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Ein oder zwei Tage vergingen, da herrschte an Bord des ›Pequod‹ eine lebhafte Tätigkeit. Die alten Segel wurden ausgebessert, funkelnagelneue Segel kamen an Bord, Bündel von Segeltuch und neue Rollen für das Takelwerk. Alles wies darauf hin, daß die Vorbereitungen zur Abfahrt zum baldigen Abschluß drängten. Der Kapitän Peleg ging selten oder fast nie an Land. Er saß in seinem Wigwam und beaufsichtigte die Leute recht scharf. Bildad kaufte, was man zur Ausrüstung brauchte, in den Lagern ein, und die Leute arbeiteten im Kiel und in der Takelage bis spät in die Nacht hinein. An dem Tage darauf, als Queequeg unterschrieben hatte, ließ man in den Gasthöfen, wo die Schiffsmannschaft sich aufhielt, sagen, daß ihre Kisten noch am Abend an Bord geschafft werden müßten. Man könnte nicht wissen, ob das Schiff nicht ganz plötzlich absegeln müßte. Queequeg und ich krochen in unsere Falle und nahmen uns vor, solange als möglich noch an Land zu schlafen. Aber man ist in diesen Fällen etwas voreilig. Das Schiff blieb noch einige Tage vor Anker liegen. Es war noch reichlich viel zu tun, und man mußte noch an vieles denken, bevor der ›Pequod‹ völlig ausgerüstet war.
Jedermann weiß, was zu einem Haushalt nötig ist. Es sind eine Unmenge Dinge: Betten, Schmortiegel, Messer und Gabeln, Schaufeln und Zangen, Tischtücher, Nußknacker und der Teufel weiß was nicht alles. Genau so verhält es sich bei einer Walfischfahrt, wo man sich für drei Jahre auf dem Ozean einrichten muß, wo man keine Kaufleute, Krämer, Ärzte, Bäcker und Bankiers in der Nähe hat. Wenn das auch für Handelsschiffe zutrifft, so verhält es sich bei den Walschiffen nicht ganz so. Man muß sich die lange Dauer der Walfischfahrt vorstellen, die vielen Dinge, die man zur Ausübung der Fischerei braucht und die Unmöglichkeit, in entferntliegenden Häfen Ersatz zu beschaffen. Man muß sich vorstellen, daß die Walschiffe von allen Schiffen am meisten Unfällen jeglicher Art ausgesetzt sind und gerade dem Verlust von solchen Dingen, auf denen der Erfolg einer Fahrt beruht. Daher gibt es so viele Ersatzboote, Ersatzspiere, Ersatzleinen und Ersatzharpunen. Nur fehlt ein Ersatzkapitän und ein Ersatzschiff!
Aber als wir auf der Insel ankamen, war schon das Wichtigste auf dem ›Pequod‹ da. Es gab Rindfleisch, Brot, Wasser, Brennmaterial, eiserne Reifen und Stäbe. Doch eine ganze Zeitlang schleppte man ununterbrochen die verschiedensten Dinge an Bord.
Hierbei machte sich die Schwester des Kapitäns Bildad sehr verdient. Es war eine magere alte Dame, doch unermüdlichen und tatkräftigen Geistes, mit einem sehr guten Herzen, die darauf aus war, daß mit ihrer Hilfe kein Stück auf dem »Pequod« fehlen sollte, wenn das Schiff in See stach.
Einmal sah man sie mit einem Krug Marmelade an Bord eilen, der für den Speiseschrank des Steward bestimmt war, ein anderes Mal trug sie ein Bündel Gänsefedern auf den Tisch des Obermaats. Ein drittes Mal hatte sie einen Packen Flanell in der Hand, der bei rheumatischen Rückenschmerzen gute Dienste leisten sollte. Jeder nannte sie »Tante Charity«. Wie eine Pflegeschwester lief sie überall herum und war bemüht, allen an Bord das Schiff behaglich und angenehm zu machen. Sie war ebenso wie ihr lieber Bruder Bildad an dem Schiff beteiligt, sie selbst wohl mit zwanzig ersparten Dollar.
Es war schrecklich anzusehen, wie diese edle Quäkerfrau mit einem langen Öllöffel in der einen Hand und einer weit längeren Walfischlanze in der anderen Hand, an Bord kam. Aber Bildad und der Kapitän Peleg waren nicht weniger tätig. Bildad hatte eine lange Liste mit den Artikeln, die fehlten, in der Hand, und wenn etwas ankam, so machte er auf der Liste ein Zeichen. Dann und wann kam Peleg aus seinem Walfischzelt heraus, brüllte den Leuten unten an den Luken und den Takelagearbeitern oben in den Masten Befehle zu, und zog sich dann unter Schimpfen in seinen Wigwam zurück. In diesen Tagen, wo alles vorbereitet wurde, besuchten Queequeg und ich oft das Schiff, und ebenso oft fragte ich nach dem Kapitän Ahab, wer er wäre und wann er an Bord seines Schiffes käme. Man sagte mir, daß es ihm immer besser ginge, und er jeden Tag an Bord erwartet würde. Inzwischen könnten die beiden Kapitäne Peleg und Bildad für das Notwendigste sorgen, um das Schiff für die Fahrt auszurüsten. Wenn ich mir selbst gegenüber ehrlich gewesen wäre, so hätte ich merken können, daß ich keinen rechten Geschmack daran fand, auf diese Weise einer Fahrt ausgeliefert zu sein, ohne mir den Mann angesehen zu haben, der, sobald das Schiff auf das offene Meer hinauskam, sein Diktator war. Aber wenn man sich bei einer unrechten Handlung ertappt, kommt es vor, daß man, wenn man schon in die Sache verwickelt ist, sich in unverständlicher Weise bemüht, allen Verdacht vor sich selbst zu verdecken. Und so war es auch bei mir.
Ich sagte nichts und gab mir Mühe, an nichts zu denken.
Schließlich wurde bekanntgegeben, daß das Schiff am nächsten Tage zu einer gewissen Zeit bestimmt absegeln würde. So brachen denn Queequeg und ich am nächsten Morgen in aller Frühe auf.