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Englische Geschichte I, Werke Bd. 14 S. 309 ff.
Schon längst waren Feindseligkeiten im Gange, die zunächst aus dem Piratenwesen entsprangen, welches überhaupt den westlichen Ozean erfüllte. Die englischen Kauffahrer hielten für ihr gutes Recht, jede Unbill zu rächen, die ihnen an den Küsten der Nachbarn angetan ward, denn in dem Menschen wohne, so sagten sie, nun einmal die natürliche Begier sich Genugtuung zu verschaffen, und verwandelten sich in Seeräuber. Durch die Gegenanstalten der Spanier geschah es, daß dieser Privatseekrieg immer größeren Umfang gewann, dabei aber auch nach und nach rühmlichere Antriebe entwickelte, wie man an Franz Drake sieht, der zuerst nur eben an den Raubzügen gekränkter Kauffahrer teilnahm und sich dann zur Idee einer maritimen Rivalität der Nationen erhob. Es ist ein welthistorischer Augenblick, wie Drake auf der Landenge von Panama zuerst der Südsee ansichtig wurdeBei seiner ersten großen Fahrt im Jahre 1572. und Gott um die Gnade bat, dieses Meer einmal auf einem englischen Schiff zu durchsegeln: eine Gnade, die nicht allein ihm selbst, sondern im reichsten Maße seiner Nation zu teil geworden ist. Mannigfaltige Genossenschaften bildeten sich zur Wiederaufnahme der bereits einmal begonnenen und dann wieder unterlassenen Entdeckungsreisen. Und wenn die Spanier ihr ausschließendes Recht auf den Besitz der anderen Hemisphäre auf den Anspruch des Papstes gründeten, so trugen nun auch die protestantischen Ideen, welche dieser Weltsuprematie des römischen Stuhles spotteten, dazu bei, zu einer Besitznahme in diesen Regionen anzutreiben. Die Hauptsache geschah allezeit durch freiwillige Anstrengung begüterter Kaufhäuser oder unternehmender Mitglieder des Hofes und Staates, denen die Königin ermächtigende Patente gab. Auf diese Weise gründete Walter RaleghEr erhielt seinen Freibrief für eine amerikanische Kolonie 1584. im politischen und religiösen Gegensatz mit den Spaniern eine englische Kolonie auf dem transatlantischen Kontinent, in Wingandacoa; die Königin hatte soviel Freude daran, daß sie dem Gebiet einen Namen gab, der an die Eigenschaft, auf die sie fast am stolzesten war, erinnern sollte; sie nannte es Virginien.
Endlich aber unternahm sie den Seekrieg in aller Form; er war zugleich ein Motiv für den Bund mit den Holländern, welche in demselben treffliche Dienste würden leisten können. In Westindien hoffte sie das Fundament der spanischen Größe umzustürzen. Franz Drake ward damit beauftragt, ihn zu eröffnen. Als er im Oktober 1585 an den Islas de Bayona an der gallicischen Küste anlangte, ließ er den Governador derselben Don Pedro Bermudez wissen, er komme im Namen seiner Königin, um den Beschwerden ein Ende zu machen, welche die Engländer von den Spaniern erleiden müßten. Don Pedro antwortete, er wisse von solchen Beschwerden nichts, wolle aber Drake Krieg anfangen, so sei er bereit ihn anzunehmen. Drake richtete damals seinen Lauf sofort nach Westindien. Er hat S. Domingo und Cartagena überrascht, einen Augenblick das eine und das andere in Besitz gehabt und große Brandschatzungen davongebracht. Dann führte er die Kolonisten von Virginien, die sich noch nicht gegen die Eingeborenen behaupten konnten, nach England zurück.Erst 1612 unter Jakob I. ist Virginia wieder besiedelt worden; Englische Geschichte 2, 72. Und noch verderblicher wurde er den Spaniern im nächsten Jahre; er drang in den Hafen von Cadiz ein, der voll von Fahrzeugen lag, die von beiden Indien kamen oder dahin gingen; er bohrte sie in den Grund oder verbrannte sie. Seine Korsaren bedeckten die See.
Wie oft schon war in Spanien von einer Invasion von England die Rede gewesen! Dringender als jedes andere war das Motiv, das in diesen maritimen Unternehmungen dafür lag. Die Spanier bemerkten, daß der Bestand und die Kraft ihrer Monarchie nicht so sehr auf den festen Plätzen beruhe, die sie in allen Landschaften besitze, als auf den beweglichen Werkzeugen der Herrschaft; die Störung der Kommunikation, welche Drake mit seinen Korsaren zwischen den wichtigsten Punkten an den spanischen und den niederländischen Küsten verursachte, schien ihnen unerträglich; sie wollten ihr um jeden Preis abhelfen. Und dazu kam nun der allgemeine Racheruf wegen der Hinrichtung der Königin von Schottland, der sich vor dem König selbst auf den Kanzeln vernehmen ließ. Doch war dies nicht die einzige Einwirkung dieses Ereignisses. Das Leben der Königin Maria und ihr Erbanspruch hatten immer dem spanischen Ehrgeiz entgegengestanden; jetzt konnte Philipp II. daran denken, den englischen Thron selbst in Besitz zu nehmen. Er hat mit Papst Sixtus V. einen Vertrag geschlossen,Vgl. Geschichte der Päpste 2, 109. Philipp war 1554-58 Gemahl der Königin Marie von England gewesen, doch nicht gekrönter König von England; s. Bd. 1 S. 200. nach welchem er die Krone von England von dem römischen Stuhle zu Lehen tragen sollte; dieser würde so mit der Herstellung der kirchlichen Autorität zugleich auch die Erneuerung seiner alten Oberlehnsherrlichkeit über England durchgesetzt haben. Noch einmal waren die spanische Monarchie und das Papsttum in ihren geistlichen und politischen Ansprüchen auf das engste vereinigt. Papst Sixtus V. sprach aufs neue die Exkommunikation über die Königin aus,Zum ersten Male hatte es Pius V. 1570 getan; f. Bd. 1 S. 276. erklärte sie für abgesetzt, entband nicht allein ihre Untertanen von dem Eid der Treue, sondern forderte jedermann auf, dem König von Spanien und seinem Heerführer, dem Herzog von Parma, Hilfe gegen sie zu leisten.
Zwischen spanischen und englischen Bevollmächtigten ist jedoch im Jahre 1587 noch über den Frieden unterhandelt worden. Hauptsächlich die Kaufmannschaften von London und Antwerpen drangen darauf, und da die Spanier damals das offenbare Übergewicht besaßen, den Niederrhein und die Maas beherrschten, in Friesland eindrangen, Sluis trotz aller Gegenwehr belagerten und endlich bezwangen, so ist es begreiflich, wenn die englischen Bevollmächtigten zu unerwarteten Zugeständnissen bewogen wurden. Sie würden die Herstellung der Oberherrschaft der Spanier über Nordniederland nachgegeben haben, wenn Philipp den Einwohnern Gewissensfreiheit hätte bewilligen wollen. Alexander von Parma brachte in Vorschlag, denselben zwar die Rückkehr zum Katholizismus zur Pflicht zu machen, aber mit der Versicherung, daß keine Inquisition über sie verhängt, niemand für seine Abweichung von diesem Glauben gestraft werden würde. Selbst wenn es mit dieser Unterhandlung nicht vollkommen Ernst gewesen sein sollte, so ist doch bemerkenswert, woran sie scheiterte. Philipp II. wollte weder eine solche Versicherung, die doch die Gewissensfreiheit dem Wesen nach enthalte, noch vollends diese selbst in besserer Form bewilligen. Darin bestand gerade seine Stärke, daß er das katholische System mit unnachsichtiger Energie behauptete; dadurch erwarb er sich die Anhänglichkeit der Priester und der glaubenseifrigen Laien. Und wie hätte er vollends in einem Augenblick, wo er so eng mit dem Papste verbunden war und für seine Unternehmung auf die im Kastell S. Angelo angesammelten Millionen rechnen durfte, von der Strenge des exklusiven Glaubens abweichen sollen! Er meinte bei der Verweigerung jeder religiösen Konzession in seinem Rechte zu sein, wie ja auch jeder andere Fürst in seinen Gebieten für die Religion maßgebende Gesetze erlasse.
Philipp wäre am liebsten schon im Spätjahr 1587 ans Werk geschritten. Er hoffte damals, daß ihm Schottland, wo die katholischen Lords und das Volk lebhafte Sympathie mit dem Schicksal der Königin Maria kundgaben, von ihrem Sohne, von dem man voraussetzte, daß er ihren Tod zu rächen wünsche, geöffnet werden würde. Aber anderen schien das nicht so gewiß; besonders machte der erfahrene Admiral Santa Cruz den König aufmerksam, in welche Gefahr die Flotte in jenen Meeren geraten könne; sie werde mit widrigen Winden, dem Nachteil kurzer Tage und tiefer Nebel zu kämpfen haben. Santa Cruz wollte seinen Ruhm, den einzigen Erwerb eines langen Lebens, nicht durch ein unzeitiges oder doch sehr gewagtes Unternehmen gefährden. Er hielt einen Angriff auf England für schwieriger als die meisten andern und verlangte solche Vorbereitungen, daß dadurch der Sieg unzweifelhaft würde. Inmitten der Herbeischaffung derselben starb er, nicht mehr eben im Besitz der Gnade seines Fürsten. Sein Nachfolger, der Herzog von Medina Sidonia, den der König deshalb wählte, weil er sich bei der letzten Verteidigung von Cadiz hervorgetan hatte, machte nicht so unerfüllbare Forderungen; die Flotte, die unter ihm und durch ihn zustande kam, war aber dennoch, wenn nicht an Zahl der Segel, etwa 130, aber an Tonnengehalt, Größe der Fahrzeuge und Zahl der Kriegsmannschaften, die sie aufnahm, bei 22000 Mann, die bedeutendste, die noch jemals von einer europäischen Macht in See gebracht worden war. Alle Landschaften der pyrenäischen Halbinsel hatten wetteifernd dazu beigesteuert; nach ihnen war die Flotte in Geschwader eingeteilt: das erste war das portugiesische, dann folgten die Geschwader von Kastilien, Andalusien, Biscaya, Guipuzcoa, dann das italienische, denn auch aus Italien waren Schiffe und Mannschaften in guter Anzahl herübergekommen.
Mit nicht minderem Eifer ward in den Niederlanden gerüstet; allenthalben in den flamändischen und wallonischen Provinzen ward die Trommel gerührt, alle Straßen waren mit militärischen Zügen bedeckt. Auch in den Niederlanden fand sich eine große Zahl Italiener ein, Korsen und Einwohner des Kirchenstaates, Neapolitaner in prächtigem Aufzug; man sah die Brüder des Großherzogs von Toskana und des Herzogs von Savoyen; König Philipp hatte dem Sohn eines maurischen Fürsten vergönnt, sich an dem katholischen Feldzug zu beteiligen. Auch aus dem katholischen Deutschland waren Fußvölker und Reiter angelangt. Es war ein gemeinsames Unternehmen der spanischen Monarchie und eines großen Teiles der katholischen Welt, unter dem Papst und dem König, zum Umsturz der Fürstin, die als das Oberhaupt, und des Staates, der als der vornehmste Rückhalt des Protestantismus und der antispanischen Politik betrachtet wurde.
Als die Flotte am 22. Juli 1588 von Corunna auslief und das lange überlegte, lange vorbereitete Unternehmen nun ins Werk gesetzt wurde, zeigten der König und die Nation eine tiefe religiöse Bewegung. In allen Kirchen des Landes hielt man die vierzigtägigen Gebete; in Madrid wurden feierliche Prozessionen veranstaltet; Philipp brachte alle Tage ein paar Stunden im Gebet zu. Er war in der lautlosen Aufregung, welche ein ungeheures Vorhaben und die Erwartung einer großen Wendung in den Geschicken hervorruft; man wagte kaum ein Wort an ihn zu richten.
Erst in diesen Tagen war man in England der drohenden Gefahr eigentlich inne geworden. Eine Abteilung der Flotte unter Heinrich Seymour beobachtete mit holländischer Hilfe die beiden Häfen des Prinzen von Parma, Nieuwport und Dünkirchen; die andere, größere, soeben aus Spanien zurückgekommen und schon bereit zu entwaffnen, setzte sich unter dem Admiral Howard zu Plymouth in Bereitschaft, den Feind zu empfangen. Indessen sammelte sich das Landheer auf den Rat Leicesters in der Nähe von London. Noch einmal ward die alte feudale Organisation der Streitkräfte des Landes in dieser Gefahr lebendig. Man sah die Edelleute an der Spitze ihrer Pächter und Hintersassen ins Feld ziehen und freute sich, wie gut sie zusammenhielten. Es war ohne Zweifel ein Vorteil, daß der drohende Angriff sich jetzt nicht mehr an ein im Lande anerkanntes Erbrecht anschließen konnte; er erschien als das, was er war, eine große, auf die Unterwerfung Englands berechnete Invasion einer fremden Macht. Auch die katholischen Lords erschienen, unter andern Viscount Mountague, der einst im Oberhause allein dem Supremat widerstrebte und sich auch seitdem der religiösen Haltung der Königin nicht beigesellt hatte, mit seinen Söhnen und Enkeln; er sagte, seine Königin wolle er mit seinem Leben verteidigen, wer auch immer sie angreife, König oder Papst. Kein Zweifel, daß diese Rüstungen noch viel zu wünschen übrig ließen, aber sie wurden von nationalem und religiösem Enthusiasmus belebt. Einige Tage später begab sich die Königin in das Lager zu Tilbury; mit geringem Geleit ritt sie von einem Bataillon zum anderen. Ein Tyrann, sagte sie, möge sich vor seinen Untertanen fürchten, sie habe ihre vornehmste Stärke allezeit in dem guten Willen derselben gesucht; mit ihnen wolle sie leben und sterben. Sie ward überall mit Freudengeschrei empfangen; dann wurden Psalmen angestimmt; die Königin gesellte sich dem Gebete bei. Denn was auch der Glaube der Menschen sein mag, in großen Kämpfen und Gefahren wenden sie ihre Blicke unwillkürlich auf die ewige Gewalt, welche das Schicksal lenkt, und von der sich alle gleich abhängig fühlen. Die beiden Nationen, die beiden Oberhäupter riefen die Entscheidung Gottes in ihrem religiös-politischen Streite an. Die Geschicke der Menschheit lagen auf der Wagschale.
Am 31. Juli, eines Sonntags, langte die Armada, in weiter Ausdehnung die See bedeckend, auf der Höhe von Plymouth im Angesicht der englischen Küste an. Man hielt auf der Flotte selbst für das angemessenste, unmittelbar dort eine Landung zu versuchen, denn da sei zur Abwehr keine Vorkehrung getroffen und das englische Geschwader nicht mit Kriegsmannschaften versehen. Das lag aber außerhalb des Planes und hätte, besonders wenn es mißlang, zur Verantwortung führen können. Nur dann war der Herzog von Medina Sidonia ermächtigt und bereit eine Seeschlacht anzunehmen, wenn die Engländer sie anbieten würden. Seine nach dem Vorgang der Venetianer verbesserten Galeeren und besonders seine Galeonen, ungeheure Segelschiffe, die auf ihren verschiedenen Decken nach allen Seiten hin Geschütze führten, waren den Fahrzeugen der Engländer ohne Zweifel überlegen. Als diese aus dem Hafen hervorkamen, etwa 60 Segel stark, ließ er die große Standarte von dem Fockmast des Admiralschiffes fliegen, zum Zeichen daß sich ein jeder zum Kampf bereiten solle. Aber der englische Admiral hegte nicht die Absicht, es zu einer eigentlichen Schlacht kommen zu lassen; er kannte vollkommen die Überlegenheit der spanischen Ausrüstung und hat sogar verboten, die feindlichen Fahrzeuge zu entern. Sein Sinn ging nur dahin, der Armada die Windseite abzugewinnen und sie in ihrem Laufe zu stören, in Unordnung zu bringen. In vier Geschwadern folgten die Engländer dem Zuge der Armada nach und ließen keinen Vorteil, der sich ihnen darbieten mochte, unbenutzt. Sie waren dieser See vollkommen mächtig und lenkten ihre beweglichen Fahrzeuge mit voller Sicherheit und Meisterschaft; die Spanier bemerkten mit Mißvergnügen, daß es in ihrem Belieben gestanden habe, vorzudringen, anzugreifen, den Kampf wieder abzubrechen. Medina Sidonia bemühte sich vor allen Dingen, seine Armada beisammenzuhalten; ein großes Schiff, welches zurückgeblieben war, hat er nach gepflogenem Kriegsrat in die Hände des Feindes geraten lassen, weil dieser Verlust weniger schade als die Auflösung der Ordnung, die aus dem Versuche das Schiff zu retten entspringen werde; er hat seine Sargentes mayores den Kapitänen herumgeschickt, um sie zu bedeuten nicht aus der Ordnung zu weichen, bei Lebensstrafe.
Im ganzen waren die Spanier mit ihrer Fahrt nicht unzufrieden, als sie nach einer Woche fortwährender Seescharmützel, ohne doch sehr erhebliche Verluste erlitten zu haben, die englische See durchmessen hatten und Sonnabends den 6. August vor Boulogne vorüberfuhren und auf der Höhe von Calais anlangten: es war das nächste Ziel, das sie hatten erreichen wollen. Aber sich nun, wie es die ursprüngliche Absicht gewesen zu sein scheint, nach der nahen Küste von England zu wenden wurde dadurch unendlich schwer, daß die englische Flotte sie schützte, mit deren gelenken Fahrzeugen die spanischen Galeonen sich in der Meerenge noch weniger messen konnten als anderswo. Und jeden Augenblick ward sie verstärkt; der junge Adel wetteiferte, sich an Bord zu begeben. Aber auch nach Dünkirchen konnte der Admiral nicht vorgehen, da der Hafen damals viel zu enge war, um seine gewaltigen Fahrzeuge aufzunehmen, und seine Piloten in die Seeströmungen nach dem Norden hin zu geraten fürchteten. Dort an der Reede, östlich jenseits Calais, in der Richtung nach Dünkirchen ging er vor Anker. Schon früher hatte er den Herzog von Parma davon benachrichtigt, daß er auf dem Wege sei, und dann unmittelbar vor seiner Ankunft in Calais einen Piloten nach Dünkirchen abgeschickt, um denselben aufzufordern, mit einer Anzahl kleiner Fahrzeuge zu ihm zu stoßen, damit man den Engländern besser begegnen könne, auch Kanonenkugeln von einem gewissen Kaliber, woran er Mangel zu leiden anfing, mitzubringen. Es ist klar, daß er noch von dort aus, wenn er in seinem Sinne unterstützt wurde, den großen Landungsversuch, mit dem er beauftragt war, unternehmen wollte. Allein Alexander von Parma, den die erste Botschaft einige Tage zuvor in Brügge gefunden, war noch gar nicht in Dünkirchen angekommen, als die zweite eintraf; man begann dort nur eben erst die Vorbereitung zur Einschiffung, und kaum ließ sich wagen, sie ins Werk zu setzen, da noch immer englische und holländische Kriegsfahrzeuge vor dem Hafen kreuzten.
Man hat von jeher das Nichtzusammentreffen Alexander Farneses mit Medina Sidonia aus persönlichen Beweggründen hergeleitet; in England hat man sogar späterhin gesagt, Königin Elisabeth habe ihm die Hand der Lady Arabella StuartNichte von Henry Darnley, dem Gemahl der Maria Stuart; s. Bd. 2 S. 20 und Bd. 1 S. 256 f. angetragen, was ihm selber den Weg zum englischen Thron eröffnen könne. Es ist wahr, seine niederländischen Unternehmungen schienen ihm am meisten am Herzen zu liegen: auch Tassis, der ihm nahe stand, bemerkt doch, er habe seine Vorbereitungen mehr aus Gehorsam als mit eigenem Eifer betrieben.
Aber die vornehmste Ursache, daß die Dinge nicht zusammengingen, lag in ihrer Natur. Das geographische Verhältnis der spanischen Monarchie zu England hätte zwei verschiedene Angriffe, den einen von der pyrenäischen Halbinsel, den anderen von den Niederlanden her, gefordert. Daß man die Streitkräfte so entlegener Landschaften zu einem einzigen Angriff kombinieren wollte, gab dem Unternehmen, besonders bei den unzulänglichen Kommunikationsmitteln der Zeit, eine drückende Unbehilflichkeit. Wind und Wetter hatte man bei dem Entwurf wenig berücksichtigt. Zu beiden Seiten waren mit äußerster Anstrengung ungeheure Kriegsmittel zusammengebracht; sie waren einander jetzt bis auf wenige Seemeilen genähert, aber vereinigen konnten sie sich nicht. Nun erst kam die volle Überlegenheit zutage, die den Engländern aus ihrer noch korsarenhaften kecken Kriegführung und der Bundesgenossenschaft der Holländer entsprang. Man sah, daß ein rascher Anfall hinreichen würde, um die ganze Kombination zu zersprengen; Königin Elisabeth soll die Art und Weise eines solchen selbst angegeben haben.
Die Armada lag, Nachrichten von Alexander Farnese erwartend, in der Nacht von Sonntag zu Montag, 7. bis 8. August, in ihrer Kriegsordnung vor Anker, als die Engländer einige Brander, an Zahl etwa acht, auf sie losließen. Es waren die schlechtesten Schiffe, die Lord Howard dazu hergab, aber ihr bloßer Anblick brachte einen entscheidenden Erfolg hervor. Medina Sidonia konnte seinen Schiffen die Erlaubnis nicht versagen, die Anker zu lösen, damit ein jedes der drohenden Gefahr ausweichen könne; er verordnete nur, daß sie hernach ihre bisherige Ordnung wieder einnehmen sollten. Wie so ganz anders aber sah es am andern Morgen aus! Die Flut hatte die Fahrzeuge in einer Richtung, die sie nicht einschlagen wollten, nach dem Lande zu getrieben; nun erst waren ihnen die Angriffe der EngländerAuf der englischen Flotte befanden sich auch Drake und Ralegh als Befehlshaber. verderblich. Ein Teil der Schiffe war dienstunfähig geworden; der Befehl des Admirals, in die alte Stellung zurückzukehren, zeigte sich vollkommen unausführbar. Vielmehr trieben ungünstige Winde die Armada wider ihren Willen die Küste entlang; in kurzem gaben auch die Engländer die Verfolgung des nicht eigentlich geschlagenen aber doch flüchtigen Feindes auf und überließen ihn seinem Schicksal. Der Wind trieb die Spanier an die Sandbänke von Seeland; sie hatten einmal ein so geringes Fahrwasser, daß sie zu scheitern fürchteten; einige ihrer Galeonen sind in der Tat den Holländern in die Hände geraten. Zu ihrem Glück setzte der Wind um, aber in den Kanal vermochten sie auch dann nicht wieder zu gelangen, noch hätten sie es gewollt. Nur auf dem weitesten Umweg, die Orkaden umfahrend, konnten sie nach Spanien zurückkehren.
Ein verderbenschwangeres Ungewitter hatte sich über England gelagert; es ward zerteilt, ehe es seine Donner entlud. Wie so ganz wahr ist, was eine holländische Denkmünze ausspricht: Der Sturmhauch Gottes hat sie zerstreut! Philipp II. sah die Armada, von der er gehofft hatte, sie werde die Weltherrschaft in seine Hand bringen, ohne daß sie etwas, das der Mühe wert gewesen wäre, wir sagen nicht ausgerichtet, sondern auch nur versucht hätte, in trümmerhaftem Zustande wieder nach Hause kommen. Er leistete darum nicht auf sein Vorhaben Verzicht; er sprach davon, daß er sich mit gelenkeren Fahrzeugen versehen und die Gesamtleitung des Unternehmens dem Prinzen von Parma anvertrauen wolle. Die kastilianischen Cortes forderten ihn auf, sich die erlittene Schmach nicht gefallen zu lassen; das ganze Vermögen und die Kinder des Landes boten sie dazu an. Auch die Möglichkeiten großer Unternehmungen aber gehören nur einem Moment an; in folgenden sind sie schon vorübergegangen. Zunächst wurden die spanischen Streitkräfte in die Verwicklung von Frankreich hineingezogen.
Die große katholische Bewegung, die daselbst schon lange gärte, bekam endlich die Oberhand und war ganz dazu angetan, der Oberherrschaft Philipps den Weg zu bahnen. Aber Königin Elisabeth hielt dafür, daß der Tag, an welchem Frankreich in dessen Hände falle, der Vorabend ihres eigenen Unterganges sein werde. Auch sie wendete ihre besten Kräfte nach Frankreich, um die Widersacher Philipps aufrecht zu halten. Als Heinrich IV., an die äußerste Küste der Normandie zurückgedrängt, beinahe verloren war, ist er durch ihre Hilfe in den Stand gesetzt worden, sich zu behaupten. Bei den Belagerungen der großen Städte, mit denen es ihm noch oft zu mißlingen drohte, haben die englischen Truppen hie und da das Beste getan. In dieser Politik konnte es die Königin nicht irren, daß Heinrich IV. sich genötigt sah und es mit seinem Gewissen vereinbar fand, zum Katholizismus überzutreten. Denn offenbar ward er dadurch um so mehr fähig, ein politisch unabhängiges Frankreich herzustellen, und zwar im Gegensatz und Kampf mit Spanien. Auf diesem Gegensatz aber beruhte die politische Freiheit und Unabhängigkeit von England selbst. Wie der Wechsel der Religion, so war der Friede, zu welchem Heinrich IV. schritt, der Königin widerwärtig; sie setzte ihren Einfluß gegen den Abschluß desselben ein. Aber da dabei die Spanier die Plätze aufgaben, welche sie an den französischen Küsten innehatten, in deren Besitz sie auch für England gefährlich wurden, so konnte sie doch in der Tat nicht von Grund aus dagegen sein.
Den großen Kämpfen zu Lande gingen wiederholte Angriffe der englischen und holländischen Seemacht zur Seite, vor denen es zuweilen schien, als würde dadurch die spanische Monarchie in ihren Grundfesten erschüttert werden. Elisabeth hat einen Versuch gemacht, Don Antonio auf den Thron zurückzuführen, von dem ihn Philipp verdrängt hatte.Nachdem König Sebastian von Portugal im Kampfe gegen den Sultan von Marokko gefallen war (1578), versuchte sein Verwandter Antonio, ein Enkel Emanuels des Großen, den Thron zu behaupten, wurde aber 1580 von Philipps Truppen vertrieben. Philipp II. machte Erbansprüche geltend als Sohn der ältesten Tochter Emanuels und vereinigte Portugal mit Spanien; erst 1640 wurde Portugal wieder selbständig; vgl. Geschichte der spanischen Monarchie, Werke Bd. 35 u. 36, S. 393 ff. Aber noch waren die Gemüter der Portugiesen selbst für einen Abfall bei weitem nicht hinreichend vorbereitet; das Unternehmen scheiterte in den Vorstädten von Lissabon. Auf das lebendigste beschäftigte dieser Krieg die Engländer. Das Parlament verstand sich zu immer reichlicheren Bewilligungen; von zwei Fünfzehnten und einer einfachen Subsidie (ungefähr 30 000 Pfund), welche es zu gewähren pflegte, stieg es 1593 zu drei Subsidien und sechs Fünfzehnten auf; freudig rüsteten die Städte auf ihre eigenen Kosten, und man fand Leute genug, um die Schiffe zu bemannen; die nationale Tatkraft nahm ihre Richtung auf die See. Auch ist den Engländern einiges gelungen. In dem Hafen von Corunna haben sie die dort angehäuften Vorräte, die wahrscheinlich zu einer Erneuerung der Expedition dienen sollten, vernichtet.Abermals eine kühne Tat Franz Drakes, 1589. Einst ist der Hafen von Cadiz eingenommenIm Jahre 1596; die Flotte wurde von Essex, Howard und Ralegh befehligt. Über Raleghs trauriges Ende s. Englische Geschichte 2, 115 ff. und die Stadt selbst besetzt worden; mehr als einmal hat man Westindien aufgeschreckt und gefährdet. Mit alledem war noch nichts eigentlich Entscheidendes geschehen; die spanische Monarchie behauptete ein unzweifelhaftes Übergewicht in Europa und den ausschließenden Besitz der andern Hemisphäre, sie bildete die große Macht der Epoche. Aber ihr gegenüber nahm nun auch England eine gewaltige und furchtbare Stellung ein.