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a. Athamas und die Athamantiden.
Athamas, nach der gewöhnlichen Genealogie einer der Söhne des Aeolos, ist das mythische Bild eines alten Zeusdienstes der thessalischen und boeotischen Minyer, der mit dem des lykaeischen Zeus in Arkadien große Aehnlichkeit gehabt haben muß. Es ist der finstre Zeus der Stürme und des Winters, aber auch der milde und freundliche des lichten Frühlingshimmels. Als winterlich finstrer Gott hieß er Λαφύστιος, unter welchem Namen er von den thessalischen Minyern zu Halos im phthiotischen Achaia, von den boeotischen auf dem hohen und rauhen Gebirge Laphystion oberhalb Koroneia und Orchomenos verehrt wurdeΖ. Λαφύστιος d. i. der Verschlinger von λαφύσσειν d. i. gierig verschlingen, namentlich von wilden Thiereu, Löwen (Il. 11, 176 αἷμα καὶ ἔγκατα πάντα λαφύσσει), Bären, Hunden, Adlern. Ueber den Dienst zu Halos am nördlichen Abhange der Othrys Herod. 7, 197, Str. 9, 433, Steph. B. Ἄλος, über den auf dem Berge Laphystion Paus. 1, 24, 2; 9, 34, 4. 5. An beiden Orten erzählte man von der Niederlassung und Regierung des Athamas, von Phrixos und Helle, Nephele und Ino u. s. w. Das Et. M. kennt auch einen Dionysos Λαφύστιος.. Dann fordert er blutige Menschenopfer vom Geschlechte der Athamantiden, welches ganz als ein priesterliches und königliches dieses bestimmten Zeusdienstes erscheint, daher sein mythischer Urheber AthamasἈϑάμας erklärt sich vielleicht durch skr. dhmâ stark wehen, schnauben, Pott Zeitschr. f. vgl. Spr. 7, 104. In Teos, welches auch für eine Gründung des Athamas galt (nach Herodot nahmen Minyer aus Orchomenos an den ionischen Niederlassungen Theil) und deshalb von Anakreon das Athamantische genannt wurde, hieß er auf ionisch Τάμμας s. Str. 14, 633, Steph. B. Τέως, Et. Gud. v. ταφών, Pherekydes b. Schol. Plat. Hipparch. p. 335. mit seinen Söhnen, ja mit seiner eignen Stimmung und mit seinem eignen Leibe dasselbe leiden muß was jene finsteren Gebräuche vorschrieben. Als gütiger Gott des Lichtes und des Frühlings, wo die Sonne wiederkehrt und befruchtende 311 Regengüsse das Land erquicken, ist er φύξιος, ein Gott der Gnade und der Zuflucht, der das ihm bestimmte Opfer auf wunderbare Weise in das ferne Sonnenland des Lichtes entrückt oder es durch die Dazwischenkunft wohlthätiger Heroen errettet. Und diese Vorstellungen und Gebräuche des alten Gottesdienstes waren namentlich in der Gegend von Halos so festgewurzelt, daß sie noch zur Zeit der Perserkriege und später in voller Uebung bestandenHerod. 7, 197, Plato Min. p. 315 C, der die Menschenopfer des lykaeischen Zeus und die der Athamantiden mit denen des punischen Saturn vergleicht.. Jedesmal der Aelteste vom Geschlechte der Athamantiden mußte das Prytaneum der Stadt meiden und wurde schonungslos geopfert wenn er sich darin betreffen ließ, auch wenn er das Land gemieden hatte und erst nach langer Zeit wieder heimgekehrt war. Und man begründete diese grausamen Gebräuche dadurch daß Athamas seinen Sohn Phrixos dem Zeus Laphystios habe opfern wollen und dann selbst habe geopfert werden sollen, aber von seinem Enkel, dem plötzlich aus Kolchis zurückgekehrten Sohn des Phrixos von diesem Opfertode befreit worden sei.
Daraus erklärt sich die Sage von Athamas und seinen beiden Frauen, der guten Mutter Wolke und der bösen Stiefmutter InoApollod. 1, 9, 1, Zenob. 4, 38, Tzetz. Lyk. 22, Palaeph. 31, wo Athamas ein König von Phthia heißt. Gewöhnlich dachte man ihn als Boeoter.. Von der Wolke (Nephele) hat Athamas die beiden Kinder Phrixos und Helle, wahrscheinlich Bilder des befruchtenden Regens und des milden Lichtes, wie ihn Zeus im Frühling spendet, der wohlbekannte Wolkensammler der lichten HöhenΦρίξος von φρίξ d. i. der Schauer des Windes auf der Wasserfläche u. φρίσσω d. i. horrere, horrescere vom Meere, vom Saatfelde mit starrenden Aehren, vom Fell mit starrenden Haaren u. s. w. Ἕλλη vielleicht i. q. εἵλη d. i. Wärme und Glanz des Lichtes, mit verdoppelter Liquida, also wie die tegealische Αὐγή. Nephele ist wohl im Sinne der Morgenluft zu verstehen (S. 147, [Anmerkung 542]), woraus sowohl Regen als klarer Himmel entstehen kann. Ein Kentaur Phrixos b. Diod. 4, 12.. Ino, die Meeresfrau des benachbarten StrandesBd. 1, 470. Der Name Ἅλος (man sagte ὁ und ἡ) hängt entschieden mit ἃλς zusammen, wie die Stadt denn nicht weit vom Meere lag und das benachbarte Iolkos wesentlich Seestadt war. So waren auch die boeotischen Orchomenier und alle Minyer viel zur See., hat vom Athamas den Learchos und den Melikertes geboren. Als Stiefmutter, die in vielen griechischen Sagen das böse Princip der Familie istEurip. Alk. 309 ἐχϑρὰ γὰρ ἡ 'πιοῦσα μητρυιὰ τέκνοις τοῖς πρόσϑ', ἐχίδνης οὐδὲν ἠπιωτέρα. Andre Namen für die Stiefmutter dieser Fabel und verschiedene Versionen derselben b. Schol. Pindar P. 4, 288., stellt sie den 312 Kindern der Wolke nach und weiß es durch List dahin zu bringen daß Athamas den Phrixos seinem Gotte, dem Zeus Laphystios opfern will. Sie beredet nehmlich die Frauen des Landes den Waizen, mit dem das Feld bestellt werden soll, vorher zu rösten, so daß Mißwachs die natürliche Folge istAuch in diesem Zuge entspricht die Fabel am besten der Gegend von Halos, welches an dem durch seinen Waizenbau berühmten krokischen Gefilde lag, s. 1, 590. Das φρύγειν τὰ σπέρματα (torrere sementem übersetzt Hygin f. 2) entspricht der Natur der Ino als Meeresgöttin, denn das Meer ist unfruchtbar und als solches der fruchtbaren Erde entgegengesetzt; daher der Ausdruck ἁλίσπαρτον und der Gebrauch einen verfluchten Acker mit Salz zu bestreuen, Lob. Agl. 1192.. Dadurch und durch ein untergeschobenes Orakel wird Athamas genöthigt den eignen Sohn zum Altare zu führen; doch rettet ihn Zeus oder Hermes oder Nephele, indem sie einen goldnen Widder senden, welcher Phrixos und die gleichfalls bedrohte Helle durch die Luft und übers Meer nach Aea entführt. Die zartere Helle fällt unterwegs ins Meer, wodurch der Hellespont zu seinem Namen gekommen istἙλλήσποντος Il. 2, 845, πορϑμὸς Ἀϑαμαντίδος Ἕλλας Aesch. Pers. 70. Sollte bei der Sage vom Sturz der Helle der Gebrauch alter Opfer zu Grunde liegen? Vgl. das ins Meer versenkte Mädchen, als Opfer der Amphitrite und der Nereiden, b. Plut. VII Sap. conv. 20 u. Lykophr. 22 Θέτις παρϑενοκτόνος. Phrixos und Helle auf dem Bock durch die Lüfte getragen, sie stürzend u. s. w., eine häufige Vorstellung s. Pyl l. c. p. 6 u. Bullet. Nap. N. S. 7 t. 3 (1858) n. 155, vgl. Paus. 1, 24, 2, Apollon. 1, 763. Man dachte sich Helle als Geliebte Poseidons, von dem sie den Paeon oder Edonos, die Eponymen thrakischer Völkerschaften, geboren habe, Hygin P. A. 2, 20.. Phrixos erreicht glücklich das ferne Eiland des Lichtes, wo er den Widder dem Zeus φύξιος opfert und das goldene Vließ des Widders dem Aeetes d. h. dem Könige von Aea übergiebt, der es im Haine des Ares d. h. des blutigen Schreckens aufhängt, wo ein gräßlicher Drache es bewacht. Der Widder ist im Culte des Zeus so entschieden das Symbol der befruchtenden Wolke und der erquickenden Gnade, daß er auch hier nicht wohl eine andre Bedeutung haben kannVgl. den Gebrauch der ἀποδιοπομπήσεις, namentlich auf dem Pelion, 1, 101. 111. Zeus Laphystios entspricht dem μαιμάκτης, Zeus Phyxios dem μειλίχιος. Eine ähnliche Bedeutung hatte Hermes κριοφόρος zu Tanagra, 1, 307, [894], während Aphrodite ἐπιτραγία den Theseus übers Meer führt, oben S. 295.. Der goldne Widder ist ein Symbol des Segens der aus der Wolke quillt, ein Unterpfand der Gnade des Zeus und ein Palladium des Glückes und des Reichthums überhaupt, in welcher Bedeutung dasselbe Symbol in der Sage 313 von Myken wiederkehrtDas goldne Vließ kannten schon Hesiod und Pherekydes, Hygin l. c, Simonides hatte es einmal weiß ein andermal πορφυροῦν d. h. meerfarbig genannt, Schol. Apollon. 4, 177. Andre nannten diesen goldnen Widder einen Sohn des Poseidon und der Theophane, Hygin f. 3. 188. Apul. M. 6, 12 in dem Märchen von der Psyche kennt eine ganze Heerde von Lämmern mit goldnem Vließ, welche Fulgent. mythol. 3, 6 Solis armenta nennt.. Dieses Palladium in jenem fernen Eilande aufzusuchen, es dem Drachen zu entreißen und zum bleibenden Besitze der Heimath und ihres Geschlechts zu machen, das ist die Aufgabe der Helden vom Stamme der Minyer, zu welchem auch die Athamantiden gehörten. Phrixos blieb nach der gewöhnlichen Sage beim Aeetes, dem Sohne des Helios, dem Bruder der Kirke, der ihn mit seiner Tochter vermählte. Seine Söhne schickte er nach Griechenland zurück, wo der eine, Kytisoros (ein schon der Sage von Kolchis entsprechender Name), als Befreier des Athamas vom Opfertode, der andre, Argos, als Erbauer der Argo genannt wurde. Von ihnen leitete sich ein Geschlecht ab, welches gleichfalls in Thessalien und Boeotien heimisch war und dessen älteste Glieder schon bei Hesiod erwähnt wurdenHerod. 7, 197, Schol. Apollon. 2, 1122, Antonin. Lib. 23. Nach Apollon. 2, 1090 ff. hatte Phrixos seine Söhne nach Orchomenos geschickt, doch scheitern sie unterwegs auf der Aresinsel, wo die Argonauten mit ihnen zusammentreffen..
Vom Athamas wurde außer seiner eignen Gefahr, zur Sühne für den Phrixos geopfert zu werden, noch erzählt daß er später in einem Anfall von Raserei den einen Sohn der Ino Namens Learchos getödtet, den andern und die Mutter um auch sie zu morden verfolgt habe: welche Fabel gewöhnlich durch den Haß der Hera motivirt wurde, den sich Ino durch die Pflege des Bacchuskindes zugezogen habeBd. 1, 471. Λέαρχος ist wohl nur ein griechischer Name für den phoenikischen Μελικέρτης.. Ferner erzählte man von einer dritten Frau des Athamas, Themisto, einer Tochter des Lapithenkönigs Hypseus, welche durch ihre Eifersucht auf Ino neues Unglück über sein Haus gebracht habeAthen. 13, 10, Apollod. 1, 9, 2, Schol. Apollon. 2, 1144, Hygin f. 1. Ihre Abkunft weist nach Thessalien, ihre Söhne vom Athamas: Leukon, Erythrios, Schoeneus, Ptoos nach Boeotien, Müller Orchom. 214. Pherekydes nannte Themisto die Stiefmutter des Phrixos, Schol. Pind. P. 4, 288.. Solche Verwicklungen der Leidenschaft und die Abenteuer des Phrixos verfehlten nicht die attischen Tragiker zu beschäftigen. Aeschylos dichtete einen Athamas, Sophokles einen Phrixos, einen Athamas im Opferkranze 314 (στεφανηφορῶν), wo Herakles als Retter in der Noth erscheint, und noch einen andern Athamas, wo sein Wahnsinn und die Angst und endliche Erhöhung der Ino geschildert wurde. Endlich von Euripides gab es einen Phrixos, wo Ino als die hochgeborne Tochter des Kadmos auftrat, welche die Stiefkinder der Wolke nicht ertragen mochte, aber für ihre Arglist durch Verstoßung und Verbannung gestraft wurde, und eine Ino, wo Athamas sich als glücklicher Gatte und Vater in Thessalien befand, Ino aber, in diesem Stücke eine Dienerin, ärmlich, eifersüchtig, abgespannt, dieses Glück wieder störte und zuletzt von dem wahnsinnig gewordenen Athamas ins Meer gejagt wurde: eine von jenen pathetischen Jammergestalten des Euripides, welche dem Geschmacke der Zeit entsprachen, aber von der Komödie nichts desto weniger schonungslos travestirt wurden. Auch Athamas wurde nach der Fabel dieses Stückes zuletzt ganz wild und verdüstert, bis er nach Athamanien auswanderte, wo die Landessage gleichfalls von ihm erzählteHygin f. 4, Apollod. l. c, Nauck tr. gr. 383 sqq. Nach Euripides dichtete auch Nonnos..