Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Die Wichtigkeit des allgemeinen Gedankens, der im energetischen Imperativ: Vergeude keine Energie! zum Ausdruck kommt, ist so groß, und seine Anwendungen sind so mannigfaltig und gleichzeitig so tiefgreifend und aufklärend, daß es eine Notwendigkeit für eine jede wissenschaftliche, d. h. verständige Lebensführung ist, sich wenigstens in den Hauptzügen diesen Gedanken geläufig zu machen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß es wirklich nicht viel Probleme des persönlichen wie des öffentlichen Lebens gibt, die nicht durch jenen Imperativ in ihrer Lösung um sehr erhebliche Stücke gefördert würden. Und überall dort, wo der energetische Imperativ nicht unmittelbar Auskunft zu geben vermag, ist die Ursache hierfür die, daß wir die Bedingungen der vorliegenden Erscheinung noch nicht genau genug kennen, um zu einem Urteil zu gelangen. Hier aber bewährt unser Imperativ seine schöpferische Kraft von neuem, indem er uns zeigt, an welcher Stelle wir unsere Kenntnis zu vermehren oder zu vertiefen haben, um die gesuchte Antwort zu erhalten.
Aus dem Religionsunterricht wird vielen von uns die geheimnisvolle Lehre von der Sünde wider den heiligen Geist in der Erinnerung sein, die uns dadurch Schrecken einflößte, daß diese Sünde als die einzige hervorgehoben wurde, die nie vergeben werden kann, während die Vergebungsmöglichkeit aller anderen Sünden zugegeben wird. Dieser Schrecken wurde, wie meine Knabenerinnerungen es mir noch lebendig vergegenwärtigen, dadurch noch weiter gesteigert, daß die Beschaffenheit dieser unverzeihlichen Sünde uns höchst geheimnisvoll geschildert wurde. Lessing hat in seinem Nathan dem biederen Klosterbruder das befreiende Wort in den Mund gelegt, daß wir glücklicherweise so genau nicht wissen, worin diese Sünde eigentlich besteht. Wir können daher mit der Ruhe der Ahnungslosigkeit an diesen Klippen vorbeifahren, soweit uns nicht etwa grüblerische Selbstquälerei in ihren Bann geschlagen hat.
Die Naturwissenschaften gewähren uns nun eine eigentümliche Aufklärung über diesen Gedanken von etwas Unverzeihlichem, weil niemals wieder gut zu Machendem. Wir wissen, daß bei jeder Umformung der Energie ein Teil sich »zerstreut«, d. h. der gewollten Umformung entzieht. Gehen wir in Gedanken von einer gegebenen bestimmten Energiemenge aus und verfolgen diese durch eine Reihe von solchen Umformungen, so muß der Anteil, welcher zu fernerem Geschehen frei bleibt, immer kleiner werden, weil jedesmal etwas von dem ursprünglichen Kapitale zerstreut und daher weiterer Wirkung entzogen wird. Das Ende wird jedesmal sein müssen, daß schließlich keine zur Umformung fähige oder bereite Energie mehr vorhanden sein wird, weil sich alle während der stattgehabten Umwandlungen und durch diese zerstreut hat. Somit strebt alle Bewegung, dieses Wort im allerweitesten Sinne genommen, schließlich der Ruhe zu, und hat ein von äußeren Beeinflussungen abgeschlossenes Gebiet einmal einen solchen Ruhezustand erreicht, so hat es alle und jede Möglichkeit verloren, aus eigener Kraft jemals sich wieder in Bewegung zu setzen; es bleibt für alle Zukunft in Ruhe.
Nun ist ja tatsächlich ein solcher Fall nur als idealer Grenzfall denkbar, da es keine Möglichkeit gibt, irgendein Raumgebiet energiedicht gegen seine Umgebung abzuschließen. Aber ebenso wie die idealen Maschinen, obwohl sie nicht existieren, uns entscheidende Aufklärung über das Verhalten der Dinge überhaupt gegeben haben, so hat auch dieser ideale Grenzfall die gleiche vereinfachende und dadurch aufklärende Wirkung. Wir können das Gesagte dahin zusammenfassen, daß die Energie (zunächst die endliche Energiemenge in dem betrachteten Gebilde) in zwei verschiedenen Formen vorkommt, welche wir ein für allemal mit Namen versehen wollen, um die entsprechenden Begriffe festzuhalten. Der eine Teil der Energie ist fähig, Umwandlungen zu erfahren oder zu bewirken; er ist frei, Arbeit zu leisten und heißt daher freie Energie. Der andere hat diese Fähigkeit nicht mehr, er ist zerstreut, ebenso wie etwa eine kleine Wassermenge, die auf einen Sandhaufen gegossen worden ist, sich zwischen den Sandkörnchen zerstreut und nicht mehr als flüssiges, trinkbares Wasser erscheint, obwohl wir ja wissen, daß die Menge des Wassers hierbei nicht die geringste Veränderung erfahren hat. Wir können sagen, daß das Wasser von den Sandkörnchen gebunden worden ist und es daher gebundenes Wasser nennen. So hat sich der Sprachgebrauch ausgebildet, jene zerstreute Energie gebundene im Gegensatz zur freien zu nennen. Die Summe beider ist die gesamte Energie.
Hiernach können wir sagen: für jede gegebene Energiemenge gilt das allgemeine Naturgesetz, daß sie aus zwei Teilen besteht, der freien und der gebundenen. Bei jedem Vorgange (ein Vorgang ist immer eine Umwandlung von Energie) vermindert sich der freie Anteil und vermehrt sich der zerstreute oder gebundene, bis schließlich alle vorhandene Energie gebunden und alle freie verschwunden ist. Dies gilt für eine jede, zur Betrachtung herausgegriffene Energiemenge, somit auch für die Gesamtheit aller Energien, von denen wir Kunde erhalten, also für die Energie der ganzen Welt. Niemals ist es auf Erden möglich gewesen, diesen Vorgang derart umzukehren, daß sich die freie Energie auf Kosten der gebundenen vermehrt hätte; das gleiche Gesetz der Zerstreuung der Energie oder der beständigen Verminderung der freien Energie herrscht über alles uns bekannte Geschehen.
Hierdurch erweist sich als die Summe aller menschlichen Möglichkeiten die, daß wir diesen unaufhaltsamen Strom der freien Energie (den wir hauptsächlich von der Sonne erhalten), der sich in das Meer der Zerstreuung ergießt, teilweise abfangen und in das Bett der menschlichen Bedürfnisse lenken. Nie können wir ihre Menge vermehren, wohl aber können wir durch Unverstand oder Ungeschick den Anteil, der für menschliche Zwecke eingesammelt werden kann, verderben oder vergeuden, indem wir seine Zerstreuung fördern statt vermindern. So ist ein jeder von uns zum Mitverwalter jenes einzigen Arbeitskapitals, jenes täglichen Brotes unserer gesamten Lebensmöglichkeit berufen und sein Wert für den Gesamtberuf der Menschheit entscheidet sich nach dem Anteil der freien Energie, den er aus dem allgemeinen Strome entnehmen und der Menschheit nutzbar machen kann. Wenn er aber die seiner Verfügung unterworfene freie Energie, statt sie im Sinne der Menschheit und Menschlichkeit zu verwenden, durch Mißbrauch oder auch Nachlässigkeit der Zerstreuung verfallen läßt, so macht er sich eines Raubes an dem allgemeinen Gute der Menschheit schuldig, der niemals wieder gut gemacht werden kann, weil niemals eine zerstreute Energie wieder in freie übergeführt werden kann.
Hier haben wir also tatsächlich eine Handlung, welche jenen Charakter der Unverzeihlichkeit weil Unwiderruflichkeit hat, den man der »Sünde wider den heiligen Geist« zuschreibt. Es ist die Sünde wider den energetischen Imperativ. Aber im Gegensatz zum unheimlichen Dunkel jener alten Theologie stehen die Tatsachen der unaufhörlichen und weitgehenden Verletzung des Gebotes beständig vor unseren Augen, sobald wir nur einmal gelernt haben, die Geschehnisse im Lichte des energetischen Imperativs zu betrachten.
Hier aber bewährt sich alsbald die viel größere »Menschlichkeit« der Naturgesetze gegenüber den Gesetzen, welche menschliche Gesetzgeber, seien es Priester oder Regenten, der leidenden Menschheit auferlegt haben. Während diese Gesetze dem einzelnen von außen gegenübertreten, und von ihm Gehorsam durch Strafen erzwingen, deren Härte sich gerade im ersten Falle oft bis zu unmenschlichster Grausamkeit gesteigert hat, erfüllen die Naturgesetze das Ideal einer weisen und humanen Gesetzgebung. Sie stellen allerdings ihre Verletzung gewissermaßen unter Strafe, denn das Leben eines jeden gestaltet sich um so schwieriger und unerfreulicher, je mehr es von den Naturgesetzen der Lebenserscheinungen abweicht. Aber die Naturgesetze sind dem einzelnen nicht von außen auferlegt, sondern sie bilden einen Teil, und zwar einen wesentlichen Teil seiner ganzen Existenz, seines innersten Wesens. Der Mensch braucht also nur sich selbst und seine Beschaffenheit richtig zu erkennen, um nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Erwünschtheit, nach den Naturgesetzen zu handeln, alsbald an sich zu empfinden. Es ist schon wiederholt betont worden, daß den Naturgesetzen nichts daran liegt, ob und wieweit sie beachtet und befolgt werden; es liegt nur dem Menschen daran, die Naturgesetze zu erkennen, damit er sie befolgen kann, da nur dadurch ein sicheres und glückliches Leben gewonnen wird. Es ist ein Naturgesetz, daß die gerade Linie der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist, und daß ich daher, wenn ich mit meinem Freunde sprechen will, den ich in der Ferne erblicke, meine Schritte in die gradlinige Richtung zu ihm lenken werde. Ich habe nicht den geringsten Grund, mich darüber zu beschweren, daß ich durchaus den geraden Weg wählen muß, um mein Ziel zu erreichen, denn wenn die Kreislinie die kürzeste wäre, würde ich mich ebenso gerne in der Kreisbahn bewegen. Wohl aber habe ich Grund, damit zufrieden zu sein, daß ich dieses Gesetz kennen und seit meiner Kindheit praktisch anzuwenden gelernt habe, denn diese Kenntnis sichert mir die Erreichung meines Zieles auf dem kürzesten Wege und gewährt mir somit die Möglichkeit, dem energetischen Imperativ gemäß zu leben und zu handeln, d. h. bei der Aufsuchung meines Freundes keine Energie durch unzweckmäßige Wege zu vergeuden.
Und um von diesem alltäglichen Beispiel auf ein anderes überzugehen, das tiefer als irgendein anderer Vorgang in die allgemeine Gestaltung meines persönlichen Lebens eingegriffen hat, bitte ich um die Erlaubnis, eine gewisse Epoche meiner inneren Entwicklung als besonders eindringliches Beispiel schildern zu dürfen. Ich bin sicher, daß viele meiner Leser über ähnliche Beispiele im positiven oder negativen Sinne verfügen; da sie mir aber nicht bekannt sind, während jenes sich mir unvergeßlich eingeprägt hat, so bin ich darauf angewiesen, gerade diesen Fall zu erörtern.
Als ich meine erste wissenschaftliche Arbeit mit selbständiger Begriffsbildung durchführte, befand ich mich in besonders gehobener Stimmung, weil in jene Zeit gerade meine Verlobung mit einem geliebten Mädchen gefallen war. Ich hatte den experimentellen Teil der Arbeit im wesentlichen durchgeführt, war aber bezüglich der Ausschöpfung der allgemeinen Ergebnisse jener Versuche in eine große gedankliche Schwierigkeit geraten, die in die Frage auslief, wie weit die Konsequenzen der von mir gefundenen Tatsachen reichten. Die Tatsachen waren an sich interessant genug, um mir eine wohlwollende Aufnahme meiner Arbeit zu sichern; mein wissenschaftlicher Ehrgeiz aber ging viel weiter, denn ich ahnte in diesen Ergebnissen die ausreichenden Ursachen sehr viel weiter reichender Konsequenzen, als die bloße Feststellung meiner unmittelbaren Versuchsergebnisse enthielten. Ich sah mit anderen Worten ein umfassendes Naturgesetz vor mir, ohne doch es nach Form und Inhalt klar erkennen zu können.
In einer solchen Sachlage befindet sich der wissenschaftliche Forscher (und wohl auch der schöpferische Gestalter im praktischen Leben) sehr oft. Man sieht ein großes Ziel vor sich, kann aber davon zunächst nicht mehr erkennen, als daß es vorhanden ist; Gestalt und Umfang dagegen entziehen sich durchaus noch dem Blick. Dann kann man auf zweierlei Weise verfahren. Entweder man dringt mit aller Gewalt zu jenen nebelhaften Gebieten vor und erzwingt durch eine heroische Anstrengung den klaren Anblick. Oder man bedenkt, daß der spätere Weg uns jedenfalls in die Nähe jener Fernen führen wird, und daß dann die Erkenntnis ohne große Mühe sich ergeben wird, die wir zurzeit nur unter ungewöhnlicher Anstrengung erreichen könnten. Man muß nur seine innere Aufmerksamkeit so einstellen, daß man die Erkenntnis auch beachtet und sich zum Bewußtsein bringt, wenn man später einmal in die Nähe kommt. Man beschließt also zu warten.
Damals habe ich, entsprechend der heroischen Stimmung eines solchen Lebensabschnittes, das Ergebnis erzwungen. Es war richtig und auch folgenreich; aber ich habe später niemals wieder ähnlich gehandelt, so stark spürte ich selbst damals zu einer Zeit überschüssiger Energie die Anstrengung einer solchen Art der Arbeit. Vielmehr habe ich den Entschluß gefaßt und durchgeführt, für solche Dinge, die an den äußersten Grenzen der Leistungsfähigkeit liegen, gemäß dem zweiten Verfahren ruhig die gute Stunde abzuwarten, in der sie als reife Früchte von selbst herabfallen und den Empfänger beglücken. Inzwischen braucht man ja nicht müßig zu gehen, denn es gibt ja immer allerlei Gutes und Nützliches zu tun, was nicht gerade ersten Ranges ist, aber doch auch getan sein will. Wenn man mir gelegentlich Verwunderung über den Umfang meiner Arbeiten ausgesprochen hat, so habe ich immer in der Antwort darauf verwiesen, wie ich durch jene erfahrungsmäßige Einprägung des energetischen Imperativs (lange bevor dieser Gedanke als solcher auch nur am Horizonte meines Bewußtseins erschienen war) darauf geführt worden bin, schwierige Arbeit immer nur dann zu tun, wenn ich mich ganz und gar dazu aufgelegt fühlte. Dann nämlich kann man die Gesamtheit seiner Energie auf die Ueberwindung jener Schwierigkeit richten und braucht keinen Anteil davon zur Ueberwindung gefühlsmäßiger innerer Widerstände zu vergeuden, d. h. man arbeitet ganz und gar gemäß dem energetischen Imperativ.
In solcher Weise alle Arbeit einzurichten, ist das praktisch-soziale Ideal, dem wir mit klarem Bewußtsein zustreben müssen. Je freudiger ein jeder von uns seine persönliche Arbeit tut, um so größer wird das Güteverhältnis dabei sein, da um so weniger davon für den moralischen Aufwand des Selbstzwanges in Anspruch genommen wird. Nun kann die Arbeitsfreude dauernd und aufrichtig nur aus innerer Billigung des Arbeitsinhaltes hervorgehen, wenn auch ein gewisser Anteil davon auf anderem Wege, insbesondere durch Gedankenverbindung (Ideenassoziation) beschafft werden kann. Diese kann uns zur einmaligen oder vereinzelten Ueberwindung vorhandener Widerstände führen, ohne daß hierfür ein besonders großer Aufwand erforderlich ist; ein dauerndes Arbeitsglück beruht aber doch nur auf sachlicher Anteilnahme am Inhalte oder am Ergebnis der Arbeit.
So erkennen wir, daß das von den praktischen Moralisten aller Zeiten mehr oder weniger bestimmt ausgesprochene Ziel der menschlichen Einrichtungen, ein möglichst großes Glück für möglichst viele Menschen zu beschaffen, durch den energetischen Imperativ in eine überaus scharfe und tiefreichende Beleuchtung nach der Seite der Verwirklichungsmöglichkeit erfährt. Wenn man nämlich jene moralische Forderung an sich, ohne weiteren Zusammenhang hinstellt, so entsteht die doppelte Frage, wieso man zu diesem Ideal kommt, und durch welche Mittel man es verwirklichen will. Der energetische Imperativ lehrt uns einerseits, daß der Zustand eines möglichst hohen allgemeinen Glückes identisch ist mit dem Zustande, in welchem der energetische Imperativ bezüglich der Betätigung jedes einzelnen am vollkommensten erfüllt ist, denn wenn man keine Energie zu vergeuden, d. h. nicht gewollten Zwecken zuzuführen braucht, sondern alle oder den allergrößten Teil durchaus willensgemäß betätigen kann, so ist man wunschlos glücklich. Das Ideal des größten Glückes der größten Menge ist also übereinstimmend mit der Lebensnotwendigkeit einer tunlichst vollkommenen Erfüllung des energetischen Imperativs, und dieser ist wieder der allgemeinste und umfassendste Ausdruck für die Gesetzlichkeit des Naturgeschehens, wie sie überall den Verlauf unseres Erdenlebens bestimmt. Und auch über die Mittel zur Verwirklichung des Ideals gibt der energetische Imperativ ebenso bestimmte Auskunft, denn er sagt, daß wir aus unserem Leben und dem unserer Mitmenschen allen Zwang, alle Willenswidrigkeiten soweit entfernen müssen, als sich nur irgend mit dem Problem des Zusammenlebens der Menschen vertragen will. Und gleichzeitig erkennen wir, daß dies um so mehr möglich sein wird, je mehr sich der einzelne Mensch mit dem Solidaritätsgefühl der Menschheit, mit der Empfindung dafür, daß keiner von uns ohne seine Mitmenschen leben kann, und daß daher ihr Wohlsein die Bedingung des unsrigen ist, durchdrungen haben wird. So erkennen wir mit unwiderstehlicher Deutlichkeit im energetischen Imperativ die Quelle aller Ethik nach Ursache, wie nach Inhalt.
Es ist noch ein Wort über den Ausdruck Imperativ zu sagen. Er ist in bewußter Anlehnung an den berühmten kategorischen Imperativ Kants gebraucht worden, der entsprechend dem Denken seiner, wie aller früheren Zeit es für selbstverständlich hielt, daß alle Normen, d. h. alle Richtlinien, nach denen irgend ein Verhalten bestimmt werden soll, die Gestalt eines Befehls seitens einer höheren Gewalt annehmen müßten. Auch in diese Auffassung hat der Monismus oder die wissenschaftliche Weltanschauung eine grundsätzliche Änderung gebracht. Wir haben bereits bei früherer Gelegenheit den großen Unterschied eines Naturgesetzes gegenüber einem Gesetz im gewöhnlichen Sinne kennen gelernt. Hier tritt er uns noch einmal mit aller Deutlichkeit entgegen. Die Befolgung eines Naturgesetzes braucht nicht erzwungen zu werden, denn sobald man es erkannt hat, verhält man sich auch ihm gemäß. Wenigstens tut dies der wahre Monist und Naturphilosoph. Ihm sind die Naturgesetze und mit ihnen in erster Linie der energetische Imperativ nicht Zwangsregel oder Gebote, sondern Weisungen, freundliche Hilfsmittel, die ihm das Leben erleichtern und nicht erschweren, deren Befolgung sein Glück und nicht sein Unglück ist. Sie allein haben die Eigenschaft, daß der Wille des Gesetzes nichts anderes sein kann, als der eigene Wille, denn der Mensch ist ja durchaus und überall ein Ergebnis ebenderselben Naturgesetze, die er erkennt und die mit seinem Wesen überhaupt nicht in Widerspruch geraten können. So fühlt er den eigenen Willen als einen Teil des Allwillens; dieser aber ist ihm keine mystische Persönlichkeit oder Pseudopersönlichkeit hinter der »Natur«, sondern der vermenschlichte Ausdruck jenes allgemeinen Gesetzes, welches alle Umwandlungen der Energie regelt, des energetischen Imperativs.