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5

Isak hätte sich auch sonst noch über das eine oder andere verwundern können, aber er war nicht dazu geschaffen, an viele Dinge auf einmal zu denken. Wo ist Inger? fragte er nur, als er an der Küchentür vorbeikam, denn er dachte daran, daß Geißler ordentlich bewirtet werden müsse.

Inger? Sie war in die Beeren gegangen, war in den Beeren gewesen, seit Isak auf den Berg gestiegen war, sie mit Gustaf, dem Schweden. Das alte Ding, sie war so toll und verliebt; es ging zwar dem Herbst und dem Winter zu, aber sie fühlte wieder Sommerhitze in sich, ihr Herz blühte! Komm und zeig mir, wo Multebeeren wachsen, sagte Gustaf. Wer hätte da widerstehen können! Sie lief in ihre Kammer und war einige Minuten lang ernst und fromm; aber er stand draußen und wartete, die Welt war ihr dicht auf den Fersen; sie ordnete ihre Haare, beschaute sich nach allen Seiten im Spiegel und ging dann wieder hinaus. Was weiter, wer hätte das auch nicht getan! Die Frauen können den einen Mann nicht von dem andern unterscheiden, nicht immer, nicht oft.

Sie gehen also in die Beeren und pflücken, pflücken Multebeeren auf dem Moor, sie steigen von einem Erdhaufen auf den andern, sie hebt ihre Röcke in die Höhe und läßt ihre schönen Waden sehen. Rundum ist es still, das Schneehuhn hat schon große Junge und zischt nicht mehr, es gibt weiche Plätzchen im Gebüsch auf dem Moor. Sie sind noch nicht eine Stunde gegangen, und schon ruhen sie aus. Inger sagt: Bist du so einer! Ach, sie ist so schwach ihm gegenüber, sie lächelt verlegen, denn sie ist sehr verliebt, ach, wie ist doch Verliebtsein süß und bitter zugleich! Schick und Brauch verlangen wohl, sich zu wehren. Ja, um endlich doch nachzugeben. Inger ist sehr verliebt, sterblich und ohne Gnade verliebt, sie will ihm wohl und ist nur gut und herzlich gegen ihn.

Das alte Ding!

Wenn der Stall fertig ist, dann gehst du fort, sagt sie. – Nein, er gehe nicht fort. Natürlich müsse er einmal fortgehen, aber nicht schon in einer Woche. – Wollen wir nicht heimgehen? fragt sie. – Nein.

Sie pflücken Beeren, und nach einer Weile finden sie wieder weiche Plätzchen im Gebüsch, und Inger sagt: Du bist verrückt, Gustaf! Die Stunden vergehen, jetzt sind sie wohl im Gebüsch eingeschlafen. Sind sie eingeschlafen? Das ist ausgezeichnet, mitten im Ödland, in Eden. Da setzt sich Inger auf und horcht und sagt: Ich meine, ich höre weit drüben auf dem Weg einen Wagen fahren.

Die Sonne sinkt; während sie heimgehen, werden die Heidehügel im Schatten dunkler. Sie kommen noch an vielen geschützten Stellen vorbei, Gustaf sieht sie, und Inger sieht sie wohl auch, aber sie meint die ganze Zeit, es fahre jemand vor ihnen her. Aber sich auf dem ganzen Heimweg gegen einen närrischen hübschen Jungen wehren müssen? Inger ist sehr schwach, sie lächelt nur und sagt: Nein, so einen wie dich hab ich doch noch nie gesehen!

Inger kommt allein nach Hause. Es ist gut, daß sie jetzt kommt, großartig ist es, eine Minute später wäre nicht so gut gewesen. Isak ist gerade mit seiner Schmiede und mit Aronsen in den Hof getreten, und ein Pferd mit einem Wagen hält auch eben vor der Tür.

Guten Tag! sagt Geißler und begrüßt dann auch Inger.

Da stehen diese Menschen und schauen einander an. Es könnte nicht besser passen.

Geißler ist wiedergekommen. Er ist einige Jahre weggewesen, aber jetzt ist er wieder da, etwas älter und grauer, aber lebhaft wie immer, und jetzt ist er fein gekleidet, trägt eine weiße Weste und eine goldene Kette. Der Teufel verstehe diesen Mann!

Hat er Kunde erhalten, daß jetzt auf dem Kupferberg etwas vor sich ging, und wollte er die Sache untersuchen? Gut, hier war er. Er sieht hell wach aus, mustert Häuser und Felder, indem er den Kopf sachte hin und her dreht und die Blicke wandern läßt; er sieht große Veränderungen, der Markgraf hat seine Herrschaft erweitert. Geißler nickt befriedigt.

Was schleppst du denn da herbei? fragt er Isak. Das ist ja eine ganze Pferdelast! sagt er. – Eine Schmiedeesse, erklärt Isak. Die wird mir hier auf der Ansiedlung manches liebe Mal zugute kommen, sagt er und heißt Sellanraa immer noch eine Ansiedlung. – Wo hast du sie her? – Der Ingenieur droben auf dem Berg hat sie mir geschenkt. – Ist auf dem Berg ein Ingenieur? fragt Geißler, wie wenn er es nicht wüßte.

Sollte Geißler hinter dem Ingenieur auf dem Berg zurückstehen? Ich habe gehört, daß du dir eine Mähmaschine gekauft hast, jetzt habe ich dir dazu einen Heurechen mitgebracht, sagt er und deutet auf den Wagen. Da stand die Maschine, rot und blau, ein unmäßig großer Kamm, ein Heurechen, der von einem Pferd gezogen wurde. Sie hoben die Maschine vom Wagen und betrachteten sie, Isak spannte sich vor und versuchte sie auf der nackten Erde. Der Mund stand ihm offen vor Verwunderung. Ein Wunder nach dem andern war nach Sellanraa gekommen.

Sie sprachen über den Kupferberg, über das Bergwerk. Sie haben dort eifrig nach Euch gefragt, sagt Isak. – Wer hat gefragt? – Der Ingenieur und alle die Herren. Sie müßten Euch unbedingt auffinden, sagten sie. Ach, Isak machte sicher zu viel aus der Sache, Geißler vertrug das vielleicht nicht, er machte einen steifen Nacken und sagte: Da bin ich, wenn sie etwas von mir wollen.

Den Tag darauf kamen die beiden Stafetten aus Schweden zurück, und mit ihnen kamen zwei von den Eigentümern des Bergwerks; sie waren zu Pferd, vornehme, dicke Herren und allem Anschein nach steinreich. Sie hielten auf Sellanraa fast nicht an, sondern erkundigten sich nur vom Pferd aus nach dem Wege und ritten weiter nach dem Berge zu. Sie taten, als ob sie Geißler gar nicht sähen, obgleich er ganz in der Nähe stand. Die Stafetten mit den beladenen Packpferden ruhten eine Stunde aus, unterhielten sich mit den Maurern, die am Stall arbeiteten, erfuhren, daß der alte Herr mit der weißen Weste und der goldenen Kette Geißler sei, und dann zogen auch sie weiter. Aber die eine der Stafetten kam noch am selben Abend wieder auf den Hof herunter mit der mündlichen Botschaft, Geißler solle zu den Herren hinaufkommen. Hier bin ich, wenn sie etwas von mir wollen, ließ Geißler antworten.

Geißler war großartig geworden, er dachte vielleicht, er habe die ganze Welt in der Tasche, oder fand er eine mündliche Botschaft gar zu nachlässig? Aber wie ging es zu, daß er gerade in dem Augenblick nach Sellanraa kam, wo man ihn brauchte? War er denn allwissend? Na, als die Herren auf dem Berge diese Antwort bekamen, mußten sie sich wohl oder übel nach Sellanraa herabbemühen. Der Ingenieur und die beiden Sachverständigen kamen mit.

Aber es waren noch allerlei Wendungen und Winkelzüge notwendig, ehe die Zusammenkunft zustande kam. Das versprach nicht viel Gutes, Geißler tat ungeheuer großartig.

Die Herren waren jetzt recht höflich, sie baten Geißler, zu entschuldigen, daß sie gestern nach ihm geschickt hätten, sie seien von der Reise sehr ermüdet gewesen. Geißler war auch wieder höflich, er erwiderte, auch er sei von seiner Reise ermüdet gewesen, sonst wäre er hinaufgekommen. Ja, aber nun zur Sache: Ob er den Berg auf der Südseite des Wassers verkaufen wolle? – Sind die Herren selbst Käufer oder spreche ich mit Zwischenhändlern? – Das war die reine Bosheit von Geißlers Seite, er mußte doch sehen, daß diese vornehmen und dicken Herren keine Zwischenhändler sein konnten. Dann ging es weiter: Der Preis? fragten sie. – Ja, der Preis! sagte auch Geißler und überlegte. Zwei Millionen, sagte er dann. – Ach so, sagten die Herren und lächelten. – Aber Geißler lächelte nicht.

Der Ingenieur und die Sachverständigen hatten so obenhin den Berg untersucht, hatten einige Löcher gebohrt und gesprengt, und das Ergebnis lautete also: Das Vorkommen des Kupfers war auf Eruptionen zurückzuführen, die Kupferfunde waren sehr ungleich verteilt, nach der vorläufigen Untersuchung waren sie am mächtigsten an der Grenze zwischen dem Eigentum der Gesellschaft und dem von Geißler, weiterhin nahmen sie wieder ab. Auf der letzten halben Meile kam kein abbauwürdiger Kupferkies mehr vor.

Geißler hörte diesem Bericht mit der größten Gleichgültigkeit zu. Er zog einige Dokumente aus der Tasche, die er aufmerksam durchsah, aber es waren keine Karten, und Gott weiß, ob sie überhaupt den Kupferberg betrafen. – Es ist nur nicht tief genug gebohrt worden, sagte er, als ob er das aus seinen Papieren entnehme. Das gaben die Herren sofort zu; aber der Ingenieur fragte, wie Geißler das wissen könne, er habe ja überhaupt gar nicht gebohrt. – Da lächelte Geißler, als ob er mindestens ein paar hundert Meter tief in den Erdball hineingebohrt, aber dann die Bohrlöcher unkenntlich gemacht habe.

Bis Mittag redeten sie hin und her, dann schauten die Herren auf ihre Uhren. Geißler war mit seinen Ansprüchen bis aus eine Viertelmillion heruntergegangen, aber weiter herunter ging er nicht um Haaresbreite. Nein, sie mußten ihn ernstlich verletzt haben, sie gingen von der Anschauung aus, daß er gerne verkaufen würde, daß er genötigt sei, zu verkaufen; aber das war er nicht, hoho, konnten sie denn nicht sehen, daß er beinahe ebenso vornehm und großartig war wie sie? – Fünfzehn- bis zwanzigtausend seien auch eine schöne Summe, meinten die Herren. – Geißler sagte: Dagegen sei nichts einzuwenden, wenn man das Geld gerade nötig habe, aber zweihundertundfünfzigtausend seien mehr. – Da sagte einer von den Herren, und er sagte das, um Geißler gleichsam niederzudrücken: Eben fällt mir ein, wir sollen Sie von Frau Geißlers Verwandten in Schweden grüßen. – Danke! sagte Geißler. – Apropos! sagte der andere Herr, da dies nichts genützt hatte. Eine Viertelmillion! Es ist doch aber kein Gold, sondern Kupferkies. – Geißler nickte. Ja, es ist Kupferkies.

Da wurden die Herren alle miteinander ungeduldig, fünf Uhrendeckel sprangen auf und klappten wieder zu, und jetzt war keine Zeit mehr zum Scherzen, jetzt war Mittag. Die Herren verlangten kein Essen auf Sellanraa, sie ritten zurück zu den Gruben und speisten dort ihr eigenes Essen.

So verlief diese Zusammenkunft.

Geißler blieb allein zurück.

Was waren das wohl für Überlegungen, die ihn bewegten? Vielleicht gar keine, vielleicht war es ihm gleichgültig, und er überlegte gar nicht. O nein, er überlegte, aber er ließ keinerlei Unruhe merken. Nach dem Mittagessen sagte er zu Isak: Ich wollte eigentlich einen weiten Gang über meinen Berg machen und hätte wie das letztemal Sivert gerne mitgenommen. – Isak sagte augenblicklich zu. – Nein, er hat anderes zu tun, erklärte Geißler. – Er soll sofort mit Euch gehen, sagte Isak und rief Sivert von seiner Maurerarbeit ab. – Aber Geißler hob die Hand und sagte kurz: Nein!

Er trieb sich auf dem ganzen Hof herum, kam auch mehrere Male wieder bei den Maurern vorbei und unterhielt sich da lebhaft mit ihnen. Daß er das konnte, wo ihn doch eben erst so etwas Wichtiges in Anspruch genommen hatte! O vielleicht hatte er so lange in unsicheren Verhältnissen gelebt, daß eigentlich für ihn gar nichts mehr auf dem Spiele zu stehen schien, einen schwindelnden Sturz würde er auf keinen Fall tun.

Hier stand er nun vor einem reinen Glücksfall. Nachdem er das kleine Grubenstück an die Verwandten seiner Frau verkauft hatte, ging er stracks hin und kaufte den ganzen übrigen Berg; warum hatte er das getan? Wollte er die jetzigen Eigentümer dadurch ärgern, daß er ihr nächster Nachbar wurde? Ursprünglich hatte er wohl nur auf der Südseite des Wassers, da, wohin die Grubenstadt kommen mußte, wenn je ein Bergwerk errichtet wurde, einen Streifen haben wollen; Eigentümer des ganzen Berges aber wurde er, weil ihn dies beinahe nichts kostete, und weil er sich die Mühe einer weitläufigen Grenzabsperrung sparen wollte. Er wurde Bergkönig aus Gleichgültigkeit, ein kleiner Bauplatz für Baracken und Maschinenschuppen wurde zu einem Reiche, das bis hinunter ans Meer ging.

In Schweden ging der erste kleine Grubenteil von Hand zu Hand, und Geißler hielt sich über dessen Schicksal stets unterrichtet. Natürlich hatten die ersten Besitzer dumm gekauft, verrückt dumm, der Familienrat war nicht sachverständig gewesen, und die Herren hatten sich kein genügend großes Stück des Berges gesichert, sie hatten nur einen gewissen Geißler abfinden und sich ihn vom Halse schaffen wollen. Aber die neuen Besitzer waren nicht weniger komische Leute, sie waren gewaltige Männer, die sich einen Scherz erlauben und nur so zum Vergnügen, etwa bei einem Gelage, kaufen konnten, wer weiß! Aber als es nun zu einem Versuchsbetrieb kam und Ernst aus der Sache wurde, standen sie plötzlich vor einer Mauer: Geißler.

Sie sind Kinder! dachte Geißler vielleicht von seiner Höhe herunter, er war sehr mutig und steifnackig geworden. Die Herren hatten allerdings versucht, ihn mit kaltem Wasser zu begießen, sie hatten geglaubt, vor einem Dürftigen zu stehen, und deshalb ein Wörtlein von so fünfzehn bis zwanzigtausend fallen lassen. Sie waren Kinder, sie kannten Geißler nicht. Hier stand er. Die Herren kamen an diesem Tage nicht mehr vom Berg herunter, sie meinten wohl, klug zu handeln, wenn sie sich nicht gar so eifrig zeigten. Am nächsten Morgen kamen sie indes doch, hatten ihr Packpferd bei sich, und waren auf der Heimreise. Aber da war Geißler weggegangen.

War Geißler weggegangen?

Die Herren konnten unter diesen Umständen nichts vom Pferde aus abmachen, sie mußten absteigen und warten. Wohin war Geißler gegangen? Niemand wußte es, er ging überall herum, er interessierte sich für Sellanraa, zuletzt war er bei dem Sägewerk gesehen worden. Die Stafetten wurden ausgesandt, ihn zu suchen, aber er mußte wohl weit weggegangen sein, denn er gab keine Antwort, als er gerufen wurde. Die Herren schauten nach ihren Uhren und waren anfänglich sehr ärgerlich und sagten: Wir werden doch nicht die Narren sein und warten! Wenn Geißler verkaufen will, so soll er auch auf dem Platze sein! O ja, aber der große Ärger der Herren legte sich, sie warteten, ja sie wurden scherzhaft, das war ja zum Verzweifeln, sie mußten hier an der Grenzscheide des Berges über Nacht bleiben. Das geht ja brillant, sagten sie. Unsere Angehörigen werden dereinst unsere gebleichten Gebeine finden!

Endlich kam Geißler. Er hatte sich auf dem ganzen Gute umgesehen, und jetzt kam er eben vom Sommerstall. Es kommt mir vor, als ob auch der Sommerstall für dich zu klein würde, sagte er zu Isak. Wieviel Stück Vieh hast du denn alles in allem da droben? – So konnte er sprechen, obgleich die Herren mit der Uhr in der Hand dastanden. Geißler hatte eine merkwürdige Röte im Gesicht, als ob er starke Getränke genossen hätte. Puh, ist mir von dem Gang warm geworden! sagte er.

Wir hatten einigermaßen erwartet, Sie würden auf dem Platze sein, sagte einer der Herren. – Darum hatten mich die Herren nicht gebeten, erwiderte Geißler. Sonst wäre ich auf dem Platze gewesen. – Na, und der Handel? Ob Geißler heute ein vernünftiges Gebot annehmen wolle? Es würden ihm doch wohl nicht jeden Tag fünfzehn bis zwanzigtausend angeboten, oder doch? – Diese neue Andeutung verletzte Geißler bedeutend. War das auch eine Art? Und die Herren hätten sicherlich nicht so gesprochen, wenn sie nicht ärgerlich gewesen wären, und Geißler wäre nicht auf der Stelle blaß geworden, wenn er nicht vorher an einem einsamen Ort gewesen und rot geworden wäre. Jetzt erbleichte er und erwiderte kalt: Ich will nicht andeuten, was den Herrn zu bezahlen vielleicht erschwinglich ist, dagegen weiß ich, was ich haben will. Ich will das Kindergeschwätz über den Berg nicht mehr hören. Mein Preis ist derselbe wie gestern. – Eine Viertelmillion Kronen? – Ja. –

Die Herren stiegen zu Pferd.

Jetzt will ich Ihnen etwas sagen, Geißler, begann der eine. Wir wollen bis auf fünfundzwanzigtausend gehen. – Sie sind immer noch scherzhaft aufgelegt, erwiderte Geißler. Ich will Ihnen einen ernsthaft gemeinten Gegenvorschlag machen: Wollen Sie mir Ihr kleines Grubenstückchen verkaufen? – Ja, das lasse sich überlegen, sagten die einigermaßen überrumpelten Herren. – Dann werde ich es kaufen, erklärte Geißler.

O, dieser Geißler! Der ganze Hof stand voller Menschen, die ihn reden hörten, alle Leute von Sellanraa und die Maurer und die Herren und die Stafetten; er konnte sich vielleicht überhaupt kein Geld zu einem solchen Geschäft verschaffen, aber Gott weiß, ob er es nicht am Ende doch konnte, wer verstand sich auf ihn! Auf jeden Fall brachte er mit seinen wenigen Worten eine kleine Revolution unter den Herren hervor. Wollte er ihnen ein Schnippchen schlagen? Meinte er, seinen Berg durch dieses Vorgehen wertvoller zu machen?

Die Herren überlegten wirklich, die Herren fingen an, leise miteinander darüber zu reden, sie stiegen wieder von den Pferden. Da mischte sich der Ingenieur in die Sache, sie kam ihm wohl zu erbärmlich vor, und er schien auch die Macht und die Gewalt dazu zu haben. Jetzt stand ja der ganze Hof voll von Leuten, die alle zuhörten. – Wir verkaufen nicht! erklärte er bestimmt. – Nicht? fragten die Herren. – Nein! Sie flüsterten ein Weilchen zusammen, dann stiegen sie wirklich im Ernst zu Pferd. – Fünfundzwanzigtausend! rief einer der Herren. – Geißler gab keine Antwort, er drehte sich um und ging wieder zu den Maurern.

Und so verlief die letzte Zusammenkunft.

Geißler tat den Folgen gegenüber ganz gleichgültig, er ging hin und her und sprach von dem und jenem, jetzt war er ganz davon hingenommen, daß die Maurer eben gewaltig große Deckenbalken über den ganzen Stall legten. Sie wollten noch in dieser Woche mit dem Stall fertig werden, es sollte nur ein Notdach errichtet werden, später würde man noch einen Heuboden auf den Stall aufsetzen.

Isak hielt Sivert von der Arbeit am Stall zurück und ließ ihn nichts tun, damit Geißler zu jeder Zeit den jungen Mann zu einem Gang in die Berge bereitfinde. Das war eine unnütze Vorsorge, Geißler hatte seine Absicht aufgegeben, oder sie vielleicht auch vergessen. Nachdem er von Inger etwas Mundvorrat bekommen hatte, schlug er gegen Abend den Weg nach dem Dorf hinunter ein und blieb über das Abendessen fort.

Er kam an den beiden neuen Ansiedlungen unterhalb Sellanraa vorbei und sprach mit den Leuten dort, er kam bis nach Maaneland und wollte sehen, was Ström in den letzten Jahren ausgerichtet hatte. Es war mit ihm nicht so sehr vorwärtsgegangen, aber er hatte doch viel Land urbar gemacht. Geißler interessierte sich auch für diese Ansiedlung und fragt: Hast du ein Pferd? – Ja. – Unten, weiter südlich, habe ich eine Mähmaschine und einen Reolpflug stehen, neue Sachen, die will ich dir schicken. – Was! rief Axel und konnte sich eine solche Freigebigkeit gar nicht vor, stellen, er dachte an Abzahlung. – Ich will dir die Geräte schenken, sagte Geißler. – Das ist doch nicht möglich! meinte Axel. – Aber du mußt deinen beiden Nachbarn helfen und ihnen ein Stück Neuland umbrechen, verlangte Geißler. – Das soll nicht fehlen, versprach Axel, aber er konnte den ganzen Geißler nicht verstehen. So, dann habt Ihr also Grundbesitz und Maschinen im Süden? fragte er. – Geißler antwortete: Ach, ich habe gar vielerlei. – Seht, das hatte Geißler vielleicht gar nicht, er hatte nicht vielerlei Geschäfte, aber er tat oft so. Diese Mähmaschine und diesen Reolpflug brauchte er ja nur in irgendeiner Stadt zu kaufen und heraufzuschicken.

Er hatte ein langes Gespräch mit Axel Ström über die andern Ansiedler in der Gegend, über das Handelshaus Storborg, über Axels Bruder, einen jung verheirateten Mann, der jetzt nach Breidablick gekommen war und angefangen hatte, die Moore zu entwässern. Axel beklagte sich darüber, daß keine weibliche Hilfe zu bekommen sei, er habe nur eine alte Frau namens Oline, sie sei nicht viel nütze, aber er müsse doch froh sein, solange er sie halten könne. Im Sommer habe er eine Zeitlang Tag und Nacht arbeiten müssen. Er hätte vielleicht eine weibliche Hilfe aus seinem Heimatort, aus Helgeland, bekommen können, aber dann hätte er ihr außer dem Lohn auch noch das Reisegeld bezahlen müssen. Er habe Ausgaben nach allen Seiten. Axel erzählte weiter, daß er die Aufsicht über die Telegraphenlinie übernommen habe, aber das reue ihn einigermaßen. Das ist etwas für Leute wie Brede, sagte Geißler. – Ja, das ist sehr richtig gesagt, gab Axel zu. Aber es war wegen des Geldes. – Wie viele Kühe hast du? fragte Geißler. – Vier. Und einen jungen Stier. Es ist sehr weit bis nach Sellanraa zum Stier.

Aber eine viel wichtigere Sache, die er mit Geißler besprechen wollte, lag Axel Ström auf dem Herzen. Es war jetzt eine Untersuchung im Gang gegen Barbro. Ja, natürlich war die Sache herausgekommen. Barbro war guter Hoffnung gewesen, aber sie war frank und frei und ohne Kind von hier abgereist. Wie hing das zusammen? Als Geißler vernahm, um was es sich handelte, sagte er kurz und gut: Komm mit! und führte Axel weit von den Gebäuden weg. Dann setzte er eine äußerst wichtige Miene auf und benahm sich wie eine Art Obrigkeit. Sie ließen sich am Waldessaum nieder und Geißler sagte: So, nun laß mich hören!

Natürlich war die Sache herausgekommen, wie hätte es auch anders gehen können! Die Gegend war nicht mehr menschenleer, und außerdem war Oline gekommen. Was hatte Oline mit der Sache zu tun? Oh, die! Und außerdem hatte sich Brede mit ihr verkracht. Jetzt war an Oline nicht mehr länger vorbeizukommen, sie wohnte an Ort und Stelle und konnte Axel selbst allmählich ausforschen; sie lebte ja für verdächtige Sachen, ja sie lebte zum Teil davon, da war also wieder etwas mit der richtigen Witterung! Eigentlich war Oline jetzt zu alt, um Haus und Vieh auf Maaneland zu versorgen, sie hätte es aufgeben sollen, aber konnte sie das? Hätte sie einen Ort, wo ein so großes Geheimnis verborgen lag, ruhig verlassen können? Sie brachte die Winterarbeit fertig, ja sie schindete sich auch noch den Sommer hindurch, es kostete sie große Anstrengung, und sie hielt sich nur durch die Aussicht aufrecht, einer Tochter von Brede etwas nachweisen zu können. Kaum fing im Frühjahr der Schnee an zu schmelzen, so schnupperte Oline bereits in der Gegend umher, sie fand den kleinen Hügel am Bach und erkannte sofort, daß der Rasen in Stücken aufgelegt war; sie hatte auch eines Tages das Glück gehabt, Axel zu treffen, wie er das kleine Grab festtrat und es ebnete. Axel wußte also auch von der Sache. Oline nickte mit ihrem grauen Kopf, jetzt war ihre Zeit gekommen.

Nicht Axels wegen. Axel war gar kein unguter Mann, um bei ihm zu sein, aber er war sehr genau und zählte seine Käse und wußte Bescheid von jedem Büschel Wolle. Oline hatte durchaus nicht freie Hand. Und bei der Rettung letztes Jahr, hatte sich Axel da als Herr gezeigt und sich freigebig erwiesen? Nein, im Gegenteil, er bestand auf seiner Teilung des Triumphes. Jawohl, sagte er, wäre Oline nicht gekommen, so hätte er in der Nacht erfrieren müssen, aber Brede sei ihm auf dem Heimweg auch eine gute Hilfe gewesen! Das war der Dank! Oline meinte, da müsse sich der Allmächtige über die Menschen empören! Hätte nicht Axel eine Kuh am Strick ergreifen, sie herausführen und sagen können: Das ist deine Kuh, Oline! Aber nein.

Jetzt kam's darauf an, ob es ihn nicht mehr kosten würde als eine Kuh.

Den Sommer über paßte Oline jeden einzelnen Menschen ab, der vorbeiging, sie flüsterte mit ihm und nickte und vertraute sich ihm an. Aber kein Wort weitersagen! gebot sie. Oline war auch ein paarmal drunten im Dorf. Und nun schwirrte es mit Gerüchten in der Gegend, die waren wie ein Nebel, der sich um die Gesichter legt und in die Ohren dringt, selbst die Kinder, die auf Breidablick in die Schule gingen, fingen an zu nicken und geheimnisvoll zu tun. Schließlich mußte sich auch der Lensmann rühren, mußte Bericht erstatten und seine Befehle entgegennehmen. Eines Tages kam er mit einem Begleiter und einem Protokoll nach Maaneland und untersuchte und schrieb und ging wieder heim. Aber drei Wochen danach kam er wieder und untersuchte und schrieb noch mehr, und diesmal öffnete er auch einen kleinen grünen Hügel am Bach und holte die Kindsleiche heraus. Oline war ihm dabei eine unentbehrliche Hilfe, und als Entgelt für ihre Mühe mußte er ihre vielen Fragen beantworten, und da sagte er unter anderem auch, ja, es könnte schon die Rede davon sein, Axel zu verhaften. Da schlug Oline die Hände zusammen über all die Schändlichkeit, in die sie hier hineingekommen sei, und wünschte sich weg, weit weg! Aber sie, die Barbro? flüsterte sie. – Das Mädchen Barbro sitzt verhaftet in Bergen, sagte der Lensmann. Die Gerechtigkeit muß ihren Gang gehen, sagte er. Dann nahm er die Leiche mit sich und fuhr wieder fort.

Es war also nicht verwunderlich, daß Axel in großer Spannung war. Er hatte dem Lensmann seine Aussagen gemacht und nichts geleugnet. Das Kind war sein, und er hatte ihm mit eigener Hand ein Grab gegraben. Nun erkundigte er sich bei Geißler, wie es wohl weitergehen werde. Er müsse wohl in die Stadt und ein viel schlimmeres Verhör und sonstige Widerwärtigkeiten erdulden?

Geißler war nicht mehr der gleiche wie zuvor, nein, die umständliche Erzählung hatte ihn ermüdet, er schien schläfrig zu werden, – was nun auch der Grund sein mochte; ob vielleicht der Geist vom Morgen nicht mehr über ihm war? Er sah auf seine Uhr, stand auf und sagte: Das muß gründlich überlegt werden, ich will darüber nachdenken. Du sollst meine Antwort bekommen, ehe ich abreise.

Damit ging Geißler.

Gegen Abend kam er nach Sellanraa zurück, aß ein wenig und ging zu Bett. Er schlief bis tief in den Tag hinein, schlief und ruhte aus, er war wohl ermattet nach der Zusammenkunft mit den schwedischen Grubenbesitzern. Erst zwei Tage nachher machte er sich zur Abreise fertig. Da war er wieder großartig und überlegen, bezahlte reichlich und schenkte der kleinen Rebekka ein neues Kronenstück.

Isak hielt er eine Rede und sagte: Es ist ganz einerlei, daß es jetzt nicht zu einem Verkauf gekommen ist, das wird schon noch werden. Vorläufig lege ich den Betrieb dort oben lahm. Das waren rechte Kinder, sie meinten, mich übers Ohr hauen zu können. Hast du gehört, daß sie mir fünfundzwanzigtausend boten? – Ja, sagte Isak. – Nun, erwiderte Geißler und scheuchte mit einer Kopfbewegung jede Art von Schandangebot und jegliches Staubkorn weit weg. Es schadet dem Bezirk hier oben gar nichts, wenn ich den Betrieb lahmlege, im Gegenteil, es wird die Leute veranlassen, ihr Land zu bebauen. Aber drunten im Dorf, da wird man's merken. Es ist ja im Sommer viel Geld unter die Leute gekommen, schöne Kleider und süßen Brei gab's für jedermann; damit ist es jetzt aus. Siehst du, das Dorf hätte wohl gut Freund mit mir sein können, dann wäre es vielleicht anders gegangen. Jetzt habe ich zu bestimmen.

Er sah nun allerdings nicht so aus, als habe er über viel zu gebieten; als er ging, trug er ein Päckchen mit Mundvorrat in der Hand, und seine Weste war nicht mehr blendendweiß. Vielleicht hatte ihn seine gute Frau mit dem Rest der vierzigtausend Kronen, die sie einmal erhalten hatte, für diese Reise ausgestattet, Gott weiß, ob das nicht der Fall war. Aber nun kommt er kahl heim!

Geißler vergaß nicht, auf dem Heimweg bei Axel Ström einzutreten und ihm Bescheid zu sagen. Ich habe darüber nachgedacht, die Sache ist nun einmal im Gang, du kannst jetzt nichts tun. Du wirst zu einem Verhör vorgeladen werden und mußt deine Aussagen machen ... Das war nur so ein Gerede, Geißler hatte vielleicht gar nicht mehr an die Sache gedacht. Und Axel sagte niedergeschlagen zu allem ja. Zum Schluß aber blies sich Geißler wieder zu einem gewaltigen Mann auf, er zog die Brauen hoch und sagte nachdenklich: Ob ich vielleicht in die Stadt kommen und bei der Verhandlung anwesend sein könnte? – Ach ja, wenn Ihr das könntet! rief Axel. – Im nächsten Augenblick entschied Geißler: Ich will sehen, ob ich Zeit finde. Ich habe allerdings drunten im Süden recht vielerlei zu besorgen; aber ich will sehen, ob ich nicht Zeit finden kann. Für heute leb' wohl! Ich werde dir die Maschinen schicken.

Geißler ging.

Ob das nun wohl seine letzte Reise in die Gegend gewesen war?


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