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Mit dem Ton der Entrüstung und entsprechendem Augenrollen gesprochen eine unmißverständliche Anrede; rein sprachlich betrachtet hingegen nicht klar für jedermann. Man muß sich zuerst in die sinnfällige Lage hineindenken. Da stellt sich ein kühner Mann, es kann auch ein Frechling sein, einem größeren, höheren unter die Nase und wirft ihm eine unehrerbietige Behauptung, Frage, Herausforderung ins Gesicht. Der andere, der sich überlegen fühlt oder gibt, sieht ihn von oben herab an, sieht ihn unter sich stehen. Die Sprache kann in diesem Falle auch ein intransitives Zeitwort wie «stehen» transitiv machen und mit einem «sich» verbinden, also: sich unterstehen für: sich unterstellen, sich entgegenstellen.
135 Ähnlich erklärt sich das reflexiv gebrauchte unterfangen. Um eine Last, zum Beispiel eine schwere Kiste zu heben, fängt oder faßt man sie von unten; man unterfängt sie, könnte man sagen. So tut, bildlich gesprochen, derjenige, der eine schwere, vielleicht unerhörte Tat unternimmt (von unten nimmt, anpackt) oder irgendeinen gewagten Versuch macht. In seinem Schauspiel «Das großmütige Solothurn» von 1755 läßt Hermann jemand sagen:
«Ob Rachgier oder Lieb ein Mittel unterfangen...»
Er braucht also den Gegenstand des Unterfangens noch als Akkusativobjekt. Heute bedienen wir uns der reflexiven Zeitwortform, und zwar entweder mit dem Akkusativ, wie bei Schiller:
Verwegener, was unterfangt Ihr Euch! oder mit dem Genitiv, wie schon in älterer Sprache:
Sie wollten sich der Sach der Geistlichen nicht unterfangen.
Je schwerer die Last oder Pflicht oder Arbeit ist, die einer auf sich (auf seine Schultern) nimmt, desto eher muß er sich winden (das heißt drehen und wenden, anstrengen), um sie in seine Gewalt zu bekommen. Dann unterwindet er sich, wie zum Beispiel Goethe sagt:
Ein solcher Mann unterwindet sich der schweren Aufgabe... Mit diesem Unterwinden verbindet sich leicht die Vorstellung des sich Unterziehens; man zieht seinen Leib unter die schwer zu hebende Bürde, unter eine Pflicht, einen Befehl. Vielleicht tut man das, indem man sich hinwirft, sich unterwirft, dem Mächtigen zu Füßen wirft, sich also unterwürfig zeigt.
Lauter Beispiele dafür, wie die Sprache, um geistig-seelische Vorgänge zu bezeichnen, ursprünglich aus der Anschauung sinnfälliger Lebenslagen schöpft.