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a. Die Rückkehr der Atriden.
Der alte Nestor erzählt in der Odyssee 3, 102 ff. eben so 450 frisch von Troja und den Abenteuern der Heimfahrt, als er vor Troja von den Thaten seiner Jugend zu erzählen pflegte. Es waren ruchlose Leute unter den Zerstörern von Troja, darum zürnte Athena und schickte viel Elend auf der Rückkehr. Es begann mit einem Streite der beiden Atriden, die ganz gegen die Ordnung, spät Abends, als die Achaeer voll süßen Weines waren, eine Versammlung beriefen, in welcher Menelaos zur schleunigen Abfahrt trieb, während Agamemnon noch bleiben und heilige Hekatomben darbringen wollte um den Groll der Athena zu besänftigen. Wie sich die beiden zankten, zerfielen zuletzt alle in zwei Haufen, von denen sich der eine früh Morgens einschiffte, der andre beim Agamemnon zurückblieb. Jene kamen bei ruhigem Meere bis Tenedos, da erhob sich von neuem ein Streit, worauf Odysseus mit Andern wieder zum Agamemnon zurückkehrte. Nestor und Diomedes fuhren gleich weiter, auch Menelaos, der sie bei Lesbos einholte, von wo sie bei günstigem Winde hinüber nach Euboea schifften und bei Geraestos dem Poseidon opferten. Vier Tage darauf war Diomedes mit den Seinigen in Argos, Nestor in Pylos, wo er von den Uebrigen wenig erfahren hat. Doch weiß er daß Neoptolemos glücklich zu seinen Myrmidonen und daß auch Philoktet und Idomeneus wohlbehalten in der Heimath angelangt sind. Was die Atriden betrifft so weiß auch er von dem schrecklichen Ausgange des Agamemnon und der Rachethat des Orestes zu erzählen, die eben alle Götter und alle Menschen beschäftigt. Menelaos war mit ihm bis Sunion geschifft, wo sein Steuermann Phrontis starb, der also bestattet werden mußteVgl. Paus. 10, 25, 2. Die kleine Insel Helena j. Makronisi bei Attika führte diesen Namen nach Einigen weil Paris dort nach der Entführung zuerst bei der Helena geruht, Eur. Hel. 1674, nach Andern weil Helena und Menelaos dort bei der Rückkehr von Troja einkehrten. Diese verstanden die νῆσος κραναὴ Il. 3, 444 von einer Insel der lakedaemonischen Hafenstadt Gytheion gegenüber, s. Paus. 1, 35, 1; 3, 22, 2.. Als er darauf weiter schiffte, faßte ihn ein Sturm bei Malea, der ihn nach Kreta trieb, wo die Mehrzahl seiner Schiffe scheiterte. Mit den übrigen fünf wurde er nach Morgen verschlagen, wo er sich sieben Jahre lang unter vielen Abenteuern herumtrieb, aber große Schätze sammelte, mit denen er endlich glücklich in die Heimath gelangt ist, Od. 4, 81 ff. In Cypern, bei den Phoeniken, bei den Aegyptiern, ja auch bei den Aethiopen, den Erembern und im fernen Libyen (nach Pindar P. 5, 84 in Kyrene) ist er 451 gewesen, während Aegisthos daheim seinen Bruder erschlug und mit dem Weibe desselben vermählt über Argos herrschte. Namentlich haben Helena und Menelaos in dem an Schätzen und verborgner Kenntniß reichen Aegypten herrliche Geschenke bekommen, in Theben mit den hundert Thoren (Il. 9, 381, Od. 4, 126) und in Thonis an der Nilmündung, wo die Königin Polydamna, die Gemahlin des Thon, der Helena wunderbare Heilmittel geschenkt hat, so wunderbare daß sie alle Schmerzen des Gemüthes stillen. In dieser Gegend mußte Menelaos auch am längsten verweilen, bis er endlich auf der Insel Pharos den weissagerischen Meeresdämon Proteus beschlich und von ihm seine Zukunft erfuhr (1, 477) und daß er den Göttern auf dem Nil zu opfern unterlassen habeSpäter ist Proteus ein König von Aegypten und die wahre Helena bei ihm, nur ein Bild von ihr in Troja, Herod. 2, 112 ff., oben S. 111. Θῶν oder Θῶνις heißt hier ein Wächter der Nilmündung; auch ist der Name nur der alten Stadt zu Liebe erdichtet, vgl. Str. 17, 800, Steph. B. So wurde der Name der Stadt Kanobos in derselben Gegend von dem dort verstorbenen Steuermann des Menelaos abgeleitet, von dem man nun allerlei Geschichten erzählte, wie von der Helena und dem Könige Thonis, Hekataeos b. Aristid. 2 p. 482, Skylax p. 105, Nikand. Ther. 312, Tacit. A. 2, 60, Aelian N. A. 9, 21; 15, 13.. Also schiffte er noch einmal zurück in den Nil, brachte die Opfer und eilte dann mit günstigem Winde in die Heimath, die er gerade an demselben Tage erreichte wo Orestes den Leichenschmaus seiner Mutter und des Aegisthos hielt (Od. 3, 309). Telemach traf ihn und Helena wieder daheim in der hohlen Lakedaemon, im vollen Genusse seiner Reichthümer und ihrer Schönheit, in einem Palaste der »wie der Glanz der Sonne oder des Meeres« strahlte. Sie waren gerade mit der Hochzeit ihrer Tochter Hermione beschäftigt, welche Menelaos dem Neoptolemos vor Troja verlobt und die er in diesen Tagen nach Phthia gesendet hatte, und mit der Hochzeit seines Sohnes Megapenthes. So lebten sie glücklich und in Ehren, bis beide endlich nach Elysion entrückt wurden (1, 636). Also eine in allen Grundzügen ausgebildete Sage, die bei weiterer Ausführung ein östliches Gegenbild zur Odyssee hätte werden müssen. Helena blieb in dem älteren Gesange bis zu ihrem Ende der Verzug aller Götter und Menschen und ein ungetrübtes Wunder von Glanz und Schönheit, die noch zuletzt allen Kummer, den die Treulose ihrem ersten Gemahl bereitet hatte, ganz überstrahlt und 452 zudeckt, ja ihn auch nach Elysion mit hinüberziehtUeber die sehr verschiedenen Auffassungen ihres Charakters von Homer bis Euripides s. Lehrs populär. Aufs. 3–32.. Wie man sie dort oder auf der Insel Leuke dem Achill gesellt und wie sie in Sparta an der Seite des Menelaos als eine Göttin des weiblichen Reizes verehrt worden, davon ist früher die Rede gewesen (S. 440, [Anmerkung 1521]; 108 f.)
Die Rückkehr des Agamemnon mit den bei ihm Gebliebenen war in den Nosten des Agias ausführlicher beschrieben. Als er sich endlich einschiffen wollte, erschien ihm der Geist des Achilles und suchte ihn zurückzuhalten, indem er ihm alles Bevorstehende vorhersagte: eine Erscheinung welche Sophokles in seiner Polyxena auf die Bühne gebracht hatteNauck tr. gr. 195, Welcker 176 ff., Schöll Tetral. 99 ff. Letzterer denkt sich die Lakonerinnen, den Laokoon oder Sinon, den lokrischen Aias und die Polyxena als Tetralogie mit fortlaufendem Zusammenhang.. Unterwegs, als sie durch das aegaeische Meer fahren, schicken die zürnenden Götter einen schrecklichen Sturm, durch welchen viele Schiffe an der gefährlichen Küste des kaphareischen Vorgebirges von Euboea zu Grunde gingen, mit ihnen Aias der Lokrer, der hier die verdiente Strafe fand. Poseidon zerstörte seine Schiffe, rettete aber ihn selbst auf eine große Klippe bei Mykonos, so daß er mit dem Leben davon gekommen wäre, wenn er nicht in seinem Uebermuthe geprahlt hätte, er werde wohl auch gegen den Willen der Götter aus dem Schlunde des Meeres entkommen. Da griff Poseidon seinen Dreizack mit beiden Händen und traf die Klippe so gewaltig daß sie mitten auseinander klaffte. Mit der einen Hälfte stürzte Aias ins Meer und trieb noch eine Weile in der schäumenden Brandung umher, bis er in die Tiefe versankOd. 4, 499 ff., wo die Γυραὶ große Klippen bei Mykonos sind (γυρός d. i. κυρτός, rund). Vgl. die Beschreibung des Sturms b. Aesch. Agam. 650 ff. Es ist der vom Hellespont herwehende Wind, ὁ Ἑλλησποντίας, welcher solche Schiffbrüche verursachte, Herod. 7, 188, Aristot. 973, 21 Bekk.. Oder, wie man später gewöhnlich erzählte, Athena rächte selbst den wider sie begangenen Frevel, indem sie den vom Zeus entliehenen Blitz auf Aias und sein Schiff schleuderte, unterstützt vom Poseidon, welcher ihr zu Liebe das ganze aegaeische Meer in die furchtbarste Aufregung versetzteEur. Troad. 75 ff, Virg. A. 1, 39 ff, Seneca Agam. 528 ff., vgl. das Gemälde des Apollodor Aiax fulmine incensus b. Plin. 35, 60 u. das bei Philostr. 2, 13. Sein Leichnam wurde von Thetis und ihren Meerfrauen in der Nähe von Delos auf einer Klippe Τρέμων bestattet, Lykophr. 396 Tzetz.. Ja 453 selbst durch seinen Tod war die strenge Göttin noch nicht versöhnt, sondern auch seine lokrische Heimath mußte für seinen Frevel eine schwere Buße büßen, indem sie sich einer schlimmen Pestilenz und Hungersnoth nur dadurch erwehren konnte daß sie auf tausend Jahre die Sendung von zwei aus den edelsten Familien ausgelesenen Jungfrauen nach Ilion gelobte, welche dort, wenn sie bei ihrer Ankunft von den Iliern ereilt wurden, den Tod erlitten, wo nicht, bis zu ihrem hohen Alter im Tempel der ilischen Athena die niedrigsten Sklavendienste verrichten mußtenPolyb. 12, 5, Lykophr. 1141 ff. Tz., Str. 13, 600, Plut. de ser. num. vind. 12, wo Verse Euphorions citirt werden, Aen. Takt. 31, Schol. Il. 13, 66. Diese Sendungen waren jedenfalls sehr alt, auch dauerten sie bis zum Phokischen Kriege. Doch ist der Athenadienst, dem sie gewidmet waren, nicht der alte troische, sondern der von Neu-Ilion s. Bd. 1, 170, [455]. Dem Aias selbst feierte man in Opus Αἰάντεια, Schol. Pind. Ol. 9, 166. Von einem Trauerfeste, bei welchem ein Schiff verbrannt wurde, Tz. Lyk. 365.. Mit der Erzählung und Schilderung von jenem entsetzlichen Sturme aber pflegte die nachhomerische Poesie auch die von der Rache des Nauplios zu verbinden, welcher, nachdem er umsonst in Troja Genugthuung für den Tod seines Sohnes Palamedes gefordert hatte, die Rückkehrenden in der Nacht, als sie von jenem Sturm überfallen wurden, an der gefährlichsten Stelle der Küste von Euboea durch falsche Feuerzeichen in die Brandung hineinlockte und dadurch der Mehrzahl der Schiffe und Menschen einen sicheren Untergang bereitete. Schon die Nosten und Stesichoros scheinen von dieser Sage gewußt zu haben, welcher Sophokles wiederum ein dramatisches Gemälde von lebendiger Wirkung abgewonnen hatteEs wird citirt ein Ναύπλιος καταπλέων und ein Ναύπλιος πυρκαεύς, vermuthlich dasselbe Stück, da Nauplios nach der Rückkehr von Troja die Rache ausübte. Zur Fabel vgl. Eur. Hel. 1126 ff., Seneca Ag. 557 ff., Hygin f. 116, Schol. Eur. Or. 422, Tzetz. Lyk. 384. 1093. Von Stesichoros vgl. Tzetz. Posthom. 750 u. Phalar. ep. 9, von den Nosten Apollod. 2, 1, 5. Nauplios stürzte zuletzt selbst ins Meer, Seneca Med. 658..
Bei den Erzählungen vom Tode des Agamemnon und der Rache seines Sohnes ist die ältere Auffassung wohl von der jüngeren zu unterscheiden. Nach der Odyssee ist durchaus Aegisthos der Schuldige und die That des Orestes eine unbestritten rühmliche. Die Götter hatten den Aegisth gewarnt und ausdrücklich auf Orestes hingewiesen, er aber hat sich dadurch nicht abhalten lassen seinen bösen Lüsten zu folgen 454 (Od. 1, 32–43). Während Agamemnon und die andern Heroen vor Troja schwere Mühsal ausstanden, machte er sich daheim mit schmeichlerischen Reden an die einsame Klytaemnestra, entfernte den biedern Sänger, den ihr Gemahl ihr als Rath und Stütze zurückgelassen hatte, führte sie darauf in seine WohnungDiese lag nach Od. 4, 519 entfernt von Myken, in einer andern Gegend der peloponnesischen Küste. und gewann sie ganz und gar (3, 263–275). Dann kam Agamemnon zurück und freute sich seiner glücklichen Rückkehr, worauf Aegisthos, der schon lange einen Späher an der Küste unterhalten hatte, gleißnerische Botschaft zu ihm sendet um ihn zum Mahle einzuladen, für welches er zwanzig handfeste Männer als Mörder bereit hielt. Arglos begab sich Agamemnon in seine Wohnung und ließ sich nieder zu seinem Mahle, da wurden sie von den Leuten Aegisths überfallen, er und seine Begleiter und alle niedergemetzelt »wie Schlachtvieh in einem reichen Hause«. Der ganze Saal schwamm im Blute, und sterbend mußte Agamemnon es mit ansehn wie die arge Klytaemnestra selbst am Morde theilnahm, indem sie Kassandra, die Tochter des Priamos, tödtete, welche Agamemnon mit sich von Troja gebracht hatte (Od. 4, 512–537; 11, 385–461). Nun herrschte Aegisth sieben Jahre lang als König im goldreichen Myken, bis im achten Orestes aus Athen zurückkehrte und den arglistigen Mörder seines Vaters sammt der mitschuldigen Mutter tödtete, der tapfre Sohn des Agamemnon, dessen That von aller Welt gepriesen wurde (Od. 3, 196–200). Der Leichnam des Aegisthos wurde eine Beute der Hunde und der Vögel.
Später ist an dieser Sage zunächst dadurch sehr viel verändert worden daß man die That des Aegisthos und der Klytaemnestra als das Glied einer ganzen Kette von Verhängnissen und Verbrechen auffaßte, so daß Aegisthos, früher mit seinem Vater Thyestes als kleines Kind vom Atreus ausgewiesen und später zum Agamemnon zurückkehrend, nun als das vom Vater absichtlich mit seiner eignen Tochter erzeugte Werkzeug der Blutrache erschien (S. 389) und neben ihm Klytaemnestra als die durch das Opfer der Iphigenia empörte Mutter und dem Agamemnon längst entfremdete GattinAesch. Ag. 1417, Soph. El. 530. Nach Eurip. Iph. A. 1150 ff. war Klytaemnestra zuerst mit Tantalos, einem Sohne des Thyest vermählt, den Agamemnon überfiel und mit dem Kinde der Klytaemnestra tödtete, worauf letztere wider ihren Willen mit ihm vermählt wurde, eine Sage auf welche auch Paus. 2, 18, 2 anspielt.. Noch mehr aber dadurch daß man 455 die That des Orestes nicht blos als schuldige Blutrache, sondern auch als entsetzlichen Muttermord ins Auge faßte, der ihm zwar von Apollo geboten, aber von den Erinyen mit schrecklichen Plagen des Leibes und des Geistes geahndet wurde, bis er nach vielen Büßungen und langem Umherirren nach den göttlichen und menschlichen Gesetzen der Mordsühne gereinigt und bürgerlich wieder hergestellt wurde. Eine Dichtung zu welcher die Grundzüge vermuthlich schon bei Stesichoros gegeben warenWenigstens wurde Orestes bei diesem Dichter von Apoll gegen die Erinyen unterstützt, Schol. Eur. Or. 258. Doch ist zu bemerken daß die Orestessage den Vasen alten Stils noch nicht bekannt ist, auf den jüngeren aber meist in Uebereinstimmung mit der Tragödie dargestellt wird., die aber dann vorzüglich durch Aeschylos auf so tiefsinnige und kunstreiche Weise ergriffen und ausgeführt wurde, daß Orestes darüber zum bedeutungsvollen Bilde eines der großartigsten tragischen Conflicte geworden ist (1, 652), wie Oedipus in der thebanischen Sage. Bekanntlich schildert von seiner hierher gehörigen Trilogie der Agamemnon die Rückkehr dieses Helden und seinen Mord durch Klytaemnestra, die hier die eigentliche Schuldige ist und nach dem Gemahle auch die Kassandra mordet, deren furchtbare Gesichte zugleich die Vergangenheit und Zukunft des entsetzlichen Hauses, in welches sie als Kriegsgefangene versetzt worden, mit unheimlichen Schlaglichtern beleuchten. Im zweiten Stücke, den Choephoren, begegnen sich Orestes, der bei den Tragikern immer in Phokis erzogen wird und dort seinen Freund Pylades gewonnen hat, und Elektra, seine leidende und entschlossene Schwester, am Grabe des Vaters; worauf Orestes unterstützt von Elektra zum Werke der Rache schreitet, nach welcher sich gleich die Furien des Muttermordes einstellen um ihn mit unerbittlicher Wuth von Ort zu Ort zu verfolgen. Im dritten, den Eumeniden, ist Orestes schon in Delphi, am Heerde des Gottes der ihn zu der blutigen That angetrieben hatte gereinigt worden, eilt aber noch von den Erinyen verfolgt nach Athen um sich dort vor das Gericht des Areopag zu stellen, vor welchem die Erinyen als seine Klägerinnen, Apollo als sein Zeuge und Fürsprecher auftreten, bis Athena selbst durch ihren Stimmstein das Urtheil zu seinen Gunsten entscheidet.
Die folgenden Dichter haben diesen fruchtbaren Stoff dadurch noch weiter ausgebildet daß sie theils die von 456 Aeschylos nur angedeuteten Charaktere und Situationen z. B. der Elektra mehr hervorzogen oder die Leiden des Orest und die Conflicte, in welche er durch seine That mit der bürgerlichen Gerechtigkeit verwickelt wurde, weiter ausmaltenSophokles in der Elektra, Euripides in der Elektra und im Orest, in welchen Stücken die Fabel wie gewöhnlich sehr frei behandelt ist. Die Sage von der taurischen Iphigenia hatte Sophokles in eigenthümlicher Umbildung behandelt in seinem Chryses, den Pacuvius überarbeitete, vgl. Naeke opusc. 1, 91, Welcker Gr. Tr. 210 ff., Ribbeck tr. lat. 284.. Theils haben sie sie dadurch und zwar auf eine sehr glückliche Weise erweitert, daß sie das Schicksal der einst zu den Taurern entrückten Schwester Iphigenia mit dem des Orest verschmolzen, wobei ältere Cultussagen von einem durch Iphigenia nach Griechenland verpflanzten Cultus der Artemis Tauropolos zu Grunde lagen (1, 241). Im Auftrage des pythischen Apoll begiebt sich nun Orestes mit seinem Freunde Pylades an die taurische Küste und entführt von dort durch List und mit Hülfe der Götter seine wiedergefundene Schwester und das Bild der Artemis, deren Cultus in Griechenland zwar ein blutiger blieb, aber doch nicht länger Menschenopfer forderte. So vorzüglich Euripides in seiner Iphigenia bei den Taurern, einer Tragödie deren außerordentliche Wirkung man auch in den zahlreichen Bildwerken verfolgen kann, welche sich bei ihren Darstellungen dieser Ereignisse mehr oder weniger der Euripideischen Tragödie anschließenWelcker Gr. Tr. 1164 ff. vgl. meinen Aufsatz über die in Weimar befindlichen Reliefs in den Leipz. Berichten 1850 S. 239–262. Vasengemälde b. O. Jahn Annal. d. Inst. 20, 203 ff. Ueber den Dulorestes des Pacuvius Naeke Opusc. 1, 83 sqq., Welcker a. a. O. 1150 ff., Ribbeck 281. Der Name Δουορέστης, dessen sich auch Varro bediente (Non. Marc. 345, 7), erklärt sich am natürlichsten dadurch, daß Orestes, so lange er mit seinem Fluche beladen blieb, ein Hierodul des Apollo war, vgl. Bd. 1, 222.. Außerdem ist auch sowohl der Mord des Agamemnon durch Aegisth und Klytaemnestra als die Rachethat des Orestes, seine Verfolgung durch die Furien, seine Zuflucht und Sühnung in Delphi, seine Freisprechung in Athen durch viele Gemälde und Sculpturen verherrlicht wordenOverbeck 677–747. Die Ermordung des Aegisth auf Vasenbildern (Gerhard etrusk. u. campan. V. B. t. 24, Welcker Ann. d. I. 25, 272–281. Orest in Delphi). Bötticher b. Gerhard D. u. F. 1860 n. 137. 138..
Agamemnon und Orest blieben in den Culten und Sagen des Peloponnes immer sehr angesehn. Jener wurde als das heroische Vorbild eines mächtigen Königthums, welches den größten 457 Theil der Halbinsel umfaßte, auch in Sparta verehrt und zwar als Ζεὺς Ἀγαμέμνων, was nichts weiter als den höchsten Grad der heroischen Ehre ausdrücktLykophr. 335. 1124. 1369 Tzetz., Clem. Al. Protr. p. 32 P., Eustath. Il. p. 168, 11 u. A. Man hat daraus folgern wollen daß Agamemnon eigentlich Zeus sei, da dieselbe Formel in der spätern Heroenverehrung doch auch sonst vorkommt, s. oben S. 362, [Anmerkung 1283 u. Lauer Gesch. der Homer. Poesie 140 ff. Die hohe Verehrung seines Andenkens in Sparta bezeugt Herod. 7, 159. Gräber des Atreus und Agamemnon in den Ruinen Mykens Paus. 2, 16, 5. Cult des Agamemnon zu Klazomenae Paus. 7, 5, 5.; ja selbst sein Scepter, das alte von Zeus geweihte, durch die Hände des Atreus und Thyestes gegangene, wurde mit der Zeit zum Gegenstand einer abgöttischen VerehrungPaus. 9, 40, 6.. Der Cult des Orestes blieb längere Zeit auf Arkadien beschränkt, wo man gleichfalls von seiner Verfolgung durch die Erinyen, seiner Buße und seiner endlichen Wiederherstellung erzählteEur. El. 1273, Or. 1640 ff. Schol. Nach der arkadischen Legende nahm sich Artemis seiner in derselben Weise an wie nach der delphischen Apollo. Die angebliche Stadt Ὀρέστειον hieß eigentlich Ὀρεσϑάσιον, vgl. Paus. 8, 3, 1; 5, 3; 34, 1. 2., bis die Spartaner sich auch seine Reliquien aneigneten (Herod. 1, 67. 68). Seine Nachkommen herrschten bis zur Rückkehr der dorischen Herakliden über die peloponnesischen Achaeer. Dann wanderten sie aus und nahmen an den aeolischen Colonieen in Asien Antheil, zu derselben Zeit wo die letzten Neliden Messenien verließen und sich nach Attika übersiedelten, um dort theils zu bleiben und zu herrschen theils von dort die ionischen Colonieen nach Asien zu führen (Paus. 2, 18, 5–7). Die Sage von der Iphigenia bei den Taurern hatte ihr und dem Orest und seinem Freunde Pylades ein Heiligthum in der Nähe der Stadt Chersonesos an der Südspitze der Krim verschafftLukian Toxaris 5–7 vgl. Str. 7, 308, Skymn. 855., die Aehnlichkeit des Cultus der taurischen Artemis mit der zu Komana in Kappadokien und sonst in Asien verehrten die Namen der Geschwister auch dahin verbreitetStr. 12, 535, Dio Cass. 36, 13, Ael. Lamprid. Antonin. Heliogab. 7. Vgl. Bd. 1, 241.. Ja selbst Aricia in Latium rühmte sich in Folge ähnlicher Uebertragungen die später nach Rom geschafften Reliquien des Orestes zu besitzenRöm. Myth. 279.. 458