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Der Obermaat des »Pequod« war Starbuck, der aus Nantucket war und von einer Quäkerfamilie abstammte. Er war groß und ernst. Wenn er auch an einer eiskalten Küste geboren war, so war er doch wohl geeignet, heiße Breiten zu ertragen, und seine Haut war hart wie zweimal gebackener Zwieback. Wenn er nach Indien kam, so blieb das Blut bei ihm frisch wie bei Export-Flaschenbier. Er mußte zu einer Zeit geboren sein, wo es recht knapp zuging. Er hatte dreißig trockene Sommer erlebt. Die hatten alles aufgetrocknet, was er an überflüssigem Fleisch gehabt hatte. Aber sein schmächtiger Körper deutete nicht auf Sorge und Not hin, sondern war nur das Zeichen einer fortgeschrittenen Kondensierung. Er sah nicht schlecht aus. Die Haut war zäh und hell. Wie eine zum Leben gebrachte ägyptische Mumie war er darin eingeschlossen mit aller Stärke und Gesundheit. So schien Starbuck für kommende Zeiten gerüstet zu sein, mochte es sich nun um Polarschnee oder um Tropensonne handeln. Wie ein Patentchronometer funktionierte er mit seiner inneren Lebendigkeit in allen Zonen tadellos. Wenn man ihm ins Auge sah, so konnte man die tausend Gefahren, denen er in seinem Leben mit Gleichmut Trotz geboten hatte, darin abgezeichnet sehen. Er war ein gesetzter Mann, der viel aushalten konnte.
Er war für einen Matrosen ungewöhnlich gewissenhaft. Bei der tiefen natürlichen Ehrfurcht machte ihn das einsame Leben auf dem Wasser stark zum Aberglauben geneigt. Aber das war ein Aberglaube, der eher im Verstand, als in der Unwissenheit seinen Ursprung hat. Es waren Anzeichen von außen und Ahnungen von innen, die manchmal das innere Eis seiner Seele zum Schmelzen brachten. Aber viel mehr noch vermochten das die Erinnerungen an die ferne Frau am Kap und sein Kind. Diese Dinge nahmen ihm die ursprüngliche Rauheit seiner Natur und machten ihn für geheime Einflüsse empfänglich, wie es bei den rechtschaffenen Seeleuten in den gefährlichen Wechselfällen des Fischfangs geschieht.
»Ich will keinen Mann in meinem Boot haben,« sagte Starbuck, »der sich nicht vor einem Walfisch fürchtet.«
Damit wollte er anscheinend sagen, daß wirklichen Mut nur der hat, der die Gefahr richtig einschätzt, und daß ein völlig furchtloser Mensch ein weit gefährlicherer Kamerad ist, als ein Feigling.
»Ja, ja«, sagte Stubb, der zweite Maat. »Starbuck ist der besorgteste Mann, den es in der Fischerei überhaupt gibt!«
Starbuck suchte die Gefahr nicht. Mut war für ihn kein Gefühl, aber etwas, das ihm nützlich erschien, und das man bei allen Gelegenheiten, die mit dem Tode verbunden sind, stets zur Verfügung haben muß. Dann dachte er auch wohl, daß der Mut bei dem Walfischgeschäft zur großen aufgestapelten Ausrüstung des Schiffes gehören muß und genau so wichtig ist, wie das Fleisch und das Brot, und daß man damit sparsam umgehen muß.
Es fiel ihm nicht ein, nach Sonnenuntergang die Boote herunterzulassen. Ebensowenig ließ er sich mit einem Walfisch ein, der es auf einen Kampf abgesehen hatte. Starbuck dachte sich, ich bin auf diesem gefährlichen Ozean zum Walfischtöten da, um leben zu können und nicht dazu, um mich von ihnen töten zu lassen, damit sie leben können! Starbuck wußte recht wohl, daß auf diese Weise Hunderte von Menschen getötet waren. Wie war es seinem Vater ergangen? Und wo sollte er in der bodenlosen Tiefe die zerschmetterten Glieder des Bruders suchen?
Trotz solcher Erinnerungen und seiner Neigung zum Aberglauben, war Starbuck von unvergleichlichem Mut. Es war nicht selbstverständlich, daß ein Mann mit solchen Erfahrungen und solchen Erinnerungen ihn noch besaß. Dadurch mußte schließlich etwas in ihm zum Keimen gebracht werden, das bei passender Gelegenheit insgeheim die Schranken durchbrach und allen Mut verzehrte. So tapfer er auch war, so war es gerade die Tapferkeit, die bei furchtlosen Menschen nichts Ungewöhnliches ist, und die einen im allgemeinen in den Kämpfen mit der See, den Winden, den Walfischen oder den nicht auszudenkenden Schrecken der Welt nicht im Stich läßt, die aber bei den furchtbaren Schrecken, die mehr geistiger Natur sind, und die manchmal von der zusammengezogenen Stirn eines rasenden und mächtigen Menschen ausgehen, auf das furchtbarste Schiffbruch erleidet.
Wollte ich nun in der folgenden Erzählung das vollständige Schwinden der Tapferkeit des armen Starbucks darstellen, so hätte ich kaum den Mut dazu. Es ist eine peinliche und eine schreckliche Geschichte, wenn man den Fall der Tapferkeit in der menschlichen Seele schildern soll. Die Menschen mögen in ihrer Gesamtheit Schurken, Narren und Verbrecher sein. Es mögen solche mit gemeinen und niedrigen Gesichtern sein, aber der Mensch als Idealgestalt ist ein so edles, so wundervolles und erhabenes Geschöpf, daß die anderen Mitmenschen ihre kostbarsten Gewänder opfern sollten, um eine schmachvolle Stelle zu bedecken! Es gibt eine makellose Männlichkeit in uns, die bei allen Stürmen und allen Schäden, die der äußere Körper erleidet, doch unversehrt bleibt. Aber diese Menschenwürde kommt nicht Königen und hohen Würdenträgern zu. Sie ist nicht da zu finden, wo sie Amtskleid trägt. Sie ist da, wo ein Arm die Hacke schwingt oder einen Nagel eintreibt. Es ist die Würde, die in Gott ihren Ursprung hat!