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Dreiunddreißigstes Kapitel

Man darf nicht vergessen, zu erwähnen, daß der Wal enthauptet wird, bevor der Körper vollständig abgezogen ist. Aber die Enthauptung des Pottwals ist eine Angelegenheit, die mit anatomischem Scharfsinn vollzogen wird, und auf die erfahrene Wal-Chirurgen sich sehr viel einbilden. Das geschieht auch nicht ganz ohne Grund.

Man muß bedenken, daß der Wal eigentlich nicht über einen sogenannten Hals verfügt; wo Kopf und Rumpf zusammengehen, scheint gerade der dickste Teil des Körpers zu sein. Man muß auch bedenken, daß der Chirurg von oben arbeiten muß, daß acht oder zehn Fuß zwischen seinem Objekt liegen und daß dasselbe in einer undurchsichtigen und sehr oft stürmischen See verborgen ist. Man muß sich auch vergegenwärtigen, daß er unter diesen ungünstigen Umständen viele Fuß tief in das Fleisch hineinschneiden muß, und daß er, ohne ein einziges Mal in den so geführten Schnitt hineinschauen zu können, alle danebenliegenden verbotenen Teile umgehen und die Wirbelsäule an einem kritischen Punkt zerteilen muß an der Stelle, wo diese in den Schädel geht. Soll man sich da nicht wundern, wenn Stubb nur zehn Minuten brauchte, um einen Pottwal zu enthaupten?

Wenn der Kopf abgetrennt ist, läßt man ihn achterwärts herunter und befestigt ihn an einem Kabel, bis der Rumpf abgezogen ist. Wenn das geschehen ist, so wird er, sofern er einem kleinen Wal angehört, an Deck gezogen, und man verfügt über ihn nach Belieben. Aber bei einem ausgewachsenen Wal ist das unmöglich. Der Kopf des Pottwals nimmt beinahe ein Drittel des ganzen Körpers ein. Und wenn man mit den ungeheuren Flaschenzügen eines Walschiffes eine solche Last vollständig aufhängen wollte, so wäre das ein ebenso vergeblicher Versuch, wie der, wenn man eine holländische Scheune auf einer Juwelierwage wiegen wollte.

Als der Wal geköpft und der Rumpf abgezogen war, wurde der Kopf an der Seite des Schiffes aufgezogen und hing noch halb im Wasser, so daß er größtenteils vom Meer selbst getragen wurde. Und so wurde er durch das Fahrzeug, das sich zu ihm steil hinüberlehnte, mit Hilfe des ungeheuren, nach unten gerichteten Zuges vom unteren Mast gehalten, wobei jede Rahe an dieser Seite wie ein kleiner Krahn über den Wogen mitwirkte. Schließlich hing der Walfischkopf, von dem das Blut herabtropfte, dem »Pequod« an der Seite, wie der Kopf des riesigen Holofernes am Gürtel der Judith.

Als die letzte Arbeit getan war, war es Mittag, und die Matrosen gingen nach unten zum Essen. Es herrschte nun völlige Ruhe auf Deck, auf dem es vorher noch so laut zugegangen war. Eine Ruhe, vergleichbar einer alles bedeckenden Lotosblume, die allmählich ihre geräuschlosen, alles Maß übersteigenden Blätter ausstreckt, breitete sich über das Meer aus.

Eine kurze Zwischenzeit verging, und in dieser Stille kam Ahab allein aus seiner Kajüte hervor. Er ging ein paarmal auf dem Achterdeck herum, blieb stehen, starrte über die Reling und nahm dann, nachdem er langsam zwischen die Hauptketten gegangen war, Stubbs langen Spaten, der nach der Enthauptung des Wales noch dalag. Stieß ihn in den unteren Teil der halb aufgehängten Masse, nahm das eine Ende wie eine Krücke unter den Arm, stand dann nach vorn gelehnt da und starrte den Walfischkopf gedankenvoll an.

Es war ein dunkelfarbiger Kopf mit einer Haube. Wie er mitten in der tiefen Stille dahing, schien er die Sphinx in der Wüste zu sein.

»Rede, ungeheurer und ehrwürdiger Kopf,« brummte Ahab, »der du, obwohl du keinen Bart hast, doch hier und da wie mit reifartigen Moosteilen bedeckt bist! Rede, gewaltiger Kopf und erzähle uns von dem Geheimnis, das in dir verborgen ist! Von allen Tauchern bist du am tiefsten getaucht! Du Kopf, auf den die höchste Sonne nun ihre Strahlen fallen läßt, du hast auf dem Grund dieser Welt geweilt, wo nicht auf die Nachwelt gekommene Namen und Schiffe verrosten und nie bekanntgewordene Hoffnungen und Anker verfaulen; wo unsere mörderische Fregatte, die Erde, den Ballast der Skelette von Millionen Ertrunkener geladen hat, da warst du am besten zu Hause!

Du hast es erlebt, wie der ermordete Matrose um Mitternacht von Piraten vom Deck gestoßen wurde, wie er nach und nach in die noch größere Nacht des unersättlichen Schlundes fiel, und die Mörder in aller Ruhe davonsegelten.

Und wie daneben Blitze ein Schiff zersplitterten, das einen rechtschaffenen Gatten in die ausgestreckten, sehnsuchtsvollen Arme seiner Frau bringen sollte! Du hast genug erlebt, so daß die Planeten hätten zerschellen und Abraham zu einem Ungläubigen hätte werden können, und du sagst nicht ein einziges Wort dazu!«

»Segel in Sicht!« schrie eine Stimme triumphierend hoch oben vom Hauptmast.

»Wirklich? Nun das ist ja famos«, rief Ahab. Er richtete sich mit einem Male auf, während die reinen Gewitterwolken ihm über den Augenbrauen standen.

»Solch ein lebendiger Ruf könnte nach dieser Totenstille einen, der besser wäre als ich, bekehren! Wo ist es denn?«

»Drei Strich am Steuerbordbug! Es läuft mit der Brise auf uns zu!«

»Das ist ja noch besser, Mann! Ich wollte, der heilige Paulus käme nun des Weges daher und brächte bei meiner Windstille seine Brise mit! Wie unsagbar ähnlich seid ihr doch, Natur und menschliche Seele! Das kleinste Atom kann nicht leben und weben in der Materie, ohne daß es nicht im Geiste ein entsprechendes Gegenbild hätte!«


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