Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Zehntes Kapitel.

Laß dich vom öfteren Hinzutreten zum Tisch des Herrn nicht so leicht zurückhalten!

Der Geliebte spricht. Zu mir / zur Quelle der Gnade und Erbarmung / zur Quelle der Milde und Heiligkeit / mußt du recht oft deine Zuflucht nehmen / damit du von deinen Leidenschaften und Sünden geheilt / wider alle Versuchung und List der Hölle immer mehr bewaffnet und zur Wachsamkeit gestärkt werdest. Der Feind weiß wohl / daß in der heiligen Kommunion ein volles Maß von göttlicher Kraft zu heilen und zu segnen für kranke / dürftige Menschen liegt; darum sucht er auf alle Weise und bei allen Anlässen die andächtigen und treuen Christen vom Tisch des Herrn fernzuhalten oder im Hinzutreten sie zu hindern.

Manche haben / wenn sie zur heiligen Kommunion mit größerem Eifer sich vorbereiten wollen / wider listigere Eingebungen des Satans zu kämpfen. Da mischt auch in dem Sinne / wie es bei Job heißt / der Satan sich unter die Kinder Gottes / damit er sie mit seinen listigen Anschlägen zuerst in Schrecken und dann in anhaltende Furcht und Verwirrung setze. Er weiß den Glauben durch scheinbare Gegengründe ihnen aus dem Herzen zu stehlen oder ihre Liebe zu schwächen / daß sie entweder gar nicht oder nur kalt und gefühllos zum Tisch des Herrn hinzutreten. Aber der weise Christ weiß auch dies: daß man die listigen Anschläge und Eingebungen des Feindes / sie mögen so schändlich oder schreckhaft sein / wie sie wollen / für nichts zu achten habe und alle Vorspiegelungen auf ihn selbst zurückweisen müsse. Wahrhaftig / verachten und von ganzem Herzen verachten muß man den Elenden / und all seine Anfälle und Bewegungen sollen es nie dahinbringen / daß man ihretwegen die heilige Kommunion unterließe!

Andere hindern sich selbst durch die übertriebene Bekümmernis um Andacht und Eifer oder durch die ängstliche Bemühung / ihr Sündenbekenntnis vollständig zu machen. In diesem Fall handle du nach dem Rat der Weisen und lerne / indem du ihrem Urteil folgst / all das kleinliche / ängstliche Wesen aus dem Herzen zu schaffen. Denn es hemmt den Einfluß der Gnade Gottes in dein Herz und den Aufschwung deines Herzens zu Gott. Laß doch irgendeine Verwirrung oder Beklemmung der Seele nie so viel bei dir gelten / daß du deshalb die Kommunion unterlassest; sondern geh lieber zu deinem Gewissensfreunde und öffne ihm dein Herz / verzeih allen / die dich beleidigt haben / von ganzem Herzen und / wenn du jemand beleidigt hast / so bitte in Demut um Verzeihung / und Gott wird auch dir verzeihen.

Was nutzt es dir denn / daß du die Beichte oder die heilige Kommunion von einem Tag zum andern verschiebst? Behalte das Gift nicht länger bei dir / wirf es sogleich aus und nimm eilig die stärkende Arznei ein / und du wirst dich besser fühlen / als wenn du noch länger es verschoben hättest. Wenn heut dies Hindernis vom Tisch des Herrn dich fernhält / so kann morgen ein anderes / noch größeres dich fernhalten / und so kannst du lange gehindert und immer unfähiger zum Genuß dieser himmlischen Speise werden. Mach dich doch / so bald du kannst / von den Banden der Trägheit los; denn es taugt nichts / solange Angst und Verwirrung mit dir umherzutragen und jeden Tag eine neue Scheidewand zwischen dir und dem Göttlichen aufführen zu lassen. Es schadet vielmehr dies anhaltende Hinausschieben der Kommunion / denn es erzeugt eine gefahrvolle Trägheit / die dich vielleicht nie mehr zur ernsten Besserung erwachen läßt. Arme Menschen! Weil sie so zerstreut und nicht wachsam dahinleben / so zögern sie mit ihrem Sündenbekenntnis von Tag zu Tag und verschieben die Kommunion bloß deswegen / damit sie nicht wieder sich sammeln und strenger bewachen müssen.

Ach / wen die geringste Ursache vom Tisch des Herrn entfernen kann / der gibt deutlich genug zu verstehen / daß seine Liebe überaus schwach / und seine Andacht kraftlos sein muß. Wie selig und gottgefällig ist im Gegenteil der / welcher so himmlisch lebt / sein Gewissen so rein bewahrt / daß er alle Tage zum Tisch des Herrn hinzutreten sollte und könnte / wenn er es nur dürfte und ohne Anstoß tun könnten; Indes / wenn jemand aus innigem Gefühl der Demut oder aus einer andern gültigen Ursache hie und da die Kommunion unterläßt / so muß man ihn nicht lästern / vielmehr loben / was lobenswert ist / nämlich Demut und Ehrfurcht. Wenn aber Trägheit und Kälte in dein Herz sich schleichen / so mußt du dich selbst zusammennehmen / dich selbst ermannen und tun / was du kannst. Der Herr wird alsdann deinem Verlangen schon zu Hilfe kommen; denn auf den guten Willen / wo immer er sich regt / hat der Herr ein besonderes Augenmerk.

Ist der gute Christ wirklich gehindert / so behält er doch den guten Willen und die fromme Absicht / zum Tisch des Herrn zu gehen; und dieser gute Wille wird nicht leer ausgehen / wird die Kraft des Sakramentes an sich erfahren. Denn wer die wahre Andacht in seinem Innersten hat / der kann alle Tage / kann jede Stunde des Tags auf eine geistliche Weise zur geistlichen Kommunion Christi gelangen / und daran kann kein Verbot ihn hindern. Desungeachtet wird er aber auch zu bestimmten Tagen den Leib seines Erlösers mit allen Empfindungen der Liebe und Ehrfurcht im Sakrament empfangen wollen und mehr Gottes Lob und Ehre als die Erquickung seines Innersten dabei zum Ziel haben. So oft wir das große Geheimnis der Menschwerdung und das Leiden Christi betrachten und dadurch zur Liebe gegen ihn entzündet werden / so oft gehen wir auf eine geistliche Weise zur Kommunion und werden in dieser Vereinigung mit Christus unsichtbar gestärkt.

Wer nur so auf einen nahen Festtag hin oder bloß nach dem Trieb der Gewohnheit zur Kommunion sich vorbereitet / der wird meist unvorbereitet sein. Selig / wer dem Herrn als Opfergabe sich darbringt / so oft er Messe liest oder zur Kommunion geht! Was besonders das Messelesen betrifft / so lies nicht zu geschwind und nicht zu langsam / sondern halte auch hierin dich an die gewohnte Weise / wie es die Besseren in deinem Kreis zu tun pflegen. Es ist nicht nötig / daß du andern Verdruß und Ekel schaffst / sondern wandle lieber auf dem üblichen Pfad / auf dem unsere Vorfahren auch gegangen sind / und sieh auch in dieser Sache mehr auf den Nutzen anderer als auf deine eigene Andacht oder Neigung.


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