Otto von Greyerz
Sprachpillen
Otto von Greyerz

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Die Zeit totschlagen

Hat man sich das schon ausgemalt? Die Zeit totschlagen! Hat man schon versucht, sich in die Seelenverfassung des Menschen zu versetzen, der diesen furchtbaren Ausdruck zum erstenmal brauchte? War es ein lebenslänglich Eingekerkerter, der aus Verzweiflung über die Länge der Zeit seine eigenen Flöhe dressierte? War es ein Reisender, der den Zug verfehlte und auf einer einsamen Station bei Schnee und Regen vier Nachtstunden lang auf den nächsten Zug warten mußte? Oder war es einfach ein Liebender, der eine Viertelstunde lang am Fenster stand und nach der Geliebten ausschaute?

So oder so, ein gewöhnlicher Kopf kann es nicht gewesen sein. Nur eine glühende Einbildungskraft konnte dieses Totschlagen erfinden. Hieße es noch umbringen oder töten, wie ja auch die Franzosen und Engländer sagen (tuer le temps, to kill time), aber totschlagen! Eine blutrünstige Wut, eine ingrimmige Lust zur Gewalttat spricht aus diesem Wort.

Und gegen wen diese Wut? Gegen die liebe Zeit, die alle Tränen trocknet, alle Wunden heilt, die Rat bringt, Rosen bringt, die, wie Schiller im Wallenstein sagt, des Menschen Engel ist! Gegen das Unschuldigste, was man sich denken kann. «Du liebi Zit!»

Wenn der Mensch seine Ungeduld nicht bändigen kann, wenn er sich nicht in die Zeit schicken kann, dann macht er die Zeit zum Sündenbock und will die Zeit totschlagen!


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