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8

Axel hatte daheim keine lange Ruhezeit; mit den Herbststürmen begann eine persönliche Mühe und ein großer Verdruß, den er sich selbst zugezogen hatte: Der Telegraph an seiner Wand meldete, daß die Linie in Unordnung sei.

Ach, er war zu gierig nach dem baren Geld gewesen, als er diesen Posten übernommen hatte! Alles war von Anfang an unangenehm gewesen, Brede Olsen hatte ihm gewissermaßen gedroht, als er die Telegraphensachen und das Werkzeug bei ihm abholte; er hatte gesagt: Du denkst wohl nicht mehr daran, daß ich dir im Winter das Leben gerettet habe? – Oline hat mir das Leben gerettet, erwiderte Axel. – So, habe ich dich nicht auf meinem eigenen armen Rücken nach Hause getragen? Und außerdem hast du im Sommer nur darauf gepaßt, mir meinen Hof abzukaufen und mich für den Winter heimatlos zu machen. Ja, Brede war tief gekränkt, er sagte: Nimm du nur den Telegraphen und das ganze Zeug mit dir. Ich und meine Familie, wir lassen uns im Dorf nieder und fangen etwas an, was es ist, weißt du nicht, aber es ist etwas mit einem Hotel und einem Platz, wo die Leute Kaffee trinken können. O, meinst du, wir werden nicht durchkommen? Meine Frau kann alle Arten von Lebensmitteln verkaufen, und ich selbst kann Geschäfte machen und viel mehr dabei verdienen als du. Aber ich will dir nur sagen, Axel, ich könnte dir allerlei Possen spielen, da ich den ganzen Telegraphen sehr gut kenne, ich könnte Stangen umwerfen und Drähte abreißen. Dann müßtest du mitten in der dringendsten Arbeit hinaus. Das will ich dir nur sagen, und du kannst es dir hinter die Ohren schreiben ...

Jetzt eben hätte Axel notwendig die Maschinen vom Landungsplatz heraufholen sollen – ach, jede davon war so schön vergoldet und bunt bemalt wie ein Bild, er hätte sie heute haben und sie besehen und sich genau in ihrem Gebrauch unterrichten können, – jetzt mußten sie stehen bleiben. Es war nicht gut, wenn er wegen der Telegraphenlinie wichtige Arbeit versäumen mußte. Aber es brachte doch Geld ein.

Oben auf dem Berg trifft er Aronsen. Der Kaufmann Aronsen steht da und schaut in den Sturm hinaus, ja er stand da wie eine Erscheinung. Was wollte er da oben? Er hatte wohl keine Ruhe mehr gehabt und war in die Berge gegangen, um selbst die Gruben zu untersuchen. Seht, das tat der Kaufmann Aronsen aus reiner Besorgnis für sich und seine Zukunft. Nun steht er da auf dem verlassenen Berg vor lauter Elend und Zerstörung: verrostete Maschinen, Handwerkszeug, Fuhrwerke, vieles davon unter freiem Himmel, alles ganz trostlos. An verschiedenen Stellen waren an den Wänden der Baracken geschriebene Zettel angeheftet, die verboten, die Gebäude, Gerätschaften und Wagen der Gesellschaft zu beschädigen oder etwas davon mitzunehmen.

Axel fängt ein Gespräch mit dem zornigen Krämer an und fragt: Seid Ihr auf der Jagd? – Ja, wenn ich ihn nur getroffen hätte! antwortete Aronsen. – Wen hättet Ihr denn gerne getroffen? – Wen denn sonst, als den Mann, der mich und alle hier herum ins Verderben bringt? Den Mann, der seinen Berg nicht verkaufen will und weder Bewegung, noch Handel, noch Geld unter die Leute kommen läßt. – Meint Ihr den Geißler? – Ja, gerade den Kerl meine ich. Er müßte erschossen werden! – Axel lacht und sagt: Der Geißler war jetzt vor wenigen Tagen in der Stadt, da hättet Ihr ihn treffen können. Aber nach meiner geringen Meinung glaube ich nicht, daß Ihr den Mann dafür verantwortlich machen solltet. – Warum nicht? fragte Aronsen wütend. – Ich fürchte, er wäre etwas zu unergründlich und zu hochangesehen für Euch. – Sie stritten eine Weile darüber, und Aronsen wurde immer heftiger. Zum Schluß fragte Axel im Scherz: Na, Ihr werdet uns hier im Ödland doch nicht stecken lassen und ganz von hier fortziehen wollen? – Meinst du etwa, ich wolle hier in euren Sümpfen verfaulen und nicht einmal den Tabak für meine Pfeife verdienen? rief Aronsen ärgerlich. Wenn du mir einen Käufer verschaffst, so verkaufe ich auf der Stelle. – Einen Käufer? rief Axel. Auf Eurem Grundstück ist guter Boden, wenn Ihr ihn bebauen wolltet. Bei der Größe des Grundstücks nährt es seinen Mann. – Du hörst doch, daß ich nicht in der Erde graben mag! rief Aronsen wieder in den Sturm hinaus. Ich kann etwas Besseres tun. – Axel meinte, ein Käufer werde wohl zu finden sein, aber Aronsen verhöhnte den bloßen Gedanken daran. Im ganzen Ödland ist kein einziger Mann, der mich auszahlen könnte. – Nein, nicht gerade hier im Ödland. Aber es gibt noch andere. – Ach, hier ist nichts als Armut und Elend! rief Aronsen wütend. – Ja, das mag sein. Aber der Isak auf Sellanraa könnte Euch jeden Tag auszahlen, sagte Axel beleidigt. – Das glaube ich nicht, entgegnen Aronsen. – Es ist mir gleichgültig, was Ihr glaubt, sagte Axel und wollte weitergehen. – Aber Aronsen rief ihm nach: Wart doch einen Augenblick! Meinst du wirklich, Isak könnte mich von Storborg befreien? – Ja, erwiderte Axel. Von fünf Storborg, was das Geld und die Mittel anbelangt.

Aronsen war beim Aufstieg um Sellanraa herumgegangen, er hatte sich nicht sehen lassen wollen, jetzt auf dem Heimweg ging er hinein und hatte eine Unterredung mit Isak. Nein, sagte Isak und schüttelte nur den Kopf. Daran habe ich noch nie gedacht und habe es auch nicht im Sinn. –

Aber als Eleseus an Weihnachten nach Hause kam, war Isak nicht mehr ganz so ablehnend. Er selbst hatte jedenfalls noch nie so etwas Verrücktes gehört, wie Storborg zu kaufen, dieser Einfall wäre ihm jedenfalls nicht selbst gekommen, wenn aber Eleseus meinte, das Geschäft sei etwas für ihn, dann konnte man sich die Sache ja überlegen.

Eleseus selbst schwankte. Er war nicht dafür, aber auch nicht dagegen. Blieb er jetzt zu Hause, so war es gewissermaßen mit ihm aus und vorbei; das Ödland war nicht die Stadt.

Im Herbst, als die Leute aus der Gegend zu dem großen Verhör in der Stadt vorgeladen waren, vermied er es, sich zu zeigen, er hatte keine Lust, mit diesen Dörflern zusammenzutreffen, sie gehörten einer anderen Welt an. Und sollte er nun selbst in diese Welt zurückkehren?

Seine Mutter wollte, man solle kaufen. Sivert wollte auch, daß gekauft werde; die beiden taten sich mit Eleseus zusammen, und eines schönen Tages fuhren alle drei nach Storborg hinunter, um sich dort die Herrlichkeit zu beschauen.

Aber mit der Aussicht, sein Gut loszuwerden, wurde Aronsen sofort ein ganz anderer: Er habe nicht nötig, zu verkaufen! Wenn er von hier fortgehe, so könne der Hof einfach liegen bleiben, der Hof sei bom konstant, ein prächtiges Gut, er könne es jeden Tag verkaufen. Ihr zahlt mir doch nicht, was ich dafür haben will, behauptete Aronsen. – Sie gingen durch alle Räume, waren im Stall, im Vorratshaus, sie besahen sich die armseligen Reste von Waren: einige Mundharmoniken, Uhrketten, Schachteln mit rosa Papier, Hängelampen mit Prismen, lauter bei den Ansiedlern unverkäufliche Sachen. Außerdem war noch ein Rest Baumwollstoffe vorhanden und einige Kisten mit Nägeln.

Eleseus spielte sich auf und beschaute alles mit Sachkenntnis. Für diese Art Waren hab ich keine Verwendung, sagte er. – Ihr braucht sie ja nicht zu kaufen, erwiderte Aronsen. – Aber ich biete Euch fünfzehnhundert Kronen für den Hof, so wie er dasteht, mit Waren und Viehstand und allem zusammen, sagte Eleseus. O, es war ihm sehr gleichgültig, sein Angebot war nur ein Spott, er wollte sich aufspielen.

Dann fuhren sie wieder nach Hause. Nein es wurde nichts aus dem Geschäft. Eleseus hatte Aronsen ein Schandangebot gemacht und ihn damit beleidigt: Ich höre überhaupt gar nicht hin, was du sagst, erklärte Aronsen und duzte ihn, duzte diesen städtischen Springinsfeld, der den Kaufmann Aronsen über Waren belehren wollte. – Soviel ich weiß, habe ich nicht Brüderschaft mit dir getrunken, sagte Eleseus ebenso erzürnt. O, das mußte eine lebenslängliche Feindschaft geben!

Aber warum war Aronsen vom ersten Augenblick an so aufgeblasen gewesen und hatte getan, wie wenn er nicht zum Verkaufen genötigt wäre? Das hatte seinen Grund, Aronsen hatte nämlich wieder eine Art Hoffnung.

Im Dorf unten war eine Versammlung abgehalten worden, um den Zustand zu besprechen, der dadurch eingetreten war, daß Geißler seinen Berg nicht verkaufen wollte. Nicht nur das Ödland litt darunter, der ganze Bezirk kämpfte mit dem Tode. Aber warum konnten denn die Menschen jetzt nicht mehr ebensogut oder schlecht leben wie damals, bevor der Versuchsbetrieb in Angriff genommen war? Nein, das konnten die Menschen nicht! Sie hatten sich jetzt an weiße Grütze gewöhnt, und an weißes Brot, an gekaufte Kleiderstoffe, hohe Löhne, ein flottes Leben, ja, die Menschen hatten sich daran gewöhnt, viel Geld zu haben. Doch nun war der Geldstrom versiegt, wie ein Heringszug war er wieder im Meer verschwunden, lieber Gott, was war das für eine Not, was ließ sich da machen?

Es war kein Zweifel, der ehemalige Lensmann Geißler wollte sich am Dorfe rächen, weil es dem Amtmann beigestanden hatte, ihn abzusetzen, und es war auch gar kein Zweifel, daß das Dorf diesen Mann unterschätzt hatte. Er war nicht so dumm. Mit dem ganz einfachen Mittel, eine schamlose Viertelmillion für ein Stück Berg zu verlangen, hielt er die ganze Entwicklung der Gemeinde auf. War er nicht mächtig? Axel Ström von Maaneland konnte hier mitreden, er hatte Geißler zuletzt gesprochen. Barbro, Bredes Tochter, war in der Stadt vor Gericht geladen gewesen und freigesprochen wieder nach Hause gekommen, und da war Geißler während der ganzen Verhandlung zugegen gewesen! Und wer etwa meinte, der Geißler habe abgewirtschaftet und liege danieder wie irgendein armer Schlucker, der brauchte ja nur die teuren Maschinen zu betrachten, die er Axel zum Geschenk gemacht hatte!

Dieser Mann hielt also das Geschick des Bezirks in seiner Hand, und man mußte sich mit ihm abfinden. Um wieviel würde Geißler wohl im allerletzten Fall seinen Berg verkaufen? Darüber mußte man ins reine kommen. Die Schweden hatten ihm fünfundzwanzigtausend geboten, das hatte Geißler abgelehnt. Aber wie, wenn nun das Dorf, wenn die Gemeinde den Rest zuschoß, damit das Geschäft zustande kam? Wenn es nicht eine gar zu ungereimte Summe war, würde es sich lohnen. Sowohl der Kaufmann unten an der Küste, als auch der Kaufmann Aronsen auf Storborg würden ganz in der Stille und in aller Heimlichkeit einen Beitrag geben, eine solche jetzt gemachte Auslage würde ihnen mit der Zeit wieder hereinkommen.

Schließlich waren zwei Mann beauftragt worden, zu Geißler zu reisen und mit ihm zu reden. Und die wurden nun bald zurückerwartet.

Seht, darum hatte Aronsen wieder Hoffnung gefaßt und glaubte, einen Mann, der Storborg kaufen wollte, hochfahrend behandeln zu können. Aber er sollte nicht lange hochfahrend bleiben.

Nach einer Woche kamen die zwei Abgesandten mit einer unbedingten Ablehnung heim. Ach, das Schlimme an der Sache war schon von Anfang an, daß einer der beiden Abgesandten Brede Olsen war, – weil er so gut Zeit hatte. Die Männer hatten Geißler ganz richtig aufgefunden, aber Geißler hatte nur den Kopf geschüttelt und gelacht. Reist nur wieder nach Hause! hatte er gesagt; aber er hatte ihnen die Heimreise bezahlt.

Und so mußte nun also der ganze Bezirk untergehen!

Nachdem Aronsen eine Zeitlang getobt hatte und allmählich immer ratloser geworden war, ging er eines Tages hinauf nach Sellanraa und schloß den Handel ab. Ja, das tat Aronsen. Eleseus bekam, was er haben wollte, einen Hof mit Gebäuden und Vieh und Waren für fünfzehnhundert Kronen. Allerdings zeigte es sich bei der Übernahme, daß Aronsens Frau den größten Teil des Baumwollzeugs an sich genommen hatte; um solche Kleinigkeiten kümmerte sich jedoch ein Mann wie Eleseus nicht. Man darf nicht kleinlich sein! sagte er.

Aber im ganzen genommen war Eleseus nichts weniger als entzückt. Nun war sein Lebenslauf also besiegelt, das Ödland würde sein Grab werden. Er mußte alle seine großen Pläne fahren lassen; Bureauschreiber war er nicht mehr, Lensmann konnte er nicht werden, nein, er war nicht einmal ein städtischer Herr. Seinem Vater und den andern daheim gegenüber tat er ein wenig groß damit, daß er Storborg genau um den Preis, den er geboten, auch bekommen hatte, da konnten sie sehen, daß er sich auf die Sache verstand! Aber dieser kleine Triumph reichte nicht weit. Er hatte auch die Befriedigung, den Ladendiener Andresen mit übernehmen zu können, der ging gewissermaßen bei dem Handel mit drein, Aronsen brauchte ihn nicht mehr, solange er kein neues Geschäft hatte. Es kitzelte Eleseus ganz eigenartig, als Andresen kam und fragte, ob er nicht bleiben dürfe; da war er nun zum erstenmal Herr und Meister. Du kannst bleiben! sagte er. Ich muß hier am Platz einen Stellvertreter haben, wenn ich meine Geschäftsreisen mache und Handelsverbindungen mit Bergen und Drontheim anknüpfe, sagte er.

Und Andresen war kein schlechter Stellvertreter, das sah er gleich, er war fleißig und hielt gute Aufsicht, während der Herr und Meister Eleseus abwesend war. Nur im Anfang hatte der Ladendiener Andresen hier im Ödland den großen und feinen Herrn herausgekehrt, und daran war sein Herr, Aronsen, Schuld gewesen. Jetzt war es anders geworden. Als im Frühjahr die Moore etwas aufgetaut waren, kam Sivert von Sellanraa nach Storborg hinunter und fing an, bei seinem Bruder Gräben zu ziehen, – und da ging wahrhaftig auch der Ladendiener Andresen hinaus aufs Moor und half Gräben ziehen, – aus was für einem Grunde es auch geschehen mochte, da er es eigentlich nicht nötig hatte; aber ein Mann von solcher Art war er. Der Boden war noch so wenig aufgetaut, daß sie lange nicht tief genug graben konnten, aber sie taten einstweilen wenigstens die halbe Arbeit, und das war schon viel getan. Es war des alten Isaks Gedanke, auf Storborg die Moore zu entwässern und Ackerbau zu treiben, der kleine Kramhandel sollte nur so nebenbei betrieben werden, daß die Leute im Ödland nicht nötig hätten, ins Dorf zu gehen, wenn sie eine Rolle Faden brauchten.

So zogen also Sivert und Andresen Gräben und verschnauften sich zuweilen und führten eine muntere Unterhaltung. Andresen war auf irgendeine Weise in den Besitz eines goldenen Zwanzigkronenstücks gekommen, und nach diesem blitzblanken Geldstück verspürte Sivert großes Gelüste; aber Andresen wollte sich nicht davon trennen, er wickelte es in Seidenpapier und verwahrte es in seiner Truhe. Sivert schlug vor, sie wollten um das Geldstück losen, sie wollten darum kämpfen, aber darauf wagte Andresen sich nicht einzulassen: Sivert bot ihm dann zwanzig Kronen in Papier, und außerdem wollte er das ganze Moor allein entwässern, wenn er das Geldstück bekomme. Aber da war der Ladendiener Andresen beleidigt und sagte: So, damit du deinen Leuten zu Hause erzählen könntest, ich brächte es nicht fertig, im Moor zu arbeiten! Zuletzt einigten sie sich über fünfundzwanzig Kronen in Papier für das Goldstück, und Sivert lief in der Nacht nach Sellanraa und bekam das Papiergeld von seinem Vater.

Ein jugendlicher Einfall, ein Einfall der wackeren, lebenskräftigen Jugend! Eine durchwachte Nacht, eine Meile hin, eine Meile her, den Tag darauf wieder die volle Arbeit – das war nichts für den kräftigen jungen Mann, und es war ein schönes Goldstück. Es war nicht ausgeschlossen, daß sich Andresen wegen dieses guten Handels ein wenig über ihn lustig machte; aber da wußte Sivert guten Rat, er brauchte nur ein Wort von Leopoldine verlauten zu lassen, etwa: Ach ja, das ist wahr, ich sollte dich von Leopoldine grüßen! so hörte Andresen sofort auf und wurde dunkelrot.

Es waren vergnügliche Tage für die beiden, während sie im Moor arbeiteten und sich zum Spaß stritten, wieder arbeiteten und wieder stritten. Zuweilen kam Eleseus zu ihnen heraus und half mit, aber er wurde rasch müde, er hatte weder einen starken Körper noch einen starken Willen, aber er war der liebenswürdigste Mensch. – Da kommt die Oline! konnte der Schäker Sivert sagen. Nun mußt du heimgehen und ihr wieder ein halbes Pfund Kaffee verkaufen! Und das tat Eleseus gerne. Er ging hin und verkaufte Oline irgendeine Kleinigkeit. Solange brauchte er doch keine Schollen umzukehren.

Und die arme Oline, sie mußte von Zeit zu Zeit ein paar Kaffeebohnen haben, ob sie nun ein seltenes Mal das Geld dazu von Axel bekam, oder sich die Bohnen für einen kleinen Ziegenkäse eintauschte. Oline war nicht mehr so ganz unverändert, der Dienst aus Maaneland war im Grunde zu schwer für dies alte Weib und hatte an ihr gezehrt, aber doch nicht so sehr, daß sie ihr Alter oder ihre Hinfälligkeit zugegeben hätte, hoho, sie hätte ihre Meinung ordentlich gesagt, wenn ihr aufgekündigt worden wäre! Sie war zäh und nicht unterzukriegen, tat ihre Arbeit und fand noch Zeit, zu den Nachbarn zu wandern und einen kleinen, unendlich angenehmen Schwatz zu halten, den sie daheim vermissen mußte, denn Axel war kein Redner.

Sie war unzufrieden mit der Gerichtsverhandlung, enttäuscht von dem Ausfall der Verhandlung, dem Freispruch auf der ganzen Linie. Daß Barbro, Bredes Tochter, ohne Strafe davonkam, wenn Inger auf Sellanraa acht Jahre bekommen hatte, das konnte Oline nicht fassen und begreifen, sie nahm ein ganz unchristliches Ärgernis daran, daß man gegen eine andere »so gütig gewesen war.« – Aber der Allmächtige hat seine Meinung noch nicht kund getan! sagte Oline und nickte mit dem Kopfe. Sie stellte damit ein mögliches späteres himmlisches Strafgericht in Aussicht. Natürlich war Oline außerstande, ihr Mißvergnügen über die Sache bei sich zu behalten; besonders wenn sie mit ihrem Hausherrn über das eine oder andere uneinig wurde, machte sie auf ihre Weise Andeutungen und wurde äußerst spitzig: Ja, ich weiß nicht, wie das Gesetz jetzt gegen die Sünder von Sodom und Gomorra geworden ist. Ich aber halte mich an Gottes Wort, so einfältig bin ich.

Ach, Axel war seiner Haushälterin mehr als überdrüssig und wünschte sie dahin, wo der Pfeffer wächst. Nun kam das Frühjahr wieder, und er mußte wieder alle Feldarbeit allein verrichten. Dann kam die Heuernte, und er war verraten und verkauft. Das waren Aussichten! Seine Schwägerin auf Breidablick hatte heim nach Helgeland geschrieben und versucht, eine ordentliche weibliche Hilfskraft für ihn aufzutreiben, aber bis jetzt war es ihr noch nicht geglückt. Und jedenfalls hätte er dann das Reisegeld bezahlen müssen.

Nein, das war eine böse und schlechte Tat von Barbro gewesen, das kleine Kind auf die Seite zu schaffen und selbst auf und davon zu gehen. Zwei Winter und einen Sommer hatte er sich nun mit Oline behelfen müssen, und es sah ganz so aus, als ob es noch länger so bleiben müßte. Aber nahm sich Barbro, die schlechte Person, dies irgendwie zu Herzen? Er hatte einmal während des Winters drunten im Dorf einige Worte mit ihr gesprochen, aber keine Träne war ihr langsam heruntergerollt und da festgefroren. – Was ist aus den Ringen geworden, die ich dir gegeben habe? fragte er. – Ringe? sagte sie. – Ja, Ringe. – Die hab ich nicht mehr. – So, du hast sie nicht mehr? – Zwischen uns war ja alles aus, sagte sie, da konnte ich doch die Ringe nicht mehr tragen. Das ist nicht der Brauch, wenn doch alles aus ist. – Ich möchte nur wissen, was du damit angefangen hast. – Willst du sie wiederhaben? fragte sie. Ich hätte dich nicht für so gemein gehalten. – Axel überlegte einen Augenblick, dann sagte er: Ich hätte dich dafür entschädigen können. Du hättest sie nicht umsonst hergeben müssen.

Aber nichts da, Barbro hatte die Ringe abgelegt und gab Axel nicht einmal Gelegenheit, um einen billigen Preis zu einem goldenen und einem silbernen Ring zu kommen.

Übrigens war Barbro nicht roh und häßlich, nein, das war sie keineswegs. Sie trug eine lange Schürze mit Trägern und Falten, und um ihren Hals stand ein weißer Streifen in die Höhe, das war hübsch. Die Leute behaupteten, sie habe sich im Dorf bereits wieder einen Schatz angeschafft, aber das war vielleicht nur Gerede; die Frau Lensmann hielt sie jedenfalls gut im Zaum und ließ sie in diesem Jahr durchaus nicht zum Weihnachtstanz gehen.

Na, diese Frau Lensmann paßte wahrlich gut auf; während Axel auf der Straße mit seiner früheren Magd über zwei Ringe verhandelte, trat die Frau Lensmann plötzlich dazwischen und sagte: Du solltest mir doch etwas aus dem Laden holen, Barbro! – Barbro lief davon. Nun wandte sich die Frau an Axel und sagte: Könntest du mir nicht irgendein Stück Schlachtvieh verkaufen? – Hm! war alles, was Axel erwiderte, und er grüßte höflich.

Es war ja gerade diese Frau Lensmann gewesen, die ihn im Herbst als einen ausgezeichneten, ja als einen der allerausgezeichnetsten Menschen gelobt und gepriesen hatte, das verdiente wohl ein Entgegenkommen. Axel kannte von früher her die ländliche Art des Benehmens, den großen Herren und der Obrigkeit gegenüber, und es hatte ihm ja auch gleich ein Stück Schlachtvieh, ein junges Rind, das er opfern könnte, vorgeschwebt. Aber es verging ein Tag um den andern, der ganze Herbst verging und ein Monat nach dem andern, und er sparte das Rind. Es sah nicht danach aus, als ob irgend etwas Schlimmes geschehen würde, wenn er es ganz behielte, er wäre jedenfalls um so viel ärmer, wenn er es weggäbe, und es war ein Staatsrind.

Hm. Guten Tag! Nein, sagte Axel und schüttelte den Kopf, er habe kein Schlachtvieh. – Es war als ob die Frau seine innersten Gedanken erriete, denn sie sagte: Ich habe gehört, du habest ein junges Rind. – Jawohl, das hab ich, erwiderte er. – Willst du es aufziehen? – Ja, ich will es aufziehen. – So, sagte die Frau Lensmann. Und hast du nicht einen Hammel? – Nein, jetzt nicht. Ich habe nämlich nicht mehr Vieh behalten, als ich großziehen will. – Nun ja, dann ist es eben nichts, sagte die Frau Lensmann, nickte ihm zu und ging.

Axel fuhr nach Hause, aber er dachte weiter über diese Unterredung nach und er fürchtete, er habe sich am Ende dumm benommen. Die Frau Lensmann war doch einmal eine wichtige Zeugin gewesen, für ihn und gegen ihn, aber eine wichtige Zeugin. Man hatte ihm ja allerlei nachgesagt, aber er war doch aus einer schwierigen und unheimlichen Geschichte mit einer Kindsleiche in seinem Walde glatt herausgekommen. Er mußte am Ende doch einen Hammel opfern.

Übrigens merkwürdig, dieser Gedanke stand in einem fernen Zusammenhang mit Barbro. Wenn er mit einem Hammel zu ihrer Herrin kam, mußte Barbro doch einen gewissen Eindruck von ihm bekommen.

Aber wieder verging ein Tag um den andern, und es geschah nichts Schlimmes durch den Aufschub. Als er wieder ins Dorf hinunterfuhr, nahm er keinen Hammel mit, nein; das tat er nicht. Aber im letzten Augenblick nahm er ein Lamm mit. Es war übrigens ein großes Lamm, also kein geringes Tier, und als er damit ankam, sagte er: Die Hammel haben ein zähes Fleisch, ich wollte Ihnen etwas wirklich Gutes bringen. – Aber die Frau Lensmann wollte nichts von einem Geschenk hören. Sag, was du für das Lamm haben willst, sagte sie. Diese Dame hielt etwas auf öffentliche Ordnung. Nein, danke, sie nahm keine Geschenke von den Leuten entgegen. Und die Sache lief wahrhaftig darauf hinaus, daß Axel sein Lamm gut bezahlt bekam.

Barbro bekam er nicht zu Gesicht. Die Frau Lensmann hatte ihn wohl kommen sehen und Barbro aus dem Wege geschafft. Na, Glück zu, Barbro hatte ihn anderthalb Jahre lang um seine weibliche Hilfskraft betrogen!


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