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Und im Winter kam die gewohnte Arbeit an die Reihe, Holz wurde gefahren, die Wirtschaftsgeräte und die Fuhrwerke wurden hergerichtet, Inger versorgte das Haus, schaffte und nähte, und die Jungen waren wieder für lange Zeit in der Schule. Seit mehreren Jahren schon hatten sie miteinander ein Paar Schneeschuhe gehabt, und dies eine Paar hatte für beide genügt, solange sie daheim gewesen waren. Da hatte der eine gewartet, so lange der andere lief, oder der eine stellte sich hinter dem andern auf. O es war gut gegangen, etwas Schöneres hatten sie sich gar nicht vorstellen können, sie waren unschuldig. Aber drunten im Dorf waren die Verhältnisse größer, in der Schule wimmelte es von Schneeschuhen, ja, es zeigte sich, daß sogar die Kinder auf Breidablick jedes ein eigenes Paar hatten. Da mußte schließlich Isak ein neues Paar für Eleseus machen, und Sivert durfte die alten behalten.
Isak tat mehr, er kaufte den Jungen Winteranzüge und unzerreißbare Stiefel. Aber als dies getan war, ging Isak zum Kaufmann und bestellte einen Ring. – Einen Ring? fragte der Kaufmann. – Ja, einen Fingerring. Ich bin so hoffärtig geworden, daß ich meiner Frau einen Fingerring schenken will. – Soll es ein silberner oder ein goldener sein, oder nur einer aus Messing, der im Goldbad gewesen ist? – Es soll ein silberner sein. – Der Kaufmann überlegte lange, dann sagte er: Wenn du das tun willst, Isak, und wenn du deiner Frau einen Ring verehren willst, den sie zeigen kann – so kaufe ihr einen goldenen Ring. – Was? sagte Isak laut. Aber im innersten Herzen hatte er wohl selbst an einen goldenen Ring gedacht gehabt.
Sie besprachen es nach allen Richtungen und einigten sich schließlich über Größe und Preis des Ringes; aber noch immer überlegte Isak und schüttelte den Kopf und meinte, das sei doch ein teueres Stück, aber der Kaufmann wollte eben durchaus einen echt goldenen Ring bestellen. Als Isak heimwärts wanderte, war er eigentlich froh über seinen Entschluß, aber zugleich entsetzte er sich über die Ausgaben, zu denen einen die Liebe bringen konnte.
Es war ein richtiger Schneewinter, und als gegen Neujahr eine gute Bahn war, fingen die Leute aus dem Dorf an, Telegraphenstangen über die Moore heraufzufahren und sie in gewissen Abständen voneinander abzuladen. Sie fuhren mit vielen Pferden an Breidablick vorüber, kamen auch an Sellanraa vorbei – schließlich trafen sie mit anderen Pferden zusammen, die von jenseits des Gebirges Stangen herauffuhren, und da war die ganze Linie vollständig.
So verging ein Tag um den andern, ohne große Ereignisse. Was hätte geschehen sollen? Im Frühling begann man mit dem Aufstellen der Telegraphenstangen, Brede Olsen war auch wieder dabei, obgleich er die Frühjahrsarbeit auf seinem Hofe hätte besorgen sollen. Daß er Zeit dazu hat! fragte sich Isak wieder.
Isak selbst hatte kaum Ruhe zum Essen und Schlafen, er konnte kaum alles zur rechten Zeit fertig bringen, seine Felder waren jetzt recht groß geworden.
Aber dann vor der Erntezeit brachte er das Sägewerk unter Dach und konnte sich nun an das Einsetzen der Säge machen. Seht, es war kein Wunderwerk von einem Holzbau, den er fertig gebracht hatte, aber der Bau war riesenstark und stand nun da und war von großem Nutzen. Die Säge ging, die Säge schnitt, Isak hatte seine Augen gebraucht, wenn er drunten im Dorf in der Sägemühle gewesen war, und hatte sich alles wohl gemerkt. Es war eine herzlich kleine Sägemühle, die er da errichtet hatte, aber er war zufrieden mit ihr, er hieb die Jahreszahl über der Tür ein und setzte sein Hauszeichen darunter.
Und in diesem Sommer ereignete sich nun doch mehr als gewöhnlich auf Sellanraa.
Die Telegraphenarbeiter waren jetzt so weit heraufgekommen, daß die erste Gruppe eines Abends an dem Hofe anklopfte und um Obdach bat. Die Leute durften in der Scheune schlafen. Als die Tage vergingen, kam auch die zweite Gruppe, und alle fanden Obdach auf Sellanraa. Die Linie wurde am Hof vorbei weiter hinaufgeführt, aber die Leute kamen trotzdem noch auf den Hof, um da zu übernachten. Und an einem Samstagabend erschien der Ingenieur, um die Löhne auszuzahlen.
Als Eleseus den Ingenieur sah, bekam er Herzklopfen, und er schlich sich zur Tür hinaus, um nicht nach dem farbigen Bleistift gefragt zu werden. Ach, das war ein böser Augenblick, und Sivert kam auch nicht heraus, an dem er ein wenig eine Stütze hätte haben können! Wie ein bleiches Gespenst glitt Eleseus um die Hausecke; endlich traf er die Mutter. Eleseus bat sie gleich, sie möchte Sivert herausschicken, er konnte sich nicht anders helfen.
Sivert nahm die Sache weniger schwer, er hatte ja auch nicht die große Schuld auf sich liegen. Die Brüder setzten sich in ziemlicher Entfernung nieder, und Eleseus sagte: Wenn du es auf dich nehmen würdest! – Ich? sagte Sivert. – Denn du bist so viel kleiner, dir würde er nichts tun. – Sivert überlegte, er sah, daß der Bruder in großer Not war, und es schmeichelte ihm auch, daß Eleseus ihn brauchte. – Ich könnte dir vielleicht eine Handreichung tun, sagte er altklug. – Du mußt es tun! rief Eleseus und drückte einfach seinem Bruder das Stückchen, das noch von dem farbigen Bleistift übrig war, in die Hand. Es soll dir gehören, sagte er.
Sie wollten miteinander wieder hineingehen, aber Eleseus sagte, er habe noch etwas am Sägewerk zu tun oder vielmehr im Mahlhaus, etwas, was er Nachsehen müsse, es gehe nicht so schnell, er werde kaum vor einer guten Weile fertig sein. Sivert ging allein hinein.
Da saß der Ingenieur mit Silbergeld und Banknoten vor sich und zahlte die Löhne aus. Als das geschehen war, setzte ihm Inger einen Topf Milch nebst Glas vor, und er war dankbar dafür. Er trank. Dann plauderte er mit der kleinen Leopoldine, und als er die Zeichnungen an den Wänden sah, fragte er gleich, wer denn der Meister sei, der sie gemacht habe. Bist du es? fragte er Sivert. Der Ingenieur wollte sich wohl bei der Mutter für die Gastfreundschaft dankbar erweisen. Er erfreute die Mutter, indem er die Zeichnungen lobte, und Inger gab eine gute Erklärung. Ihre Buben hätten die Zeichnungen gemacht, beide Buben; bis sie heimgekommen und dafür gesorgt habe, hätten die Kinder kein Papier gehabt und deshalb die Wände bekritzelt, nun habe sie das Herz nicht, es abzuwaschen. – Laß es nur stehen, sagte der Ingenieur. Papier? sagte er und legte eine Menge großer Bogen auf den Tisch. Da, zeichnet nur weiter, bis ich das nächstemal wiederkomme! Wie steht es denn mit Bleistiften? – Da trat Sivert ganz einfach mit dem Bleistiftstümpfchen vor und zeigte, wie klein es war. Und siehe, er bekam einen neuen, noch ungespitzten farbigen Bleistift! Zeichnet nur drauflos! Aber macht lieber das Pferd rot und den Bock blau. Nicht wahr, du hast noch kein blaues Pferd gesehen?
Dann ging der Ingenieur wieder fort.
Am selben Abend kam ein Mann vom Dorf herauf mit einem Ranzen auf dem Rücken. Er gab einige Flaschen für die Arbeiter ab und entfernte sich dann wieder. Aber nachdem er gegangen war, blieb es nicht mehr so still auf Sellanraa; die Ziehharmonika ertönte, es wurde laut gesprochen und gesungen und auf dem Hofplatz getanzt. Einer der Arbeiter forderte Inger zu einem kleinen Drehum auf, und Inger – ja wer verstand sich auf sie? Sie kicherte und tanzte wahrhaftig ein paarmal im Kreise herum. Als dies getan war, wollten die andern auch mit ihr tanzen, und da tanzte sie recht flott mit.
Wer verstand sich auf Inger! Hier tanzte sie nun vielleicht ihren ersten seligen Tanz in ihrem Leben; man riß sich um sie, dreißig Männer waren hinter ihr her, sie war allein, die einzige, die gewählt werden konnte, keine andere stach sie aus. Und wie flott diese riesenhaften Telegraphenarbeiter sie vom Boden aufhoben! Warum nicht tanzen? Eleseus und Sivert schliefen schon drinnen in der Kammer wie Säcke trotz des Tumultes auf dem Hofe, die kleine Leopoldine aber war noch auf und stand dabei und sah mit großen verwunderten Augen den Sprüngen der Mutter zu.
Isak war indessen die ganze Zeit nach dem Abendessen draußen auf dem Feld gewesen. Als er wieder hereinkam, um zu Bett zu gehen, wurde ihm aus einer Flasche zu trinken angeboren, und er trank auch ein wenig. Er setzte sich, nahm Leopoldine auf den Schoß und sah dem Tanzen zu. Da kannst du dich ordentlich herumschwingen! sagte er gutmütig zu Inger. Da kannst du wahrlich die Füße regen!
Aber nach einer Weile hörte der Musikant auf zu spielen, und der Tanz war vorbei. Die Arbeiter machten sich nun fertig, den noch übrigen Teil der Nacht und den ganzen nächsten Tag im Dorf zu verbringen und erst am Montagmorgen wiederzukommen. Bald lag Sellanraa wieder ganz still da, nur ein paar ältere Männer blieben zurück und legten sich in der Scheune schlafen.
Isak sah sich nach Inger um, damit sie hineingehe und Leopoldine zu Bett bringe; als er sie dann nirgends erblickte, ging er hinein und legte das Kind zu Bett. Und er selbst ging auch zur Ruhe.
Gegen Morgen erwachte er, aber Inger war nicht da. Ist sie im Stall? dachte er. Dann stand er auf, und ging in den Stall. Inger? fragte er. Keine Antwort. Die Kühe drehten die Köpfe und sahen ihn an. Alles war still. Aus alter Gewohnheit zählte er das Vieh, zählte auch das Kleinvieh, das eine Mutterschaf blieb so gern die Nacht über draußen – jetzt war es wieder draußen geblieben. Inger? fragte er wieder. Auch jetzt keine Antwort. Sie ist doch sicher nicht ganz mit hinunter ins Dorf gegangen, dachte er.
Die Sommernacht war hell und warm; Isak blieb eine Weile unter der Haustür sitzen, dann stand er auf und ging in den Wald, um nach dem Mutterschaf zu sehen. Er fand Inger. Inger hier? Ja, Inger und noch einer. Sie saßen im Heidekraut, Inger ließ seine Schildmütze auf ihrem Zeigefinger tanzen, sie sprachen miteinander, Inger war wieder umworben.
Isak ging leise zu ihnen hin. Inger wendete sich um und sah ihn. Da wurde sie weiß wie ein Leintuch, der Kopf sank ihr auf die Brust, sie ließ die Mütze fallen, war vernichtet. – Hm! Weißt du, daß das Mutterschaf wieder fehlt? sagte Isak. Aber das weißt du natürlich nicht, sagte er.
Der junge Telegraphenarbeiter hob seine Mütze auf und verzog sich seitwärts in die Büsche. Ich muß wohl den anderen nachgehen, sagte er. Ja, gute Nacht, sagte er und ging. Niemand erwiderte seinen Gruß.
So, du sitzest hier? sagte Isak. Mußt du hier sitzen?
Er wendete sich heimwärts, und Inger richtete sich auf die Knie auf; sie kam auf die Füße und ging ihm nach. So gingen sie dahin, der Mann voraus, die Frau hinterdrein, Tandem. Sie kamen heim.
Inger hatte wohl indessen Zeit gehabt, sich zu fassen. Und sie faßte sich: Ich wollte gerade nach dem Mutterschaf sehen, sagte sie, denn ich hatte gesehen, daß es nicht da war. Dann kam der Mann, er hat mir beim Suchen geholfen. Wir hatten uns kaum hingesetzt gehabt, als du kamst. Wo willst du jetzt hin?
Ich? Ich muß wohl nach dem Tier sehen.
Nein, jetzt sollst du zu Bett gehen. Und wenn noch jemand suchen soll, so werde ich es tun. Geh du nur zur Ruhe, du kannst sie notwendig brauchen. Im übrigen kann das Schaf auch draußen übernachten, das hat es schon öfters getan.
Ja, um von Raubtieren aufgefressen zu werden, sagte Isak und ging.
Nein, du darfst nicht! rief sie und holte ihn ein. Du brauchst Schlaf, ich will gehen.
Isak ließ sich überreden. Aber er wollte auch nichts davon hören, daß Inger noch nach dem Schaf suchen sollte, und so gingen beide hinein.
Inger sah sofort nach den Kindern. Sie ging in die Kammer, trat an das Bett und tat, als sei sie aus den erlaubtesten Gründen draußen gewesen, ja sie war nicht ganz frei davon, mit Isak ein wenig zu liebäugeln, wie wenn sie von ihm noch eine ganz andere Zuneigung erwartete, als ihr an dem ganzen Abend entgegengebracht worden war – denn jetzt hatte er ja eine volle Erklärung, meinte sie. Aber, nein danke! Isak war nicht so leicht herumzubringen, er hätte es am liebsten gesehen, wenn sie so recht betrübt gewesen wäre und nicht gewußt hätte, was sie vor Reue tun sollte. Das hätte er am liebsten gesehen. Was war denn das, daß sie im Wald draußen etwas zusammengesunken war, das ärmliche bißchen Schrecken, als er sie im Wald entdeckt hatte – was half das, wenn es so schnell wieder verflog!
Am nächsten Tag, der doch ein Sonntag war, zeigte sich Isak noch durchaus nicht versöhnt, er wanderte draußen umher, sah nach seinem Sägewerk und seiner Mühle und betrachtete seine Felder, teils mit den Kindern, teils allein. Als Inger sich einmal anzuschließen versuchte, ging Isak gleich seines Wegs und sagte: Ich muß an den Fluß hinauf und nach etwas sehen. Irgend etwas nagte offenbar an ihm, aber er trug es in der Stille und donnerte nicht los. O, Isak war ein Großer, zum Beispiel Israel, dem das gelobte Land wohl verheißen war, der jedoch darum betrogen worden war, aber dennoch gläubig blieb.
Am Montag war die Stimmung bedeutend leichter, und als die Tage vergingen, begann der ärgerliche Eindruck von jener Nacht sich allmählich zu verwischen. Die Zeit macht gar vieles wieder gut, mit Spucke und Lappen, mit Schlaf und Essen heilt sie alle Wunden. Isak war nicht zum schlimmsten dabei gefahren, er hatte nicht einmal Gewißheit, ob ihm Unrecht angetan worden war, außerdem hatte er an vieles andre zu denken, denn jetzt fing die Ernte an. Und schließlich war ja die Telegraphenlinie bald fertig, dann würde es wohl wieder ruhig auf dem Hof werden. Eine breite helle Straße zog sich nun durch den Laubwald hin, in ihrer Mitte standen die Stangen mit Drähten bis ganz hinauf aufs Gebirge.
Am nächsten Samstag, an dem die letzte Lohnauszahlung stattfand, richtete es Isak so ein, daß er von zu Hause abwesend war; er wollte es selbst so. Er ging mit Butter und Käse ins Dorf hinunter und kam erst in der Nacht zum Montag wieder zurück. Die Arbeiter hatten da alle miteinander die Scheune verlassen, beinahe alle, der letzte Mann schwankte mit einem Sack auf dem Rücken eben zum Hof hinaus, beinahe der letzte Mann. Daß es doch noch nicht ganz sicher war, erriet Isak an einer Eßkiste, die noch in der Scheune stand; wo der Eigentümer war, wußte er nicht, wollte es auch nicht wissen, aber eine Schildmütze lag als anstößiger Beweis auf der Eßkiste.
Isak schleuderte die Eßkiste auf den Hofplatz hinaus, und die Mütze flog hinterdrein, dann schloß er die Scheune ab, ging in den Stall und guckte durchs Fenster hinaus. Mag die Kiste da stehen und die Mütze da liegen bleiben, dachte er wohl; es ist mir einerlei, wem sie gehören, es ist eine schlechte Kiste, und ich verachte sie, dachte er wohl. Aber wenn er jetzt seine Eßkiste holen will, dann wird Isak hinausgehen und ihn ein wenig am Arm nehmen, daß er blau und grün wird. Und wo der Weg zum Hof hinausgeht, das soll er auch erfahren!
Damit verließ Isak das Fenster im Pferdestall und ging zu den Kühen hinein und sah von dort aus zum Fenster hinaus und fand keine Ruhe. Die Kiste war mit einem Strick zusammengeschnürt, der jämmerliche Kerl hatte nicht einmal ein Schloß daran; der Strick war aufgegangen – hatte Isak wohl die Kiste zu fest angepackt? Woher es auch kommen mochte, aber Isak war nicht mehr so ganz sicher, ob er auch recht gehandelt habe. Bei seinem Gang durchs Dorf hatte er nach seinem neuen Reolpflug, gefragt, einem besonders starken zum Umroden von Ödland, den er bestellt hatte, o, eine ausgezeichnete Maschine, eine Gottesgabe, ja und diese war eben angekommen! Da war es ihm gewesen, als komme Segen mit ihr in sein Haus. Die höhere Macht, die die Schritte der Menschen lenkt, war vielleicht jetzt nahe und sah ihm zu, ob er Segen verdiene oder nicht; Isak war immer mit den höheren Mächten beschäftigt, ja in einer Herbstnacht hatte er im Walde draußen Gott mit eigenen Augen gesehen; das war vor allem ein merkwürdiger Anblick gewesen.
Isak ging auf den Hofplatz hinaus und blieb bei der fremden Kiste stehen. Noch überlegte er, ja er schob seinen Hut schief und kratzte sich am Kopfe, dabei sah er ganz keck und flott aus, wie ein Spanier sah er aus. Aber dann mußte er ungefähr so gedacht haben: Ach, da stehe ich und bin weit davon entfernt, ein prächtiger, ausgezeichneter Mensch zu sein, ich bin ein Hund! Dann schnürte er den Strick um die Kiste fest zu, hob die Mütze auf und trug beides wieder in die Scheune hinein. Nun war es getan.
Als er wieder aus der Scheune heraustrat und sich nach der Mühle wandte, weg von seinem Hause, weg von allem, da stand Inger nicht am Fenster, nein. Nun wohl, mag sie stehen, wo sie will, übrigens war sie wohl in ihrem Bett, wo hätte sie sonst sein sollen? Aber in den alten Tagen, in den ersten unschuldigen Jahren auf der Ansiedelung, da hatte Inger keine Ruhe gehabt, sondern war aufgeblieben und hatte auf ihn gewartet, wenn er auf dem Heimweg vom Dorfe war. Das war jetzt anders geworden, alles war anders geworden. Auch als er ihr den Ring gab – ach, hätte etwas mehr mißglückt sein können? Isak war übermäßig bescheiden gewesen und weit entfernt, von einem echt goldenen Ring zu sprechen. Es ist nichts Besonderes, hatte er gesagt, steck ihn einmal an den Finger und probier, ob er dir paßt. – Ist das Gold? fragte sie. Ja, aber er ist nicht sehr breit, versetzte er. – Doch! hätte sie erwidern sollen, sie sagte indes: Nein, aber gerade recht. – Du kannst ihn ja jetzt behalten, wie sonst eine Kleinigkeit, sagte er schließlich niedergeschlagen.
Aber Inger war doch dankbar für den Ring, sie trug ihn an der rechten Hand und ließ ihn funkeln, wenn sie nähte; ab und zu durften ihn die Mädchen anprobieren und ihn eine Weile am Finger behalten, wenn sie bei ihr waren und sie wegen eines neuen Kleides um Rat fragten. Begriff denn Isak nicht, daß sie ungeheuer stolz auf den Ring war! ...
Aber es war sehr einsam, da in der Mühle zu sitzen und die ganze lange Nacht dem Brausen des Sturzbaches zuzuhören. Isak hatte nichts Unrechtes getan und brauchte sich nicht zu verstecken, er ging also von der Mühle fort, heimwärts, in sein Haus. –
Und nun wurde Isak ganz beschämt, wahrlich beschämt und froh. Brede Olsen saß da, der Nachbar, niemand anderer, er saß da und trank Kaffee. Ja, Inger war auf, die beiden saßen nur beieinander und tranken Kaffee. Da ist Isak! sagte Inger in freundlichem Ton, indem sie aufstand und ihm auch eine Schale Kaffee einschenkte. Guten Abend! sagte Brede ebenso freundlich.
Isak merkte wohl, daß Brede bei dem Abschiedsfest der Telegraphenarbeiter mit dabei gewesen war; er sah übernächtig aus, aber das tat nichts, er war fröhlich und freundlich. Natürlich tat er ein wenig groß: Eigentlich habe er keine Zeit zu dieser Telegraphenarbeit, denn er habe ja seinen Hof, aber er habe nicht nein sagen können, der Ingenieur sei so sehr in ihn gedrungen. Und dann habe es ja auch dazu geführt, daß Brede nun die Inspektorstelle über die Linie übernehmen müsse. Es sei nicht wegen der Bezahlung, sagte Brede, er könnte im Dorf drunten viel mehr verdienen, aber er habe nicht ungefällig sein wollen. Nun habe man ihm eine kleine glänzende Maschine an der Wand angebracht, die sei ganz unterhaltend, fast ein Telegraph selbst.
Isak konnte mit dem besten Willen über diesen Prahlhans und Faulpelz nicht böse sein, dafür fühlte er sich zu erleichtert, als er an diesem Abend anstatt eines Fremden seinen Nachbarn in seinem Hause vorfand. Isak hatte das Gleichgewicht des Bauern, dessen einfache Gefühle, dessen Handfestigkeit, dessen Langsamkeit; er stimmte Brede zu und nickte zu seiner Oberflächlichkeit. Hast du nicht noch eine Schale Kaffee für Brede? fragte er Inger. Und Inger schenkte ein.
Übrigens erzählte Inger, der Ingenieur sei ein ganz ausgezeichnet freundlicher Herr. Er habe sich die Zeichnungen und das Geschriebene der Kinder angesehen und habe dann gesagt, er wolle Eleseus zu sich nehmen. – Zu sich nehmen? fragte Isak. – Ja, mit in die Stadt. Er solle für ihn schreiben, solle Schreiber auf seinem Bureau werden, so sehr hätten ihm Eleseus Zeichnungen und das Geschriebene gefallen. – So, sagte Isak. – Ja, was meinst du dazu? Er will ihn auch dort konfirmieren lassen. Das sind doch schöne Aussichten, nicht wahr? – Das meine ich auch, sagte Brede. Und soweit kenne ich den Ingenieur, wenn der schon so etwas sagt, dann meint er es auch. – Wir haben hier auf der Ansiedlung keinen Eleseus, den wir entbehren könnten, sagte Isak.
Nach diesen Worten wurde es eine Weile ganz still und unbehaglich in der Stube. Natürlich war Isak nicht der Mann, mit dem sich reden ließ. – Wenn nun aber der Junge selbst vorwärts kommen will und wenn er das Genie hat, etwas Rechtes zu werden! sagte Inger schließlich. – Wieder Stille. Doch nun sagte Brede lächelnd: Wenn doch der Ingenieur eines von meinen Kindern nehmen wollte! Ich habe genug Kinder. Aber das älteste ist die Barbro, und das ist ein Mädchen. – Ja ja, die Barbro ist recht und gut, sagte Inger, um höflich zu sein. – O ja, daran fehlt es nicht, stimmte Brede bei, die Barbro ist ein tüchtiges Mädchen, sie kommt jetzt zum Lensmann in Dienst. – Zum Lensmann? – Ja, ich habe es durchaus versprechen müssen. Die Frau Lensmann hat mir gar keine Ruhe gelassen.
Es war jetzt schon gegen Morgen, und Brede rüstete sich zum Aufbruch. – Ich habe noch meine Mütze und meine Eßkiste in eurer Scheune stehen, sagte er. Wenn nicht etwa die Burschen alles miteinander mitgenommen haben, fügte er scherzhaft hinzu.