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«Sankt Peter war nicht aufgeräumt.» — Verstehen unsere Schulkinder das, wenn sie die «Legende vom Hufeisen» lesen oder auswendig lernen?
Zwar vom Aufräumen wissen sie genug; ist es doch vieler Schweizer Hausfrauen höchste oder einzige Tugend. Aber «aufgeräumt sein», wie es der Dichter hier versteht: als heiter, wohlgemut, guter Laune sein — das hat für die meisten keine Beziehung zum häuslichen Aufräumen. Wenn die Hausmutter am Aufräumen ist (oder Wäsche hat), gilt für viele die Mahnung: Störe ihre Kreise nicht! Bitte sie ja nicht etwa um Taschengeld oder um eine Extra-Erlaubnis! Komme ihr nicht mit Schulgeschichten oder Reiseplänen! Reize sie nicht mit einem Geständnis, und wär’ es noch so edel.
Und doch gehören Aufräumen und Aufgeräumtsein grammatisch und inhaltlich zusammen. Wer geistig aufgeräumt ist, gleicht einer aufgeräumten Stube, wo alles an seinem Platz, alles in Ordnung ist, nichts herumliegt, alles zum Empfang bereit ist und einladend aussieht. So sieht es auch in einem aufgeräumten Gemüt aus. Da ist kein Durcheinander von Gedanken, kein Widerstreit unterdrückter Gefühle, kein versteckter Komplex, kein Wenn und kein Aber, kein Ach und kein Weh. Spiegelrein, von keinem Sorgenhauch getrübt, lächelt die Seele dem Leben entgegen, bereit aufzunehmen, was da kommt, teilzunehmen an Lust und Leid der andern, ungehemmt von Nebengedanken, Nebengefühlen und Nebenabsichten. Einer solchen aufgeräumten Seele kann man sich anvertrauen, darf sie um Gehör, um Rat und Anteilnahme bitten; von ihr darf man hoffen, daß sie unsere Verwirrung und innere Not mit ihrer Klarheit durchleuchte und in sinnvolle Ordnung bringe, also auch aufräume!
Sankt Peter war nicht aufgeräumt. Warum nicht? «Er hatte», sagt uns der Dichter, «soeben im Gehen geträumt, so was vom Regiment der Welt.» Darum achtete er der Kirschlein nicht, 108 die der Herr auf den Weg fallen ließ, um ihn zu necken; denn der hatte seine Gedanken erraten, seine eitlen Nebengedanken von Weltherrschaft.
Die Uebertragung vom sinnfälligen Aufräumen auf ein geistiges ist älter als Goethes Legende. Christian Günther, ein Dichter aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts, kennt sie schon, wenn er sagt:
Die Kunst der Poesie will aufgeräumte Sinnen.
Damit hat er eine wichtige Entdeckung ausgesprochen: wer dichtet und wer Dichtung genießen will, muß mit ganzer Seele bei der Sache sein, muß aufgeräumt haben mit allen selbstischen Nebengedanken, die ihn an den Alltag binden.