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Nur ewigen und ernsten Dingen
Sei ihr metallner Mund geweiht!
So Schiller von der Glocke. Wie jeder Mund, so hat auch der metallene der Glocke eine Zunge: den Glockenschwengel oder Klöppel. Im Schweizerdeutschen heißt er Challe, und nur im 85 Schweizerdeutschen. Darum sind wir besonders neugierig, zu erfahren, woher dieses vereinsamte Wort stammen mag.
Nach dem schweizerischen Idiotikon besteht kein Zweifel, daß es zu einem einst weitverbreiteten Zeitwort «kallen» gehört, das aber im Neuhochdeutschen untergegangen ist. Es kommt noch im 15. und 16. Jahrhundert ziemlich häufig vor, meist in der Bedeutung: viel und laut reden, keifen, belfern. So begegnet uns zum Beispiel ein «dawider-kallen» im Sinn unseres «widerbälle», d.h. laut und ungebührlich widersprechen. Verfolgt man das Wort weiter zurück, so findet man es im althochdeutschen «kallôn» oder «challôn», in den altskandinavischen Sprachen (altnordisch kalla), auch im Mittelhochdeutschen (kallen), und zwar in den verschieden verbreiteten Bedeutungen von sagen, laut reden, rufen, schwatzen, schreien, prahlen. Im Bayrischen hat sich «kal’n» im Sinne von bellen erhalten. Da heißt es in einem Liebesliedchen:
Mei Schatz is a Jaga, i kenn en aus all’n,
Kenn ’s Büxl i’n Klingen und ’s Hundl i’n Kall’n.
In andern Ländern germanischer Zunge, in Norwegen, Schweden, Dänemark, Holland, England (to call) lebt das Wort auch noch fort, meist in der Bedeutung von rufen, sagen, nennen. Die schon im Althochdeutschen nachweisbare Intensivbildung «kalzen» (kallazen, aus kallazjan) hat sich im schweizerischen chälze, chältsche = kläffen (vom Hund), keifen, zanken und im bayrischen kalz’n = laut sprechen, prahlen, schwatzen erhalten.
Von diesem alten Zeitwort kallen also wäre der Challe als der Rufer, Schreier abgeleitet, etwa wie der Lämpe zu lampen (herabhangen) und der Bisse (Spaltkeil) zu byßen. Vielleicht, da doch im Bayrischen (kal’n) die Bedeutung bellen vorliegt, ist die Wirkung des Glockengeläutes ursprünglich mit der des Hundegebells verglichen worden; hat doch das englische Wort «bell» für Glocke diesen Eindruck noch aufbewahrt. Ueber diese Ähnlichkeit macht das Grimmsche Wörterbuch die Bemerkung: «Man könnte sagen, in früher Vorzeit ersetzte dem nahenden Wanderer das Gebell der Haus und Hof bewachenden Hunde den aus der Ferne ihm 86 entgegenschallenden Glockenklang.» In Gegenden, wo man keine Kirchenglocken hat oder wo sie der Kriegsgefahr wegen verstummt sind, suchen die Menschen, wenn sie zum erstenmal Glocken läuten hören, nach irgendeinem Vergleich, um das seltsame Getön zu benennen; so z.B. in Schmitthenners «Friede auf Erden», wo die Kinder, als sie die Friedensglocken läuten hören und man ihnen zur Erklärung sagt, es sei jetzt Friede im Land, die naive Frage stellen: «Tut der Fried so sausen?»
In seinem Aargauischen Wörterbuch erzählt Hunziker einen satirischen Schwank über die wegen ihrer Kleinheit verspotteten Glocken in Rued:
«Im Pfarrer sy Güggel ischt grad uf em Chilchhof spaziere gange, wo’s zmittag glütet het. Do loht de Challe und flügt zum Schalloch us. De Güggel aber meint, es seig e Mertel (Regenwurm), wo-n-oben abe chöm, tuet de Schnabel uuf und het en abegschlückt.»
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Das Zeitwort challe, g’challe oder b’challe, das dem Leser in diesem Zusammenhang einfallen mag, hat mit dem Challe nichts zu tun. Es bedeutet bekanntlich gerinnen, stocken und wird auf Fett und Blut angewendet. Die Schriftsprache hat es verloren; aber noch das Zürcher «Vogelbuch» von 1557 schreibt z.B. vor: «Laß Hennenbluet geston oder kallen.» Neben dem Partizip gchallet gab es auch ein Eigenschaftswort «kall» und «gchalig». Die Wortfamilie scheint ihren Ursprung in einem ausgestorbenen germanischen Zeitwort zu haben, das durch altnordisches «kala» und altenglisches «calan» = frieren vertreten ist und in Urverwandtschaft steht mit lateinisch gelare = gefrieren (vgl. franz. geler). Von diesem verlorenen germanischen Zeitwort starker Beugung sind auch «kuol» (kühl) und «kalt» abzuleiten, jenes als Ablautbildung, dieses als altertümliche Partizipialbildung mit -t (kal-t), ähnlich «tot» (to-t) als Partizipialbildung von altem «touwen» (sterben).