Ludwig Preller
Griechische Mythologie II - Heroen
Ludwig Preller

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h. Phineus.

Sie fahren weiter und kommen an die Salmydessische Küste, das ist der allgemeine Name für die durch Sturm und Klippen gefährliche Küste von Thrakien bei der Mündung ins schwarze MeerAesch. Pr. 725, Xenoph. Anab. 7, 5, 12, Str. 7, 319, Skyma: Ch. 724., wo die Schifffahrt noch jetzt bei stürmischem Wetter gefährlich ist, wie viel mehr in so hülflosen Zeiten. Hier herrschte Phineus, gewissermaßen der Pförtner des Pontos Euxeinos, der 330 aber erst durch die Argonauten ein solcher d. h. ein gastlicher geworden, denn früher war er ἄξενος und ganz unwirthlich. Phineus ist blind, prophetisch, der Schifffahrt auf dem ganzen Meere kundig, Sohn des Agenor oder des Phoenix oder wie Andre sagten des Poseidon, Gemahl einer Tochter des Boreas, besonders bekannt durch die Harpyien, die ihn zu keinem Mahle kommen lassen, denn immer entreißen sie ihm die Speisen oder beschmutzen sie mit eklem Unrath. Später ist er zum Könige über alle Völker dieser Küste, sowohl der Thraker auf der europaeischen als der Bithynen Mariandynen und Paphlagonen geworden, für dessen Heimath man Phoenikien hielt und dessen Blindheit man sich durch verschiedene Fabeln erklärteApollon. 2, 178 ff. Schol., Apollod. 1, 9, 21; 3, 15, 3, Schol. Od. 12, 69, Diod. 4, 43. 44, Hygin f. 19. Die Scholien z. Apollon. citiren Hesiod, Pherekydes, Hellanikos u. A., vgl. Hesiod ἐν γῆς περιόδῳ b. Str. 7, 302, wo die Harpyien den Phineus in den skythischen Norden entführen. Einen Ort Phinopolis in der Nähe des Bosporos kennen Str. 319, Plin. 4, 45, Steph. B., letzterer auch ein Φίνειον.. Alte Ueberlieferungen der pontischen Schifffahrt, deren Wege schon vor den Griechen den Karern und Phoenikern bekannt waren, scheinen dabei zu Grunde zu liegen, Ueberlieferungen in denen der Glaube an geheime Kunde und verborgene Weisheit auf eigenthümliche Weise mit den die Gegend schildernden Märchen von jenen Sturmgeistern verschmolzen ist, welche den König keinen Augenblick zum ruhigen Genusse kommen lassen.

Die griechische Dichtung pflegte sich solche Bilder auf ihre Weise zurechtzulegen. So faßte die attische Bühne die nahe Verwandtschaft des Phineus mit dem thrakischen Sturmkönige Boreas ins Auge, welche doch eigentlich gewiß auch nur die Natur der Gegend ausdrücken sollte. Aeschylos und Sophokles, welcher letztere auch in seiner Antigone 966 ff. an diese Fabel erinnert, hatten sie in diesem Sinne in eigenen Tragödien bearbeitetVon beiden gab es Tragödien unter dem Titel Phineus, namentlich von Aeschylos die Trilogie Phineus Perser Glaukos, mit dem Grundgedanken des Triumphs der Hellenen über die Barbaren.. Man erzählte nehmlich daß Phineus mit der Kleopatra, einer Tochter des Boreas und der Oreithyia, also mit einer Prinzessin von attischem Geblüte vermählt gewesen. Diese habe er verstossen »das windesschnell über die Bergeshöhen dahin eilende Götterkind, die in den Schluchten und unter den Stürmen des Boreas Aufgewachsene«, um sich mit Idaea, einer Tochter des Dardanos, also mit einer Nymphe des idaeischen Waldgebirges zu 331 vermählen. Sie verleumdet die Kinder der verstoßenen Kleopatra beim Phineus, welcher sie der bösen Stiefmutter preisgiebt, die sie nun blendet und lebendig in ein Grab einsperrtSchol. Soph. Antig. 980. Sophokles hatte die böse Stiefmutter Idaea und T. des Dardanos genannt, Schol. Apollon. 2, 178, Andre Eidothea u. eine Schwester des Kadmos. Nach Diod. 4, 43 wurden die beiden Jünglinge vergraben und beständig gegeißelt.. Dafür straft Zeus den König, indem er ihm die Wahl läßt zwischen Tod und Erblindung. Er zieht es vor nicht mehr den Helios zu sehn, welcher Gott über solche Zurücksetzung ergrimmt ihm darauf die Harpyien über den Hals schickt.

Weit älter ist die Fabel von der Befreiung des Phineus von der Plage der Harpyien durch die geflügelten Söhne des Boreas, Zetes und Kalaïs, die mit den übrigen Argonauten zu ihm kamenAuf Vasenbildern sind sie gewöhnlich durch Schulterflügel ausgezeichnet, vgl. Ovid M. 6, 712 ff. Nach Hygin f. 14 waren sie am Haupte und an den Füßen geflügelt.. Die kühnen Schiffer wollen von ihm den Weg nach Kolchis wissen. Er verspricht seine Unterweisung wenn sie ihn von den Harpyien befreien wollen, den geflügelten Genien des Sturms, des Alles wirbelnd mit sich fortreißenden. Also setzt man dem blinden Könige Speise vor, da kommen gleich die Harpyien aus der Luft herabgestürzt, reißen Einiges hinweg, besudeln das Uebrige und stürmen davon. Aber die Boreaden eilen ihnen nach, mit gezückten SchwerdternSchon am Kasten des Kypselos, auch am Amyklaeischen Thron war dieses vorgestellt, Paus. 3, 18, 8; 5, 17, 4. Vgl. das große Vasenbild in den Mon. dell' Inst. 3, 41 mit dem Aufs. des D. de Luynes Ann. 1843 p. 1–17. Die Schilderung der Harpyien b. Aesch. Eum. 51 ff. Ihre Gestalt war wie die der oft schwer zu unterscheidenden Sirenen zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene, bald die von Vögeln bald die von geflügelten Frauen, s. O. Jahn Archäol. Beitr. 101 ff. und über Namen u. Abkunft Bd. 1, 436.. Entweder die Boreaden oder die Harpyien mußten sterben, jene wenn sie diese nicht einholten, so wollte es der Wille des Schicksals. Also wilde Jagd und Hetzerei in den Lüften und über das Meer, bis die Harpyien zuletzt erliegen oder hülfreiche Götter für sie einen Eid schwören, daß Phineus niemals wieder von ihnen beunruhigt werden sollBei Apollon. 2, 284 ff. nimmt Iris sich ihrer an, bei Hesiod that es Hermes, beide im Namen des Zeus. Gewöhnlich ging die Jagd bis zu den Strophaden im ionischen Meer (südlich von Zante), wo die Boreaden umgekehrt sein sollen (daher Στροφάδες), wie Antimachos und nach ihm Apollonios dichteten, während Hesiod die Boreaden dort zum Zeus Αἰνήσιος auf Kephallenia (Str. 10, 456) beten ließ daß sie die Harpyien ereilen möchten, Schol. Apollon. 2, 296 ff. Nach Pherekydes u. A. nehmen die Harpyien ihre Zuflucht in eine Höhle auf Kreta, nach Virg. A. 3, 210 ff. hausten sie fortan auf den Strophaden, nach Apollod. 1, 9, 21 floh die eine bis zum Flusse Tigris, die andre bis zu den Strophaden, wo sie erlag. Die Boreaden sollen später, als sie von den Spielen des Pelias heimkehrten, von Herakles ereilt und auf der Insel Tenos, wo man ihre Gräber zeigte, getödtet worden sein zur Strafe für ihren Rath den Herakles am Strande der Dolionen zu lassen, oder wie man sich dieses Ende sonst erklärte, Apollon. 1, 1300 ff. Scbol., Apollod. 3, 15, 2, Hygin f. 14, Seneca Med. 3, 634. Auch Phineus stirbt durch Herakles, Diod. 4, 44, oder man ließ ihn in einen Maulwurf verwandelt werden, Oppian Kyneg. 2, 615 ff.. 332 Dieser sagt den Argonauten darauf den Weg nach Kolchis und welche Gefahr ihrer bei den Symplegaden warte. Sie errichten nun auf hohem Berge einen mehrfach erwähnten Alter der zwölf GötterApollon. 2, 531 Schol. Pindar P. 4, 203 ff. spricht von einem Heiligthume des Poseidon, Pomp. Mela 1, 19, 5 u. A. von dem des Zeus Urios, s. 1, 93, [192]; 123, [293] u. Vater a. a. O. 1, 144, 4. und schiffen darauf der Gefahr des entsetzlichen Felsenthores entgegen. Es waren zwei gewaltige Felsen, welche vom Sturme getrieben immer auf- und zuklappten, eingehüllt in dichten Nebel und von tosendem Lärmen umrauscht; selbst die Vögel vermochten nicht hindurchzufliegen. Phineus hatte gerathen eine Taube voranfliegen zu lassen und wenn diese hindurch komme mit kühnem Muthe nachzufahren: sonst müßten sie auf die ganze Fahrt verzichten. Wirklich schwang sich die Taube hindurch, nur die Schwungfedern wurden durch die zuklappenden Felsen abgeschnitten. Also warten die Griechen bis das Thor sich wieder öffnet, setzen Alle die Ruder ein und hindurch waren sie, nur daß der ragende Schmuck des Steuers verloren gegangen ist. Ohne Hülfe der Hera hätten sie es nicht vermocht, nach Andern der Athena, die sich zwischen die Felsen stemmte. Seitdem stehen die beiden Klippen wie eingewurzelt und die Einfahrt in den Pontos ist Allen offenBd. 1, 485. Simonides nannte die Symplegaden Συνορμάδες, Schol. Eur. Med. 2, Andre Συνδρομάδες..


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