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Als der Alte in jener Nacht in der mittleren Wache aus der Luke, in der er angelehnt dastand, gewohnheitsgemäß in gewissen Zwischenräumen hervortrat und nach seinem Standort an Deck ging, fuhr er plötzlich mit dem Gesicht erregt auf. Und er schnüffelte in der Seeluft herum, wie ein Hund mit seiner Spürnase, als er in die Nähe einer Barbareninsel kam. Er erklärte, daß ein Wal in der Nähe sein müßte. Bald spürte die ganze Wache den eigentümlichen Geruch, der manchmal in einer großen Entfernung von dem lebendigen Pottwal ausgeht. Kein Matrose war daher überrascht, als Ahab, nachdem er die Kompaßnadel aufmerksam betrachtet und sich überzeugt hatte, daß der Geruch aus unmittelbarer Nähe kommen müßte, sofort befahl, daß der Kurs des Schiffes ein wenig geändert und die Segel eingezogen werden sollten.
Bei Tagesanbruch bekam diese scharfe Weisung, die diese Bewegungen anordnete, durch den Anblick einer langen Glätte auf der See, ihre Erklärung. Man sah sie unmittelbar in der ganzen Länge vorn vom Schiff. Sie war glatt wie Öl und glich mit den gefalteten Wasserrunzeln, die ihre Grenzen bildeten, dem metallischglänzenden Zeichen eines mit aller Plötzlichkeit erfolgenden Gezeitenrisses, der dicht vor einer tiefen, reißenden Strömung erfolgt.
»Die Mastspitzen bemannen! Alle Mann rufen!«
Daggoo trommelte mit drei knüppelartigen Handspeichen am Deck der Vorderkajüte und weckte die Schlafenden mit den Schlägen des Jüngsten Gerichts, daß es schien, als ob sie aus der Luke wie ausgeatmete Luft hervorgestoßen wurden. So plötzlich waren sie erschienen, und sie hatten die Kleider noch in den Händen.
»Was seht Ihr denn?« schrie Ahab und glättete seine Stirn angesichts des Himmels.
»Nichts, nichts, Kapitän!« rief er ihm als Antwort zu.
»Die Stunsegel hoch! Oben und unten und an beiden Seiten!«
Als alle Segel gesetzt waren, warf er die Rettungsleine aus, die dafür bestimmt war, um ihn oben an die Oberbramstange zu befördern, und in wenigen Augenblicken wurde er hinaufgezogen. Als nur zwei Drittel des Weges nach oben zurückgelegt waren und Ahab von oben her auf eine freie Stelle am Horizont zwischen dem Hauptmarssegel und dem oberen Segel hindurchschaute, schrie er wie eine Möve in der Luft: »Dort bläst sie! dort bläst sie! Ein Höcker, wie ein Schneeberg, es ist Moby-Dick!«
Von dem Ruf angefeuert, der gleichzeitig von den drei Ausgucksposten aufgenommen wurde, stürmten die Leute an Deck und nach dem Takelwerk, um den berühmten Wal von Angesicht zu sehen, den sie solange verfolgt hatten. Ahab war nun oben an seinem Sitz angekommen und befand sich einige Fuß über den anderen Ausgucksposten. Tashtego stand gerade unter ihm auf der höchsten Spitze des Obermastes, so daß der Kopf des Indianers mit Ahabs Fersen in gleicher Höhe war. Von dieser Höhe aus konnte man den Wal in einer Entfernung von einer Meile ungefähr beobachten. Wenn die See Wellen schlug, wurde jedesmal der hohe leuchtende Höcker sichtbar, und regelmäßig spritzte seine Fontäne in aller Ruhe in die Luft. Die abergläubischen Matrosen bildeten sich ein, daß es dieselbe ruhige Fontäne gewesen wäre, die sie solange vorher in dem mondglänzenden Atlantischen und Indischen Ozean gesehen hätten.
»Hat es denn keiner von euch vorher gesehen?« schrie Ahab den Leuten zu, die rund um ihn herum in den Masten saßen.
»Ich hab' ihn in demselben Augenblick gesehen wie der Kapitän! Und ich hab' ihn gemeldet«, sagte Tashtego.
»Nicht im selben Augenblick! Das ist nicht wahr! Die Dublone gehört mir. Das Schicksal hat die Dublone für mich aufbewahrt. Keiner von euch hätte den weißen Wal zuerst erblicken können, dort bläst sie, dort! Wieder dort! da!« schrie er in langgezogenem, systematischen Tonfall, der zu den allmählichen Verlängerungen der sichtbaren Fontäne des Wales paßte. »Er taucht gleich! In die Stunsegel! Die oberen Segel herunter. Drei Boote bereithalten, Starbuck. Denk daran und bleib an Bord und paß auf das Schiff! Das Steuerruder! Einen Strich anluven! So! Feste Mann, feste! Da sind die Schwanzflossen! Nein, nein. Es ist nur dunkles Wasser! Ist alles fertig an den Booten? Bereithalten! Laß mich herab, Starbuck! Herab! Herab, schnell, schneller!« Und er glitt durch die Luft auf Deck.
»Er geht gerade leewärts nach vorn, Kapitän«, schrie Stubb. »Er schwenkt von uns rechts ab; er kann das Schiff noch nicht gesehen haben.« –
»Halt den Mund, Mann. Stehe an den Brassen! Halt! das Steuer herunter! Aufbrassen! Boote her! Boote!«
Bald ließ man alle Boote bis auf das von Starbuck herunter. Alle Bootssegel wurden aufgezogen, alle Paddelruder kamen in Tätigkeit. Das Wasser kräuselte ringsum, angesichts der Geschwindigkeit, mit der man leewärts vorwärtsschoß. Ahab führte selbst den Angriff. Ein bleicher Todesschimmer leuchtete in den erstarrten Augen Fedallahs auf; eine häßliche Bewegung nagte an seinem Munde. Die hellen Buge der Schiffe gingen wie geräuschlose Nautilusschalen durch das Meer; aber sie kamen nur langsam an den Feind heran. Als sie in seiner Nähe waren, nahm die Glätte des Ozeans zu. Man hatte den Eindruck, als ob ein Teppich über die Wellen gezogen wäre. Heiter wie eine Wiese in der Mittagszeit breitete er sich aus. Schließlich kam der rastlose Jäger so dicht in die Nähe seines Wildes, das anscheinend nichts merkte, daß der Höcker mit dem blendenden Glanz deutlich erkennbar wurde; wie ein vereinsamtes Ding glitt er durch die See und war ständig von einem sich drehenden Ring umgeben, der aus dem schönsten, hautartigen Schaum von grüner Farbe bestand. An der anderen Seite sah Ahab die riesigen, tief eindringenden Falten des leicht vorgestreckten Kopfes; davor bewegte sich bis weit in das Gewässer, das wie mit einem sanften türkischen Teppich bedeckt war, der weißglitzernde Schatten seiner breiten milchweißen Stirn. Ein musikalisches Kräuseln begleitete wie beim Spiel den Schatten. Und dahinter floß unaufhörlich blaues Wasser in das sich bewegende Tal seines stetigen Kielwassers. Zu beiden Seiten stiegen leuchtende Wasserblasen auf, die in der Luft tanzten. Aber diese wurden von den hellen Füßen lustiger Vögel zerstört, die über dem Meer ihre sanften Schwingen ausbreiteten. Wie sich ein Flaggenmast über ein bemaltes Schiff erhebt, so ragte der große, aber zersplitterte Schaft einer kürzlich geworfenen Lanze aus dem Rücken des weißen Wales hervor. Von Zeit zu Zeit ließ sich eine Wolke der sanftfüßigen Vögel darauf nieder und schwebte wie ein Baldachin über dem Tier; in aller Stille hockten sie da und schwankten auf der Stange, wobei die langen Schwanzfedern wie Fähnchen flatterten.
So schwamm denn Moby-Dick in der heiteren Stille des tropischen Meeres durch Wellen, die mit ihrem klatschenden Geräusch eine ungewöhnliche Raubgier verdeckten, weiter und ließ den Schrecken seines untergetauchten Rüssels nicht erkennen, der das Entsetzen seines zermalmenden häßlichen Kiefers ganz und gar verbarg. Aber bald erhob sich der Vorderteil langsam aus dem Wasser. In einem Augenblick bildete sein marmorweißer Körper einen hohen Bogen wie die Naturbrücke in Virginia; wie zur Warnung hob er sein Bannerzeichen, die Schwanzflossen, in die Luft, und der große Gott zeigte sich in voller Größe, tauchte unter und war nicht mehr zu sehen. Die weißen Seevögel suchten sich noch zu halten, tauchten mit den Flügeln ins Wasser und beugten sich dann verlangend über die schwankende Stange, die noch zu sehen war.
Mit senkrecht gehaltenen Rudern und niedergelegten Paddeln ließen sich die drei Boote nun ruhig treiben, ließen ihre Segel flattern und warteten, bis Moby-Dick wieder auftauchte.
»Eine Stunde«, sagte Ahab, der wie angewurzelt in dem Heck seines Bootes stand. Er sah über die Stelle hinaus, wo der Wal untergetaucht war, nach dem trüben, blauen Wasser und den großen Zwischenräumen an der Leeseite, die noch nicht berührt waren. Das war in einer Sekunde geschehen. Als er ringsum das Wasser sah, schienen sich die Augen in seinem Kopf zu drehen. Die Brise zog an. Und die See fing an zu dünen.
»Die Vögel! die Vögel!« rief Tashtego. In einer langen Reihe flogen die weißen Vögel, wie Reiher in der Luft, auf Ahabs Boot zu. Und als sie einige Yards davon entfernt waren, flatterten sie über das Wasser und zogen mit lustigem, erwartungsvollen Schrei einen Kreis um ihn. Ihre Sehkraft war stärker als die eines Menschen; Ahab konnte in der See nichts erkennen. Als er aber plötzlich in die Tiefe schaute, sah er einen lebendigen Fleck dort unten, der nicht größer als ein weißes Wiesel war. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit stieg er auf und vergrößerte sich, als er höher kam, drehte sich dann mit einem Mal um, und es zeigten sich ganz deutlich zwei lange, krumme Reihen von weißen, glitzernden Zähnen, die aus dem unerkennbaren Meeresgrund auftrieben. Es war der offene Mund von Moby-Dick und der geschnörkelte Unterkiefer! Sein riesenhafter, vom Schatten bedeckter Rumpf zerschmolz noch mit dem Blau des Meeres zur Hälfte. Der glitzernde Mund sperrte sich unter dem Boot auf wie ein geöffnetes Marmorgrab. Ahab gab dem Boote mit dem Steuerruder seitwärts einen Stoß, um es dieser furchtbaren Erscheinung zu entreißen. Dann forderte er Fedallah auf, den Platz mit ihm zu wechseln, ging auf den Bug los, faßte die Harpune von Perth und befahl seinen Leuten, die Ruderstangen festzuhalten und am Heck bereitzustehen. Ahabs Absicht war, dem Bug des Bootes durch eine rechtzeitig erfolgte Drehung eine dem Kopf des Wales entgegengesetzte Richtung zu geben, solange er sich noch unter Wasser befand. Aber, als ob er diese List bemerkt hätte, glitt Moby-Dick mit der ihm zugeschriebenen boshaften Schlauheit seitwärts und schoß in einem Nu seinen Kopf mit den vielen Falten in der ganzen Länge unter das Boot.
In jeder Planke, in jeder Rippe und in jeder Fuge krachte es in einem Augenblick; der Wal lag schräg auf dem Rücken, wie ein zubeißender Hai und nahm langsam und spürbar den ganzen Bug in das Maul, so daß der lange, schmale, schneckenförmige Unterkiefer bis hoch in die offene Luft ragte und ein Zahn in ein Ruderloch faßte. Das bläuliche, perlweiße Innere des Kiefers war sechs Zoll von Ahabs Kopf entfernt und reichte wohl noch höher hinauf. In dieser Stellung schüttelte nun der weiße Wal das dünne Zedernboot, wie eine nicht übermäßig grausame Katze eine Maus. Fedallah starrte mit ruhigen Augen die Szene an und kreuzte die Arme. Aber die Mannschaft mit den tigergelben Gesichtern taumelte übereinander und suchte das äußerste Heck zu erreichen. Während nun die beiden elastischen Dollborde hin und her schnellten, als der Wal mit dem todgeweihten Schiff auf teuflische Weise spielte, und der Wal, der mit seinem Körper unterhalb des Bootes getaucht war, so daß er von dem Bug aus nicht getroffen werden konnte – denn die Buge waren gleichsam in ihm drin – und während die anderen Boote unwillkürlich stoppten, wie vor einer schnellen Krise, der man nicht widerstehen kann, da geschah es, daß der monomanische Ahab, der die furchtbare Nähe seines Feindes nicht ertragen konnte, und lebendig und hilflos den verhaßten Kiefern preisgegeben war, in seiner Wut mit seinen bloßen Händen den langen Kieferknochen anpackte und ihn mit wilder Kraft loszureißen suchte. Als er nun diesen vergeblichen Versuch machte, entglitt ihm der Kiefer; die gebrechlichen Dollborde bogen sich zurück, krachten und zerbrachen, und die beiden Kiefer des Wals glitten, wie ein riesiger Querbalken, weiter achterwärts, rissen das Boot vollständig in zwei Teile und schlossen sich schnell wieder in der See in der Mitte zwischen den beiden treibenden Wracks. Als diese abtrieben und die gebrochenen Teile niedergingen, hielten sich die Leute an dem Heck des Wracks an den Dollborden fest und griffen nach den Ruderstangen, um sich weiterzubringen.
Bevor das Boot zerbrochen war, hatte Ahab an dem schlauen Aufschnellen des Kopfes die Absicht des Wales erkannt. Bei dieser Bewegung lockerte sich der feste Griff des Wales einen Augenblick, sofort machte er mit der Hand seinen letzten Versuch, das Boot dem Biß des Wales zu entreißen. Aber da das Boot noch tiefer in das Maul gerutscht und dabei seitlich umgekippt war, hatte es die Lockerung des Kiefers bewirkt. Als Ahab sich dabei nach vorn beugte, wurde er aus dem Boot geworfen und fiel so mit dem flachen Gesicht auf das Meer.
Moby-Dick hatte sich unter kräuselndem Wellenschlag von seiner Beute zurückgezogen und lag nun in geringer Entfernung da und streckte seinen schrägen weißen Kopf senkrecht in den Wellen nach oben und nach unten; dabei drehte sich sein ganzer Körper wie eine Spindel gleichzeitig langsam um, und als nun seine riesige Stirn mit den vielen Falten aus dem Wasser kam – wohl bis zu einer Höhe von zwanzig Fuß und darüber –, schlugen die nun anhebenden Dünungen der gleichzeitig kommenden Wellen stürmisch dagegen. Rachsüchtig spritzten sie ihren Schaum noch weit höher in die Luft.
Er nahm bald seine horizontale Lage wieder ein und schwamm schnell um die schiffbrüchige Mannschaft herum. Er ließ rachsüchtig das Kielwasser seitwärts aufschäumen, als ob er sich zu einem noch furchtbareren Todesangriff aufraffen wollte. Der Anblick des zersplitterten Bootes schien ihn toll zu machen, wie der Saft der Weintrauben und Maulbeeren, die in dem Buch der Makkabäer den Elefanten des Antiochus vorgeworfen werden. Inzwischen wurde Ahab halb erstickt im Schaum des Schwanzes des unverschämten Wales herumgetrieben. Um schwimmen zu können, war er zu sehr Krüppel. Immerhin konnte er sich sogar mitten in solch einem Strudel oben halten. Man erkannte den Kopf des hilflosen Ahabs, dem wie eine hin und her gestoßene Wasserblase bei der geringsten Kleinigkeit das Allerschlimmste passieren konnte. Aus dem Heck des Bootes, das nur noch ein Wrack war, sah ihn Fedallah uninteressiert und sanft an. Die am anderen Ende treibende Mannschaft konnte ihm keine Hilfe bringen. Es war schon viel, daß sie sich selbst helfen konnten. Der Anblick des weißen Wales war so schrecklich, und er trieb sich wie ein Planet in dem sich immer mehr zusammenziehenden Kreise um sie herum, daß es so schien, als ob er in wagerechter Richtung auf sie zustoßen wollte. Obwohl die anderen Boote unbeschädigt waren und immer noch in nächster Nähe hielten, wagten sie dennoch nicht, sich in den Strudel zu begeben, damit das nicht das Zeichen für die völlige Vernichtung der wagehalsigen Schiffbrüchigen würde. Und wenn das geschah, so hatten sie selbst kaum Hoffnung, sich zu retten. Mit starren Blicken hielten sie sich an dem äußeren Rande der Zone des Entsetzens, deren Mittelpunkt nun der Kopf des Alten geworden war.
Inzwischen hatte man von den Masten des Schiffes aus diese Vorgänge beobachtet; das Schiff hatte vierkant gebraßt und nahm nun den Kurs auf die Szene zu und war nun so nahe, daß Ahab ihm vom Wasser aus zurief: »Auf den –« aber in demselben Augenblick trieb ihn eine hohe See von Moby-Dick ab, und er wurde für eine Zeit überwältigt. Er kämpfte sich aber daraus hervor und rief dann, als er zufällig oben auf einen riesig hohen Wellenkamm kam: »Auf den Wal zusegeln! Treibt ihn zurück!«
Die Schiffsbuge des »Pequod« wurden gerichtet. Das Schiff zerbrach den Zauberkreis und trennte tatsächlich den weißen Wal von seinem Opfer. Als der Wal mürrisch davonschwamm, flogen die Boote zur Rettung herbei.
Ahab wurde mit blutunterlaufenen, nahezu geblendeten Augen in das Boot von Stubb gezogen, und weißer salziger Schaum bedeckte seine Falten. Nun ließ ihn die lange körperliche Spannung zusammenbrechen. Hilflos wie einer, der von den Beinen von Elefantenherden zertreten ist, lag er unten in Stubbs Boot wie zerschlagen. Aus seinem Innern kamen namenlose Klagerufe aus weiter Ferne, schmerzhafte Laute aus einer Schlucht.
»Ist die Harpune noch ganz?« sagte Ahab, der sich soeben aufrichtete und den einen Arm gebeugt hielt, auf den er sich stützte.
»Ja, Kapitän; sie ist nicht abgeschossen. Da ist sie«, sagte Stubb und zeigte sie.
»Leg' sie vor mich hin! Fehlen Leute?«
»Eins, zwei, drei, vier, fünf – es waren fünf Ruder und fünf Leute sind da, Kapitän.«
»Es ist gut. Hilf mal, Mann. Ich will stehen. So, so. So sehe ich ihn. Da ist er. Er ist noch immer an der Leeseite. Die Fontäne spritzt ja furchtbar! Die Hände von mir weg! Das Blut steigt wieder in meinen alten Knochen auf. Die Segel setzen! Die Ruder 'raus! Und das Steuer!«
Es geschieht oft, daß, wenn ein Boot eingeschlagen ist, die Mannschaft desselben, sofern sie von einem anderen Boot aufgefischt ist, beim zweiten Boot mithilft. Die Jagd wird dann mit doppelsitzigen Rudern fortgesetzt. Das war auch hier der Fall. Aber die vereinte Kraft des Bootes war der vereinten Kraft des Wales nicht gewachsen; man hatte den Eindruck, als ob seine Flossen »dreisitzig« wären. Er schwamm mit einer Geschwindigkeit, woraus deutlich hervorging, daß, wenn es auf diese Weise weiterging, die Jagd bis ins Unermeßliche dauern würde, sofern sie überhaupt Aussicht auf Erfolg hatte. Dann konnte es keine Mannschaft wegen der ununterbrochenen übermäßigen Anstrengung an den Rudern solange aushalten.
Das Schiff stand unter den besten Vorbedingungen einer erfolgreichen Jagd. Die Boote, die gerade bereitgestellt waren und bald an den Rollenzügen hochgezogen wurden – man hatte die beiden Teile des zerbrochenen Bootes vorher in Sicherheit gebracht –, streckten ihre Sturmsegel nach der Seite aus wie die doppelten Schwingen eines Albatros. So nahm denn der »Pequod« seinen Kurs auf das Kielwasser an der Leeseite des Moby-Dick. Nach den wohlbekannten methodischen Zwischenzeiten wurde die glitzernde Fontäne des Wales von der Bemannung der Mäste regelmäßig gemeldet.
Und als man die Meldung brachte, daß er gerade untergetaucht wäre, sah Ahab auf die Uhr, ging über Deck und hatte die Kompaßuhr in der Hand. Als die letzte Sekunde der veranschlagten Stunde vorüber wir, hörte man seine Stimme.
»Wem gehört denn nun wohl die Dublone? Seht ihr ihn?« Und wenn die Antwort war: »Nein, Kapitän«, befahl er ihnen unverzüglich, ihn an seinen Sitz hochzuziehen. Auf diese Weise ging der Tag zu Ende. Mal war Ahab oben in der Luft, ohne sich zu bewegen, mal schritt er ruhelos über die Schiffsplanken.
Wenn er dann, ohne einen Laut von sich zu geben, – ausgenommen, wenn er die Leute oben anrief und ihnen befahl, ein Segel noch höher aufzuziehen oder eins auszubreiten, hin und her ging und unter seinem breitkrempigen Hut versteckt war, kam er jedesmal an dem Wrack seines Bootes vorüber, das auf das Achterdeck gezogen war, wo es mit dem Kiel nach oben dalag und der zerbrochene Bug sich neben dem eingeschlagenen Heck befand. Schließlich blieb er davor stehen. Wie über einen schon mit Wolken überzogenen Himmel immer neue Scharen von Wolken ziehen, so kam über das Gesicht des Alten ein noch erhöhter Ausdruck von Schwermut.
Stubb sah das, vielleicht wollte er, nicht ganz ohne Eitelkeit, mit seiner eigenen Tapferkeit, die noch nicht ins Wanken gekommen war, protzen und sich so im Gedächtnis des Kapitäns einen guten Platz sichern. So ging er denn einen Schritt vor und rief beim Anblick des Wracks aus: »Die Distel hat der Esel nicht gemocht. Sie stach ihm wohl zu sehr ins Maul, Kapitän, ha, ha.«
»Das muß schon einer sein, der vor einem Wrack anfängt zu lachen? Mann! Wüßte ich nicht, daß du so tapfer und so furchtlos wie das Feuer bist, so wollte ich schwören, du wärst ein Feigling. Vor einem Wrack sollte man alles Murren und Lachen unterlassen!«
Der Tag war beinahe vorüber – man hörte nur noch das Rauschen seines goldenen Kleides. Bald war es so gut wie dunkel. Aber die Leute an den Ausgucksposten machten es nicht wie die Sonne.
»Können die Fontäne jetzt nicht sehen, Kapitän, zu dunkel!« rief eine Stimme aus der Luft.
»Wohin ging sie denn, als ihr sie zuletzt saht?«
»Wie vorhin, gerade nach der Leeseite.«
»Gut! Der Wal wird heute nacht langsamer schwimmen. Das Oberbramsegel und die Stunsegel am oberen Mars einziehen! Starbuck! Vor morgen werden wir kaum auf ihn stoßen. Er macht jetzt seine Rundreise und wird wohl jetzt eine Weile beilegen. Ans Ruder! Das Ruder vor dem Wind in acht nehmen! Ihr da oben, kommt herunter! Stubb, schick' einen neuen Mann oben an den Vordermast und bemanne ihn bis zum Morgen.« Dann ging er auf die Dublone am Hauptmast zu. »Leute, dies Goldstück gehört mir, ich hab' es verdient. Aber ich lasse es hier, bis der weiße Wal tot ist. Und wer ihn dann zuerst sichtet an dem Tage, wo er getötet werden soll, dem soll das Goldstück gehören. Wenn ich ihn an diesem Tage wieder sichte, so will ich die zehnfache Summe unter euch allen verteilen. Los jetzt! Du hast die Aufsicht auf Deck.«
Als er das sprach, stellte er sich auf halbem Wege in die Luke, zog den Hut über den Kopf und blieb bis zum Morgengrauen dort stehen, höchstens, daß er von Zeit zu Zeit sich aufreckte, um zu sehen, ob die Nacht nicht bald vorüber wäre.