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Wie heißt’s doch im «Emmentaler Hochzeitstanzlied»:
O du mi trüüli wärte Schatz,
Jez chumen i, hesch mer Platz?
Und im alten «Rosegarte», dem Abschiedsgespräch zwischen dem ausziehenden Söldner und seiner Liebsten, als letztes Wort an sie:
57 Nun schlaf, mein Kind, in guter Ruh.
Schlaf in Gedanken
Und tu nicht wanken.
Du bist mein Schatz.
Und in dem Lied von dem heimkehrenden Knaben, der seine treue Liebste auf dem Totenbett findet:
Wenn jemand kommt und fragt mir nach,
So sagt, ich sei’s gestorben;
So sagt, ich lieg im kühlen Grab
Und Hab mein Schatz im Arme.
Hat das Wort «Schatz» nicht einen herzinnigen Klang in diesen Liedern? Ist es nicht selber ein Schatz, ein Kleinod unserer Sprache? Muß man die Sprachgeschichte zu Hilfe nehmen, um seinen alten Goldglanz wieder aufzufrischen; daran erinnern, daß es ein kostbares, aber geheimgehaltenes Gut bedeutet, wie der Schatz im Acker, von dem es in der Bibel heißt: Wo euer Schatz ist, da ist euer Herz? Versteht man von da aus nicht die Zartheit des Ausdrucks im Munde des Liebenden, der nur mit einem Bild andeutet, was das geliebte Wesen ihm ist? der den Namen und das Bild der Geliebten, ja ihren Aufenthalt verschweigt wie einer, der einen Goldschatz, im Erdboden versteckt, sein eigen weiß?
In Zürich hörte ich neulich von einem Bekannten, einem guten Kenner des dortigen Volkslebens, das Wort «Schatz» sei unter Liebespaaren aus der Mode gekommen; man finde es altväterisch. Wenn ein Mädchen ein Verhältnis habe, so sage man: «Sie hät ein» oder, noch schöner: «Sie hät iez en Herr.» In Bern kann man das übrigens auch schon hören: «Ds Blaasch (Blanche) het iez en andere Heer.» Es ist der Herr, «der alles bezahlt», das Essen, den Kleiderputz und die Liebe. Der Schatz ist zum Portemonnaie geworden, zur Versicherungsanstalt, bei der man die Prämie mit der Unschuld zahlt. Die moderne Liebe will versichert sein. Sie wagt nichts mehr. Sie ist keine Leidenschaft mehr.
Und so ist das Wort «Schatz» ausgehöhlt. Mit der Abwertung 58 der alten Werte geht die Abwertung der alten Worte Hand in Hand. Der Schatz von einst ist zum «Herrn, der bezahlt» geworden.
Verfolgt man die Geschichte des Wortes «Schatz» in der deutschen Dichtung, so ergibt sich, daß es erst im 13. Jahrhundert den Sinn eines aufbewahrten Reichtums angenommen hat und von da aus auf eine geliebte Person übertragen worden ist, und zwar zuerst, im Munde der Frau, auf den geliebten Mann; so noch im 13. Jahrhundert, bei Heinrich Frauenlob:
Er nimt vür guot noch hiute,
Daß er ist mîn schatz.
(Er läßt es sich noch heute gefallen, daß er mein Schatz ist.) Daß man sich der alten Bedeutung von «Schatz» noch deutlich bewußt ist, ergibt sich aus einer Stelle bei Heinrich dem Teichner, einem Dichter des 14. Jahrhunderts:
Ir rotes mündelîn,
das ist ein Schatz über alles guot,
das in kisten lît begraben.
Neben «Schatz» wird ebenso häufig das gleichbedeutende «Hort» gebraucht, so bei Peter Suchenwirt (2. Hälfte des 14. Jahrh.) zum Beispiel:
ir trautes liep und irn hort
oder
Trostlîcher helt, manlîcher hort!
Dann aber in Anwendung auf die geliebte Frau, zum Beispiel bei Hermann von Sachsenheim (15. Jahrhundert):
Dô gieng dorther der edel schatz,
den ich von frauwen ie gesach.
Oder im Liederbuch der Clara Hätzlerin (15. Jahrhundert):
Friuntlicher schatz und herzigs weib
und, im gleichen Sinne, mehrmals bei Oswald von Wolkenstein:
mein höchster hort, mein höchster schatz!
Die Abwertung von «Schatz» erinnert an die von «Magd», ursprünglich im reinen Sinn von Jungfrau gebraucht, daher auch auf 59 die jungfräuliche Mutter Gottes übertragen, dann durch die Anwendung auf dienende Jungfrau allmählich entwertet (ganz ähnlich wie Knecht) und heute, wo die Ehre des Dienens nicht mehr geachtet wird und niemand mehr Magd sein will — durch — «Hausangestellte» ersetzt. Auch ein Fortschritt!