Der König meinte fast, durch besondere göttliche Veranstaltung in der Verwaltung derselben nicht irren zu können.