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Zwei Mitglieder derselben Gattung und dennoch, wie nicht selten bei Angehörigen derselben Familie, von grundverschiedenem Wesen sind der blutrote Kranichschnabel und das Ruprechtskraut. Sie vertreten in schärfster Weise zwei verschiedene Typen der Gattung Geranium, ersterer die schönen, großblütigen, mehrjährigen, letzteres die unansehnlicheren, kleinblütigen, einjährigen Arten. Es würde zu weit führen, diesen Unterschied in allen Einzelheiten zu verfolgen; es genüge, einiges hervorzuheben. In der Wahl des Standorts bevorzugt der blutrote Kranichschnabel sonnige Hügel und trockene Waldwiesen, die er mit seinen dunkelpurpurnen oder blutroten Blumen gar prächtig ziert; das Ruprechtskraut verbirgt sich in feuchten Gebüschen und Wäldern, an schattigen, steinigen Orten, und gelangt durch Abschleuderung seiner Samen auch auf humusbedeckte Baumvorsprünge und alte Mauern. Seine Nähe macht sich durch einen starken, allen Teilen der Pflanze anhaftenden, widerlichen Duft bemerkbar, der aber für Fliegen große Anziehungskraft zu besitzen scheint; häufig habe ich Schwebfliegenarten ( Empis sp.) auf seinen Blättern und Blüten gefunden. Andererseits bietet dieser unangenehme Geruch einen wirksamen Schutz vor dem Gefressenwerden. Zur Nachtzeit und im Regen krümmen beide Pflanzen die Stiele der geöffneten Blüten bogenförmig nach unten und schützen so den braunroten Pollen vor Benetzung.
In der großen, tellerförmig ausgebreiteten Blüte des blutroten Kranichschnabels öffnen sich zuerst die Antheren und laden ihren durch den Honig angelockten Besuchern den Blütenstaub auf, und zwar erst den der fünf äußeren, dann den der fünf inneren Staubblätter. Ist aller Pollen abgeholt, so fallen die Antheren ab. Nun öffnet sich die fünfstrahlige Narbe und erwartet Bestäubung durch den Pollen, welchen die Blumengäste aus jüngeren Blüten verschleppen. Gerade umgekehrt verhält sich die Blüte des Ruprechtskrautes. Hier reift zuerst die Narbe, und bald darauf öffnen sich auch die Antheren der fünf langen, zwischen den Narbenästen stehenden Pollenblätter. Sie lagern ihren Staub gewöhnlich auf der eigenen Narbe ab, während derjenige der kürzeren Staubblätter zum Zweck der Fremdbestäubung zurückbehalten wird. Diese findet auch nicht selten statt, da die Schwebfliegen z. B. fast kopfstehend häufig bestrebt sind, mit ihren kurzen Saugrüsseln den Honig aus der engen Kronenröhre zu gewinnen. Bei beiden Pflanzen sind die fünf Teilfrüchtchen an langen Stielen befestigt, die mit der Mittelsäule des Fruchtstandes in einer seinen Spitze, dem Kranich-, Storch- oder Reiherschnabel, wie man's nennen will, zusammentreffen. Bis zur Reifezeit werden die Früchte von den aufrecht stehenden Kelchblättchen eingehegt; dann aber legen sich diese zurück, und die Samen werden durch eine elastische, nach oben gerichtete Bewegung ihrer Stielchen fortgeschleudert. Während das Ruprechtskraut oft schon im Sommer braun oder blutrot überlaufen ist, färbt sich beim blutroten Kranichschnabel die ganze Pflanze erst im Herbst rot.
Kranichschnabelgewächse, Geraniaceen. Kl. XVI. . (d. h. ausdauernd), Juni – August. H. 0,15 – 0,50 m. , Juni bis Herbst. H. 0,25 – 0,50 m.