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19

Isak kam mit einem Pferd aus dem Dorfe zurück.

Jawohl, er hatte das Pferd des Amtsdieners gekauft, es war, wie Geißler gesagt hatte, zu haben, aber es kostete zweihundertvierzig Kronen, gleich sechzig Taler. Die Pferdepreise waren jetzt ins Unerschwingliche gestiegen, in Isaks Kindheit hatte man die besten Pferde für fünfzig Taler haben können.

Aber warum hatte er nicht selbst Pferde gezüchtet? O, er hatte es sich wohl überlegt, hatte an ein junges Füllen gedacht – das er ein und auch zwei Jahre hätte aufziehen müssen. Das konnte der tun, dem seine Feldarbeit Zeit dazu ließ, einer, der seine Sümpfe so daliegen lassen konnte und sie nicht umzuroden brauchte, bis er einmal ein Pferd hatte, das ihm die Ernte heimfuhr. Wie der Amtsdiener sagte: Ich habe keine Lust, ein Pferd zu füttern, das Heu, das ich habe, können meine Frauenzimmer hereintragen, während ich auf Verdienst auswärts bin.

Das neue Pferd war schon ein alter Gedanke von Isak, ein mehrjähriger Gedanke, nicht Geißler hatte ihn ihm erst in den Kopf gesetzt. Deshalb hatte er ja auch soweit möglich Vorbereitungen dafür getroffen, noch eine Raufe, noch einen Weidepfahl für den Sommer; Wagen und Karren hatte er mehrere, und weitere wollte er im Herbst anfertigen. Das Wichtigste von allem, das Futter, hatte er natürlich auch nicht vergessen; warum wäre es sonst so notwendig gewesen, das letzte Stück Moor schon im letzten Jahre umzubrechen, wenn er nicht vorbeugen hätte wollen, weil er sonst seinen Kuhbestand hätte vermindern müssen! Jetzt war auf dem Moor Grünfutter gesät worden, das war für die kalbenden Kühe bestimmt.

Ja, alles war bedacht worden. Inger hatte wieder guten Grund, wie in alten Tagen vor Verwunderung die Hände zusammenzuschlagen.

Isak brachte Neuigkeiten aus dem Dorf mit: Breidablick sollte verkauft werden, jetzt war es vom Kirchplatz aus bekannt gemacht worden. Die wenigen Felder, die bebaut waren, die Wiesen und die Kartoffeläcker, alles war inbegriffen, vielleicht auch das Vieh, ein paar Haustiere, Kleinvieh. Will er denn rump und stump alles verkaufen und sich ganz ausziehen! rief Inger. Und wo will er denn hinziehen? – Ins Dorf. –

Das war ganz richtig, Brede wollte ins Dorf ziehen. Allerdings hatte er zuerst versucht, sich bei Axel Ström einzuquartieren, wo ja Barbro schon war. Das ging jedoch nicht. Brede wollte um alles in der Welt das Verhältnis zwischen seiner Tochter und Axel nicht zerstören, und so nahm er sich wohl in acht, aufdringlich zu werden, aber natürlich war es ihm ein böser Strich durch die Rechnung. Axel wollte ja bis zum Herbst das neue Haus unter Dach bringen, wenn dann er und Barbro hineinzogen, hätte da nicht Brede mit seiner Familie die Gamme bekommen können? Nein! Seht, Brede dachte nicht als Ansiedler, er verstand nicht, daß Axel ausziehen mußte, weil er die Gamme für seinen wachsenden Viehstand brauchte; die Gamme mußte auch hier in den Stall verwandelt werden. Aber selbst nachdem Brede alles erklärt worden war, blieb ihm dieser Gedankengang fremd. Die Menschen kommen doch wohl vor den Tieren, sagte er. – Nein, das war nicht des Ansiedlers Ansicht, o weit entfernt! Die Tiere zuerst, die Menschen konnten sich immer einen Winteraufenthalt verschaffen. – Da mischte sich Barbro drein und sagte: So, du stellst die Tiere über die Menschen? Es ist gut, daß ich das erfahren habe! – Wahrlich, Axel machte sich ja eine ganze Familie zum Feind, weil er kein Obdach für sie hatte. Aber er gab nicht nach. Er war ja auch nicht dumm und gutmütig, sondern im Gegenteil allmählich immer geiziger geworden, er wußte wohl, daß bei einer solchen Einquartierung mehr Mägen zu befriedigen sein würden.

Brede beschwichtigte seine Tochter und gab ihr zu verstehen, daß er am liebsten wieder ins Dorf ziehe, er könne es auf dem Ödland nicht aushalten, sagte er, und allein aus diesem Grunde verkaufe er seinen Hof.

Ja, aber im Grunde genommen war es nun nicht Brede Olsen, der verkaufte, sondern die Bank und der Kaufmann waren es, die Breidablick zu Geld machten, aber um den Schein zu wahren, sollte es in Bredes Namen geschehen. Auf diese Weise glaubte er der Schande zu entgehen. Und Brede war auch gar nicht so sehr niedergedrückt, als Isak mit ihm zusammentraf, er tröstete sich damit, daß er ja immer noch Inspektor über die Telegraphenlinie sei; das sei eine sichere Einnahme, und mit der Zeit werde er sich schon wieder zu seiner alten Stellung im Dorfe, zum allgemeinen Helfer und Begleiter des Lensmanns emporarbeiten.

Natürlich war Brede auch gerührt gewesen. Das gehörte dazu: es sei ja so eine Sache, sich von der Stelle, die er lieb gewonnen und wo er so viele Jahre lang gelebt und geschafft und gearbeitet habe, zu trennen. Aber der gute Brede ließ sich nie dauernd unterkriegen, das war seine gute Seite, das Anziehende an ihm. Er hatte einmal die Eingebung bekommen, Ödland urbar zu machen, dieser Versuch war nicht glücklich ausgefallen, aber auf dieselbe lustige Weise hatte er auch in anderen Fragen gehandelt, und da war es ihm besser gelungen. Ja, wer konnte wissen, ob er nicht mit seinen Gesteinsproben noch einmal gewaltige Geschäfte machte! Und jedenfalls war da Barbro, die er auf Maaneland untergebracht hatte! Sie komme ja nie wieder von Axel Ström weg, das dürfe man wohl sagen, es sei jedermann offenkundig!

Nein, so lange er seine Gesundheit habe und für sich und die Seinen schaffen könne, stehe es nicht schlecht, sagte Brede Olsen. Und gerade jetzt seien alle seine Kinder allmählich erwachsen, sie zögen fort und sorgten für sich selbst, sagte er. Helge sei schon bei der Heringsfischerei, und Katrine komme zu Doktors in Dienst. Dann hätten sie nur zwei kleinere Kinder daheim – allerdings komme bald noch ein drittes dazu, aber ...

Isak brachte aus dem Dorf eine Neuigkeit mit: Die Frau des Lensmannes hatte ein Kleines bekommen. – Inger fragte plötzlich lebhaft: Einen Jungen oder ein Mädchen? – Das habe ich nicht gehört, antwortete Isak.

Also die Frau des Lensmannes hatte ein Kind bekommen, sie, die immer im Frauenverein gegen die überhandnehmenden Geburten bei den Armen geeifert hatte. Man solle der Frau das Stimmrecht geben und ihr Einfluß auf ihr eigenes Schicksal einräumen, hatte sie gesagt. Jetzt war sie gefangen. Ja, sagte die Frau Pastor, sie hat ihren Einfluß wohl angewendet, hahaha, und doch ist sie ihrem Schicksal nicht entgangen! Dieses witzige Wort über Frau Heyerdahl ging im ganzen Dorf herum und wurde von sehr vielen verstanden; auch Inger verstand es vielleicht, nur Isak verstand nichts.

Isak verstand zu arbeiten, verstand, seine Hantierung zu betreiben. Er war jetzt ein reicher Mann mit einem großen Hof, aber von dem vielen baren Geld, das ihm der Zufall in den Schoß geworfen hatte, machte er nur einen schlechten Gebrauch: er hob es auf. Das Ödland rettete ihn. Hätte Isak im Dorf gewohnt, dann hätte vielleicht die große Welt auch etwas auf ihn eingewirkt, dort war so viel Schönes, so vornehme Verhältnisse, er würde Unnötiges gekauft haben und wäre am Werktag in einem roten Hemd gegangen. Hier im Ödland war er gegen alle Verschwendung geschützt, er lebte in reiner Luft, wusch sich am Sonntagmorgen und badete, wenn er droben am Gebirgssee war. Die tausend Taler – jawohl, ein Geschenk vom Himmel, jeden Heller davon zum Aufbewahren! Wozu sonst? Isak konnte seine gewöhnlichen Ausgaben mit Leichtigkeit durch den Verkauf seiner Erträgnisse von dem Viehbestand und den Feldern bestreiten.

Eleseus wußte ja besser Bescheid, er hatte dem Vater geraten, sein Geld auf der Bank anzulegen. Es war auch wohl möglich, daß dies das Verständigste gewesen wäre, aber jedenfalls war es aufgeschoben worden, wurde vielleicht nie getan. Nicht, weil Isak immer den Rat des Sohnes überhört hätte, Eleseus war wahrlich nicht so schlimm, das hatte Isak in der letzten Zeit herausgefunden. Jetzt in der Heuernte hatte er es mit dem Mähen versucht – nein, ein Meister wurde er darin nicht, und er mußte sich in Siverts Nähe halten und sich von ihm jedesmal die Sense wetzen lassen, aber Eleseus hatte lange Arme und konnte das Heu wie ein ganzer Mann zusammenraffen. Jetzt waren er und Sivert und Leopoldine und Jensine drüben auf der Wiese und setzten das erste Heu auf Heinzen, und Eleseus schonte sich da auch nicht, sondern arbeitete mit dem Rechen, bis er Blasen bekam und mit verbundenen Händen gehen mußte. Seit mehreren Wochen schon hatte er keinen rechten Appetit gehabt, war aber deshalb doch nicht arbeitsscheu geworden. Über den Jungen mußte etwas Neues gekommen sein, es sah aus, als sei ein gewisses Mißgeschick in einer gewissen Liebesangelegenheit oder etwas anderes in dieser Richtung, ein großer Schmerz oder eine Enttäuschung, vom Guten für ihn gewesen. Seht, jetzt hat er sogar seinen letzten von der Stadt mitgebrachten Tabak aufgeraucht, und das hätte vielleicht unter anderen Umständen einen Kontoristen dazu bringen können, die Türe zuzuschlagen oder sich über dies und jenes scharf auszusprechen; aber nein, Eleseus wurde dadurch nur ein gesetzter Bursche, fester in der Haltung, ja wahrlich ein Mann.

Auf was verfiel aber dann der Spaßvogel Sivert, um ihn zu reizen?

An diesem Tag knieten beide Brüder auf Steinen im Fluß und tranken, und Sivert war so unvorsichtig, Eleseus anzubieten, ihm ein besonders gutes Moos zu Tabak zu trocknen, – oder vielleicht willst du es roh rauchen? sagte er. – Ich werde dir Tabak geben, versetzte Eleseus, indem er den Arm ausstreckte und den Bruder bis an die Schultern ins Wasser tauchte. Ha, da bekam er's! Sivert lief noch lange mit einem nassen Kopf herum.

Ich glaube, Eleseus wächst sich allmählich zu einem tüchtigen Kerl heraus, dachte der Vater, wenn er den Sohn bei der Arbeit sah. – Hm. Ob der Eleseus nun für ganz daheimbleiben will? fragte er Inger. – Sie sagte ebenso sonderbar vorsichtig: Das könnte ich nicht sagen. Nein, das will er nicht. – So, hast du mit ihm darüber gesprochen? – Ach nein. Doch, ich habe nur ein ganz klein wenig gesagt. Aber ich errate es. – Ich möchte wissen, wie es wäre, wenn er einen eigenen Hof hätte? – Wieso? – Ob er ihn bebauen würde? – Nein. – So, hast du mit ihm darüber geredet? – Darüber geredet? Siehst du nicht, wie verändert er ist? Ich kenne ihn gar nicht mehr. – Du brauchst ihn nicht schlecht zu machen, sagte Isak unparteiisch. Ich sehe nichts anderes, als daß er draußen ein gutes Tagewerk vollbringt. – So, ja, ja, antwortete Inger schüchtern. – Ich weiß nicht, was du gegen den Jungen hast! rief Isak erzürnt. Er leistet mit jedem Tag bessere Arbeit, kannst du mehr erwarten? – Inger murmelte: Er ist nicht mehr, wie er war. Du solltest mit ihm wegen der Westen sprechen. – Wegen der Westen? Wieso? – Er sagt, daß er im Sommer in der Stadt weiße Westen getragen habe. – Isak dachte darüber nach und begriff nichts. Aber kann er denn nicht eine weiße Weste bekommen? fragte er. Isak war verwirrt, das Ganze war natürlich nur ein Weibergeschwätz, er meinte, der Junge sei mit der weißen Weste im Recht und begriff überdies nicht, was das bedeuten sollte, er wollte also rasch darüber weggehen. Nun, was würdest du dazu sagen, wenn er Bredes Ansiedlung zum heraufarbeiten bekäme? – Wer? fragte Inger. – Eleseus. – Breidablick? fragte Inger. Tu das ja nicht. Die Sache war nämlich die, daß sie den Plan schon mit Eleseus durchgesprochen hatte, sie kannte ihn wohl von Sivert, der den Mund nicht hatte halten können. Und im übrigen – warum hätte Sivert über den Plan schweigen sollen, den der Vater sicher nur deshalb verraten hatte, damit er durchgesprochen würde? Es war nicht das erstemal, daß er Sivert auf diese Weise zum Vermittler machte. Na, aber was hatte Eleseus geantwortet? Wie früher, wie in seinen Briefen aus der Stadt: Nein, ich will das, was ich gelernt habe, nicht wegwerfen und wieder der reine Garnichts sein! Das hatte er geantwortet. Ja, dann war ja die Mutter mit ihren guten Gründen herausgerückt, aber Eleseus hatte für alles nur abschlägige Antworten gehabt und gesagt, er habe andere Pläne für sein Leben. Das junge Herz hat seine unerforschlichen Gründe; nach dem, was geschehen war, fand er es vielleicht auch unmöglich, der Nachbar von Barbro zu werden. Das konnte niemand wissen. Er hatte der Mutter gegenüber nur obenhin Auskunft gegeben und gesagt, er könne in der Stadt eine bessere Stelle bekommen, als er jetzt habe, er könne auch Schreiber beim Landrichter oder Landrat werden; man müsse hinaufkommen, in einigen Jahren werde er vielleicht Lensmann oder Leuchtturmwächter, oder er komme aufs Zollamt. Es gebe so viele Möglichkeiten für den, der etwas gelernt habe.

Woher es nun auch kam, aber jedenfalls wurde die Mutter bekehrt, wurde mitgerissen, und sie war ja selbst so wenig sicher, die Welt konnte sie gar leicht wieder in ihre Schlingen ziehen. Im Winter hatte sie sogar in einem gewissen ausgezeichneten Andachtsbuch gelesen, das sie bei ihrem Weggang in der Anstalt in Drontheim bekommen hatte; aber jetzt? Ob denn Eleseus wirklich Lensmann werden könne? – Jawohl, antwortete Eleseus. Was ist denn der Lensmann Heyerdahl anderes, als ein früherer Schreiber auf einer Amtsstube?

Große Aussichten! Die Mutter wollte Eleseus geradezu abraten, sein Leben zu ändern und sich wegzuwerfen. Was sollte ein solcher Mann im Ödland? Aber warum gab sich Eleseus jetzt so viel Mühe und schaffte so fleißig auf den Feldern der Heimat? Gott mochte es wissen, er hatte vielleicht eine Absicht dabei! Etwas Bauernehrgeiz hatte er wohl auch, er wollte nicht zurückstehen. Außerdem schadete es nicht, wenn er an dem Tag, an dem er die Heimat wieder verließ, mit dem Vater gut Freund war. Um die Wahrheit zu sagen, so hatte er verschiedene kleine Schulden in der Stadt, es wäre gut, wenn er diese bereinigen könnte, das würde großen neuen Kredit bedeuten. Und hier handelte es sich nicht nur um einen Hundertkronenschein, sondern um etwas, das etwas war.

Eleseus war nicht dumm, o weit entfernt, er war sogar auf seine Art schlau. Er hatte den Vater wohl heimkommen sehen und wußte, daß er in diesem Augenblick drinnen am Fenster saß und herüberschaute. Wenn sich da nun Eleseus besondere Mühe bei der Arbeit gab, gereichte ihm das vielleicht gerade jetzt zum Vorteil, und es geschah ja niemand ein Unrecht dadurch.

Eleseus hatte etwas Verfeinertes an sich, was es nun auch sein mochte, aber zugleich auch etwas Verpfuschtes, wie etwas Zerstörtes, er war nicht böse, aber ein wenig verstockt. Hatte ihm in den verflossenen Jahren eine starke Hand über sich gefehlt? Was konnte die Mutter jetzt für ihn tun? Einzig und allein ihm helfen. Sie konnte sich von den großen Zukunftsaussichten des Sohnes blenden lassen und ihm beim Vater die Stange halten. Das konnte sie.

Aber Isak wurde schließlich ärgerlich über ihre abweisende Haltung, seiner Meinung nach war der Plan mit Breidablick gar nicht so übel. Heute auf dem Heimweg hatte er sogar der Versuchung nachgegeben und das Pferd angehalten, um sich in aller Eile einen sachkundigen Überblick über die vernachlässigte Ansiedlung zu verschaffen: unter arbeitsamen Händen konnte etwas daraus werden. – Warum soll ich es nicht wagen? fragte er Inger jetzt. Ich habe so viel Herz für Eleseus übrig, daß ich ihm dazu verhelfen will. – Ach, wenn du ein Herz für ihn hast, so nenne Breidablick vor ihm nicht mehr, versetzte sie. – So. – Nein, denn er hat viel größere Gedanken als wir.

Isak ist ja selbst seiner Sache nicht ganz sicher, er kann also nicht so recht gewichtig reden, aber es ärgert ihn, daß er mit diesem Plan herausgerückt ist und so unvorsichtig offen geredet hat, deshalb will er ihn nur ungern aufgeben. Er soll tun, was er will, erklärte Isak plötzlich. Und er sagt es mit lauter, drohender Stimme zum Besten für Inger, falls sie zufällig nicht gut hören sollte. Ja, sieh mich nur an, aber ich sage jetzt nichts mehr. Das Schulhaus ist dort, und es ist auf dem halben Wege vom Dorfe hierher und alles miteinander, was sind denn das für große Gedanken, die er hat? Mit einem Sohne wie er könnte ich leicht verhungern, ist das etwa besser? Aber nun frage ich, wie es kommt, daß mein eigenes Fleisch und Blut ungehorsam gegen – mein eigenes Fleisch und Blut sein kann? – Isak schwieg. Er begriff wohl, je mehr er redete, desto schlimmer wurde es. Er wollte jetzt erst einmal die Sonntagskleider ausziehen, in denen er im Dorfe gewesen war; aber nein, er änderte diesen Entschluß wieder und wollte so bleiben, wie er war, – was er wohl damit wollte? Du mußt versuchen, es mit Eleseus ins reine zu bringen, sagte er dann. – Inger antwortete: Es wäre am besten, du würdest es ihm selbst sagen. Mir folgt er nicht! – Jawohl, Isak ist das Haupt für alle, das wollte er meinen. Eleseus sollte es nur versuchen, sich zu mucksen! Aber ob es nun war, weil er eine Niederlage befürchtete – Isak weicht jetzt aus und sagt: Ja, das könnte ich tun, ich könnte es ihm selbst sagen. Aber da ich so vieles andere zu besorgen habe, so muß ich jetzt an anderes denken. – So? fragt Inger verwundert.

Nun geht Isak wieder fort, nur bis an die Grenze des Grundstücks, aber jedenfalls fort. Er ist sehr geheimnisvoll und will allein sein. Die Sache ist die, er ist heute mit einer dritten Neuigkeit vom Dorf zurückgekommen, und diese dritte ist größer als die beiden andern, sie ist ungeheuer groß; er hat sie am Waldessaum versteckt. Da steht sie, in Sackleinwand und Papier eingebunden. Er packt sie aus, und es ist eine große Maschine. Seht, sie ist rot und blau, wunderbar, mit vielen Zähnen und vielen Messern, mit Gelenken, mit Armen, Rädern, Schrauben, eine Mähmaschine. Natürlich wäre das neue Pferd nicht gerade an diesem Tag geholt worden, wenn es nicht wegen der Mähmaschine hätte sein müssen.

Isak steht mit einem ungeheuer scharfsinnigen Gesicht da und versucht, die Gebrauchsanweisung, die der Kaufmann ihm vorgelesen hatte, von einem Ende zum andern aus seinem Gedächtnis hervorzuholen; er befestigt eine Stahlfeder da und schiebt dort einen Bolzen ein, dann ölt er jedes Loch und jede Ritze, dann sieht er das Ganze noch einmal nach. Noch nie hat Isak einen solchen Augenblick erlebt. Eine Feder in die Hand nehmen und sein Hauszeichen unter ein Dokument setzen – jawohl, auch das ist eine große Gefahr und Schwierigkeit. Ebenso mit dem Reolpflug, der viele gebogene Messer hat, die ineinandergreifen müssen. Und dann die große Kreissäge im Sägewerk, die haargenau in ihrem Lager ruhen muß und nicht nach Ost und West ausweichen oder gar herausspringen darf. Aber die Mähmaschine – ein wahres Elsternest aus stählernen Zweigen und Haken und Vorrichtungen und Hunderten von Schrauben. O, Ingers Nähmaschine war nur eine Kleinigkeit dagegen!

Dann spannte sich Isak selbst vor und probierte die Maschine. Das war gerade der große Augenblick. Deshalb wollte er zuerst im Verborgenen mit der Maschine bleiben und auch sein eigenes Pferd sein.

Denn wie, wenn nun die Maschine falsch zusammengesetzt war und ihre Arbeit nicht verrichtete, sondern mit einem Knall zersprang? Aber das geschah nicht, die Maschine mähte Gras. Das würde auch gerade noch fehlen! Isak hatte hier in tiefes Studium versunken stundenlang gestanden, die Sonne war indessen untergegangen. Wieder spannt er sich vor und probiert, die Maschine mäht Gras. Das fehlte auch gerade noch!

Als gleich nach dem heißen Tag der Tau fiel und die beiden Brüder, jeder mit seiner Sense, auf der Wiese standen, um für den nächsten Tag zu mähen, tauchte Isak bei den Häusern auf und sagte: Hängt eure Sensen heute abend nur wieder hinein. Ihr könnt das neue Pferd anschirren und mit ihm hinüber an den Wald kommen.

Damit ging aber Isak nicht ins Haus hinein, um sein Abendbrot zu essen, was die andern schon getan hatten, sondern er drehte aus dem Hofplatz gleich wieder um und ging aufs neue dahin, woher er gekommen war.

Sollen wir den Karren anspannen? rief ihm Sivert nach.

Nein, antwortete der Vater und ging weiter.

Er strotzte förmlich von Geheimniskrämerei und war ganz übermütig, bei jedem Schritt wiegte er sich in den Knien, so nachdrücklich schritt er dahin. Ging es dem Tod und Untergang entgegen, so war er jedenfalls ein mutiger Mann, er trug nichts in den Händen, mit dem er sich hätte verteidigen können.

Die Jungen kamen mit dem Pferd nach, jetzt sahen sie die Maschine, und sie hielten jäh an. Das war die erste Mähmaschine hier im Ödland, die erste auch im Dorfe, rot und blau, prachtvoll anzusehen. Der Vater, das Oberhaupt aller, rief gleichgültig und ganz wie sonst: Kommt her und spannt das Pferd vor diese Mähmaschine! – Die Söhne spannten ein.

Dann fuhren sie, der Vater fuhr. Brr! sagte die Maschine und mähte das Gras nieder. Die Söhne hinterher, ohne etwas in den Händen, ohne zu arbeiten, lächelnd. Jetzt hielt der Vater an und sah zurück – na, es könnte besser gemäht sein. Er schraubte an ein paar Stellen, um die Messer näher an den Boden zu legen, und probierte wieder. Nein, so wird ungleich gemäht, uneben gemäht. Die Scheide, an der alle Messer sind, wackelt ein wenig auf und nieder. Vater und Söhne wechselten ein paar Worte. Eleseus hat die Gebrauchsanweisung gefunden und liest darin.

Da steht, daß du dich auf den Sitz setzen sollst, Vater, dann gehe die Maschine ruhiger, sagt er. – So, versetzte der Vater. Ja, das weiß ich wohl, fügte er hinzu, ich habe alles genau studiert. – Er setzt sich auf den Sitz und fährt wieder, nun geht es ruhig. Aber plötzlich mäht die Maschine nicht mehr, nein, alle Messer stehen auf einmal still. Ho! Was nun? Der Vater springt vom Sitz herunter, aber jetzt ist er nicht mehr übermütig, sondern beugt ein kummervolles, fragendes Gesicht über die Maschine. Vater und Sohne starren diese an; etwas ist verkehrt, Eleseus hat die Gebrauchsanweisung in der Hand. – Da liegt ein kleiner Bolzen! sagt Sivert, indem er ihn vom Boden aufhebt. – Ach so, es ist gut, daß du ihn gefunden hast, sagt der Vater, als wäre das alles, was es brauchte, um die Maschine wieder in Ordnung zu bringen. Gerade diesen Bolzen habe ich gesucht. – Aber nun konnten sie das Loch nicht finden; wo zum Kuckuck war das Loch zu dem Bolzen? Da, sagt Eleseus und deutet mit dem Finger.

Und jetzt mußte sich Eleseus wohl der Sache etwas gewachsen fühlen, seine Fähigkeit, eine Gebrauchsanweisung zu erforschen, war hier unersetzlich; er deutete überflüssig lange auf das Loch und sagte: Nach der Illustration zu verstehen, muß der Bolzen hier hinein! – Jawohl muß er hier hinein, sagte auch der Vater, da hatte ich ihn ja eingesetzt! Und um seine Autorität wieder herzustellen, befahl er Sivert, nach noch weiteren Bolzen im Gras zu suchen. Es muß noch einer da sein, sagte er mit ungeheuer wichtiger Miene, wie wenn er alles im Kopf hätte. Findest du keinen mehr? Na, dann sitzt er wohl noch in seinem Loch!

Dann wollte der Vater wieder fahren.

Aber das ist falsch! ruft Eleseus. O, Eleseus steht mit der Zeichnung in der Hand, mit dem Gesetz in der Hand da, ihn darf man nicht auf die Seite schieben. Diese Feder hier muß außen sein! – Ja? fragt der Vater. – Jawohl, aber jetzt ist sie unten, du hast sie unten hingesetzt. Es ist eine Stahlfeder, die muß außen sein, sonst springt der Bolzen wieder heraus, und dann stehen alle Messer still. Hier steht es auf der Abbildung! – Ich habe meine Brille nicht bei mir, deshalb kann ich die Zeichnung nicht deutlich sehen, sagt der Vater kleinlauter. Hier, du hast bessere Augen, schraube du die Feder ein. Aber mach es nun richtig. Wenn es nicht so weit wäre, würde ich meine Brille holen.

Jetzt ist alles in Ordnung, und der Vater sitzt auf. Eleseus ruft ihm nach: Und dann mußt du ein bißchen schnell fahren, dann schneiden die Messer besser! Hier steht es!

Isak fährt und fährt, und alles geht gut, und Brr! sagt die Maschine. Sie hinterläßt einen breiten Weg von gemähtem Gras, in einer schönen Linie liegt es da, fertig zum Ausbreiten. Jetzt kann man Isak vom Hause aus sehen, und alle Frauenzimmer eilen heraus. Inger trägt die kleine Rebekka auf dem Arm, obgleich die kleine Rebekka längst laufen kann. Aber jetzt kommen sie daher, vier Frauenzimmer, große und kleine, und sie eilen mit weitaufgerissenen Augen zu dem Wunderwerk hin, sie umdrängen es. O, wie mächtig Isak jetzt ist und richtig stolz; frei auf der Maschine droben sitzt er, im Sonntagsgewand, in vollem Staat, in Rock und Hut, obgleich ihm der Schweiß von der Stirne tropft! Er fährt in vier großen Winkeln über ein passendes Wiesenstück, schwingt um, fährt, mäht, kommt an den Frauen vorüber, die wie aus den Wolken gefallen sind, sie begreifen es nicht, und Brr! sagt die Maschine.

Dann hält Isak an und steigt herunter. Seht, er sehnt sich gewißlich danach, zu hören, was die Menschen auf der Erde sagen, was sie jetzt wohl sprechen werden! Er hört leise Ausrufe, die Menschen wollen ihn auf seinem großen Posten nicht stören, aber sie stellen ängstliche Fragen aneinander, und diese Fragen hört Isak. Und jetzt, um ein freundliches väterliches Oberhaupt für alle zu sein, muntert Isak sie auf, indem er sagt: Ja, ja, ich mähe nun dieses Wiesenstück, dann könnt ihr das Heu morgen ausbreiten. – Du hast wohl gar keine Zeit, hereinzukommen und zu essen? fragt Inger überwältigt. – Nein, ich habe jetzt anderes zu tun, erwidert er.

Dann ölt er die Maschine noch einmal und gibt den anderen zu verstehen, daß es sich hier um eigentliche Wissenschaft handle. Dann fährt er wieder und mäht weiter. Schließlich gehen die Frauenzimmer wieder hinein.

Glücklicher Isak! Glückliche Menschen auf Sellanraa!

Isak erwartet sehr bald, die Nachbarn von drunten ankommen zu sehen. Axel Ström hat sehr viel Interesse, er kommt vielleicht schon morgen. Aber Brede von Breidablick ist imstand und kommt noch heute nacht. Isak hätte gar nichts dagegen, ihnen die Mähmaschine zu erklären und darzutun, wie gut er sie in allem regieren kann. Er will darauf hinweisen, daß man mit der Sense unmöglich so glatt und gleichmäßig mähen könne. Aber was eine solche erstklassige blau und rote Mähmaschine kostet, das ist auch gar nicht zu sagen!

Glücklicher Isak!

Aber als er die Maschine zum drittenmal anhält und wieder ölt, fällt ihm wahrhaftig die Brille aus der Tasche. Und das schlimmste ist, daß seine Söhne es gesehen haben. War eine höhere Macht dabei im Spiel, war es eine Ermahnung, etwas weniger hochmütig zu sein? Er hatte ja auf dem Heimweg oft die Brille aufgesetzt und die Gebrauchsanweisung studiert, sie aber eben nicht verstanden, da hatte Eleseus eintreten müssen. Ach Gott im Himmel, ja, Kenntnisse sind etwas Gutes! Und um sich selbst zu demütigen, will Isak es nun aufgeben, Eleseus zum Landmann zu machen, er wollte nicht mehr davon reden. Nicht, daß die Jungen aus dem Mißgeschick mit der Brille eine große Sache gemacht hätten, im Gegenteil, der Spaßvogel Sivert konnte zwar nicht an sich halten, nein, das konnte er nicht, er zupfte Eleseus am Ärmel und sagte: Komm, jetzt gehen wir hinein und verbrennen unsere Sensen; Vater mäht für uns! – Dieser Scherz kam im rechten Augenblick.


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