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Die Königin unter den Pilzen ist die Trüffel. Keiner wird vom Kenner höher geschätzt, keiner teurer bezahlt als sie; keiner verbirgt sich vor den Augen des Spähers so beharrlich wie die Trüffel. Ihr ganzes Leben spielt sich im dunklen Schoß der Erde ab. Bis zu 15 cm Tiefe durchzieht ihr Mycel den Boden in der Nähe verschiedener Laubbäume, der Eichen, Buchen, Kastanien, Hornbäume, Hasel- und Fliedersträucher, besonders in kalkreichem Boden. Das Pilzgewebe tritt mit den Wurzeln dieser Gewächse in Verbindung und wird von ihnen ernährt. Die Vermehrungssporen bilden sich in ellipsenförmigen Schläuchen, die zu Tausenden, von Hyphengewebe umgeben, in einer ziemlich festen, mit Warzen bedeckten Hülle, der Trüffel, sitzen. Es giebt über zwei Dutzend Trüffelarten. Je nachdem die Hyphengewebsmasse beim Durchschneiden helle oder dunkle Farbe zeigt, unterscheidet man weiße und schwarze Trüffeln. Die deutsche oder Sommertrüffel gehört zu den ersteren; ihr weißes Fleisch ist hellbraungrau marmoriert. Man findet sie in Deutschland vom September bis gegen den Januar, besonders in Schlesien, Thüringen, Hannover und der Rheinprovinz. Ihr Geschmack und ihr würziger Geruch sind am schönsten, wenn sie frisch ist. Eine schwarze Art, Tuber nigrum, kommt auch in Hannover vor und wird teuer bezahlt.
Die Perle aller Trüffeln ist aber nach dem Urteile der Kenner die französische schwarzsporige, Tuber melanósporum, die schon zu den gesuchtesten Leckerbissen der alten Römer gehörte. Die Oberfläche ihres duftenden Sporenbehälters ist schwarz und mit kleinen Unebenheiten bedeckt. Das innere Gewebe zeigt ein schlichtes, an Rot streifendes Schwarz, das von anfangs weißen, dann, wenn der Schwamm älter wird, rötlichen Adern durchzogen ist. Noch vor 40 Jahren in Italien, der Provence und Poitou gemein und in der Umgegend von Paris und in England, wiewohl seltener, vorkommend, soll sie gegenwärtig nur noch im Perigord gefunden werden; sie gedeiht hauptsächlich zwischen den Wurzelfasern der drei in Frankreich vorkommenden Eichenarten und wird seit mehreren Jahrzehnten gezüchtet. Über die Zucht und das Einernten dieser Trüffelart berichtet ein bedeutender französischer Botaniker, Charles Martins, folgendermaßen:
»Die Trüffelsucher hatten schon lange beobachtet, daß die von krüppelhaften Eichen eingefaßten Weinberge und Ackerfelder sehr reiche Trüffelernten geben. Von da zu dem Gedanken, diese Knollenschwämme zu kultivieren, war nur Ein Schritt; Herr August Rousseau von Charpentras hat ihn gethan. Auf einem aus Kieselkalk bestehenden Bodenstück von 2 ha säte er Eicheln von weißen und grünen Trüffeleichen, d. h. solchen, an deren Fuße man bereits Trüffeln gefunden hatte. Die Aussaat schlug ein; nach Verlauf von 8 Jahren, im Jahre 1856, wies ein berühmter Agronom, de Gasparia, eine Ernte von 8 kg auf 1 ha nach, was bei dem damaligen Preise der Trüffel, 6 Franks das kg, einen Ertrag von 45 Franks auf 1 ha darstellt. Seit dieser Zeit aber hat die Ausbeute der Trüffeln sich vermehrt, und ihr Preis ist gestiegen. Heutigen Tags (1863) erhält Herr Rousseau eine durchschnittliche Ernte von 260 kg im Jahre auf eine Fläche von 5 ha, was den Ertrag auf 52 kg das ha erhöht, und da der Durchschnittspreis der Trüffel in den letzten Jahren 15 Franks das kg auf dem Markt von Charpentras betragen hat, so ergiebt sich daraus, daß 1 ha schlechten Bodens, mit einem Schlage fünfzehnjähriger Eichen bepflanzt, jährlich 780 Fr. einbringt. Zieht man von dieser Summe 10 Fr. für die Arbeit und 30 Fr. für die Erntetage und den Zins des Grundstücks ab, so bleibt ein Nettoertrag von 70 Fr. auf 1 ha. Wenige Kulturen ergeben ähnliche Resultate bei gleich wenig Mühe.«
»Zwei interessante Bemerkungen hat man in den Trüffeleien des Herrn Rousseau gemacht. Die erste besteht darin, daß die Trüffeln sich voller, gleichförmiger und duftiger am Fuße der immergrünen als am Fuße der gemeinen Eichen fanden, die zweite darin, daß die Knollenschwämme immer am Fuße derjenigen Bäume angetroffen wurden, die in dem vorhergehenden Jahre solche gegeben hatten. Diese Bäume wurden mit einem weißen Kreuze bezeichnet, und die zur Entdeckung der Trüffeln benutzte Sau wandte sich sofort diesen zu, indem sie mit ihrem Rüssel eine breite Furche im Boden öffnete. Ist der Knollenschwamm entdeckt, so giebt man ihr einen Schlag auf die Nase und wirft ihr zum Lohn für ihre Mühe ein paar Eicheln oder eine Kartoffel vor. Die Schweine, so wenig wählerisch, was Geruch und Geschmack anbetrifft, riechen den Duft der Trüffel durch den Boden durch; ihr Geruchssinn, feiner als der unsrige, empfindet diese feinen Ausdünstungen. Gewisse Hunde namentlich die Pudel, können gleichfalls zu dieser Jagd abgerichtet werden; doch beschränken sie sich darauf, den Platz zu bezeichnen, wo die Trüffel sich befindet, die Sau dagegen thut die ganze Arbeit, sie entdeckt und gräbt die Trüffel aus. Die Undankbarkeit des Menschen, welcher dem Nahrungsmittel, das sie erobert hat, ein gröberes unterschiebt, entmutigt sie nicht; doch muß der Wärter aufpassen, sonst ist der kostbare Knollenschwamm sofort zwischen ihren starken Kiefern zermalmt, die man sich oft vergebens mit einem Stocke auseinanderzusperren bemüht, um ihr die Beute zu entreißen.«
Es liegt hier offenbar eine Anpassung der Trüffel zur Verbreitung ihrer Sporen vor. Das wilde Schwein war vor Jahrtausenden, als unsere Vorfahren noch Met tranken und Bärenschinken aßen, in den Eichenwäldern der einzige Gourmand, der diese kostbare Naturgabe zu würdigen wußte. Ihre Sporen passierten wenigstens zum Teil unzerstört den Darmkanal des Tieres und wurden auf diese Weise in neuen Nährboden gestreut, und die Trüffel hatte überdies den Vorteil, ihr Leben in sicherer Verborgenheit verbringen zu können.
Stamm der Schlauchpilze, Ascomycetes; Fam. der Trüffelschwämme, Tuberaceae. Vitt. = Vittadini.