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Mit diesem Fremdwort, so beliebt es in der Parlamentarier-, der Zeitungs- und selbst in der Umgangssprache geworden ist, könnte man abfahren. Es trägt den Stempel des schlechten Gewissens schon an der Stirne: das «auf». Wenn das «auf» nicht wäre, würden die meisten Leute das Wort überhaupt nicht verstehen. Dieses «auf» hingegen erinnert sie an eine Reihe von Zeitwörtern, bei denen man den Buckel herhalten muß: aufbürden, aufladen, aufpacken, aufhalsen, auferlegen; ferner an aufnötigen, aufdrängen, aufzwingen. Man sieht den Knecht oder Sklaven, dem, ob er will oder nicht, schwere Lasten auf den Rücken gebürdet werden. Und in diesem Sinne, vor allem als aufzwingen, aufnötigen wird das Wort gebraucht.
Nun hat aber das französische octroyer, das der Deutsche in seiner allzu kindlichen Fremdwörterfreude entlehnt hat, ungefähr den gegenteiligen Sinn: es bedeutet bewilligen, verleihen. Ursprünglich 132 ist die Bewilligung eines octroi gemeint, das heißt eines städtischen Eingangszolles, auch einer städtischen oder Gemeindesteuer. Wer den octroi erhält, erhält damit eine Begünstigung, nicht eine Belastung, geschweige eine zwangsmäßige Belastung. Die Regierung, der Fürst oder irgendwelche Autorität (lat. auctorare) autorisiert ihn, einen solchen Zoll oder eine solche Steuer zu erheben. Dieses «Autorisieren» (lat. auctorare, mittellat. auctoricare) nahm in romanischen Sprachen verschiedene Lautformen an, z.B. provenzalisch autorgar, spanisch otorgar, altfranzösisch otroier, italienisch otriare; das neufranzösische octroyer gibt sich durch seine unvolkstümliche Lautform als ein Gebilde der Kanzleisprache zu erkennen. Und so ist es im 17. Jahrhundert (der älteste Beleg stammt von 1694) auch in die deutsche Sprache eingedrungen, zuerst in seiner ursprünglichen Bedeutung von «bewilligen». Später (nachweislich erst 1848) hat es durch Mißverständnis den Sinn von «gewaltsam einführen» (besonders in Anwendung auf eine Verfassung) angenommen.
Nun, es gibt auch andere Wörter, die im Lauf der Zeit ihren Sinn in den Gegensinn verwandelt haben. Nicht aus diesem Grunde ist «aufoktroyieren» zu verwerfen, sondern weil es ein völlig überflüssiges Fremdwort ist; außerdem noch, weil es uns verleiten könnte, beim Französischsprechen oder -schreiben octroyer in einer Bedeutung zu verwenden, die der Franzose nicht kennt. Legen wir also dieses französische Mäntelchen ruhig ab und hängen es in denselben Kasten, wo noch andere mißverstandene Dekorationsstücke hingehören, wie blamieren, Blamage, Offerte, Restauration (französisch café-restaurant), Kuvert (französisch enveloppe), Perron, per acquit usw. usw.