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Elftes Kapitel

Stubb war der zweite Maat. Er stammte vom Kap Cod. Ein frischer Draufgänger, niemals feige, aber auch nicht tollkühn. Er nahm die Gefahren mit völligem Gleichmut hin. Und auf der allergefährlichsten Jagd benahm er sich ruhig und gefaßt, wie ein Schreinergeselle, der sich für ein Jahr festgemacht hat. Er führte gutgelaunt, behaglich und ohne Angst sein Walfischboot, als ob das lebensgefährliche Renkontre nur eine Mahlzeit und seine Mannschaft zum Essen geladene Gäste wären. Wenn er dem Wal auf Wurfweite nahe war und ein Todeskampf ausgetragen wurde, handhabte er seine Lanze mit derselben Ruhe und Geschicklichkeit, wie ein Kesselflicker seinen Hammer. Und dann sang er dazu seine alten Seemannslieder, wenn er dem in Wut geratenen Ungeheuer Seite an Seite gegenüberstand. Wie er über den Tod dachte, braucht man nicht zu erwähnen. Es ist eine Frage, ob er überhaupt an ihn dachte. Wenn er zufällig nach einem reichlichen Essen darauf zu sprechen kam, so faßte er ihn wie ein guter Matrose wie einen Ruf der Wache vom oberen Mast auf, nach oben zu klettern. Dann war es Zeit, sich zu beeilen, aber eher nicht.

Auch in anderen Dingen verhielt sich Stubb unerschrocken und nahm alles auf die leichte Achsel. Jeder hat ja sein Päckchen zu tragen, und wenn es etwas gab, das ihm immer wieder zu seinem gewissermaßen gottlosen Humor verhalf, so war es die Pfeife. Wie die Nase, war die kurze, schwarze, kleine Pfeife ein Teil von seinem Gesicht. Wenn er aus seiner Koje sprang, so hätte er die Pfeife ebensowenig wie seine Nase vergessen. Er hatte eine ganze Reihe von Pfeifen, die ständig gestopft und immer in Reichweite waren. Sobald er in die Kajüte kam, rauchte er eine Pfeife nach der anderen und steckte die eine an der anderen an. Dann wurden sie wieder gestopft, so daß sie fortwährend in Aktion treten konnten. Wenn sich Stubb anzog, so steckte er nicht zuerst die Beine in die Hose, sondern die Pfeife in den Mund.

Der dritte Maat war Flask, der aus Tisbury in Marthas Vineyard stammte. Ein kleiner, stämmiger und frischer junger Kerl, der es auf die Walfische besonders abgesehen hatte. Die großen Leviathans schienen ihn persönlich schon von den Vätern her beleidigt zu haben. Es war Ehrensache, daß er den Viechern, wo er ihnen begegnete, den Garaus machte. Er hatte nicht eine Spur von Ehrfurcht vor ihrer majestätischen Gestalt und ihren geheimnisvollen Wegen. Er hatte nicht die geringste Angst und dachte auch an keine Gefahr und war der Ansicht, der Wal wäre nur eine Maus, oder allenfalls eine Wasserratte in Riesengestalt. Und man brauchte nur ein wenig Umsicht und ein wenig Zeit und Mühe aufzuwenden, um ihn abzuschlachten. Diese unbewußte, wenn auch ein wenig dumme Unerschrockenheit machte ihn geradezu mutwillig. Er folgte den Walfischen, um sich einen Spaß zu machen, und eine Fahrt von drei Jahren um das Kap Horn war nur ein lustiger Spaß von entsprechender Dauer.

Starbuck, Stubb und Flask, die drei Maate, hatten einen wichtigen Posten. Sie waren die Führer von drei Booten des »Pequod«. In der Schlachtordnung, wenn Kapitän Ahab seine Streitmacht zur Jagd auf die Walfische zusammenzog, hatten sie die Funktion von Kompanieführern. Sie waren mit langen, scharfen Walspeeren bewaffnet und bildeten so ein auserlesenes Trio, wie die Harpuniere eine Truppe von Wurfspeerleuten waren.

Bei der berühmten Walfischerei geht es zu wie bei dem erlauchten Rittertum. Jedem Maat steht ein Bootssteuermann oder ein Harpunier zur Seite, der ihm in gewissen Fällen eine neue Lanze reichen muß, wenn die erste gehörig verbogen oder bei dem Angriff fortgestoßen ist. Es besteht allgemein zwischen den beiden ein intimes, freundschaftliches Verhältnis. Es ist daher in Ordnung, daß wir auch an dieser Stelle erwähnen, wer die Harpuniere des »Pequod« und welchem Führer sie zugeteilt waren.

Da kam zu allererst Queequeg, den Starbuck, der Obermaat, zum Knappen gewählt hatte. Aber Queequeg ist ja schon bekannt.

Dann kam Tashtego, ein reiner Indianer von Gay Head, dem westlichen Vorgebirge von Marthas Vineyard. Dort gibt es noch das letzte Dorf von Rothäuten, das das benachbarte Nantucket lange Zeit mit den kühnsten Harpunieren versorgt hat. Die Walfischjäger nennen sie gewöhnlich die Gay Header. Tashtego hatte langes, dünnes, tiefschwarzes Haar, vorstehende Backenknochen und schwarze runde Augen, die einen übermäßig glänzenden Ausdruck hatten. Er war ein Sprößling des unverdorbenen Blutes des stolzen, kriegerischen Jägervolkes, das das Rentier in New England gejagt und, mit dem Bogen in der Hand, die Urwälder des Festlandes durchstreift hatte.

Aber nun suchte er die Spur der wilden Tiere des Waldes nicht mehr auf, sondern jagte die großen Wale des Meeres. Die unfehlbare Harpune des Sohnes trat nun an die Stelle des unfehlbaren Bogens der Väter. Wenn man die schlangenhaften und gewandten Glieder mit der gelbbraunen Farbe sah, so hätte man glauben können, der Aberglaube der alten Puritaner hätte zu Recht bestanden, und man hätte diesen wilden Indianer für den Sohn des Fürsten der Lüfte halten können. Tashtego war der Knappe von Stubb, dem zweiten Maat.

Dann kam als Dritter unter den Harpunieren Taggoo, ein riesiger, kohlschwarzer Neger, der wie ein Löwe auftrat, ein richtiger Ahasver. Durch die Ohren hingen ihm zwei Goldringe, die wegen ihrer Größe von den Seeleuten Ringbolzen genannt wurden, und an denen man recht gut das obere Segel hätte festmachen können. In seiner Jugend hatte Taggoo sich freiwillig für ein Walschiff heuern lassen, das an einer einsamen Bucht seiner Heimatküste vor Anker lag. Er war nur in Afrika, in Nantucket und in den heidnischen Häfen gewesen, wo die Walfänger meist anlegen. Seit vielen Jahren führt er nun das kühne Leben der Walfischfahrer, und die Schiffsreeder kümmerten sich nicht darum, was das für Leute waren, die sie anmusterten. So behielt Taggoo alle barbarischen Eigenschaften bei, er bewegte sich mit seiner Länge von sechs Fuß auf Deck mit der Gewandtheit einer Giraffe. Wenn man neben ihm stand und zu ihm aufsah, so kam man sich recht klein und bescheiden vor. Wenn ein weißer Mann vor ihm stand, so wirkte er wie eine weiße Flagge, die einen Waffenstillstand von einer Festung erflehen will. Es war merkwürdig, daß dieser kaiserliche Neger Ahasver Taggoo, der Knappe des kleinen Flask war, der neben ihm wie eine Schachfigur wirkte.

Mit Rücksicht auf den Rest der Mannschaft des »Pequod« mag erwähnt werden, daß nicht einer der vielen tausend Leute, die vor dem Mast in der amerikanischen Walfischerei beschäftigt werden, geborener Amerikaner ist. Doch sind wohl ziemlich alle Offiziere Angehörige dieser Nation. Es verhält sich damit, wie mit der amerikanischen Armee und der amerikanischen Kauffahrteiflotte, und mit den Leuten, die zum Bau der amerikanischen Kanäle und Eisenbahnen gebraucht werden. Die Amerikaner liefern in freigebiger Weise das Gehirn, und die übrige Welt versorgt sie in vornehmer Weise mit den Muskeln.


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