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Die Jahre vergehen rasch? Ja, für den, der altert.
Isak war weder alt, noch geschwächt, ihm wurden die Jahre lang. Er arbeitete auf seinem Hofe und ließ seinen rostroten Bart wachsen, wie er wollte.
Ab und zu, wenn ein Lappe vorbeikam oder sich dies und jenes im Viehstand ereignete, wurde die Einförmigkeit im Ödland unterbrochen. Einmal kamen viele Männer vorbeigewandert; sie ruhten auf Sellanraa aus, aßen und tranken Milch dazu und fragten Isak und Oline nach dem Weg übers Gebirge aus; sie sollten eine Telegraphenlinie abschreiten, sagten sie. Ein anderes Mal erschien Geißler – kein Geringerer als Geißler. Er kam frisch und froh vom Dorfe heraufmarschiert und hatte zwei Mann bei sich mit Bergwerksgeräten und Pickel und Spaten.
Dieser Geißler! Er war ganz derselbe wie früher, ganz unverändert. Er sagte guten Tag, plauderte mit den Kindern, ging ins Haus und kam wieder heraus, betrachtete die Felder, öffnete die Türen von Stall und Scheune und schaute hinein. Ausgezeichnet! sagte er. Isak, hast du die kleinen Steine noch? – Die kleinen Steine? – Ja, die kleinen schweren Steine, mit denen dein Junge gespielt hat, als ich das letztemal hier war?
Die Steine waren im Vorratshaus, sie lagen als Gewicht auf den Mausefallen, nun wurden sie hereingeholt. Der Lensmann und die beiden Männer untersuchten sie, besprachen sich darüber, klopften darauf und wogen sie in der Hand. Schwarzkupfer! sagten sie. – Kannst du mit ins Gebirge gehen und uns zeigen, wo du die Steine gefunden hast? fragte der Lensmann.
Alle miteinander gingen in die Berge, und es war nicht weit bis zur Fundstätte; aber sie wanderten doch ein paar Tage umher, suchten nach Metall und sprengten da und dort einen Stein los. Als sie in den Hof zurückkehrten, brachten sie zwei schwere Säcke voll Steine mit.
Währenddem hatte Isak mit Geißler seine ganze Lage besprochen, auch daß der Preis für den Hof auf hundert Taler anstatt auf fünfzig festgesetzt worden war. – Ach, das spielt keine Rolle, sagte Geißler leichthin. Du hast vielleicht Kostbarkeiten in deinem Gestein, die Tausende wert sind. – So, sagte Isak. – Aber du mußt die gerichtliche Bestätigung der Urkunde so rasch wie möglich ins Werk setzen. – Ja. – Damit dir der Staat nicht einen Prügel in den Weg wirft, verstehst du? sagte er. – Isak verstand. Ja ja, aber das Schlimmste ist doch die Sache mit Inger, erwidert er. – Ach ja, sagte Geißler, und er überlegte für seine Art ungewöhnlich lange. Der Fall könnte vielleicht noch einmal ausgenommen werden. Wenn alles an den Tag käme, würde ihre Strafe vielleicht etwas heruntergesetzt. Aber wir könnten vielleicht um Begnadigung einkommen und damit ungefähr dasselbe erreichen. – So, meint Ihr das? – Um Begnadigung können wir zwar vorderhand noch nicht einkommen, da muß erst einige Zeit verstrichen sein. Aber was ich sagen wollte: Du hast meiner Familie ein Kalb und Ziegenkäse gebracht, was bin ich dir dafür schuldig? – Nichts, Ihr habt schon dafür bezahlt. – Ich? – Und Ihr habt uns so viel geholfen. – Nein, sagte Geißler kurz, indem er einige Talerscheine auf den Tisch legte. Hier nimm dies! sagte er.
Er war ein Mann, der nichts umsonst wollte, und es schienen auch noch genug Geldscheine in seiner Brusttasche zu stecken, so dick war sie. Gott mochte wissen, ob er wirklich so reich war!
Aber sie schreibt, sie habe es gut, sagte Isak, der nur an seine Angelegenheiten dachte. – Ach so, deine Frau? – Ja, seit sie das kleine Mädchen bekommen hat – sie hat ein kräftiges, wohlgestaltetes Mädchen bekommen. – Das ist ausgezeichnet! – Ja, und die anderen helfen ihr alle miteinander, und jedermann sei gut gegen sie, schreibt sie.
Geißler sagte: Jetzt schicke ich diese kleinen Steine hier an einige gesteinskundige Herren, um zu erfahren, woraus sie bestehen. Wenn ordentlich Kupfer drin ist, bekommst du viel Geld. – So, sagte Isak. Und wann meint Ihr wohl, daß wir um Begnadigung einkommen können? – In einiger Zeit. Ich werde für dich hinschreiben, und ich komme später auch selbst wieder her. Was hast du gesagt, hat deine Frau ein Kind bekommen, seit sie von hier fort ist? – Ja. – Dann haben sie sie in schwangerem Zustand hier weggeholt? Das hätten sie nicht dürfen. – Nicht? – Nein, und das ist ein Grund mehr, daß sie nach einer bestimmten Zeit frei wird. – Das wäre ja sehr gut, sagte Isak dankbar.
Isak wußte nicht, daß die Obrigkeit schon viele und lange Aktenstücke wegen der schwangeren Frau hatte hin und her schicken müssen. Sie hatte es seinerzeit aus zweierlei Gründen unterlassen, Inger von ihrem Hause weg in Haft zu nehmen. Erstens hatte es an einem Arrestlokal für sie gefehlt, und zweitens hatte die Obrigkeit milde sein wollen. Die Folgen waren unberechenbar. Später, als Inger festgenommen werden sollte, hatte niemand nach ihrem Zustand gefragt, und sie selbst hatte nichts gesagt. Vielleicht hatte sie auch absichtlich geschwiegen, um das Kind in den bösen Jahren in ihrer Nähe zu haben; wenn sie sich gut aufführte, durfte sie es vielleicht ab und zu einmal sehen. Vielleicht war sie aber auch nur stumpf gewesen und war trotz ihrem Zustande gleichgültig darauf eingegangen, von zu Hause fortgeführt zu werden.
Isak arbeitete auf seinem Grund und Boden, er entwässerte und brach seine Acker um, hieb die Grenzscheide zwischen sich und dem Staat aus, und die dabei gefällten Bäume gaben Klafterholz für ein ganzes Jahr. Aber da er Inger nicht mehr hatte, die ihn mit ihren Lobsprüchen anfeuerte, so schaffte er mehr aus Gewohnheit als aus Lust. Nun hatte er auch schon zwei Thinge vorübergehen lassen, ohne die Bestätigung seiner Urkunde einzuholen, weil es ihm eben nicht so sehr am Herzen gelegen hatte. Jetzt erst im Herbst raffte er sich dazu auf. Es stand bei ihm nicht alles, wie es sein sollte. Geduldig und besonnen, ja gewiß, das war er, aber er war geduldig und besonnen, weil er von Natur dazu angelegt war. Er suchte seine Häute zusammen, seine Ziegenfelle und Kalbfelle, legte sie in den Fluß, schabte später die Haare herunter, gerbte sie und machte sie zur Verarbeitung für Schuhwerk fertig. Im Winter stellte er schon beim ersten Schnee sein Saatkorn fürs nächste Frühjahr auf die Seite, damit das getan war, denn es war am besten, wenn es bereit stand; er war ein Mann der Ordnung. Aber er war ein freudloser, einsamer Mann geworden, ach ja, wieder ein unverheirateter Mann mit allem, was drum und dran war.
Welche Freude war es für ihn jetzt, am Sonntag in seiner Stube zu sitzen, gewaschen und sauber in seinem roten Hemd, wenn er niemand mehr hatte, für den er sich hübsch machen konnte? Die Sonntage waren die längsten von allen Tagen, sie verdammten ihn zum Müßiggang und zu traurigen Gedanken; er konnte nichts tun, als sich auf seinem Grundstück umhertreiben und nach allem sehen, was getan werden mußte. Jedesmal nahm er seine kleinen Jungen mit, immer einen von ihnen auf dem Arm. Es war so nett, ihr Geplauder anzuhören und auf ihre Fragen zu antworten.
Die alle Oline hatte er, weil er niemand andern hatte. Und im Grunde genommen war Oline nicht so übel zu haben. Sie kartätschte Wolle und spann, strickte Strümpfe und Fausthandschuhe, bereitete auch Ziegenkäse; aber sie hatte keine glückliche Hand und arbeitete ohne Liebe; von dem, was sie in die Hand nahm, gehörte ihr ja nichts zu eigen. Da hatte nun Isak einmal zu Ingers Zeit eine besonders hübsche Dose beim Händler gekauft, die ihren Platz auf dem Wandbrett hatte, sie war aus Ton und hatte einen Hundekopf auf dem Deckel, eigentlich war es eine Art Tabaksdose; Oline nahm einmal den Deckel ab und ließ ihn auf den Boden fallen. Inger hatte einige Fuchsiaableger in einer Kiste hinterlassen, die mit Glas zugedeckt waren; Oline nahm die Gläser ab und drückte sie nachher hart und fest wieder darauf. – Am nächsten Tage waren alle Ableger tot. Es war wohl nicht so ganz leicht für Isak, all dies mit anzusehen, und er machte vielleicht ein Gesicht, und da nichts Weiches oder Schwammhaftes an ihm war, so war es vielleicht ein gefährliches Gesicht. Oline war unverfroren und zungenfertig und muckte auf. Kann ich etwas dafür? sagte sie. – Das weiß ich nicht, erwiderte Isak, aber du hättest die Hand davon lassen können. – Ich werde ihre Blumen nicht mehr anrühren, sagte Oline darauf; aber nun waren sie ja tot.
Und wozu kamen jetzt so oft Lappen nach Sellanraa, jetzt viel öfters als früher? Was hatte Os-Anders da zu tun, konnte er nicht einfach vorübergehen? In einem Sommer kam er zweimal übers Gebirge gewandert; aber Os-Anders hatte ja keine Renntiere, nach denen er hätte sehen müssen, sondern lebte vom Bettel und von Besuchen bei anderen Lappen. Wenn er auf die Ansiedlung kam, ließ Oline alle Arbeit liegen und klatschte mit ihm über alle Leute im Dorfe, und wenn er wieder ging, war sein Sack schwer von allem möglichen. Zwei Jahre lang schwieg Isak geduldig dazu.
Dann wollte Oline wieder neue Schuhe haben, und da schwieg er nicht länger. Es war im Herbst, und Oline trug jeden Tag Lederschuhe, anstatt in Lappenschuhen oder Holzpantinen zu gehen. Isak sagte: Es ist schönes Wetter heute. Hm! So fing er an. – Ja, sagte Oline. – Hast du nicht heute morgen an den Ziegenkäsen bis auf zehn gezählt, Eleseus? fragte Isak. – Doch, antwortete Eleseus. – Aber jetzt sind es nur noch neun.
Eleseus zählte wieder nach und überlegte in seinem kleinen Kopf, dann sagte er: Ja, und dann der, den Os-Anders bekommen hat, dann sind es zehn.
Schweigen rings in der Stube. Aber der kleine Sivert wollte auch zählen, und so wiederholte er die Worte des Bruders: Dann sind es zehn.
Wieder Schweigen ringsum. Da mußte Oline schließlich eine Erklärung geben. Ja, er hat einen ganz kleinen Käse bekommen, ich habe nicht gedacht, daß das etwas ausmacht. Aber die Kinder sind noch nicht groß, und es zeigt sich jetzt schon, was in ihnen steckt. Ich kann wohl sehen und ausrechnen, wem sie nachschlagen! Dir jedenfalls nicht, Isak, das weiß ich.
Das war eine Andeutung, die Isak zurückweisen mußte. Die Kinder sind schon recht, sagte er. Aber kannst du mir sagen, welche Wohltaten Os-Anders mir und den Meinigen erwiesen hat? – Wohltaten? versetzte Oline. – Ja. – Er, Os-Anders? wiederholte sie. – Ja, weil ich ihm Ziegenkäse schuldig bin. – Oline hat nun Zeit zum Überlegen gehabt und gibt folgende Antwort: Gott bewahre mich, Isak! Bin ich es gewesen, die mit Os-Anders angefangen hat, so soll mich gleich der Schlag rühren!
Ausgezeichnet! Isak muß nachgeben, wie so manches Mal vorher.
Oline gab nicht nach: Und wenn ich jetzt, wo es dem Winter zugeht, hier barfuß laufen und das nicht zu eigen haben soll, was Gott zu Schuhen für die Füße geschaffen hat, dann sag es lieber gerade heraus. Schon vor drei bis vier Wochen habe ich von Schuhen gesprochen, aber ich habe noch nichts von ihnen gesehen und muß nun mit denen hier herumlaufen. – Isak erwiderte: Was fehlt denn eigentlich deinen Holzschuhen, daß du sie nicht trägst? – Was ihnen fehlt? fragte Oline überrumpelt. – Ja, das möchte ich fragen. – Den Holzschuhen? – Ja. – Du sagst nichts davon, daß ich Wolle kartätsche und spinne, das Vieh versorge und die Kinder aufziehe, davon sagst du nichts. Und zum Kuckuck, deine Frau, die im Gefängnis sitzt, die ist doch wohl auch nicht barfuß im Schnee herumgelaufen. – Nein, sie trug Holzschuhe, sagte Isak. Und wenn sie in die Kirche oder zu ordentlichen Leuten ging, dann trug sie Lappenschuhe, sagte er. – Ja ja, antwortete Oline, sie war eben so viel besser! – Ja, das war sie. Und wenn sie im Sommer Lappenschuhe trug, so hatte sie nichts als dürres Gras darin. Aber du, du trägst das ganze Jahr Strümpfe und Schuhe.
Oline sagte: Was das betrifft, so werde ich meine Holzschuhe wohl noch abnützen. Ich habe nicht geglaubt, daß es so große Eile hätte, meine eigenen Holzschuhe durchzulaufen. – Sie sprach leise und gedämpft, aber sie kniff die Augen halb zu, o, sie war klug und schlau! Die Inger, sagt sie, der Wechselbalg, wie wir sie genannt haben, ist unter meinen Kindern umhergegangen und hat da in all den Jahren dies und jenes gelernt. Jetzt haben wir den Dank dafür. Wenn meine Tochter in Bergen einen Hut trägt, dann tut das Inger vielleicht südwärts da drunten auch, ja vielleicht ist sie nach Drontheim gereist, um sich einen Hut zu kaufen, haha!
Isak stand auf und wollte hinausgehen. Aber jetzt war Oline das Herz aufgegangen, und sie zeigte, wie schwarz es war, ja sie strahlte wahrhaftig Dunkelheit aus, sagte, keine von ihren Töchtern habe ein Gesicht wie ein feuerspeiendes Raubtier, könne sie gern sagen, aber deshalb seien sie doch gut genug. Nicht alle hätten Geschick dazu, Kinder umzubringen. – Jetzt nimm dich aber in acht! rief Isak, und um sich recht klar verständlich zu machen, fügte er noch hinzu: Du verdammtes Weibsbild!
Aber Oline nahm sich nicht in acht, nein. Haha! sagte sie und sah zum Himmel auf und deutete an, daß es eigentlich übertrieben sei, mit einer solchen Hasenscharte herumzulaufen wie gewisse Leute. Man könne auch darin Maß halten.
Isak war wohl froh, als er endlich glücklich aus dem Hause draußen war. Und was blieb ihm anderes übrig, als Oline Lederschuhe zu verschaffen! Er war ein Ansiedler im Walde und war nicht einmal so weit den Göttern ähnlich, daß er seine Arme über der Brust kreuzen und zu seinem Dienstboten sagen konnte: Geh! Eine so unentbehrliche Haushälterin wie Oline war in Sicherheit, sie mochte sagen und tun, was sie wollte.
Die Nächte sind kühl und es ist Vollmond, die Moore erstarren so weit, daß sie zur Not einen Mann tragen, bei Tag taut die Sonne sie wieder auf und macht sie ungangbar. Isak wandert in einer kühlen Nacht ins Dorf hinunter, um Schuhe für Oline zu bestellen. Er hat zwei Ziegenkäse mit für Frau Geißler.
Auf halbem Wege nach dem Dorf hat sich nun der neue Ansiedler niedergelassen. Er war wohl ein vermöglicher Mann, da er Zimmerleute vom Dorfe bestellt hatte, die ihm sein Haus bauten, und dazu noch Taglöhner, um ein Stück sandiges Moor für Kartoffeln umzugraben; er selbst tat nichts oder nur wenig. Der Mann war Brede Olsen, Amtsdiener und Gerichtsbote, ein Mann, an den man sich wenden mußte, wenn der Doktor geholt oder bei der Pfarrfrau ein Schwein geschlachtet werden sollte. Brede Olsen war noch nicht dreißig Jahre alt, hatte aber schon vier Kinder zu versorgen, außer seiner Frau, die eigentlich auch noch ein Kind war. Ach, Bredes Mittel waren wohl nicht so sehr groß, es warf nicht so sehr viel ab, Topf und Pfanne zu sein und zu Auspfändungen zu fahren; jetzt wollte er es mit der Landwirtschaft versuchen. Für seinen Hausbau hatte er auf der Bank Geld aufgenommen. Sein Grundstück hieß Breidablick, Lensmann Heyerdahls Frau hatte ihm diesen herrlichen Namen gegeben.
Isak geht an der Ansiedlung vorüber und nimmt sich nicht Zeit, hineinzugehen, aber so früh am Morgen es auch ist, am Fenster stehen schon dichtgedrängt die Kinder und schauen heraus. Isak eilt vorüber, er will beim nächsten Nachtfrost schon wieder hier zurück sein. Im Ödland draußen hat ein Mann gar viel zu bedenken und sich zu überlegen, wie er es auf die beste Weise einrichtet. Er hat zwar jetzt gerade nicht so übermäßig viel Arbeit, aber er hat Heimweh nach den Kindern, die daheim bei Oline zurückgeblieben sind.
Während er so dahinschreitet, muß er unwillkürlich an seine erste Wanderung hier denken. Die Zeit ist dahingegangen, die beiden letzten Jahre sind sehr lang gewesen; vieles ist gut gewesen auf Sellanraa, aber etwas ist schlimm gewesen, ach ja, Herrgott im Himmel! Nun war also eine neue Ansiedlung hier entstanden; Isak erkannte die Stelle gut wieder, dies war einer von den wirklichen Plätzen, die er auf seiner ersten Wanderung untersucht, dann aber wieder aufgegeben hatte. Es war hier näher beim Dorf, jawohl, aber der Wald war nicht so gut; es war hier Ebene, aber Moor, die Erde war leicht umzubrechen, aber das Entwässern war schwierig. Der gute Brede hatte noch keinen Acker damit, daß er Moorboden umgrub. Und was sollte das heißen, wollte denn Brede nicht einen Schuppen an die Scheune anbauen für Geräte und Fahrzeuge? Isak sah einen zweirädrigen Karren unter offenem Himmel gerade vor dem Hause stehen.
Er macht seine Besorgung beim Schuhmacher, aber Frau Geißler ist weggereist; da verkauft er seine Ziegenkäse an den Krämer. Am Abend geht er heimwärts. Es gefriert immer mehr, so daß man leicht übers Moor gehen kann; aber Isaks Gang ist schwer. Gott mochte wissen, wann Geißler nun wiederkam, da seine Frau verreist war, vielleicht kam er nie wieder. Inger war fort, die Zeit verging.
Er geht auch jetzt auf dem Rückweg nicht zu Bredes hinein, nein, er macht einen Bogen um Breidablick herum und kommt so ungesehen vorbei. Er will nicht mit Menschen reden, er will nur weitergehen. Noch immer steht Bredes Fuhrwerk im Freien. Ich möchte wissen, ob es da stehenbleibt? denkt Isak. Na, jeder hat das Seine! Jetzt hat er ja selbst, er, Isak, ein Fuhrwerk und einen Schuppen dazu, aber es ist deshalb doch nicht besser gegangen, sein Heim ist nur halb, einmal war es ganz, jetzt ist es nur halb.
Als er bei vollem Tageslicht so weit gekommen ist, daß er sein Haus auf der Halde droben sehen kann, wird ihm leichter ums Herz, obgleich er müde und matt ist nach der zweitägigen Wanderung. Die Gebäude stehen noch da. Rauch steigt vom Schornstein auf, beide Jungen sind im Freien, sowie sie ihn sehen, stürmen sie ihm entgegen. Er geht hinein, in der Stube sitzen zwei Lappen. Oline steht überrascht vom Hocker auf und sagt: Was – bist du schon wieder da? Sie kocht Kaffee auf dem Herd. Kaffee? Kaffee!
Isak hat es wohl schon früher bemerkt: wenn Os-Anders oder andere Lappen dagewesen sind, kocht Oline sich lange Zeit nachher in Ingers kleinem Kessel Kaffee. Sie tut es, wenn Isak im Wald oder auf dem Feld ist; und wenn er unerwartet heimkommt und es sieht, schweigt er. Aber er weiß, daß er jedesmal um ein Bündel Wolle oder einen Ziegenkäse ärmer geworden ist. Deshalb ist es sehr gut von Isak, daß er Oline jetzt nicht packt und zwischen seinen Händen zerschmettert für ihre Niedertracht. Ja, im ganzen genommen versucht es Isak in Wahrheit ein immer besserer Mensch zu werden, was er auch dabei im Sinne haben mag, ob er es um des lieben Friedens willen tut, oder weil er hofft, Gott werde ihm dann Inger früher zurückgeben. Er hat einen Hang zum Grübeln und zum Aberglauben, selbst die Bauernschlauheit, die er hat, ist treuherzig. Jetzt eben im Herbst hatte es sich gezeigt, daß das Torfdach auf seinem Stall auf das Pferd herabzusinken drohte, da kaute Isak ein paarmal an seinem rostigen Bart, aber dann lächelte er wie jemand, der einen Spaß versteht, er richtete das Dach auf und stützte es mit Sparren. Kein böses Wort entfuhr ihm. Ein anderer Zug: Das Vorratshaus, in dem alle seine Lebensmittel untergebracht waren, stand nur mit den Ecken auf hohen steinernen Füßen. Nun gelangten durch die große Öffnung in der Grundmauer kleine Vögel ins Vorratshaus hinein, flatterten darin herum und fanden den Weg nicht mehr hinaus. Oline klagte, die kleinen Vögel pickten an den Eßwaren herum, liefen auf dem Speck hin und her, ja, sie täten auch das, was noch schlimmer sei, darauf. Isak sagte: Ja, es ist auch schlimm, daß die kleinen Vögel hereinkommen und den Weg nicht mehr hinausfinden! Und mitten in der strengen Arbeitszeit brach er Steine aus und füllte die Mauer damit auf.
Gott mochte wissen, was er sich dabei dachte, ob er hoffte, er werde, wenn er sich so gut aufführe, Inger schon bald zurückbekommen.