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Zweiundvierzigstes Kapitel

Stubbs Wal, der so teuer erkauft war, wurde auf die übliche Weise längsseits des »Pequod« gebracht, wo die Vorgänge des Zerlegens und Aufziehens, die oben ausführlich behandelt sind, sogar bis zum Ausschöpfen des Heidelberger Fasses erledigt wurden.

Während einige bei dieser Beschäftigung waren, schafften andere die großen Fässer fort, sobald sie mit Walfischöl gefüllt waren. Und als die Zeit kam, wurde dies selbe Öl sorgfältig mit der Hand geknetet, bevor es zu den Ausschmelzöfen ging, wovon jetzt die Rede sein wird.

Die Ausschmelzgeräte sind zwischen dem Vorder- und Hauptmast, dem geräumigsten Teil des Decks, aufgestellt. Die Bretter darunter sind merkwürdig stark, so daß sie das Gewicht eines Mauerwerks aus Backstein und Mörtel aushalten können; einige sind zehn Fuß lang und acht Fuß breit und fünf Fuß hoch. Die Grundmauer geht nicht durch das Deck, aber das Mauerwerk wird an der Oberseite desselben durch schwere Eisenstücke festgehalten, die es von allen Seiten umrahmen und unten an den Brettern festgeschraubt sind. An den Seiten ist es mit Holz verschalt, und oben ist es von einer großen Luke umgeben, die mit Leisten eingefaßt ist. Wenn wir die Luke aufschieben, legen wir die großen Ausschmelztöpfe frei. Es sind zwei an Zahl, und jeder faßt verschiedene Faß Öl. Wenn sie nicht gebraucht werden, werden sie besonders rein gehalten. –

Gegen neun Uhr abends wurde mit den Ausschmelzarbeiten des »Pequod« auf der gegenwärtigen Reise zum erstenmal begonnen. Stubb hatte den Auftrag, das Geschäft zu beaufsichtigen.

»Alles fertig? Die Luke weg und anfangen! Koch, stecken Sie die Öfen an!«

Das war sehr leicht, denn der Zimmermann hatte während der ganzen Reise die Hobelspäne in den Ofen geworfen. Hier muß man darauf hinweisen, daß das erste Feuer in den Schmelzöfen eine Zeitlang mit Holz unterhalten wird. Dann wird kein Holz mehr gebraucht, höchstens wenn man das aufgestapelte Brennmaterial schnell in Brand stecken will. Wenn der knusperige, zerknitterte Speck ausgelassen ist, enthält er noch ziemlich viel Öl. Diese Speckstücke unterhalten die Flammen. Wie ein vollblütiger brennender Märtyrer, der einmal in Brand gesteckt ist, an seinem eigenen Körper verbrennt, so versorgt sich auch der Wal mit seinem eigenen Brennmaterial und brennt auf ähnliche Weise. Ich wollte, er verbrauchte auch seinen eigenen Qualm; denn dieser Qualm ist scheußlich beim Einatmen. Man muß ihn nicht nur einatmen, sondern man muß auch eine Zeitlang darin leben. Er hat einen unaussprechlichen, wilden Hindugeruch, wie die Scheiterhaufen bei Leichenverbrennungen ihn manchmal im Gefolge haben.

Gegen Mitternacht waren die Arbeiten im vollen Gange. Der Leichnam des Wales war nicht mehr zu sehen. Wir hatten die Segel aufgehißt, und der Wind wehte erfrischend. Die Dunkelheit des Stillen Ozeans war außerordentlich. Aber sie wurde von den gewaltigen Flammen aufgeleckt, die von Zeit zu Zeit aus den rußigen Rauchfängen gabelförmig aufflackerten und jedes Tau im Takelwerk hoch oben erleuchteten, wie das berühmte griechische Feuer. Das brennende Schiff fuhr weiter, als ob es zur gewissenlosen Tat der Rache beauftragt sei.

Als die Luken oben von den Töpfen zur Seite geschoben waren, konnte man vorn in den großen Feuerherd hineinsehen. Darauf standen die Tartarengestalten der heidnischen Harpuniere, die auf dem Walschiff immer das Amt des Heizers verrichten. Mit langen Stangen, die mit Zinken versehen waren, langten sie zischende Massen von Speck in die brühend heißen Töpfe. Manchmal stocherten sie unter das Feuer, bis die kräuselnden Flammen wie Schlangen aus den Ofentüren hervorschossen, um sie an den Füßen zu packen. Der Qualm rollte in mürrischen Haufen davon. Wenn das Schiff hochging, so sprang das kochende Öl mit hoch, und es schien, als ob es einem gierig ins Gesicht springen wollte. Gegenüber der Mündung der Öfen, an der Verlängerung des weiten Holzherdes, befand sich das Ankerspill. Das war eine Art Sofa. Darauf hockten die Leute von der Wache, wenn nichts anderes zu tun war, und stierten in die rote Ofenhitze, bis die Augen ihnen wie Fackeln vorkamen. In dem launischen Lichtschein der Schmelzgeräte kamen ihre harten Gesichtszüge, die nun von Qualm und Schweiß verrußt waren, ihre geflochtenen Bärte und der im Gegensatz dazu stehende barbarische Glanz der Zähne auf wunderbare Weise zum Ausdruck.

Da erzählten sie einander ihre teuflischen Abenteuer, Erzählungen des Schreckens, die mit übermütigen Worten dargestellt wurden. Da drang das barbarische Gelächter forkenartig wie die Flammen aus dem Ofen aus ihrem Körper hervor. Da machten die Harpuniere mit ihren ungeheuren Forken, mit den Zinken und den Schöpfgefäßen vor ihnen wilde Gesten. Da fing der Wind an zu heulen. Da sprangen die Wellen hoch. Da stöhnte das Schiff, tauchte unter und stieß ständig das Feuer wie von einer roten Hölle in die tiefschwarze nächtliche See hinein und kaute das weiße Fischgebein verächtlich in seinem Mund und spuckte gemein nach allen Seiten ringsum. Da schien es, als ob der polternde »Pequod«, der eine Fracht von Wilden hatte, mit Feuer geladen wäre, einen Leichnam verbrannte und in die pechschwarze Dunkelheit hineintauchte und so das materielle Gegenstück der Seele des monomanischen Kommandanten wäre.

In jener Nacht hatte ich ein seltsames und unerklärliches Erlebnis. Ich schreckte aus einem kurzen Schlaf im Stehen auf und merkte zu meinem Schrecken, daß etwas nicht stimmte. Das Steuerreep aus den Kieferknochen, gegen das ich mich lehnte, schlug mir in die Seite. In meinen Ohren erklang das leise Brummen der Segel, die gerade anfingen, vom Winde geschüttelt zu werden. Es kam mir so vor, als ob meine Augen offen wären. Halb hatte ich das Gefühl, als ob meine Finger auf den Augenlidern lägen und ich sie in Gedanken ausstreckte. Aber trotz alledem sah ich keinen Kompaß vor mir, nach dem ich mich richten könnte. Und dabei kam es mir so vor, als ob ich noch vor einer Minute nach der Karte gesehen hätte und die ständig brennende Lampe im Kompaßhäuschen sie beleuchtet hätte.

Vor mir schien nur ein aufzuckender Schein zu sein, der durch rote Blitze manchmal geisterhaftes Aussehen bekam. Dabei herrschte der Eindruck vor, daß ich auch auf einem geschwinde forttreibenden Gegenstand stände, der nicht nach einem Hafen vor mir führe, sondern der von allen Häfen am Heck hinter mir hergestürzt käme. Ein mächtiges Gefühl, wie das des Todes, das mir alle Fassung nahm, überkam mich. Meine Hände umfaßten krampfhaft das Steuerreep. Aber ich hatte die verrückte Vorstellung, daß es auf geheimnisvolle Weise verzaubert und umgekehrt wäre. Was ist denn nur mit mir los, lieber Gott, sagte ich! In meinem kurzen Schlaf war ich auf den Kopf gestellt, und hatte das Heck des Schiffes vorn und den Rücken an dem Bug und dem Kompaß. In einem Augenblick sah ich zurück, und hatte gerade noch Zeit, das Schiff umzulegen, so daß es nicht in den Wind flog und wahrscheinlich umgeschlagen wäre. Welch ein schönes Gefühl der Erleichterung hatte ich, als ich aus der widersinnigen nächtlichen Halluzination aufwachte und durch die Zufälligkeit des Schicksals wieder an die Leeseite gebracht wurde!

Sieh nicht zu lange in das Antlitz des Feuers, Mensch! Träume niemals mit einer Hand vor Augen, wenn du am Steuer bist! Kehre niemals dem Kompaß den Rücken zu und nimm den Wink des ansteigenden Steuerreeps dankbar an! Schenke dem künstlichen Feuer keinen Glauben, wenn seine rote Glut alle Dinge geisterhaft erscheinen läßt! Wenn du morgens in die Sonne siehst, wird der Himmel leuchten. Wer wie ein Teufel in die Flammenforken gestiert hat, wird am Morgen in einer unangenehmeren Erleuchtung, die aus der Ferne kommt, aufstrahlen. Die ruhmreiche goldene, frohe Sonne ist die einzige wahre Leuchte. Alle anderen sind Lügner!

Die Sonne verbirgt nicht die tückischen Sümpfe von Virginia; sie verbirgt nicht die verfluchte Campagna bei Rom, auch nicht die weite Sahara und auch nicht die Millionen Meilen von Wüsten und Sorgen, die es unter dem Monde gibt. Die Sonne verbirgt nicht den Ozean, der den dunklen Teil unserer Erde ausmacht und zwei Drittel davon bedeckt. Wer unter den Sterblichen mehr Freude als Leid hat, kann nicht aufrichtig sein. Der aufrichtigste von allen Menschen war der Mann, der das Leid kannte, und das aufrichtigste aller Bücher ist das des Salomo. Der Prediger Salomo ist ein Werk wie der feingehämmerte Stahl des Leides.

Alles ist eitel! Alles! Diese verstockte Welt hat sich die Weisheit Salomos, der kein Christ war, noch nicht zu eigen gemacht. Wer an Krankenhäusern und Kerkern vorbeigeht, wer in schnellem Schritt über Gräber hinweggeht und lieber von Opern redet, als von der Hölle; wer Cooper, Young, Pascal, Rousseau arme Teufel nennt, die krank gewesen wären; und wer ein Leben ohne Sorgen führt und Rabelais für den größten Weisen wegen seiner Fröhlichkeit hält, der Mann taugt nicht dafür, daß er sich auf einen Grabstein niederläßt und den feuchten Moder über dem grünen Gras mit dem unergründlichen und herrlichen Salomo aufrührt!!


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