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Nichts verursachte bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts den Botanikern so viel Kopfzerbrechen wie die Bedeutung der Blütenteile, der Staubblätter und Griffel oder, wie sie früher hießen, der Staubgefäße und Stempel. Vielfach stellte man Pflanzen ganz verschiedener Gattungen als Männlein, Weiblein und Kind zusammen, vom Hanf unterscheidet Leonhart Fuchs zweierlei Geschlecht, zahmen und wilden, worunter wohl der (aus Indien stammende) angebaute und der verwilderte zu verstehen sind. »Des zamen, so man zu den starcken seylen braucht, seind auch zwey geschlecht, mennle und weible. Das mennle bringt samen, aber das weible keinen.« Es »kommen beyderley geschlecht von einem samen, das doch wunberbarlich ist, dann eins ist fruchtbar, das andre bleibt unfruchtbar.« Ganz richtig ist an dieser Beobachtung, daß Staub- und Griffelblüten auf verschiedene Stöcke der Pflanze verteilt sind. Fuchs hielt die letzteren für das mennle, die Staubblüten galten ihm als weibliche. Die Antheren der letzteren entlassen den Pollen ganz allmählich durch enge Spalten, so daß wenigstens ein Teil davon günstigen Lufthauch zu finden hoffen kann. Die Narben der weiblichen Stauden sind gewöhnlich schon früher geöffnet und dauern mehrere Tage aus. Die Samennüßchen sind während des Ausreifens durch einen schmierigen, stark riechenden Überzug der Samengehäuse und ihrer Deckblätter geschützt; dieser ist den Tieren so widerlich, daß keines den Versuch macht, die Nüßchen zu pflücken, selbst nicht die Sperlinge.
Merkwürdig ist der feststehende Prozentsatz Staub- und Griffelblüten tragender Pflanzen, der bei jeder Aussaat derselbe bleibt und sich durch äußere Beeinflussung nicht ändern läßt. Der harzige Saft der blühenden Spitzen einer Varietät der weiblichen Pflanze wird im Orient gesammelt, mit Wasser und Sand zu einer Pasta zusammengeknetet und getrocknet. Dieses Produkt, das berühmte Haschisch, bildet in schokoladentafelförmigen Stücken einen Haupthandelsartikel orientalischer Märkte. Es enthält als wichtigsten Bestandteil ein dem Nicotin ähnliches giftiges Alkaloid, das Cannabin, und dient besonders den Bewohnern Vorderasiens seit alter Zeit als Berauschungsmittel. Es wird wie das Opium geraucht oder gegessen. Auch für den Westen ist der Hanf eine nicht unwichtige Kulturpflanze. Seine Samen werden als Vogelfutter benutzt; das aus ihnen gepreßte, widerlich duftende Öl dient als Brennöl oder zur Bereitung von Schmierseife. Am wichtigsten ist aber der Bast des Stengels, der ein vorzügliches Material zu dauerhafter Leinwand, zu Bindfaden, Tauen und Netzen liefert. Die außerordentlich festen und elastischen, aus langen, spindelförmigen in einander verschränkten Zellen bestehenden Hartbastfasern haben in der Pflanze selbst die Aufgabe, den Stengel zu festigen und gegen die Wirkung des Windes zu schützen. Ihr Tragvermögen kommt dem des Schmiedeeisens, bei manchen Arten sogar dem des Stahles gleich. Die Verarbeitung der Hanffaser ist der des Flachses ähnlich. Unter den europäischen Ländern baut Rußland wie den meisten Lein so auch den meisten Hanf.
Hanfgewächse, Cannabaceen. Kl. XXII. . Juli, August. H. 0,30 bis 1,50 m, bei einzelnen Sorten (Riesenhanf) bis 3 m.