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Gelegentlich einer der vielfältigen Diskussionen, die ich mit einem frühern theologischen Kollegen über Fragen der Weltanschauung hatte, erklärte dieser einmal: »Was Sie auch sagen mögen, die Kraft des Gebetes ist vorhanden, ich kann sie aus eigner Erfahrung bezeugen. Wenn ich schwach und müde bin, dann kann ein aufrichtiges, hingebungsvolles Gebet mich aus dieser Stimmung herausziehen und mit neuer Energie und neuem Lebensmut erfüllen.« Obwohl ich nicht gewohnt bin, den philosophischen Anschauungen dieses wertgeschätzten frühern Kollegen eine besonders hohe wissenschaftliche Bedeutung zuzuschreiben, so habe ich doch nicht den mindesten Grund, in die Aufrichtigkeit und somit Richtigkeit dieser seiner Mitteilung den geringsten Zweifel zu setzen. Ich muß es also ohne weiters als sicher annehmen, daß die von ihm geschilderten Folgen des Gebetes vorhanden sind, um so mehr als ähnliche Folgen auch von vielen andern Menschen angegeben und bezeugt worden sind.
Wenn ich vom Standpunkte des naturwissenschaftlichen Beobachters die Summe der Eindrücke, die ich aus solchen Zeugnissen gewonnen habe, zusammenfasse, indem ich sie alles Mystischen, Übernatürlichen, spezifisch Religiösen entkleide, so komme ich zu dem Ergebnis, daß ein Gebet je nach seiner Intensität und je nach der geistigen Beschaffenheit des Betenden im besten Falle ungefähr so wirkt wie ein tiefer ruhiger Schlaf, der den damit Beglückten gekräftigt, beruhigt und voll Mut zu neuer Arbeit aufstehen läßt.
Es gibt aber eine große Reihe von Abstufungen der Wirkungen des Gebets, die von dieser erfreulichen und in jeder Beziehung wünschenswerten Beschaffenheit bis zu solchen Beeinflussungen des menschlichen Denkens und Fühlens gehen, die man nur mit einer Narkose etwa durch Alkohol, Opium oder Haschisch vergleichen kann. Denn wir haben beispielsweise aus der Geschichte der Kreuzzüge eine große Anzahl sehr wohl bezeugter Schilderungen, wie durch Predigt und das daran geschlossene Gebet eine unwiderstehliche Fanatisierung großer Menschenmengen entstanden ist, welche alle ruhige Überlegung, alle sonstigen Urteile und Rücksichten vernichtete und den Geist der so Beeinflußten vollständig auf eine ganz bestimmte Anschauung und Betätigung einstellte. Somit werden wir als Ergebnis des Gebetes anzusehen haben die Beseitigung von unruhigen, trüben und energielosen geistigen Zuständen und die Lenkung nicht nur des bewußten Denkens, sondern auch der ganzen Stimmung auf andere, nicht niederdrückende und lähmende, sondern anregende und belebende Anschauungen und Empfindungen. Darin liegt das Positive oder Wertvolle in der Wirkung des Gebetes. Auf der andern Seite und am üblen Ende seiner Wirksamkeit liegt die negative Folge desselben, nämlich die Konzentration des Willens des so Beeinflußten auf ganz bestimmte enge Gebiete, entsprechend einer Verengung des geistigen Gesichtsfeldes unter gleichzeitiger Beeinträchtigung der Urteilskraft, die dann bis zu vollständiger Fanatisierung, d. h. vollständiger Außerachtsetzung aller normalen, insbesondere sozialen Überlegungen zugunsten einer einzigen Willensrichtung führt.
Wir Monisten besitzen nichts, was mit dem Gebet der gläubigen Christen, Muhammedaner und andern Religionsgenossenschaften unmittelbar vergleichbar wäre. Angesichts der zweifellos vorhandenen guten Seiten dieser Betätigung ist es wertvoll, noch genauer zu untersuchen, worauf das Gebet und seine Wirkung beruht, um daraus ermitteln zu können, ob vielleicht aus diesen guten und erfreulichen Seiten der Gebetswirkung auch auf unser Leben einiges übertragen werden könnte, so daß wir uns die Erfahrungen der Menschheit nach dieser Richtung für unser praktisches Leben ebenso gut zunutze machen, wie unsre Naturwissenschaft sich die Jahrtausende langen Erfahrungen der Menschheit auf allen möglichen andern Gebieten dadurch zunutze gemacht hat, daß sie diese in den Rahmen der Wissenschaft eingeschaltet und derart zu einem Bestandteil dieses höchsten Schatzes gemacht hat.
Entstanden ist das Gebet wohl zweifellos aus den Beschwörungs- und Zauberformeln des alten Aberglaubens der primitiven Völker. In außerordentlicher Allgemeinheit finden wir die Vorstellung verbreitet, daß durch das Aussprechen gewisser Worte eine besondre Kraft ausgeübt wird, indem ein unwiderstehlicher Zwang auf diejenigen bewirkt wird, an welche diese Worte gerichtet sind. Es soll dahingestellt bleiben, wie man sich die Entstehungsgeschichte dieser überaus allgemeinen und verbreiteten Vorstellung denken mag. Am wahrscheinlichsten erscheint mir (aber ich bemerke gleich, daß ich diese Vermutung gegen irgendeine andere wissenschaftlich begründete ohne weiteres preiszugeben bereit bin), daß die alltäglichen Wirkungen eines Zurufs von einem auf den andern, die den Angerufenen veranlaßt, seine augenblickliche Tätigkeit zu unterbrechen und seine Aufmerksamkeit auf den Zurufenden zu richten, die psychologische Grundlage für die Vorstellung von den Zauberformeln gegeben haben mag. Da man auf solche Weise durch ein Wort wenigstens momentan die Handlungsweise des andern sicherlich beeinflussen kann, liegt bei dem höchst gering entwickelten Kausalitätsempfinden der primitiven Menschen die willkürliche Ausdehnung dieser Erfahrung auf eine unbegrenzte Wirksamkeit gewisser Zurufe, die eben nur von besonderer Beschaffenheit sein müßten, recht nahe. Jedenfalls muß diese Anschauung, da sie so außerordentlich verbreitet und allgemein ist, auch eine entsprechend allgemeine Ursache haben. In der christlichen Lehre finden sich innerhalb der zehn Gebote noch völlig deutliche Spuren dieses Zauberglaubens in dem Verbot, den Namen Gottes unnützlich zu führen, sowie in dem andern Verbot, von ihm ein Bildnis oder Gleichnis zu machen. Denn bekanntlich wird auch die Anfertigung und Handhabung eines Bildnisses in diesen primitiven Zuständen als ein Mittel angesehen, Gewalt über den Abgebildeten zu erlangen. Die Zauberbräuche, die noch bis auf den heutigen Tag in einzelnen Winkeln von Europa in praktischer Anwendung sind, kommen in sehr vielen Fällen darauf hinaus, daß man derartige Abbildungen in solcher Weise behandelt oder auch mißhandelt, wie man sich den Originalen gegenüber gern seinen Wünschen gemäß betätigen möchte. Und in den Totenmessen, den Fürbittgebeten und ähnlichen Einrichtungen der katholischen Kirche haben wir ebenfalls noch sehr wohl erkennbare Überbleibsel jener Vorstellung, daß durch das Aussprechen bestimmter Worte und Sätze eine unwiderstehliche Gewalt auf Wesen ausgeübt werden kann, die sich sonst der Beeinflussung durch uns durch ihre höhere Kraft und Macht sehr wohl entziehen können.
Bei den kulturell höher stehenden Angehörigen des christlichen Glaubens, insbesondere bei den Protestanten hat sich diese unmittelbare und primitive Auffassung der Wirkung des Gebetes in eine mehr geistige oder psychologische verwandelt, indem man zunehmend bereit ist, zuzugestehen, daß durch das Gebet eine direkte Beeinflussung Gottes nicht erzielt werden kann. In einer neulichen Diskussion, die in dieser Beziehung in höchstem Maße lehrreich war, wurde von gläubiger Seite dargelegt, daß der wahre Christ auch in dem, was er durch sein Gebet von Gott verlangt, einen entsprechenden Takt beweisen müsse, daß er z. B. nicht etwa bitten könnte, ein gebrochenes Bein möge momentan gesund werden. Vielmehr werde ihn sein Takt veranlassen, naturgesetzliche Unmöglichkeiten zu vermeiden und sich mit seinen Bitten im Bereiche und Umfange des Denkbaren und Möglichen zu bewegen.
Die Benutzung des Wortes Takt in diesem Zusammenhange ist außerordentlich lehrreich und spricht Bände für die Überzeugungen und Anschauungen des betreffenden gläubigen Christen. Bekanntlich benutzt man den Ausdruck Takt, um hervorzuheben, daß der Betreffende es vermeidet, peinliche, verletzende, unbequeme oder sonst unerwünschte Angelegenheiten denen gegenüber zu berühren, mit denen er verkehrt. Es heißt also mit anderen Worten: Der Takt beim christlichen Gebet besteht darin, daß man Gott um alle solche Dinge nicht bittet, die er sicherlich nicht tun kann. Solche sind, auch nach christgläubiger Überzeugung alle Verletzungen von naturgesetzlichen Zusammenhängen. Vielmehr soll man vermöge dieses seines Takts seine Bitten darauf beschränken, wo man noch mit gutem wissenschaftlichen Gewissen die Möglichkeit eines wirklichen und wirksamen Eingriffes Gottes anzunehmen vermag. Aus solchen Quellen rührt denn auch in den kulturell und geistig höher stehenden gläubigen Kreisen die außerordentlich intensive Gegnerschaft gegen die naturwissenschaftliche Vorstellung vom absoluten Determinismus, von der Anschauung, daß jedes beliebige Ereignis, auch alle diejenigen, deren Kausalitätsbeziehungen wir innerhalb der gegenwärtigen Wissenschaft durchaus nicht feststellen und verfolgen können, durch die vorausgegangenen Ereignisse eindeutig naturgesetzlich bestimmt sei, so daß es überhaupt in keiner Weise mehr abgeändert werden kann. Durch diese Anschauung wird nämlich das Gebiet, welches auch der Gläubige zugestandenermaßen dem Einfluß des göttlichen Willens als entzogen ansieht, auf die Gesamtheit aller denkbaren und möglichen Geschehnisse ausgedehnt. Tatsächlich würde also Gott als völlig macht- und einflußlos auch gemäß der Überzeugung solcher Gläubigen dastehen, wenn wirklich jedes Ereignis ohne jede Ausnahme als vollständig naturgesetzlich begründet und bestimmt angesehen werden muß. Da nun andrerseits die naturwissenschaftliche Weltanschauung mit Notwendigkeit zu einer solchen oder mindestens ähnlichen Auffassung der Wirklichkeit führt, so erkennt man auch an dieser Stelle die absolute Unvereinbarkeit der beiden Weltanschauungskreise, des religiösen im engern oder niedern Sinne und des naturwissenschaftlichen. Das ist ein Tatbestand, welchen alle Bemühungen des Keplerbundes niemals werden verdecken können, und welchen dem allgemeinen Bewußtsein zu entziehen, nichts anders heißt, als ein unaufrichtiges Spiel mit den Gesetzen der Logik treiben.
Was ist denn aber im Bewußtsein des gläubigen modernen Kulturchristen vom Gebet überhaupt übrig geblieben? Wir erhalten Aufklärung hierüber durch das Sprichwort: Not lehrt beten. Wenn ein solcher Mensch aus irgendwelchen Schwierigkeiten oder Sorgen keinen Ausweg sieht, wenn er insbesondere durch ununterbrochene Beschäftigung mit trüben Vorstellungen oder Gedankenreihen seine geistige Widerstandskraft gegen die automatische Entstehung und Fortsetzung dieser Gedankenreihen stark vermindert hat, dann kann er sich von dem Festgefahrensein in deprimierenden Gedanken und Empfindungen, welches schließlich unwiderstehlich bis zur Neurasthenie und den damit zusammenhängenden Krankheitsformen führen würde, durch die regelmäßige und möglichst hingebungsvolle Anwendung des Gebetes erfolgreich befreien. Psychologisch beruht diese Wirkung darauf, daß man sich im Gebet mit großer Intensität in den entgegengesetzten Vorstellungskreis der Hilfe, Befreiung, Erlösung, also in erfreuliche, hoffnungsvolle und helle Zukunftsanschauungen vertieft und durch diese geistige Disziplin die gegenteiligen trübsinnigen und niederdrückenden Vorstellungen ausschließt. Diese Art von psychologischer Selbstbehandlung ist je nach der Übung und Beanlagung von sehr verschiedenem Erfolg, aber zweifellos ist sie umso erfolgreicher, je häufiger und regelmäßiger sie geübt wird. Wirklich kann also die regelmäßige, aufrichtige Betätigung des Gebetes die bereits früher geschilderten segensreichen und nützlichen Folgen haben.
In ausgeprägtester Weise ist diese Wirkung bei den Anhängern der »Christian science« vorhanden. Bei diesen wird durch eine Reihe von erfahrungsmäßig als wirksam erkannten geistigen Beeinflussungen eine überdurchschnittlich starke Konzentration auf die hoffnungsvollen und erfreulichen Zukunftsvorstellungen erreicht, so daß dann ähnlich, wie bei der hypnotischen Behandlung durch einen geschickten Arzt, die peinlichen und niederdrückenden Vorstellungen durchaus das Blickfeld des Bewußtseins verlassen und eine tatsächliche freudige Stimmung, Euphorie, wie der Arzt das zu nennen pflegt, erreicht werden kann. Es handelt sich also um weiter nichts, als um eine regelmäßig und systematisch angewendete Selbsthypnose unter der wirksamen Form der durch die jahrhundertlange Beeinflussung im Bewußtsein tief verankerten christlichen Gesamtanschauung. So wird man auch dieser Seite unsres so überaus vielgestaltigen modernen Lebens eine gewisse Daseinsberechtigung nicht aberkennen wollen. Denn sie ist jedenfalls im Sinne einer optimistischen Lebensgestaltung tätig, wenn auch freilich die Kehrseite davon, der Mißbrauch dieses Vorstellungskreises zu persönlichen Beeinflussungen gewinnsüchtiger und anderer Art, außerordentlich nahe liegt. Aber das ist ein Nachteil, welcher nicht allein der Christian science zukommt, sondern bei allen ähnlichen auf dem Gebete beruhenden Beeinflussungen auch innerhalb der längst heimatberechtigten Formen der christlichen und andern Kulte reichlich genug vorhanden ist.
Was kann nun der Monist für seine Lebensauffassung und seinen Lebensbetrieb aus diesen Tatsachen entnehmen? Ihm steht kein höheres Wesen zur Verfügung, von dem er annimmt, daß es willkürlich in sein Schicksal oder in das seiner Umgebung eingreifen könne, und er hat infolgedessen nicht diese einfache und unmittelbare Anknüpfung, welche alle übrigen Benutzer des Gebetes für ihre psychologischen Exerzitien haben.
Es bleibt uns nur übrig, bewußt die Wirkungen anzustreben, die wir durch unsre Analyse der Gebetswirkungen erkannt haben, d. h. mit andern Worten bewußt unsern Geist, sei es zu bestimmten Zeiten, sei es, was ich durchaus für empfehlenswerter und besser halte, unaufhörlich und immer mit Nachdruck auf schöne, erfreuliche, glückbringende Vorstellungen zu konzentrieren und die gegenteiligen als energiezerstörend so weit wie möglich fernzuhalten.
Aus dem Urgrauen wächst jedem einzelnen Menschen noch gelegentlich in besonders schweren Lebenslagen das Gefühl absoluter Hilflosigkeit empor. Kennzeichnet doch Schleiermacher als Quelle und Inhalt der Religion das Gefühl der schlechthinigen Abhängigkeit, d. h. der vollständigen Unfähigkeit, aus eigner Kraft das eigene Schicksal zu gestalten oder zu ändern. Dieses Hilflosigkeitsgefühl soll und muß als Rückfall in atavistische Vergangenheitszustände unter allen Umständen bekämpft werden und jeder einzelne soll, wenn er Anfälle davon verspürt, es für seine Pflicht als Kulturmensch halten, es nach Möglichkeit bei sich auszurotten. Es mag sein, daß es ebenso schwierig ist, diese Forderung auszuführen, als es leicht ist, sie aufzustellen. Aber ich darf hier aus eigner Erfahrung reden, aus einer Erfahrung, die mir gezeigt hat, wie ausführbar es ist, notwendige Dinge, die einem auf den ersten Blick überaus schrecklich oder widerwärtig oder unerträglich erscheinen, in sein Leben aufzunehmen und damit fertig zu werden, wenn man von vornherein entschlossen ist, alles Kleinliche, Miserable und Dürftige in seinen Gesinnungen und seinem Verhalten zu den andern Menschen abzustreifen. Während der religiöse Mensch aus seinem Fatalismus, der ja mit dem religiösen Empfinden notwendig verknüpft ist, die Kraft und Wirkung seines Gebetes zieht, muß der Monist gerade umgekehrt aus seinem Energismus, aus der Überzeugung, daß alles, was er Gutes und Schönes von seinem Leben verlangt, durch Menschen hervorgebracht oder beeinflußt werden kann, die Kraft seines Wollens und Tuns ziehen. Und in solchem Sinne muß er seine Fähigkeit pflegen, zu hoffen, zu hoffen auch in den trübsten und dürftigsten Lebenslagen, zu hoffen auf Grund seiner tiefliegenden Ueberzeugung von der Gesetzlichkeit alles Naturgeschehens und der fast unbegrenzten Kraft eines starken und dauerhaften Willens.
Beispielsweise gibt es ein Mittel, sich glücklicher zu machen, welches ich selbst in meinem zunehmenden Alter häufiger und häufiger zu erproben Gelegenheit finde. Es besteht darin, daß man die schlaflosen Stunden in der Nacht benutzt, sich all die vielen guten und schönen Ereignisse, die sich in dem Leben jedes einzelnen finden, mit möglichster Deutlichkeit in das Bewußtsein zurückzurufen. Manchmal hat man des Morgens vergessen, daß man in der Nacht wach gelegen und diese Selbstbehandlung an sich ausgeführt hat, und ist erstaunt über die sonnige und glückliche Stimmung, mit der man aufsteht und sein Tagewerk beginnt. Dann fällt einem wohl plötzlich ein, womit man sich in der Nacht beschäftigt hatte, und man genießt einen erneuten Sonnenstrahl.
Leidet man unter starken schmerzlichen Eindrücken, wie sie uns ja das Leben zuweilen unwiderstehlich bringt, so sind ferner je nach der Beschaffenheit des einzelnen starke und erhebende künstlerische Eindrücke, etwa durch Musik oder Malerei, am einfachsten und zugänglichsten allerdings durch Lektüre, ein fast nie versagendes Mittel, aus der schwarzen Stimmung wieder an das Licht des hellen Tages vorzudringen.
Alle diese Mittel sollen, wie es uns als bewußten Menschen geziemt, bewußt angewendet werden und man soll sie sich nicht etwa gönnen mit einem gewissen Gefühl, daß es eigentlich nicht statthaft wäre, sondern man soll sie sich verordnen, wie der Arzt dem Kranken stärkende Speisen verordnet: als das naturgemäße Heilmittel den vorhandenen ungesunden Eindrücken gegenüber. In dem Maße, als wir auf solche Weise lernen, immer bewußter und bewußter zu leben, brauchen wir dann auch weniger und weniger eine solche künstliche und außergewöhnliche Steigerung unserer Stimmung. Solche Menschen, welche ihr ganzes Denken und Empfinden auf dieser monistischen Grundlage nicht nur theoretisch aufgebaut, sondern praktisch durchgeführt haben, fallen den andern Leuten regelmäßig durch die unverwüstliche Heiterkeit ihrer gesamten Gemütsstimmung auf. Das ist also ein wirkliches praktisches Ideal, das für jeden von uns zwar in der Zukunft liegt, aber den großen Vorzug hat, daß man sich ihm stufenweise bis fast zur völligen Erreichung nähern kann.