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Fünfundvierzigstes Kapitel

Die überstürzte Art und Weise, in der Kapitän Ahab den ›Samuel Enderby‹ verlassen hatte, war nicht ohne Folgen gewesen wegen ihrer Gewaltsamkeit. Er war mit solcher Macht auf die Ruderbank seines Bootes gefallen, daß sein künstliches Bein einen Stoß erlitten hatte, wobei es halb zersplittert war. Nachdem er das eigene Deck erreicht hatte und in dem Plankenloch angekommen war, war er mit einem dringenden Befehl so heftig auf den Steuermann losgestürmt (wie immer hatte er sich beklagt, er steuere nicht energisch genug!), daß das schon arg mitgenommene künstliche Bein einen weiteren Stoß erlitt. Obwohl es noch ganz blieb und allem Anschein nach noch kräftig war, so erachtete Ahab es doch nicht für ganz zuverlässig.

Bei seiner übermächtigen, wahnsinnigen Ruhelosigkeit beachtete er manchmal die Beschaffenheit des toten Beins, auf dem er stand, recht wenig. Kurze Zeit, bevor der ›Pequod‹ von Nantucket abgesegelt war, hatte man ihn eines Nachts besinnungslos auf dem Boden liegend vorgefunden. Aus einer unbekannten und anscheinend unerklärlichen und nicht vorstellbaren Zufälligkeit war sein künstliches Bein auf so gewaltige Weise entstellt, daß es wie ein Pfahl zerbrochen war und ihm bis in die Leisten drang. Nur mit der allergrößten Schwierigkeit war es möglich gewesen, die schmerzhafte Wunde völlig zu heilen.

Damals war sein monomanischer Geist auf den Gedanken gekommen, daß die gegenwärtigen Qualen nur die unmittelbaren Folgen eines früheren Leidens wären. Es schien, als ob er eins deutlich erkannt hatte: Das giftigste Reptil der Sümpfe setzt unvermeidlich bis in alle Ewigkeit seine Art fort, wie es der angenehmste Singvogel des Waldes tut. Ebenso bringen alle Unglücksfälle wie alle Glücksfälle in entsprechender Weise ihresgleichen bis in alle Ewigkeit hervor.

Ja, noch mehr als das, dachte Ahab; das Leid hat mit seinen Vorfahren und seiner Nachkommenschaft eine größere Auswirkung als die Lust. Ganz abgesehen davon, daß gewisse Lehren der Kanoniker folgenden Schluß ziehen: Manche Freuden der menschlichen Natur verschaffen keine Nachkommenschaft für die andere Welt. Vielmehr haben sie die Verzweiflung der Hölle im Gefolge. Dagegen erzeugen manche schuldig erduldete Leiden eine ständig wachsende Nachkommenschaft von Bitternissen jenseits des Grabes.

Aber bei einer tieferen Betrachtung der Dinge scheint es doch anders zu sein. Obwohl im höchsten irdischen Glück, so dachte Ahab, eine gewisse Schalheit verborgen liegt, so hat alles menschliche Leid im tiefsten Grunde bei manchen Menschen eine Erhabenheit, wie sie den Erzengeln eigen ist. Wenn wir die Stammbäume der tiefen irdischen Leiden verfolgen, kommen wir schließlich zu dem Ursprung der Götter. Trotz der frohen Sonnen, unter denen das Heu gemacht wird, und trotz der sanften Monde, bei denen die Zimbel ertönt und ringsum die Ernte eingebracht wird, kommen wir notgedrungen zu der Erkenntnis, daß die Götter selbst nicht immer glücklich sind. Das traurige unauslöschliche Muttermal, das dem Menschen auf die Stirn geprägt ist, ist nur der Stempel des Leids, den seine Urheber ihm aufgedrückt haben.

Ohne es zu wollen, ist hier ein Geheimnis aufgedeckt worden, was vielleicht schon früher an besserer Stelle hätte geschehen können.

Es mag sich nun verhalten, wie es will. So wie die Sache um das Bein gegenwärtig stand, versuchte Ahab auf praktische Weise Abhilfe zu schaffen. Er rief den Schiffszimmermann.

Als dieser Angestellte vor ihm erschien, befahl er ihm, sofort ein neues Bein zu machen. Er wies die Maate an, ihn mit allen möglichen Knochenstücken vom Kiefer des Pottwals, die bislang auf der Reise gesammelt waren, zu versehen und das stärkste und geeignetste Material auszuwählen. Als das geschehen war, bekam der Zimmermann den Befehl, das Bein am Abend noch fertigzustellen. Und ebenso sollte er für die Zubehörteile sorgen, ohne sich darum zu kümmern, was an dem beschädigten fehlte. Dann wurden die Schmiede aus ihrer beschaulichen Ruhe unten im Schiffsraum nach oben gezogen, und um die Sache zu beschleunigen, bekam der Schmied den Befehl, sofort die eisernen Teile zusammenzuschmieden, die benötigt werden könnten.


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