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Seit dem ausgehenden Mittelalter ist das Mühlespiel eines der beliebtesten Brettspiele im Abendland. Wir nennen es «Nüüni-zieh», weil neun Steine für jeden der beiden Partner dazu gehören. Diese Steine zieht oder schiebt man auf vorgezeichneten Linien hin und her. Sobald drei Steine auf derselben Linie liegen, bilden sie eine «Mühle». Warum das so heißt, hat mir noch niemand erklärt. Sonst gehören zwei Steine zu einer Mühle, genauer zu einem Mahlgang: der obere (bewegliche) oder Läufer und der untere (feste) oder Bodenstein. Durch Verschieben eines Steines macht man die Mühle auf oder zu. Ein besonderer Vorteil des Spielers ist es nun, einen Stein so liegen zu haben, daß er durch Hin- und Herschieben eine Mühle auftut und zugleich eine andere schließt. Dann hat er eine Fickmühle. In der älteren Sprache bedeutet «ficken» (wie in unserer Mundart figge oder fiegge) hin- und Herrutschen. So sagt man zu Kindern, die nicht ruhig auf ihrem Platz sitzen können, sie sollen 56 «nit geng umefiegge». Eine Fickmühle ist also im Brettspiel die Gelegenheit, durch Hin- und Herziehen eines Steines zwei Mühlen zu schließen. Noch vorteilhafter ist es für den Spieler, wenn er außer der Fickmühle (englisch double-mill) noch eine offene, zum Beispiel seitwärts der andern liegende, Mühle hat, also eine «Figgen und Müli», so daß der Gegner, der nicht an zwei Orten zugleich eingreifen kann, an einem Punkte sicher geschlagen wird. «Figge» oder «Figgi» ist also der kurze Ausdruck für Fickmühle, wie zum Beispiel im Obersächsischen Fitsche und Fitschel für Fick- oder Fitschelmühle gebräuchlich ist. (Im Bayrischen, nebenbei, wo die Kurzform Ficke neben «Fickmühl» nicht vorzukommen scheint, braucht man das Zeitwort ficken im Sinne von hin- und herfahren auch in Anwendung auf das Geigenspiel: fickeln = fiedeln, Fickelbogen = Fiedelbogen.)
«Figgen und Müli ha» bedeutet demnach im übertragenen Sinn: doppelten Vorteil haben. Nun bringt aber doppelter Vorteil auch in Verlegenheit: man muß sich für das eine oder das andere entschließen. Dann wird die Fickmühle zur Zwickmühle. Der scheinbar Begünstigte befindet sich in einer Zwicke, das heißt Zange, also in einer Klemme oder verzwickten Lage, etwa wie ein junger Mann, der zwei günstige Gelegenheiten zum Heiraten hat und zwischen beiden schwankt. Conrad Ferdinand Meyer spricht einmal (im «Pescara») von jenen «verdammt feinen Zwickmühlen, wie sie der Zufall in der Weltgeschichte anlegt». Die Zwickmühle kann somit auch zu einer boshaft gestellten Falle werden.