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siehe Bildunterschrift

Zucht-Champignon, Psallióta campéstris-pratícola Vitt.

Bis zu Linnés Zeit, ja selbst bis in unser Jahrhundert hinein hegte man oft Zweifel an der pflanzlichen Natur der Pilze. Man konnte sich schwer von der Vorstellung frei machen, die Hieronymus Bock in seinem Kräuterbuch (1560) ausspricht: »Alle schwemme sind weder krütter noch wurtzeln, weder blumen noch samen, sondern eittel überflüssige feuchtigkeit der erden, der beume, der faulen höltzer und anderer faulen dingen.« Heute kennt man die Schwämme in allen ihren Lebensäußerungen so genau, daß man manche von ihnen zu Kulturpflanzen machen konnte, die zwar noch nicht die Anerkennung und Verbreitung erlangt haben, welche ihnen nach ihrem Nährwert zukommt, die aber auch ohnedies ihren Züchtern reichlichen Lohn bringen. Der erste Kulturpilz ist wohl der Champignon gewesen. Seine Zucht ist verhältnismäßig jung, hat aber doch schon eine besondere Kulturrasse, den auf unserer Tafel abgebildeten Zucht-Champignon, hervorgebracht. Die Franzosen und Belgier sind uns hinsichtlich der Pilzzüchtung weit überlegen. In Paris beläuft sich die Ernte an Champignons auf täglich etwa 27 000 Kilogramm. Berechnet man das Kilo mit 80 Pfennigen, so ergiebt das einen jährlichen Verkaufswert von rund 7 ¾ Millionen M; nimmt man aber den durchschnittlichen Berliner Marktpreis, 2 M das kg, an, so hat die Pariser Champignonernte einen Wert von beinahe 20 Mill. M. Nicht minder bedeutend ist die Trüffelzucht. Schon vor 4O Jahren verkaufte man auf dem Markte von Carpentras vom 1. Dezember bis zu Ende des Februar für 2 Mill. Franks Trüffeln, die durch ganz Europa verschickt wurden. Das war die Ernte einer beschränkten Gegend; man kann sich danach vorstellen, welche Summen Frankreich heute für diesen gesuchtesten Speisepilz vereinnahmt.

Der gemeine Champignon, wohl der bekannteste Hutpilz, wächst auf Weideplätzen und mit Vorliebe an Stellen, die mit Pferdemist gedüngt sind. Das Tempelhofer Feld besitzt in seinem mit verrottetem Pferdedünger gemischten Sande einen vorzüglichen Boden für den Feld-Egerling, der hier zwar nur klein, dafür aber wunderbar aromatisch wird. In geringer Tiefe wuchert das aus Hyphenfäden zusammengesetzte Pilzgewebe, das Mycelium, sozusagen die Pilzwurzel. Am Ende dieser Fäden befinden sich die Punkte, an denen das Wachstum fortschreitet, die Vegetationspunkte. Einige von diesen treten aus dem Boden hervor, sprossen sehr schnell aufwärts und bilden den Anfang der Fruchtträger. Nachdem ein solcher Sproß eine gewisse Höhe erreicht hat, breitet sich die ganze Hyphenmasse im Umkreis des Vegetationspunktes radial zum Hute aus. Schon während des Emporsprießens entsteht im Innern des Fruchtträgers ein ringförmiger Kanal, in dem sich die beim Champignon einer Messerschneide ähnlichen Fruchtblätter oder Lamellen ausbilden. Beim weiteren Entfalten des Hutes zerreißt die Haut, welche Hut und Stiel miteinander verband und die Unterseite des ersteren unseren Blicken entzog. Ihr Rest haftet als Halskrause an der oberen Hälfte des Stieles. An der Unterseite des Hutes zeigen sich, strahlenförmig von der Mitte zum Rande verlaufend, die Lamellen; sie sind von einer Brut- oder Keimhaut überzogen, welche unzählige, meist zu vier auf einem Träger stehende Sporen bildet. Diese Träger, die Basidien genannt werden, sind Hyphenenden, die von dem Hyphenlager der Lamellen ausgehen. Letztere sind beim Champignon anfangs rötlich, dann braun, endlich, wenn die Sporen auftreten, schwarz. Wenn wir einen frisch gepflückten Hut mit seiner Unterseite auf weißes Papier legen, so bedeckt sich dieses nach einigen Stunden mit zahllosen, genau in der Richtung der Lamellen liegenden Sporen.

Truppweise hervorbrechend sproßt der Feld-Champignon besonders bei feuchtwarmer Witterung so schnell, daß man an derselben Stelle täglich neue Ernten halten kann, besonders im August und September, der passendsten Sammelzeit. Am schmackhaftesten ist unser Pilz, wenn er kugelförmig aus der Erde kommt. Dann ist auch der bei alten Exemplaren trockene und zähe Stiel genießbar. Der angenehme, erdige Geruch, der nußartige Geschmack, die rosaroten Lamellen und die weiße Farbe des Fleisches kennzeichnen das junge »Feldköpfchen«. Wenn der Champignon älter als einen Tag ist, sein glatter Hut sich tellerförmig gebogen hat, die Lamellen mehr hervortreten und von den Sporen dunkel gefärbt sind, ist er nicht mehr zu empfehlen; gewöhnlich haben die Maden sich seiner dann bemächtigt. Diese fast in jedem Pilze, in manchen sogar schon vor seiner Entfaltung vorhandenen Gäste, die Larven verschiedener Käfer, Fliegen und Mücken, dienen nebst den Nacktschnecken zur Verbreitung der Pilzsporen. Bevor Fäulnis und Zerfall ihrer Nährstärke eintritt, verlassen sie dieselbe, um sich in der Erde oder im Holze abgestorbener Bäume zu verpuppen und verschleppen dabei die ihnen anhaftenden Sporen an geeignete Keimstätten.

Von dem Feld-Champignon unterscheidet der Zucht-Egerling sich durch seinen bräunlichen, mit seinen Schuppen besetzten Hut und das beim Zerschneiden stets rötlich werdende Fleisch. Im übrigen gleicht er jenem vollkommen. Die zu Paris in großen Steinbrüchen gezüchteten Champignons sollen sich nach und nach so verändert haben, daß sie immer weniger Fleisch und immer mehr Lamellen bilden. Sehr häufig wird anstatt des aromatischen Feld-Egerlings der minderwertige, auf Tafel XXII abgebildete Schaf-Egerling auf den Markt gebracht.

Hautpilze, Hymenomycetes; Blätterschwämme, Agaricaceae; Vitt. = Vittadini.

 


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