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Hier treffen wir auf griechische und orientalische Anschauungen in eigenthümlicher Vermischung, wie denn auch die älteste Technik dieser Künste den Griechen gewiß aus dem Orient kam.
Namentlich gehören dahin die Sagen vom Daedalos d. h. dem KünstlerΔαίδαλος von δαιδάλλω. So heißt auch Hephaestos, ja dieser wird auch Παλαμάων genannt. Doch sind beide deshalb nicht zu identificiren, denn die engere Bedeutung des Daedalos ist die eines Tektonikers, Daedalus ingenio fabrae celeberrimus artis, Ovid M. 8, 159. Vgl. Bd. 1, 144, [169] und zur Etymologie Pott Zeitschr. f. vgl. Spr. 6, 30 ff., von dem man in Attika, auf Kreta und bis nach Italien und Sicilien erzählte. Die Sagen auf Kreta scheinen die alterthümlichsten zu sein. Er bildet hier die Kuh für Pasiphae, 500 das Labyrinth für Minotauros, den Tanzplatz für Ariadne, lauter figürliche Ausdrücke für die Wunder des Himmels und der ErdeDer Chor der Ariadne Il. 18, 592 wird am wahrscheinlichsten für einen Tanzplatz gehalten. Die Tänze der Ariadne aber sind ein Bild für ihre Vereinigung mit Dionysos (1, 533) oder mit Theseus (S. 296)., so daß also Daedalos in dem älteren Zusammenhange dieser Mythen die Bedeutung eines kosmischen Demiurgen gehabt haben möchte. Dann ward er zum Künstler schlechthin, sowohl im Sinne der ältesten Baukunst, die sich in Höhlenbauten, imposanten Grabanlagen, kolossalem Mauerwerk bewährte, als in dem der Bildnerei zum Behufe des Cultus, welcher in der frühesten Zeit meist Schnitzbilder (ξόανα i. q. δαίδαλα Paus. 9, 3, 2) erforderte. Daedalos ist nun der allgemeine Repräsentant solcher Thätigkeit und der heroische Begründer und Vorstand der damit beschäftigten Innungen, nur daß das charakteristische Merkmal seiner eignen Bilder immer dämonisches Leben blieb, daß sich die Glieder, die Augen bewegen, wie frommer Glaube oder fromme Täuschung denn oft solche Wunder hervorrief (Paus. 2, 4, 5). In diesem Sinne wurde er vorzüglich in Attika von dortigen Künstlerinnungen verehrt, daher auch seine Geschichte besonders hier gepflegt und erzählt wurde, auch auf dem TheaterSophokles im Daedalos und in den Kamikiern s. oben S. 122. In den Kretern des Euripides die Geschichte der Pasiphae und ihres Stiers, auch ein Gesang des Ikaros, Schol. Ar. Ran. 849. Vgl. Hygin f. 39. 40. 44.. Die örtlichen Sagen wurden wie gewöhnlich combinirt und es hieß nun daß er in Athen geboren sei, ein Sohn des Eupalamos oder Palamaon d. h. des Kunstfertigen und ein Glied des königlichen Erechthidenstammes (S. 157), ausgezeichneter Baukünstler und der erste Erfinder menschlich gestalteter Bilder. Seine Schwester Perdix hat einen Sohn Talos, welcher sein Schüler ist und so geschickt und erfinderisch, daß er seinen Meister zu übertreffen droht, daher Daedalos ihn von der Burg herabstürztDas älteste Beispiel der weit verbreiteten Sage vom Meister und Gesellen, s. Lange verm. Schr. Leipz. 1832 S. 224 ff. Τάλως heißt auch Κάλως, wie Ταλαός, der Vater des Adrast, auch Καλαός genannt wird, Paus. 1, 21, 6; 26, 5, Schol. Soph. O. C. 1320, Eur. Or. 1643. Die Schwester Perdix wird in den gleichnamigen Vogel d. h. das Rebhuhn verwandelt, Ovid M. 8, 236 ff. vgl. Soph. fr. 301. Als vorzüglichste Erfindung des Talos wird die Säge genannt.. Er will den Leichnam heimlich begraben, wird aber dabei ertappt und das Verbrechen vom Areopag verurtheilt, weshalb Daedalos zum Minos nach Kreta flieht und nun dort seine Kunst übt. Aber Minos zürnt wegen des der Pasiphae geleisteten Dienstes, daher 501 er weiter flieht, mit künstlichen, durch Wachs gebundenen Flügeln, er und sein Sohn Ikaros, welcher zu hoch fliegend der Sonne so nahe kommt, daß das Wachs seiner Flügel schmilzt und er ins Meer stürzt; daher das Ikarische Meer und die Insel Ikaros oder Ikaria, wo der Jüngling durch Herakles ein Grab gefundenZum Dank dafür macht Daedalos ein Bild des Herakles (es befand sich zu Olympia) welches dieser selbst für lebendig hielt, Apollod. 2, 6, 3, Hes. πλήξαντα καὶ πληγέντα, Eustath. Il. 882, 38. Zur Fabel Apollod. 3, 15, 8. 9, Diod. 4, 76 ff., wo Daedalos nach seiner Verurtheilung in Athen zuerst in den Demos der Daedaliden und von da nach Kreta flüchtet, Ovid M. 8, 183 ff., Tzetz. Chil. 1, 19. Daedalos und Ikaros b. Zoega t. 44. Andre Bildwerke b. Müller § 418, 1, O. Jahn Arch. Beitr. 237 ff.. Daedalos entkommt nach Sicilien zum Könige Kokalos, der ihn gegen Minos in Schutz nimmt, ja diesen seinetwegen tödtet (S. 122), worauf er neue Proben seiner wunderbaren Baukunst ablegt, deren sich verschiedene Gegenden Siciliens rühmten. Auch in Italien und Sardinien wurde von ihm erzählt, im Osten in Kleinasien und Aegypten.
Die Sage von zwei andern Künstlern der Art, die immer zusammengenannt und speciell als Baukünstler von Höhlen, Grotten, Schatzkammern und kryptenartigen Tempeln gedacht wurden, mag griechischen Ursprungs sein, doch haben sich frühzeitig Elemente der orientalischen Märchenwelt mit ihr verschmolzen. Es sind Trophonios und Agamedes, von denen Τροφώνιος wohl eigentlich der chthonische Hermes istCic. d. nat. d. 3, 22, 56, Arnob. 4, 14. Τροφώνιος von τρέφω. Boeotische Inschriften nennen ihn Τρεφώνιος., der segenspendende (ἐριούνιος), über die Reichthümer der tiefen Erde gebietende (1, 306. 319), aber zugleich listige und heimlich geschäftige, in die Tiefe der Erde ein- und ausschlüpfende, Ἀγαμήδης dagegen d. i. der Hochheilige vermuthlich Aïdoneus oder Pluton, der Gott der Unterwelt und des chthonischen Reichthums (1, 624). Wie die chthonische Demeter in Hermione für eine Schwester des Klymenos d. h. des Pluton gehalten wurde, so galten Trophonios und Agamedes gewöhnlich für BrüderAbweichende Traditionen aus Orchomenos und Stymphalos b. Suidas u. Schol. Ar. Nub. 508.. Man erzählte von ihnen in Boeotien und in Arkadien und Elis, meist in Verbindung mit jenen mythischen Schatzhäusern der Vorzeit, auf welche in so manchen alten Sagen angespielt wird und nach Anleitung jenes aegyptischen oder orientalischen Märchens vom Schatze des Rhampsinit, welches wesentlich mit der 502 Construction solcher unterirdischen Anlagen zusammenhängt. Sie erbauen diese Schatzhäuser, das des Minyas zu Orchomenos, das des Hyrieus zu Hyria, das des Augeias in Elis und bestehlen sie dann, ganz nach der Weise wie Herodot jenes Märchen erzähltHerod. 2, 121 vgl. Diod. 1, 62, Paus. 9, 37, 3, Schol. Ar. l. c.. Doch bauen sie auch andre Gebäude, Tempel und KönigsburgenIn Stymphalos den Poseidonstempel Paus. 8, 10, 2. Von dem λάινος οὐδὸς unter dem T. zu Delphi weiß schon der H. in Ap. P. 116 ff., wo sie dem Apollo beim Bau seines Tempels halfen, υἱέες Ἐργίνου, φίλοι ἀϑανάτοισι ϑεοῖσιν. Vgl. Steph. B. Δελφοί., wie man denn in verschiedenen Gegenden die ältesten Tempelanlagen auf sie zurückführte, namentlich in Delphi, wo Apoll sie dadurch belohnte daß er ihnen am siebenten Tage nach der vollendeten Arbeit, als sie noch in der vollen Festfeier des gelungenen Werks begriffen waren, einen sanften Tod schicktePindar b. Plut. cons. ad Apollon. 14.. Von dem Orakel zu Delphi soll auch der Cultus und das Orakel des Trophonios zu Lebadea angeordnet sein, wo er der Sage nach von dem Könige Hyrieus verfolgt zuletzt unter die Erde entschlüpft war. Gewiß ist daß dasselbe schon zur Zeit der Perserkriege eines bedeutenden Ansehns genoß und sich in diesem sehr lange erhieltPaus. 9, 39. 40, Plut. de genio Socr. 21 ff., Philostr. v. Apollon. 8, 19, Suid. v. Τροφωνίον, Schoemann Gr. Alterth. 2, 299. Das Oertliche am besten b. Ulrichs Reisen u. Forsch. 166 ff.. Trophonios wurde hier unter dem Namen eines Zeus Trophonios verehrt, neben ihm vorzüglich Demeter und Persephone, jene mit dem Beinamen Herkyna, welchen Namen auch die Flußnymphe von Lebadea führte, und als Europa d. h. die Dunkle, lauter Namen und Umstände die auf die tiefe Erde und ihre Geheimnisse deuten. Das Orakel scheint wie das des Amphiaraos vornehmlich den Anfragen von Kranken gedient zu haben, wenigstens wurden Trophonios und die Nymphe Herkyna wie Asklepios und Hygieia abgebildet. Es war eine unterirdische Schlucht, in welche die Fragenden hinabfuhren um dort auf geheimnißvolle und betäubende Weise allerlei Offenbarungen zu erhalten, welche hernach aufgeschrieben und gedeutet wurden.
Auch die Geschichte der Malerei hatte ihre mythischen Anfänge, z. B. wenn man den ersten Maler in Griechenland Eucheir und einen Verwandten des Daedalos nanntePlin. 7, 205 nach Aristoteles. Aber auch ein Künstler aus Athen geschichtlichen Andenkens hieß Εὔχειρ Εὐβουλίδου, Paus. 8, 14, 7, Plin. 34, 91., ferner die der Plastik d. h. die der Kunst in Thon zu bilden, wie 503 namentlich die Künstler, welche sich mit Demaratos von Korinth nach Italien übergesiedelt und dort zuerst die Plastik gelehrt haben sollen, Eucheir, Diopos und EugrammosPlin. 35, 152, wo der Name Diopos noch nicht auf befriedigende Weise erklärt ist. Auch ein Maler Namens Ekphantos soll mitgegangen sein, Corn. Nep. b. Plin. 35, 16, und dieser Name ist doch wohl der einer wirklichen Person. Vgl. Boeckh Abh. der Berl. Ak. 1836. S. 75 ff., gewöhnlich für mythische Personen gehalten werden. Doch muß man sich hüten aus solchen bedeutungsvollen Namen zu rasch auf mythische Ueberlieferung zu schließen, da bei den Griechen derartige Namen auch in ihrem gewöhnlichen Familienleben beliebt waren.