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Siebzehnte Predigt.
Der Stein der Weisen.


Unter dem Stein der Weisen verstanden bekanntlich die mittelalterlichen Chemiker, die Alchimisten, einen Stoff, mittelst dessen man einerseits das menschliche Leben beliebig verlängern konnte und der andererseits die Eigenschaft besaß, daß, wenn er mit wohlfeilen und unedlen Metallen zusammengebracht wurde, er diese Metalle in kostbareres Edelgut, Gold oder Silber, umwandelte. Es ist bekannt, daß das ganze Mittelalter erfüllt war von der Suche nach diesem Stein der Weisen und daß ungeheure Arbeitsmengen aufgewendet worden sind, um diesen wunderbaren Stein zu finden oder herzustellen. Der Erfolg war null. Wir wissen gegenwärtig, daß ein derartiges Suchen in der Form, wie es die Alchimisten getrieben haben, vergeblich sein mußte. Denn eine solche Substanz, welche in unbegrenzt kleiner Menge angewendet jene Folgen hervorrufen könnte, gibt es nicht und kann es auch, soweit unsere wissenschaftlichen Kenntnisse reichen, nicht geben.

Ähnlich haben um dieselbe Zeit mit den Alchimisten die Physiker ein derartiges unlösbares Problem verfolgt: sie haben das Perpetuum mobile zu finden gesucht und auch hier ist das Resultat genau dasselbe. Das Perpetuum mobile konnte nicht erzielt werden und alle auf die Lösung dieses Problems gewendete Arbeit war vergebens. Demgemäß geht denn auch die gewöhnliche Geschichtsbetrachtung dahin, daß man diese beiden Bemühungen, die sich durch eine ganze Anzahl von Jahrhunderten verfolgen lassen, als bloße Verirrungen des menschlichen Geistes ansieht und die darauf verwendete Arbeit als eine immense, niemals wieder gut zu machende Energievergeudung.

Indessen ist doch allmählich klar geworden, daß diese negativen Ergebnisse der Goldmacher und der Perpetuummobilesucher doch auch eine positive Seite haben. Besonders deutlich ist das in dem zweiten Fall. Die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile, d. h. die Unmöglichkeit Arbeit aus nichts zu schaffen, war die Grundlage des größten Gesetzes im anorganischen Gebiete, welches das ganze 19. Jahrhundert gefunden hatte, nämlich des Gesetzes von der Erhaltung der Energie. Und ebenso haben die negativen Resultate der Goldmacher und der Sucher nach dem Stein der Weisen zu dem positiven Ergebnis von der Erhaltung der Elemente geführt. Dies ist ein Gesetz, welches die Grundlage der ganzen modernen Chemie bildet und daher auch die Grundlage der außerordentlichen wissenschaftlichen wie technischen Erfolge, die auf diesem Gebiete die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebt hat. Also sehen wir, daß eine wohlkonstatierte allgemeine Tatsache von negativer Beschaffenheit, wie es die Unerschaffbarkeit der Energie und die Unwandelbarkeit der Elemente ist, durchaus und immer auch einen positiven wissenschaftlichen Wert hat. Es kommt nur darauf an, daß man die Gesamtheit der negativen Beobachtungen, die in bezug auf solch eine Frage angestellt worden sind, sachgemäß zusammenfaßt und ohne Scheu und Ängstlichkeit die wissenschaftlichen Konsequenzen aus der Summe solcher Beobachtungen zu ziehen weiß.

Ist uns dadurch das Suchen nach dem Stein der Weisen vollkommen unmöglich und aussichtslos geworden?

Diese Frage braucht nicht bejaht zu werden. Man wird sich folgendes sagen: Die Alchimisten wollten das erwünschte Resultat mit einem großen Sprung erreichen und außerdem wollten sie womöglich in derselben Substanz das realisieren, was auf ganz verschiedenen Gebieten des Lebens und der Wissenschaft liegt. Deshalb sind sie gescheitert. Das Suchen nach dem Stein der Weisen war aber doch der Ausdruck einer ganz bestimmten Tendenz des menschlichen Tuns und Treibens, der Tendenz nach möglichst großer Ausdehnung des individuellen Lebens und nach dessen möglichst glücklicher Gestaltung. Daß die Alchimisten sich das Glück in der Form von Gold dachten, liegt ja dem chemischen Forschungsgebiet, auf welchem man dieses Mittel des Glücks anstrebte, besonders nahe. Allgemein wird man also die Frage stellen: Gibt es Mittel, das menschliche Leben zu verlängern, wenn auch nicht ins unbegrenzte, so doch stufenweise? Und zweitens gibt es Mittel; unedles, wohlfeiles, wertloses Material in edles zu verwandeln?

Beide Fragen können bejaht werden und wir dürfen von diesem Gesichtspunkt aus sagen, daß unsere Zeit von dem alten Problem des Steins der Weisen bereits sehr erhebliche Stücke realisiert hat. Wie dies geschehen ist, wollen wir im einzelnen genauer betrachten. Hierzu werden wir uns vor allen Dingen fragen: Inwiefern kann der Mensch das natürliche Geschehen beeinflussen?

Wir haben hier zwei entgegengesetzte Anschauungen. Nach der einen geschieht alles, was in der Welt vor sich geht, einschließlich des Denkens und Handelns des Menschen, durchaus nach strengen, eindeutigen Naturgesetzen und es ist infolgedessen, wenn der Anfang gegeben war, der spätere Ablauf jedes einzelnen Geschehnisses unbedingt und eindeutig bestimmt. Nach der andern Anschauung erfolgen zwar gewisse, beispielsweise die anorganischen Geschehnisse nach solchen »ewigen, ehernen, großen Gesetzen«. Es gibt aber außerdem, etwa im Willen der Gottheit oder im Geiste der Menschen Faktoren, welche von diesen Gesetzen nicht abhängig sind. Durch solche Faktoren können die übrigen Naturgeschehnisse derart beeinflußt werden, daß sie dem Willen des Menschen gemäß geschehen. Die Frage, welche von diesen beiden Anschauungen richtig ist, hat die Philosophen von jeher beschäftigt und noch gegenwärtig teilen sie sich in zwei große Lager, die Deterministen und die Indeterministen.

Wir wollen das ganze Problem hier noch nicht eingehend behandeln und nur auf den Gesichtspunkt hinweisen, daß unter allen Umständen ein großer Teil aller gegenwärtigen Geschehnisse von uns nicht unter der Gesetzesbeziehung, unter der sie etwa stehen, erkannt und begriffen werden kann. Denn von den Naturgesetzen, welche in der gesamten Welt unseres Geschehens herrschen, kennen wir nur einen sehr kleinen Teil und wir können daher nicht eindeutig entscheiden, ob jener Teil der Geschehnisse, der nicht unter die uns bekannten Naturgesetze fällt, tatsächlich ebenso gesetzlich ist, wie der uns bekannte, oder ob es dort ein Gebiet der vollkommenen Willkür gibt, wie es die Indeterministen annehmen wollen.

Aber wir müssen doch sagen, die Voraussetzung der Wissenschaft ist, daß alle Gebiete, die wir noch nicht als naturgesetzlich bedingt erkannt haben, in dieser Eigenschaft später erkannt sein werden, daß das Gebiet des von uns als naturgesetzlich Erforschten und Kontrollierten unaufhörlich zunimmt. In demselben Maße nimmt das Gebiet des Indeterminierten ab. Es ist deshalb eine durchaus berechtigte Extrapolation aus dem vorhandenen Wissen, daß wir annehmen, es sei generell wahrscheinlich, daß sich sämtliche Gebiete des Geschehens als naturgesetzlich geregelt erweisen werden. Sicherlich dürfen wir nicht behaupten, daß es wirklich so ist, wohl aber dürfen wir behaupten, daß das in dem Maße wahrscheinlicher wird, als es uns gelingt, die Herrschaft der Wissenschaft weiter zu erstrecken. Nun lehrt uns ja die tägliche Erfahrung, daß diese Herrschaft wirklich immer weiter und weiter geht, daß jeder Tag uns neue Gebiete erkennen läßt, in welchen die bisherige scheinbare Willkür durch eine Naturgesetzlichkeit ersetzt wird, und daß somit die Ansicht der Deterministen, daß jedes beliebige Geschehen tatsächlich bestimmt ist durch die Umstände, die vorangegangen waren, daß das sogenannte Kausalgesetz allgemein und unbedingt herrscht, als die wahrscheinlichere anzunehmen ist. Jedenfalls ist diese Ansicht die praktische Unterlage unseres Verhaltens. Wir hätten ja durchaus keinen Anlaß, irgend etwas zu tun oder zu lassen, wenn wir nicht annähmen, daß dieses Tun oder Lassen bestimmte und von uns gewünschte und vorausgesehene Folgen haben wird.

Der gegenwärtige Bestand unseres Wissens geht nun dahin, daß wir den allgemeinen Verlauf einzelner Kausalketten oder Kausalreihen, d. h. der einzelnen zusammengehörigen Reihen des Geschehens im großen und ganzen vielfach erkennen können. Ich erinnere an das allgemeine Gesetz von der Zerstreuung der Energie, welches wir bei einer früheren Gelegenheit kennen gelernt und in seinen Hauptzügen gekennzeichnet haben. Nach diesem Gesetz besteht alles Geschehen ohne jede Ausnahme darin, daß die freie Energie irgendeines abgeschlossenen Gebildes abnimmt. Ein anderes Geschehen ist überhaupt nie beobachtet worden und wir betrachten es deshalb mit gutem Grunde als unmöglich.

Also in bezug auf diesen Ablauf aller Geschehnisse im Sinne einer beständigen Zunahme der Energiezerstreuung ist gar nichts mehr zu sagen und zu wollen. In dieser Beziehung ist alles so unbedingt determiniert, daß wir bisher keinen einzigen Fall kennen gelernt haben, der außerhalb dieses Gesetzes stände. Dagegen das Gebiet, wo uns Gesetze so gut wie gar nicht oder nur im engen Umfange bekannt sind, ist das des zeitlichen Ablaufes derartiger allgemeiner Zerstreuungsvorgänge und ferner das Gebiet der Kreuzung solcher einzelner Reihen, wo sich verschiedene Vorgangsreihen in einer bestimmten Zeit in einem und demselben Raumteil, d. h. in einem und demselben Objekt betätigen und an diesem Objekt eine gemeinsame Wirkung hervorbringen.

So wird zum Beispiel durch die Kondensation des Wasserdampfes in der Luft eine elektrische Spannung hervorgerufen. Diese Spannung muß unbedingt und unter allen Umständen sich zuletzt ausgleichen. Das ist die Zerstreuung der freien Energie, die durch das Vorhandensein dieser Spannung gegeben ist, und es kann niemals ein Vorgang geschehen, welcher diesen Ausgleich auf die Dauer verhindert. Aber die Frage, mit welcher Geschwindigkeit er sich vollzieht, hängt von zahlreichen Umständen ab, welche nebeneinander tätig sein können und welche je nachdem entweder einen zerstörenden Blitzschlag oder eine unmerkliches langsames Verschwinden der vorhandenen Spannung bedingen. In beiden Fällen handelt es sich um einen Ausgleich der Spannung. Im ersten Fall ist er aber in einem kleinen Bruchteil einer Sekunde zusammengedrängt, während er im zweiten Falle sich über eine längere Zeit erstreckt; und von uns Menschen, die wir ja im Ablauf unseres eigenen Lebens ein bestimmtes Zeitmaß besitzen, werden dadurch diese beiden Erscheinungen als außerordentlich verschieden empfunden.

Ebenso wie zeitliche Verschiedenheiten eine anscheinend grundsätzliche Verschiedenheit des Vorganges bewirken, können räumliche Verschiedenheiten ähnliche Folgen haben. Wir erinnern uns alle des Gleichnisses vom Sämann, der die Saat ausstreute, sodaß etliches unter die Steine, anderes auf den Weg, etliches zwischen die Dornen und anderes auf gutes Erdreich fiel. Hier wird anschaulich geschildert, wie je nach räumlichen Verschiedenheiten die Folgen für die Samenkörner durchaus verschieden waren. Sie vertrockneten oder wurden von den Vögeln fortgeholt oder die jungen Pflänzchen wurden durch das wuchernde Gestrüpp erstickt oder endlich konnten sie sich frei entwickeln. Auch hier handelt es sich um eine und dieselbe Zerstreuung der chemischen Energie im Samenkorn. Aber durch die eben geschilderten, räumlichen Verschiedenheiten sind die anderen Verschiedenheiten bedingt, welche zu den eben beschriebenen durchaus verschiedenartigen Folgen führen.

Alle diese Beziehungen sind uns in ihrer Gesetzmäßigkeit noch so gut wie gar nicht bekannt, ja es liegen kaum Versuche vor, hier Gesetzmäßigkeiten ausfindig zu machen und auszusprechen. Hier haben wir also das Gebiet, welches von uns auf Grund unserer gegenwärtigen Kenntnisse noch als indeterminiert, als das Feld unserer freien willensgemäßen Betätigung empfunden wird.

Nun erkennen wir, daß die Organismen die besondere Eigenschaft haben, derartige Kausalreihen der Energiezerstreuung in solcher Form zueinander in Beziehung zu setzen, daß bestimmte Ergebnisse dabei erreicht werden. Wenn die Pflanze beispielsweise die Energie der Sonnenstrahlen in chemische Energie verwandelt, um mit Hülfe dieser chemischen Energie später ihre Funktionen auszuführen, so handelt es sich hier ebenso um einen dissipativen Vorgang, wie wenn die Sonnenstrahlen einfach auf einen Stein fallen, ihn erwärmen und die so erzeugte Wärme dann sich in der Umgebung zerstreut. Aber im ersten Falle wird der Ablauf der Energiezerstreuung nach ganz bestimmter Richtung gelenkt, welche für das Leben der Pflanze notwendig ist, und dies Leben wird dadurch erhalten, daß der frei dahinrauschende Energiestrom zu einem ganz kleinen Teile abgelenkt und in ein besonderes Bett geleitet wird, während im zweiten Falle keine bleibende Aenderung geleistet wird. Ebenso verhält es sich mit dem Tier. Ob das Gras der Wiese von einem Tier als Nahrung aufgenommen wird oder nicht, es verfällt sicherlich früher oder später dem allgemeinen chemischen Zerstreuungsvorgang, indem Kohlenstoff und Wasserstoff durch den Luftsauerstoff oxydiert werden und sich in Kohlendioxyd und Wasser verwandeln. Genau dieselben Produkte werden in letzter Instanz im Innern des Tieres erzeugt, wie beim Verwittern an der Luft, und so ist es von diesem allgemeinen Gesichtspunkte aus ganz dasselbe, welchen von den beiden Wegen der Oxdydationsvorgang einschlägt. Für das Tier dagegen ist der Unterschied fundamental. Im ersten Fall geht der Zerstreuungsprozeß ungeregelt und ungenützt vor sich, im zweiten Falle ist er auf den tierischen Körper konzentriert und wird dort für die eigenen Zwecke des Tieres verwendet. Aehnliche Beispiele wird jeder, der den physikalisch-chemischen und biologischen Verlauf des Weltgeschehens einigermaßen kennt, in beliebiger Anzahl zu finden wissen.

Dies ist nun der Punkt, wo der Mensch kräftiger als alle anderen Lebewesen in den Gang des Geschehens eingreift, indem er die verschiedenen Kausalketten oder Reihen der Energiezerstreuung so miteinander in Beziehung bringt und aufeinander einwirken läßt, daß die freie Energie sich nicht unbeherrscht und ungeregelt in der Welt verliert, sondern daß ein Teil dieses an sich unaufhaltsamen Stromes für menschliche Zwecke abgelenkt wird.

Unsere allgemeine Aufgabe läßt sich demgemäß dahin aussprechen, daß der Mensch von diesem Strome der freien Energie möglichst große Mengen unter seine Gewalt bringt, daß er sie in solcher Weise zu lenken und zu verbinden sucht, daß ein möglichst großer Teil davon seinen Zwecken gemäß sich betätigt. Wenn ich beispielsweise an meine eigene schriftstellerische Tätigkeit denke, der ich mich seit bald dreißig Jahren hingegeben habe, so habe ich in der ersten Zeit meine Arbeiten mit Tinte und Feder auf Papier geschrieben, und habe neben der geistigen Arbeit, die ich dabei leistete, noch die körperliche des Schreibens leisten müssen. Als dann die Notwendigkeit der energetischen Sparsamkeit an mich herantrat, habe ich die Feder durch die Schreibmaschine ersetzt und dadurch eine zwei- bis dreifach größere Leistung erzielt. In neuster Zeit endlich bin ich zu dem Diktierapparat, dem Phonographen, übergegangen, welcher eine weitere mehrfache Steigerung meiner Leistungsfähigkeit mit sich gebracht hat. Heißt das nun nicht, daß ich mein Leben um soviel verlängert habe? Wäre ich bei der alten Einrichtung mit Papier und Feder geblieben, so hätte ich unverhältnismäßig viel weniger von den Gedanken, die sich in meinem Gehirn gebildet haben, bis zur Druckreife befördern können. Denn da die Menge Energie, die ein Mensch zur Verfügung hat, begrenzt ist, so kann er sie nur in verschiedener Weise verteilen, nicht aber beliebig vervielfältigen. Je mehr Energie ich also für die mechanische Herstellung meines Manuskriptes habe hergeben müssen, um so weniger ist für die geistige Arbeit, die eigentliche Produktion übrig geblieben. Wenn ich jetzt im Laufe einer Stunde das diktieren kann, wofür ich sonst einen ganzen Tag brauchte, es niederzuschreiben, so habe ich in einem ganz enormen Maße mein Leben verlängert. Es ist also ein Stein der Weisen hier allerdings gefunden worden und dieser Stein der Weisen ist der Fortschritt der Technik.

Wir können uns noch an sehr viel andern Stellen überzeugen, wie durch den Fortschritt der Technik, der ja seinerseits wiederum auf der Entwicklung der Wissenschaft beruht, unser Leben außerordentlich verlängert worden ist. Der Inhalt einer Stunde unserer Lebensbetätigung ist unvergleichlich viel reicher geworden, als er früher war. Wenn früher jemand zu kaufmännischen, wissenschaftlichen oder sonstigen Zwecken nach Amerika reisen wollte, so bedurfte er dazu vieler Wochen. Gegenwärtig wird die Reise in sechs Tagen erledigt und die zweckmäßige Arbeit drüben kann nach Verlauf dieser kurzen Zeit beginnen. Wiederum wird dadurch eine erhebliche Verlängerung des Lebens für den einzelnen bewirkt. Und so gibt es zahllose weitere Beispiele derselben Art.

Ähnlich ist auch das andere Problem des Steins der Weisen gelöst, die Umwandlung von wohlfeilem oder wertlosem Material in edles und wertvolles. Die ganze Entwicklung der chemischen Technik ist nichts als eine Illustration der erfolgreichen Lösung dieses allgemeinen Problems in einzelnen Fällen. Allerdings ist es nicht auf die sprungweise Art zu lösen gewesen, wie die Alchimisten mit ihrer ungenügenden wissenschaftlichen Kenntnis es versuchten, wohl aber stufenweise. Wohlbekannt ist, wie der früher gänzlich wertlose Steinkohlenteer gegenwärtig einen Stoff darstellt, aus welchem Tausende von verschiedenen, überaus wertvollen Stoffen, Farbstoffe, Medikamente, Duftstoffe hergestellt werden. Ebenso ist das früher fast wertlos gewesene phosphorhaltige Eisenerz gegenwärtig dadurch sehr wertvoll geworden, daß man gelernt hat, den Phosphor vom Eisen zu scheiden und ihn in der Gestalt von Thomasschlacke als mineralisches Düngemittel auf die Felder zu bringen. Man könnte die ganze chemische Technologie hier anführen, um zu zeigen, wie hier überall das allgemeine Problem des Steins der Weisen: die Wertsteigerung des rohen und wertlosen Materials durch die wissenschaftlich-technische Chemie gelöst worden ist. Aber die wenigen Beispiele werden schon genügen, um den ganz allgemeinen Charakter dieses Fortschrittes zu kennzeichnen. Also, wir erkennen, daß jene scheinbar zwecklosen Bemühungen der mittelalterlichen Forscher nicht nur die vorher geschilderten wissenschaftlichen Erfolge begründet haben, indem die negativen Resultate in die zugehörige Form übersetzt worden sind, sondern daß auch die allgemeine Tendenz jener Arbeit eine durchaus richtige war, weil sie eben ein Ausdruck des allgemeinen menschlichen Strebens gewesen ist und daß nur die Mittel der Verwirklichung zunächst ungeeignet und ungeschickt gewesen sind, so daß sie nicht zu bestimmten Erfolgen geführt haben.

Fassen wir diese Gesamttendenz in einen möglichst allgemeinen Ausdruck zusammen, so kommen wir auf die Aufgabe zurück, welche schon wiederholt an einzelnen Fällen aufgezeigt worden ist, auf die Aufgabe nämlich, von dem Strom der freien Energie, der sich ohne unser Zutun seitens der Sonne auf die Erde ergießt, einen möglichst großen Anteil unter unsere Herrschaft zu bringen und in unserem Sinne zu lenken. Die freie Energie ist nicht aufbewahrbar, da sie stets dem Gesetz der Zerstreuung unterliegt und niemals so isoliert werden kann, daß sie sich nicht irgendwie zerstreute. Es ist deshalb nötig, daß der Mensch frisch und geschwind zugreift, um aus diesem Strome jeweils so viel und so zweckmäßig wie möglich zu schöpfen. Die Summe dieser Tätigkeit läßt sich in den Spruch zusammenfassen, den ich als den energetischen Imperativ, als den wahren Stein der Weisen, die Leitlinie alles unseres Handelns und Lassens immer wieder betonen muß, in den Spruch:

Vergeude keine Energie; verwerte sie.


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