Ludwig Preller
Griechische Mythologie II - Heroen
Ludwig Preller

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b. Die Heroen der Musenkunst.

Die Sagen von ihnen geben richtig verstanden eine ziemlich anschauliche Uebersicht über die Entstehung, die Stimmungen, die verschiedenen Gattungen und Thätigkeiten der ältesten griechischen Poesie.

Orpheus galt in der poetischen Ueberlieferung der Griechen gewöhnlich für den ältesten Kitharöden, und als solcher für einen Liebling des Apollo, in welchem Sinne namentlich Pindar und Aeschylos von ihm dichtetenPind. P. 4, 176 ἐξ Ἀπόλλωνος δὲ φορμικτὰς ἀοιδᾶν πατὴρ ἔμολεν, εὐαίνητος Ὀρφεύς, welcher hier ein Theilnehmer der Argonautenfahrt ist, wie bei Apollonios u. A. Aeschylos dichtete von ihm in den Bassariden. Auch Simonides und Ibykos gedachten seines Ruhmes und der Macht seines Gesanges.. Doch führt der Zusammenhang der Sage und des Cultus vielmehr auf jene pierischen Thraker, welche durch ihre Kunst und Liebe der Musik in so hohem Grade berühmt waren und als älteste Diener der Musen diesen und vielen mythischen Sängern ihren Namen mitgetheilt habenVgl. Bd. 1, 380 u. Strabo 10, 471.. Ihre früheren Sitze waren die am Olympos in der Landschaft Pierien mit den alten Musenquellen und den danach benannten Ortschaften Libethra und Pimpleia, in der Nähe der Stadt DionUeber diese Gegend jetzt Heuzey le Mont Olympe 94 ff., von wo sie von den makedonischen Königen vertrieben nach Thrakien auswanderten d. h. in die Gegend jenseits des Strymon, wo sie sich an den südlichen Abhängen des Pangaeos niederließen; daher auch in dieser Gegend dieselben durch den Cult des Dionysos und der Musen berühmten Namen genannt wurdenHimer or. 13, 4 Λειβήϑριοι Παγγαίου πρόσοικοι, vgl. Iamblich v. Pythag. 146. Zur Geschichte der Pierer Thuk. 2, 99, Herod. 7, 112.. Auch weist die Fabel vom Orpheus deutlich genug zurück auf jenen Wechsel von Naturjubel und tiefstem Schmerz, wie er sich in dem bacchischen Dienste am stärksten ausdrückt; wie denn auch die von ihm gestifteten Mysterien wesentlich bacchischen Inhaltes waren und selbst sein Name am besten aus diesem Zusammenhange erklärt wirdὈρφεὺς vermuthlich desselben Stammes wie ὄρφνη, ἔρεβος, also der Dunkle, wie Pentheus und ähnliche Bilder des ekstatischen Bacchusdienstes, vgl. oben S. 474.. Seine Geburt wurde gewöhnlich nach dem innern Thrakien verlegt, wo der Hebros entspringt; dort hatte ihn, so dichtete man, die Muse Kalliope 487 »die vornehmste von allen« (1, 385) vom Oeagros geboren, welcher gewöhnlich als König von Thrakien gedacht wurde, aber eigentlich der Flußgott einer Gegend ist, in welcher der Hebros entsprangOeagrius Hebrus Virg. Ge. 4, 524, wozu Servius: Oeagrus fluvius est, pater Orphei, de quo Hebrus nascitur. Schon Pindar nannte Orpheus einen Sohn des Oeagros, später nannte man ihn wohl auch einen Sohn des Apollo, Schol. Pind. P. 4, 313. Vgl. Apollon. 1, 25, Mosch. 3, 14–17, Orph, Argon. 77 ff. u. A. Merkwürdig ist Hygin f. 165, wo Marsyas Oeagri filius, pastor, unus ex Satyris, die Flöte erfindet. Also auch hier die Musen neben Dionysos und seinen Dämonen., einer Schaftrift im Gebirge, wie der Name Οἴαγρος aussagt, da ohnehin die Hirten hier und sonst die ältesten Künstler und Lehrer des Gesanges sind. Daher Orpheus gewöhnlich ein Thraker genannt und von den Dichtern und Künstlern in diesem Sinne beschrieben und abgebildet wurdeVirg. A. 6, 645 Threicius longa cum veste sacerdos. Es ist dieses das gewöhnliche Costüm der mythischen Sänger, auch des Thamyris und Musaeos, obwohl Orpheus von Polygnot in hellenischer Tracht dargestellt wurde, dem darin ein schönes Vasenbild folgt, Paus. 10, 30, 3, O. Jahn Einl. z. Münchn. V. S. CCX., obwohl der Schauplatz seines Gesanges und seiner Leiden nicht allein Thrakien in weitester Ausdehnung war, auch das Gebiet des Hebros und dessen Küste mit Inbegriff des Landes der Kikonenὁ Κίκων b. Str. 7, 330 fr. 18. Auch die römischen Dichter nennen ihn gewöhnlich so, daher er auch in dem weinreichen Ismaros (Od. 9, 198) zu Hause ist, Virg. Ecl. 6, 30, Prop. 2, 13, 5. Vgl. die Bäume des Orpheus in der Gegend von Aenos an der Mündung des Hebros, welche seiner Leier von Pierien bis dahin gefolgt waren, Nikand. Ther. 460 Schol., Apollon. 1, 28., sondern auch jenes alte Pierien am Olympos, welches trotz der Auswanderung seiner alten Bewohner an deren poetischen und religiösen Traditionen festhielt. Der Inhalt dieser Erzählungen ist bald die göttliche Macht des Gesanges, den Orpheus von seiner Mutter gelernt und womit er alle Natur bewegt, die Vögel in der Luft, die Fische im Wasser, die Bäume, die Felsen, die wilden Thiere in ihren Schluchten, wie Horand in der Gudrun und Wannemuine in den Sagen und Liedern der finnischen Nation; und bei solchen Schilderungen verweilen die älteren Dichter am liebstenSimonides b. Tzetz. Chil. 1, 309, Aesch. Ag. 1630, Eurip. Bacch. 560, Iph. A. 1211, vgl. Apollon. 1, 26 ff. u. A. b. Unger Theb. Parad. 441., auch die Künstler, welche den Orpheus in der Umgebung der durch ihn besänftigten Thiere darzustellen pflegtenAm Helikon Orpheus, bei ihm die Telete, ihn umgebend von Stein und Erz ϑηρία ἀκούοντα ᾄδοντος, Paus. 9, 30, 3, in Pierien ναὸς καὶ ἄγαλμα τοῦ Ὀρφέως καὶ αἱ Πιερίδες Μοῦσαι καὶ τὰ ϑηρία αὐτῶν περιεστῶτα τὰ ξόανα, Ps. Kallisth. v. Alex. 1, 42. Vgl. Philostr. iun. imag. 6 u. dazu Welcker p. 611, O. Müller Handb. § 413, 4.. 488 Oder man erzählte wie er um seiner Liebe willen und durch seinen Gesang die Schrecknisse der Unterwelt überwunden, oder von seinem eignen Tode durch die wüthenden Maenaden des Gebirgs: alles dieses vermuthlich früher in verschiedenen Liedern, welche später zu einem Ganzen zusammengefaßt wurden. So war bei Aeschylos in den Bassariden das grausame Schicksal des Orpheus nicht die Folge seiner Liebe zur Eurydike, sondern seiner Vernachlässigung des Dionysos, da er mit seinem Saitenspiel, das Apollo ihm geschenkt, beschäftigt nur von diesem Gotte und von dem lichten Gestirne des Tages wissen wollteEratosth. catast. 24, Schol. Arat. lat. p. 67, Hygin P. A. 2, 7, vgl. G. Hermann opusc. 5, 19.. Doch wird auch die Dichtung von seiner Liebe und dem Gange in die Unterwelt nichts desto weniger für alt gelten dürfen, obgleich erst die alexandrinischen und römischen Dichter ausführlicher davon erzählenVirg. Ge. 4, 454 ff., Ovid M. 10, 1–85, Seneca Herc. f. 569 ff., Herc. Oet. 1031 ff. u. A. Vor ihnen Hermesianax b. Athen. 13, 71, welcher die geliebte Nymphe Ἀγριόπη nennt, wenn dafür nicht Ἀργιόπη zu lesen ist. Doch kennt schon Eurip. Alk. 357 den Gang des Orpheus in die Unterwelt, vgl. Plato Symp. 179 D und über das Orphische Gedicht der κατάβασις ἐς ᾅδου Lobeck Agl. 373.. Von der schönen Nymphe Eurydike, welche auch von Aristaeos geliebt und vor diesem fliehend das Opfer einer giftigen Natter wurde, die unter dem Grase lauerte: ein Bild der schönen Jahreszeit wie Persephone, Adonis, Linos u. A. Da hallten Berge und Thäler wieder von den Klagen der Nymphen, und unter ihnen sang und klagte Orpheus, auf allen Wegen und Stegen seine verschwundene Liebe suchend. Ja er wagte sich hinunter in das finstre Reich der Schatten und besiegte auch hier Alles durch die Gewalt seines Saitenspiels und seines Gesanges, alle Geister und alle Schrecknisse, auch das harte Herz der Persephone und die erbarmungslosen Erinyen. Und sie gaben ihm seine Eurydike zurück, nur solle er sich nicht nach ihr umsehen, was die Ungeduld seiner Liebe doch nicht unterlassen konnteDoch wird zugleich auf den natürlichen Gegensatz gedeutet, welcher zwischen der Forderung des Glaubens und der Ungeduld des sinnlichen Sehenwollens besteht. Odit verus amor nec patitur moras, munus dum properat cernere perdidit, Seneca Herc. f. 588., so daß sie von neuem, nun auf immer für ihn verloren warSchönes Relief Orpheus, Eurydike und Hermes Psychopompos b. Zoega Bassiril. t. 42 vgl. O. Jahn b. Gerhard D. u. F. 1853 S. 83. 84.. 489 Sieben ganze Monate saß Orpheus in seinen Schmerz versunken am Ufer des StrymonVirg. Ge. 4, 507, Ovid M. 10, 73. Die Zahl sieben scheint durch den Ritus der Orphischen Mysterien bestimmt zu sein, so gut wie das Fasten., unter freiem Himmel, ohne zu essen und zu trinken, ohne Sinn für Liebe oder sonst ein Glück, bis er sich zuletzt in das höhere Gebirge der Rhodope und des Haemos zurückzieht, wo es wüste und winterlich ist, und dort von den rasenden Weibern der bacchischen Feier zerrissen wird: ein Bild des Winters und seiner Agonieen, wie sein schöner Gesang, der ihn zum Liebling des Apollo machte und alle Welt bezauberte, der natürliche Jubel des Frühlings und des wiederkehrenden Lichtes ist. Später fügte man hinzu daß die Maenaden ihn zerrissen hätten, weil er zu spröde gewesen, oder weil er auch die Männer von jedem Liebesgenuß entfernt oder weil er gegen jede Frauenliebe verhärtet zuerst einen schönen Knaben, den Boreaden Kalaïs geliebt und auch die thrakischen Männer zu gleicher Liebe verführt habePhanokles b. Stob. floril. 64, 14, Virg., Ovid. Eine andre Version b. Hygin P. A. 2, 7.; während diese ihre Frauen für die blutige That dadurch bestrafen daß sie sie tättowirenAuch davon weiß Phanokles, vgl. Plut. de sera n. v. 12. Auch von den Vasenbildern, welche den Tod des Orpheus darstellen, nehmen einige darauf Bezug, s. Mon. d. I. 1, 5, O. Jahn Münchn. Catal. n. 383, Archäol. Beitr. 101, 29.: eine Folge der spätern Barbarei in diesen Gegenden, welche sich auch in andern Zügen der Sage ausdrückt, da jene mythischen Thraker d. h. die Pierer unmöglich so unempfänglich für Kunst und Bildung wie die historischen gewesen sein können. Die zerrissenen Glieder des Orpheus werden von den Musen bestattet, nach der gewöhnlichen Ueberlieferung in Pierien am OlympPaus. 9, 30, 3–5, wo verschiedene Legenden dieser Gegend zusammengestellt sind und die Säule mit der Urne darauf, in welcher die Reliquien des Orpheus verwahrt wurden, sich durch verschiedene Münzen mit ähnlichen Graburnen auf Säulen erklärt, welche sich auf Leichenspiele beziehn. Jene Reliquien befanden sich früher in der Gegend von Libethra, später nach der Zerstörung dieses Orts, in der von Dion, vgl. Diog. L. 1, 5. Von einem wundertätigen Bilde des Orpheus bei Libethra berichtet Plut. Alex. 14., obgleich auch in jener geweihten Gegend von Thrakien ein Grab und ein Heiligthum des Orpheus bestanden zu haben scheint, wo Mysterien des Bacchus gefeiert wurden und damit die Erinnerungen 490 an Orpheus eng verbunden warenVgl. das Prooem. des Orphischen Hieros Logos b. Iambl. v. Pyth. 146 und die Erzählung b. Konon 45, wo gleichfalls von dem thrakischen Libethra die Rede zu sein scheint. Orphisch-bacchische Weisen am Olymp sind dagegen b. Plut. Pomp. 24 vorauszusetzen. Die Peutingersche Tafel nennt in der Nähe von Dion einen Ort Sabatium, vgl. Bd. 1, 549.. Das Haupt aber und die Leier des Orpheus schwimmen auf den Wogen des Hebros bis ins Meer und über das Meer mit süßem Schall und lieblichem Geflüster nach Lesbos, der durch ihre Musik und ihre Dichter hochberühmten Insel, welche jene Reliquien des göttlichen Sängers, in einem Grabe bei Antissa beigesetzt, mit ihren Wundergaben ganz und gar durchdrangen so daß selbst die Nachtigallen in der Nähe dieses Grabes noch schöner als gewöhnlich sangenPhanokl. l. c., Ovid M. 11, 50 ff., Lukian adv. ind. 11, de saltat. 51. Aristid. 1 p. 841 Ddf. οἵ φατε τὴν νῆσον ἅπασαν ὑμῦν εἶναι μουσικὴν καὶ τούτου τὴν Ὀρφέως κεφαλὴν αἰτιᾶσϑε, Antigon. Mirab. 5. Nach Philostr. v. Apollon. 4, 14, Her. 704 war dieses Adyton bei Antissa mit dem Haupte des Orpheus eine Zeitlang ein angesehenes Orakel. Vgl. die Geschichte desselben Haupts b. Konon 45, das am Olymp begrabene Haupt des Korybanten Bd. 1, 672, das des S. Titus auf Kreta b. Pashley 1, 175 ff., das auf der Rhone nach Vienne geschwommene Haupt des S. Mauritius u. dgl. m.. Dieses die poetische und musikalische Bedeutung des Orpheus, neben welcher sich die mysteriöse von selbst dadurch erklärt daß sowohl sein Gesang als die Sage von ihm aufs engste mit dem mythischen Cultus des Dionysos zusammenhängt, für dessen Stifter er gewöhnlich gehalten wurdeApollod. 1, 3, 2 εὗρε δὲ καὶ Διονύσου μυστήρια. Diod. 3, 64 διὸ καὶ τὰς ὑπὸ Διονύσου γενομένας τελετὰς Ὀρφικὰς προσαγορευϑῆναι. Vgl. Lactant. 1, 22, 15 und Herod. 2, 81.. Je mehr sich mit diesem Cultus andre Elemente, namentlich die der aegyptischen und pythagoreischen Mystik und Askese verschmolzen, desto mehr wurde auch Orpheus zu einem Weihepriester und Mysterienstifter in allgemeinerer Bedeutung, so daß er zuletzt in den verschiedensten Gegenden und Beziehungen als solcher genannt wurde. Und mit diesen Bestrebungen zugleich entstand eine apokryphische Literatur verwandten Inhalts, welche sich gleichfalls mit diesem geweihten Namen schmückte, so daß Orpheus d. h. der Verfasser dieser Apokrypha nicht selten für einen der ältesten griechischen Dichter, namentlich für älter als Homer und Hesiod ausgegeben wurde; eine Prätension gegen welche schon Herodot protestirte und welcher gegenüber Aristoteles mit Recht behauptete daß es einen Dichter Orpheus niemals gegeben habeCic. N. D. 1, 38, 107 vgl. Herod. 2, 53.. 491 Auch wiederholt sich dieses Spiel mit alten Namen und apokryphischen Schriften religiösen und mythologischen Inhalts mehr oder weniger bei allen diesen mythischen Sängern der Vorzeit.

Ein andres Bild dieser alten Musenkunst ist Thamyris (Θάμυρις, att. Θαμύρας), mit welchem der Gesang schon als gebildete Kunst auftritt, in vornehmer und selbständiger Haltung und als eine solche welche auch wohl ohne die Musen oder im Wettkampfe mit ihnen ausgeübt werden könne. Es ist der sehr geübte Sänger, der bei Fürsten und Edlen oder vor der versammelten Menge eines FestesΘάμυρις ist i. q. πανήγυρις, σύνοδος, ϑαμυρίζει i. q. ἀϑροίζει, συνάγει, Hesych. die heroischen Sagen der Vorzeit singt: ein blinder Sänger, welches Bild sich in dieser Gruppe von Sagen sowohl bei den Propheten als bei den Musenjüngern oft wiederholtDer blinde Teiresias s. S. 480. Der blinde Demodokos, τὸν πέρι Μοῦς' ἐφίλησε, δίδω δ' ἀγαϑόν τε κακόν τε· ὀφϑαλμῶν μὲν ἄμερσε, δίδω δ' ἡδεῖαν ἀοιδήν, Od. 8, 63. Der blinde Sänger aus Chios im H. auf den del. Apoll 172. Auch der Name Ὅμηρος bedeutet nach alter Ueberlieferung einen Blinden. und auf die tiefe innere Sammlung des Gemüths oder auch auf den nahen Umgang mit den Musen deuten sollte, da sich der Verkehr mit Nymphen und überhaupt das zu tiefe Eindringen in die Geheimnisse der Natur nach dem Glauben der Alten leicht auf diese Weise rächte. Beim Thamyris aber wurde die Blindheit früh für eine Strafe seines Uebermuthes gehalten. Schon die Ilias 2, 594 ff. kennt die Sage wie der thrakische Sänger (ὁ Θρῆιξ) sich am Hofe des Eurytos zu Oechalia gerühmt habe, er werde siegen und müßte er es selbst mit den Musen, den Töchtern des Aegistragenden Zeus, aufnehmen. Da traten sie ihm selbst, als er seines Weges weiter zog, bei der Stadt Dorion entgegen und machten seinem Gesange ein für allemal ein Ende, indem sie ihm das Licht der Augen und den göttlichen Gesang und seine Kunst der Laute nahmen: ein Vorgang welcher hier in eine Gegend von Messenien verlegt wird, während andere Sagen davon in Thessalien, in der Gegend von Trikka und in der des Dotischen Gefildes erzähltenEustath. Il. 298, 30. In das Dotische Feld verlegte Hesiod den Wettkampf und die Blendung, Steph. B. v. Δώτιον, Meineke p. 258. Daher Dotion ira flebile Pieridum Lucan 6, 352. Ueber das später verschwundene Δώριον Str. 8, 350.. Spätere Gedichte didaktischen Inhaltes machten dann aus Thamyris ein Beispiel des bestraften Uebermuthes in der Unterwelt und 492 zwar im Gegensätze zum frommen Orpheus, in welchem Sinne ihn Polygnot und andre Künstler gebildet oder gemalt hattenPaus. 10, 30, 4 vgl. 9, 30, 2 u. Plin. 35, 144. Die Minyas hatte von seiner Strafe in der Unterwelt gedichtet, von ihm und Amphion, Paus. 4, 33, 6; 9, 5, 4. Auch der Kampf des Thamyris mit den Musen wurde dargestellt, O. Jahn Arch. Beitr. 100.. Endlich brachte Sophokles seine Geschichte auf die tragische Bühne. Thamyris war hier ein thrakischer König am Athos, Sohn des Philammon und der Nymphe Argiope, ein großer Künstler der Musik und Dichtkunst und von gleicher Schönheit, aber darüber bis zur äußersten Frechheit eingebildet und verwegen, so daß er ein Opfer seines Uebermuthes und zum Sprichworte geworden istMan sagte Θάμυρις μαίνεται von solchen welche bei guter Vernunft etwas Verrücktes vornahmen, Hesych s. v., Zenob. 4, 27. Ueber den Θαμύρας des Sophokles, wo der Dichter selbst in der Hauptrolle auftrat, Welcker Gr. Tr. 419 ff., Nauck p. 144. Zur Fabel vgl. Str. 7, 331, 35, Schol. Il. 2, 595, Eustath. Il. 298, 39; 299, 5, Apollod. 1, 3, 3. Die sinnliche Begierde des Thamyris nach den Musen möchte ich nicht für einen späteren Zusatz halten, da die Thraker in dieser Hinsicht verrufen waren, vgl. Tereus und Eumolpos, auch Ixions Gier nach Hera u. dgl.. Andre Dichter verlegten sein Reich und den Wettkampf an den Pangaeos oder in andre durch Orpheus und die Kunst der Musen berühmt gewordene Gegenden von Thrakien, wie er denn mit Orpheus überhaupt oft zusammengestellt wurde und Plato auch die Hymnen von beiden mit Auszeichnung nenntPlato leg. 8 p. 829 E vgl. Ion 533 C u. de rep. 10 p. 620 A, wo sich die Seele des Orpheus in einen Schwan, die des Thamyris in eine Nachtigall verwandelt. An den Pangaeos verlegt Eur. Rhes. 921 ff. den Wettkampf. Vgl. Paus. 4, 33, 4, Konon 7, Suid. Θάμυρις. Apokryphische Theogonieen von Linos, Thamyris, Musaeos u. s. w. Schoemann opusc. 2, 4 sqq.. Dahingegen sein Vater Philammon, dessen Name gleichfalls sehr berühmt war und den Pherekydes anstatt des Orpheus an dem Argonautenzuge theilnehmen ließPherekydes b. Schol. Apollon. 1, 23 vgl. Heraklides b. Plut. de mus. 3, Paus. 10, 7, 2, vgl. oben S. 323., gewöhnlich für einen Delpher und den ältesten pythischen Sänger galt, von dessen Geburt und Abstammung allerlei Märchen am Parnaß erzählt wurden.

Andre Sänger der Vorzeit, und auch diese galten gewöhnlich für Thraker, sind Bilder von volksthümlichen Weisen und Liedern, wie sie durch ganz Griechenland und auf den Inseln bei heitern oder traurigen Gelegenheiten gesungen wurden und die Lyrik ihrer Empfindungen gewöhnlich mit einem 493 entsprechenden mythologischen Inhalte bekleideten, aus welchem die Tradition eine Geschichte solcher Sänger zu bilden pflegte. So der berühmte Linos (1, 360) und Hymenaeos und Ialemos, die Söhne von drei Musen, welche in einem verlornen Gedichte Pindars ihre früh gestorbenen Söhne beklagtenSchol. Eur. Rhes. 892, Bergk poet. lyr. p. 269. Linos galt gewöhnlich für einen Sohn der Urania, Orpheus für den der Kalliope, Hymenaeos für den der Klio u. s. w. s. Apollod. b. Schol. Rhes. 342, doch waren die Dichter in solchen Genealogieen nichts weniger als consequent. Ueber Rhesos s. oben S. 430.. Ialemos, der für einen Sohn des Apoll und der Kalliope galt, ist der einfachste Ausdruck jener vielgestaltigen Klagegesänge über frühen Tod, die für die Natur- und Lebensanschauung der alten Religionen so charakteristisch sindHesych v. Ἰάλεμος, ἰαλεμώϑη, ἰήιος, v. Leutsch Paroemiogr. 2, 72.. Auch Hymenaeos, das Bild der Hochzeitslust und der Hochzeitsgesänge, ward in verwandtem Sinne, obgleich von sehr verschiedenen Fabeln geschildert. Catull 61 nennt ihn einen Sohn der Urania, eine Zierde des Helikon, einen Chorführer der guten Aphrodite d. h. der ehelichen Liebe, so daß er ihm also wohl wie eine Nebenfigur des Eros erschienen istAls ernsterer Eros erscheint er auch in Bildern, s. Müller Handb. § 392, 1, Wieseler D. A. K. 2. t. 55, 707. Der personificirte Γάμος in einem Hymenaeos des Philoxenos, dessen Anfang Γάμε ϑεῶν λαμπρότατε Athen. 1, 9 erhalten hat, u. b. A., ein Sohn des Eros b. Nonn. 40, 401.. In andern Sagen galt er für einen Sohn der Terpsichore, der bei seiner Hochzeit verschwunden sei und seitdem bei jeder Hochzeit mit Sehnsucht vermißt und gesucht werde, in attischen für einen argivischen Jüngling, der sich den attischen Frauen, als sie die Demeter feiernd von Seeräubern überfallen worden, hülfreich erwiesen habe, was auf die Feier der Thesmophorien an der Küste von Kolias deutetSchol. Il. 18, 493, Philem. p. 174, Prokl. Chrestom. b. Phot. bibl. 321 a 22, Servius V. A. 4, 99 vgl. 1, 608. Bei der Hochzeit der argivischen Danaiden wurde der erste Hymenaeos gesungen nach Hygin f. 273, vgl. oben S. 54.. Noch andre Lieder nannten ihn einen Sohn des Magnes in Thessalien und der Klio, welchen Apollo und Thamyris geliebt hättenAntonin. Lib. 23, Apollod. 1, 3, 3, Suid. v. Θάμυρις., oder einen Sohn des Dionysos und der Aphrodite, der beim Hochzeitsgesange des Dionysos und der Ariadne oder der Althaea Stimme und Leben verloren habeServ. V. Ecl. 8, 30, A. 4, 127.. Immer ist er 494 ein Bild des schönsten jugendlichen Reizes der Liebe, der Unschuld, der Lust und des Gesanges, aber auch des Abschiedes von schöner Jugend und Unschuld und deshalb bei allem Jubel doch wehmüthig ernst.

Wieder andre Traditionen der Art sind Nachklänge örtlicher Kunstübung, entweder im Zusammenhange mit alter Apollinischer Festfeier und entsprechender Hymnendichtung, wohin z. B. der Lykier Olen gehört (1, 183, [496]), oder in dem der Orakelpoesie und einer dem eleusinischen Gottesdienste verwandten Kunstübung, in welchem Kreise sich namentlich die Ueberlieferungen vom Musaeos bewegen. Denn immer ist dieser ein vorzüglich attischer und eleusinischer Dichter, sowohl was den Inhalt der ihm zugeschriebenen Orakel betrifftHerod. 7, 6; 8, 96; 9, 43, Paus. 10, 9, 5; 12, 5., als hinsichtlich der übrigen Poesieen und Traditionen. Für seine Mutter galt gewöhnlich Selene oder Mene d. h. die Mondgöttin, weil diese wie die Nymphen für eine Urheberin ekstatischer Gemüthsbewegungen und eines prophetischen Geistes angesehen wurdePlato Resp. 2 p. 364 E, Hermesianax b. Athen. 13, 71.. Seinen Vater und sein Geschlecht pflegte man bald in Thrakien, der Heimath des geistlichen Gesanges überhaupt, bald in Eleusis zu suchen, dessen Cultus den Inhalt verschiedener ihm zugeschriebener Gedichte bildete. Die, welche ihn einen Thraker und Sohn oder Schüler des Orpheus nannten, hatten vorzüglich solche Gedichte im Sinne, welche Sühnung oder Heilung und Weihe versprachen, in welchem Sinne Orpheus und Musaeos namentlich von Euripides, Aristophanes und Plato zusammen genannt werdenArist. Ran. 1032 Ὀρφεὺς μὲν γὰρ τελετάς ϑ' ἡμῖν κατέδειξε φόνων τ' ἀπέχεσϑαι, Μουσαῖος δ' ἐξακέσεις τε νόσων καὶ χρησμούς. Vgl. Eur. Rhes. 941 ff., Plato Protag. 316 D, Ion 536 B, Resp. 2 p. 364 E, Apolog. 41 A, Str. 10, 471; 17, 762. Ein Sohn des Orpheus heißt M. b. Diod. 4, 24.. Dahingegen die attischen und eleusinischen Genealogieen des Musaeos, welche ihn einen Sohn des Antiphemos oder des Eumolpos nanntenEinen Sohn des Eumolpos und der Selene nannte ihn Philochoros, Schol. Arist. Ran. 1033. Andre schoben den Ἀντίφημος oder Ἀντιόφημος zwischen beide ein, oder sie gingen mit diesem zurück auf den eleusinischen Autochthonen Kerkyon, Suid. v. Μουσαῖος, Schol. Soph. O. C. 1051., sich auf einen alten Hymnos auf die eleusinische Demeter berufen mochten, welchen Pausanias für ein ächtes Werk des Musaeos hältPaus. 1, 22, 7; 4, 1, 4. Ein Eleusinier heißt Musaeos auch b. Aristid. 1 p. 414, ein Vf. von Hymnen des Dionysos b. dems. p. 47., 495 oder auf ein an seinen Sohn Eumolpos gerichtetes Gedicht über die Unterwelt, in welchem er den Gerechten die Belohnung ewiger Tafelfreuden in jenem Leben verheißen und unter diesen Verklärten, wie es scheint, vorzüglich eine eleusinische Priesterin Antiope oder Deiope verherrlicht hatteἈντιόπη nennt sie Hermesianax b. Athen. 13, 71, wo besonders die Worte γνωστὴ δ' ἐστὶ καὶ εἰν ἀίδῃ zu beachten sind, Δηιόπη hieß sie gewöhnlich s. Paus. 1, 14, 2, Schol. Soph. l. c., Aristot. Mirab. 131. Auf dieses Gedicht scheint mir Plato Resp. 2 p. 363 C zu deuten, Μουσαῖος – καὶ ὁ υἱὸς αὐτοῦ d. i. Eumolpos vgl. Suid. Μουσαῖος – ἔγραψεν ὑποϑήκας Εὐμόλπω τῷ υἱῷ und das Gedicht Εὐμολπία b. Paus. 10, 5, 3. Virgil zeichnet den Musaeos in seiner Unterwelt besonders aus, A. 6, 667, so daß es wohl ein berühmtes die Unterwelt betreffendes Gedicht von ihm gegeben haben muß.. Ein schönes Vasenbild stellt den Musaeos als Zögling der Musen dar, wie man denn auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt und sein Grab zu Athen auf dem der Akropolis gegenüber gelegenen Musenhügel zeigtePaus. 1, 25, 6 vgl. Eur. Rhes. 945 ff., wo Apollo und die Musen ihn unterrichten. Das Vasenbild Mon. d. I. 5, 37 vgl. Welcker A. D. 3, 462 ff., O. Jahn Annal. 24, 198. Ein andres Grab im Phaleron, Diog. L. 1, 3., ein andres als Zögling des Linos, den man als Lehrer des Herakles kannteMon. ed Annal. 1856 t. 20, O. Jahn p. 95.. Wieder ein andres Gedicht, welches Pausanias dem Onomakritos, dem Redacteur der Orakel des Musaeos, zuschreibt, wollte wissen daß Boreas der Thraker, der Freund und Verwandte Athens, den Musaeos fliegen gelehrt habe, ein bildlicher Ausdruck für den stürmischen Schwung seiner BegeisterungPaus. 1, 22, 7.. Auch ist hier noch Pamphos zu nennen, ein andrer attischer Hymnendichter der Vorzeit, nach welchem sich ein attisches Geschlecht benannte, dessen Frauen vermuthlich seine Hymnen zu singen pflegten, gleichfalls vorzüglich im Culte der eleusinischen DemeterHesych Παμφίδες γυναῖκες Ἀϑήνῃσιν, ἀπὸ Πάμφου τὸ γένος ἔχουσαι. Vgl. Meier de gentil. Att. 34. 49 und meine Dem. u. Pers. 384 ff. Der Hymnos auf die eleusinische Demeter scheint dem Homerischen sehr nahe gestanden zu haben.. Die späteren Grammatiker benutzten eine Sammlung attischer Hymnen, in welcher die des Musaeos, des Pamphos u. A. zusammengestellt gewesen sein werdenPoll. 10, 162, Athen. 14, 68..

Auch in den älteren Ueberlieferungen von Homer herrscht noch die mythische Auffassung vor, obwohl sich die jüngere Tradition der vielen Städte, die sich um seine Geburt stritten 496 und der pragmatisirende Eifer der Historiker und Grammatiker, welche ihn hier oder dort unterzubringen und seine Abstammung mit der des Orpheus und des Musaeos und des Hesiod zu verschlingen suchten, die ächten Farben des Gemäldes außerordentlich entstellt habenVgl. die Sammlung der vitae b. Westermann Biogr. 1–45 und Welcker ep. Cycl. 1, 122 ff., Lauer Gesch. d. Homer. Poesie 69–130.. Man muß dabei wohl bedenken daß für die älteren Dichter und Gebildeten Homer eine Collectivperson von so weiter Bedeutung war, daß ihm nicht allein die Ilias und die Odyssee, sondern auch die gleichartigen Gedichte der Thebais, der Epigonen, der Kyprien u. A. zugeschrieben werden konnten, ferner daß der epische Gesang und die epische Dichtkunst in den angeregten Zeiten, welche auf die Ansiedelungen und Eroberungen in Kleinasien folgten, an so vielen und verschiedenen Stellen geübt wurde, daß sich eine Concurrenz um den Ursprung der ältesten Meisterwerke dieser Kunst, sobald sie gesammelt vorlagen, von selbst bilden mußte. Denn immer sind es die asiatischen Griechen, auf welche die ältesten Traditionen zurückweisen, namentlich die aeolischen und ionischen. Die wichtigste Stadt auf dem aeolischen Festlande war Kyme, dessen Bürger mit den Stammesgenossen auf Lesbos vereinigt sich in mehreren kleinen Städten auch am Ida festsetzten und zugleich südlicher Neon Teichos und Smyrna gründeten, welches letztere später an die Ionier verloren ging. In diesem Kreise, wo die Lieder der Ilias sich zuerst zum größeren Gedichte gestalten mochten, scheinen auch die ältesten Fabeln von ihrem Dichter entstanden zu sein, den man einen Sohn des Flusses Meles, an welchem Smyrna liegt, und einer Nymphe Kritheis nannte, also so gut wie Orpheus, den Sohn des Flusses Oeagros und der Muse Kalliope, als ein mythisches Wesen dachteEine Nymphe heißt Kritheis in dem cert. Horn, et Hes. p. 34, 10 Westerm., in dem genus Hom. ib. 27, 3, wo hinzugesetzt wird ἄλλοι δ' αὐτοῦ τὸ γένος εἰς Καλλιόπην τὴν Μοῦσαν ἀναφέρουσιν, b. Tzetz. in Iliad. p. 8 u. A. Ein alter und herkömmlicher Name für Homer war Μελησιγενὴς oder Μελησιάναξ, beide offenbar von Dichtern stammend. Ueber den Fluß Meles vgl. Himer ecl. 13, 31, Aristid. 1 p. 377. 444 Ddf. Ein Bild, die Liebe der Nymphe Kritheis und des Flußgottes Meles darstellend, b. Philostr. 2, 8. Lukian Demosth. enc. 9 nennt jene eine Dryade.. Dahingegen die ionischen Griechen, deren rühriges und seekundiges Treiben man sich am liebsten als die Wiege der Odyssee denkt, auf der Insel Ios ein altes Grab des Homer verehrten, an welchem neue Märchen von seiner Geburt und 497 Jugend entstanden und sich mit jenen in Smyrna in Verbindung setztenEin Mädchen aus Ios wird zur Zeit der ionischen Colonie schwanger ὑπό τινος δαίμονος τῶν συγχορευτῶν Μούσαις und kommt darauf durch Seeräuber nach Smyrna, wo Maeon d. h. der Lyder, weil Smyrna in dieser Landschaft lag, sich mit ihr vermählt und Homer von ihr am Meles geboren wird. So erzählte Aristoteles nach Plut. v. Hom. p. 21, 23 Westerm. Der Maeonide ist ein gewöhnlicher Name für Homer bei Griechen und Römern. Das Grab auf Ios und das herkömmliche Opfer einer Ziege erwähnen Skylax, Strabo, Varro b. Gell. 3, 11 u. A. Die Inschrift des Grabes war: ἐνϑάδε τὴν ἱερὴν κεφαλὴν κατὰ γαῖα κάλυψεν, ἀνδρῶν ἡρώων κοσμήτορα, ϑεῖον Ὅμηρον., während Chios von dem blinden Sänger des Hymnos auf den delischen Apollo, den man für Homer hielt, als seine Heimath genannt wird und der Wohnort eines Geschlechtes der Homeriden war, welches sich von Homer ableitete und sich wahrscheinlich auch des erblichen Besitzes ihm zugeschriebener Gedichte rühmteHarpokr. Ὁμηρίδαι γένος ἐν Χίῳ, ὅπερ Ἀκουσίλαος ἐν γ', Ἑλλάνικος ἐν τῇ Ἀτλαντιάδι ἀπὸ τοῦ ποιητοῦ φησὶν ὠνομάσϑαι. Vgl. Schol. Pind. N. 2, 1, wo Pindar das Wort Ὁμηρίδαι in weiterer Bedeutung gebraucht: Ὁμηρίδας ἔλεγον τὸ μὲν ἀρχαῖον τοὺς ἀπὸ τοῦ Ὁμήρου γένους, οἳ καὶ τὴν ποίησιν αὐτοῦ ἐκ διαδοχῆς ᾖδον· μετὰ δὲ ταῦτα καὶ οἱ ῥαψῳδοὶ οὐκέτι τὸ γένος εἰς Ὅμηρον ἀνάγοντες. Pindar nannte Homer einen Smyrnaeer, Simonides einen Chier, Bakchylides einen Ieten.. Dieses sind die Einschlagsfäden eines Gewebes, an welchem die Ruhmsucht der folgenden Zeiten, aber auch die Schmeichelei und überflüssige Gelehrsamkeit fortspannSo wurde Homer zu einem Athenienser, weil Athen später für die Metropole von Smyrna galt, zu einem Argiver, weil seine Gedichte sich viel mit Argos beschäftigten, zuletzt sogar zu einem Römer, weil man Spuren römischer Sitte bei ihm zu finden glaubte., bis Homer zu dem Dichter schlechthin geworden war und von Alexandrien und Rom als solcher verehrt wurde, und nicht allein als solcher, sondern auch als ein Heros des Gesanges und der Poesie, den man sich nach einem mühevollen Leben zu den Göttern erhoben dachte und in sehr vielen Städten durch Tempel, Gymnasien und Statuen vergegenwärtigteAm berühmtesten war das Ὁμήρειον in Smyrna, Str. 14, 646, vgl. die Grotte Homers an den Quellen des Meles Paus. 7, 5, 6. Nächstdem mag besonders glänzend gewesen sein das zu Alexandrien, wo Homer sitzend abgebildet war, um ihn herum die Städte, ὅσαι ἀντιποιοῦνται τοῦ Ὁμήρου, Aelian V. H. 13, 22. Ὁμήρειον auf Chios C. I. n. 2221. Glänzende Statue zu Salamis auf Cypern, Anthol. Pal. 7, 5, in Kolophon mit der Ilias und Odyssee als Töchtern, Plut. b. Westerm. p. 23, 71, in Argos mit göttlichen Ehren, cert. Hom. et Hes. ib. p. 44, Aelian V. H. 9, 15. Apotheose Homers nach Archelaos von Priene und auf einer silbernen Vase aus Herculanum (auf beiden die Ilias und Odyssee neben ihm), Münzen mit dem Kopfe oder dem Bilde Homers, deren von vielen Städten geschlagen wurden, b. Millin G. M. 543–549, Zahn 3, 28. Homer und Penelope, Homer auf die Ilias sinnend, Welcker A. D. 3, 217 ff. Homers Geist erscheint dem Ennius, Lucr. 1, 120 ff., Cic. Acad. pr. 2, 27, 88., ihn 498 und seine beiden Töchter, die Ilias und die Odyssee, welche man gerne neben ihm abbildete, wie in andern Compositionen andre Personen und Schöpfungen seiner Phantasie. Und fragte man nach dem Namen, so wußte man auch darauf mit kühnen Erklärungen zu antworten, welche von selbst zu neuen Geschichten führten, wie in seiner Heimath die Blinden ὅμηροι genannt wurden, weil sie eines Führers bedurftenPlut. b. Westerm. p. 21, 2 οὕτω δ' ἐκάλουν οἱ τε Κυμαῖοι καὶ οἱ Ἴωνες τοὺς τὰς ὄψεις πεπηρωμένους παρὰ τὸ δεῖσϑαι τῶν ὁμηρευόντων, ὅ ἐστι τῶν ἡγουμένων, nach Ephoros, welcher selbst aus Kyme gebürtig war., worauf die Verständigen freilich antworteten daß ein Dichter wie dieser unmöglich blind gewesen sein könneτυφλὸν δ' ὅσοι τοῦτον ἀπεφήναντο, αὐτοί μοι δοκοῦσι τὴν διάνοιαν πεπηρῶσϑαι· τοσαῦτα γὰρ κατεῖδεν ἄνϑρωπος ὅσ' οὐδεὶς πώποτε, Prokl. b. Westerm. p. 26. Vgl. Cic. Tusc. 5, 39, 114. Doch glaubte Plato an die Blindheit, Phaedr. 243 A., oder daß er in seiner Jugend als Geißel (ὅμηρος) von einem Orte zum andern geführt worden sei; zu welchen Erklärungen die Neueren die des Zusammenfügers hinzugethan haben, auch sie eine vieldeutige und eine bestritteneὍμηρος, von ὁμοῦ und ἄρειν, wobei man sich auf den Ζεὺς Ὁμάριος d. i. Ὁμαγύριος und das Ὁμάριον der Achaeer, Polyb. 2, 39, 6; 5, 93, 10 zu berufen pflegt, vgl. G. Curtius de nom. Homeri Kil. 1855 u. Em. Hoffmann Homeros und die Homeridensage v. Chios, Wien 1856..

Nicht weniger mythisch ist das Andenken Hesiods, obgleich dessen Persönlichkeit sich schon mehr verdichtet, namentlich wenn wir seine Autorschaft mit seinen Verehrern am Helikon auf das Gedicht der Werke und Tage beschränkenPaus. 9, 31, 4. Ὅρος τᾶς γᾶς τᾶς ἱερᾶς τῶν συνϑυτάων τᾶν Μωσᾶν τῶν Εἰσιοδείων, Inschrift aus Thespiae b. Keil Inscr. Boeot. 94.. Von seiner Jugend erzählt eine alte Dichtung daß ihm, als er, ein armer Hirtenknabe aus Askra, am Fuße des Helikon seine Lämmer geweidet, die neun Musen erschienen, ihm einen Lorbeerzweig aus ihrem Haine gereicht und ihn dadurch zum Dichter geweiht hättenHesiod th. 22 ff. vgl. die Schol., Prokl. b. Westerm. p. 45 u. Lukian rhet. praec. 4. Man dachte sich die Weihe oft so, daß Hesiod von den Lorbeerblättern gegessen und dadurch begeistert worden sei.. Weiter behauptete man daß er bei den zu Ehren des verstorbenen Königs von Euboea Amphidamas veranstalteten Spielen zu Chalkis mit Homer um den Preis gekämpft und gesiegt habe und berief sich deshalb auf 499 einen alten Dreifuß in demselben Musenhaine am Helikon, welchen angeblich Hesiod nach diesem Siege geweiht hatteVarro b. Gell. 3, 11, Paus. 9, 31, 3.. Sein Grab zeigte man zu Naupaktos bei den ozolischen Lokrern, in der Nähe der Meeresenge, wo er der Sage nach ermordet, aber an seinen Mördern glänzend gerächt wurdeDavon hatte Eratosthenes gedichtet s. Bergk Anal. Alexandr. 1, 17 sqq. Vgl. Goettling de vita Hesiodi, vor der Ausgabe Hesiods., ein andres zu Orchomenos, wohin sich die Bewohner von Askra, als ihre Stadt von Thespiae zerstört wurde, gerettet hatten und wohin deshalb die Reliquien des Hesiod auf Veranlassung einer Seuche aus Naupaktos übertragen sein sollenPaus. 9, 38, 2 vgl. Aristoteles im Staate der Orchomenier, eine Quelle verschiedener Berichte über Hesiod, Hist. Gr. fr. ed. C. Müller 2, 144. Auf dem Grabe zu Orchomenos sollen diese Verse zu lesen gewesen sein, die man dem Pindar zuschrieb: χαῖρε δὶς ἡβήσας καὶ δὶς τάφου ἀντιβολήσας, Ἡσίοδ' ἀνϑρώποις μέτρον ἔχων σοφίης.. – Und so ist auch die übrige Literaturgeschichte der Griechen, namentlich die der Dichter, mit Mythen und Fabeln reichlich versetzt, sei es daß ein altes, von jüngeren Generationen mißverstandenes Bild und Denkmal dazu veranlaßte, oder ein Gleichniß des Dichters selbst oder der natürliche Trieb eines phantasievollen Volks, das Leben seiner Lieblinge zu den Göttern zu erheben: man braucht nur an Arion und seinen Delphin zu erinnern, an die Kraniche des Ibykos, an die Wunder aus dem Leben des Pindar, des Simonides, des SophoklesLehrs populäre Aufs. 197 ff. Ueber Arion vgl. Böckh in den Abh. der Berl. Ak. a. d. J. 1836 S. 73..


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