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Es muß Leute geben, denen das nicht übel gefiele; die ruhig zusähen, wenn die unwürdige Umschreibung mit «würde» noch weiter gediehe und das Häufchen guter Konjunktivformen, das die «kurrente» Sprache noch besitzt, völlig zusammenschmölze; Leute, deren erschlafftes, waschlappiges Sprachgefühl vor jedem kurz- und bündigen «schösse, träfe, flöge, wüchse, stürbe, verlöre» zurückscheut wie vor der Berührung mit einem stachligen Tier und denen es so recht wohl erst wird, wenn alles farb- und kraftlos über einen Leisten geht: schießen würde, treffen würde, fliegen würde, wachsen würde, sterben würde, verlieren würde usw. usw. Sie haben kein Gehör und kein Gefühl für die männliche Schönheit dieser eigenwilligen Konjunktive, für die bedeutungsvolle Buntheit ihrer Stammsilbenvokale (i, ie, ä, ö, ü), für die ausdrucksvolle Knappheit ihrer Bildung. Helfen würde, frieren würde, gewinnen würde, besinnen würde usw. ist ja viel schöner als hülfe, fröre, gewönne, besänne! Das Sprachideal dieser Leute ist die Gleichförmigkeit, die Uniform, das Anstaltskleid; aber nicht etwa die knappe Gleichförmigkeit der englischen Konjugation (get, got, got; must, must, must), nein, die Gleichförmigkeit der breiten, plumpen Umschreibung, so wie zum Beispiel der selige Sacher-Masoch sie geliebt hat, aus dessen Romanen klassische Muster von «würde»-Sätzen angeführt werden; so von Hermann Dünger in seinem lehrreichen Buche «Zur Schärfung des Sprachgefühls»:
«Du beginnst so auffallend mit deiner Zeit zu geizen, daß ich mindestens sehr klug handeln würde, wenn ich jemand suchen würde, der mir in den vielen Stunden, wo du nicht bei mir bist, ein wenig die Zeit vertreiben würde.»
Wenn es irgendwo mit Händen zu greifen ist, wie die Mundart uns vor der Entkräftung des Sprachgefühls und vor der Verarmung der Sprachbildungsformen bewahren kann, so ist es auf diesem Gebiete. Nicht nur, daß sie eine Menge starker Konjugationsformen erhalten hat, und zwar häufig in altertümlich umlautloser 114 Gestalt (i hulf, i flug, i sturb, i fund, schluf, verlur, schriis, wiechs, frur, mulch, schuß, gwunn, lüff); ihre kerngesunde Luft am Vokalspiel des Ablauts greift auch auf die Vergangenheitsformen der schwachen Konjugation hinüber und leistet sich hier Formen wie miech (für machti), sieg (für seiti), hiesch (für heuschti), chief oder sogar chuf (für choufti), pieß (für paßti), schuch (für schüüchti), brung (für brächti), rou (für reuti), selbst schüedi (für schadeti); ja, in einer Art von Übermut versucht sie sogar, ursprünglich stark konjugierten, aber in die schwache Konjugation übergeglittenen Formen durch einen neuen (ganz ungeschichtlichen) Ablaut festeres Rückgrat zu geben, so wenn sie gsuuch (aus gsääch, gsäächti) bildet, bluub (aus bliib, blybti), chiemti (aus chäm, chäämti), nuhm und nuhmti (aus nahm, nähmti), pfuf (i pfuf der druuf! aus pfiif, pfyfti), stuhl (aus stähli, stihlti) usw.
Man braucht nur in Gotthelfs Sprache und die unsrer neueren ländlichen Mundartschriftsteller unterzutauchen, so erlebt man wie in einem Stahlbad Kräftigung des Sprachgefühls für knappe und ausdrucksvolle Verbalformen. Oder man greife zu Luthers Bibelübersetzung — in möglichst ursprünglicher Fassung — und erlabe sich an Stellen wie Matth. 16, 26: Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?
Oder Psalm 139, 8f. Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mir in die Hölle, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich doch deine Hand daselbst führen, und deine Rechte mich halten.
Oder 1. Kor. 13, 3: Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib brennen und hätte der Liebe nicht, so wäre es mir nichts nütze.
Jeder sprachgewaltige Dichter lehrt uns die gedrungene Kraft deutscher Konjunktive genießen und die Freude nachfühlen, die er selber an ihr empfand. So unser Gottfried Keller, zum Beispiel in seinem «Lebendig begraben», wo das ganze vierte Gedicht («Läg ich, wo es Hyänen gibt, im Sand») lauter Verben in der Möglichkeitsform 115 aufweist, und ähnlich das elfte («Wie herrlich wär’s, zerschnittner Tannenbaum»). So auch Conrad Ferdinand Meyer in seinem «Ich würd es hören» oder im «Heiligen Feuer» wo es von der Vestalin, die die ewige Flamme zu hüten hat, heißt:
Wenn sie schlummerte, wenn sie entschliefe,
Wenn erstürbe die versäumte Glut,
Eingesargt in Gruft und Grabestiefe
Würde sie, wo Staub und Moder ruht.