Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Neuntes Kapitel.

Führe alles zurück auf Gott / das höchste Gut des Menschen!

Mein Sohn / wenn du die wahre Seligkeit finden willst / so muß ich dein höchster und letzter Zweck sein. Und wenn ich dein höchster und letzter Zweck bin / dann reinigt sich alles Dichten und Trachten deines Herzens / das so oft zu dir und andern Geschöpfen sich abwärts neigt / und eben dadurch befleckt wird / daß es sich abwärts neigt und auf der Erde kriecht. Denn sobald du dich selbst in irgend einem Dinge suchst / so findest du auch dich / nämlich lauter Dürre und Ohnmacht zum Guten. So mußt du denn alle Dinge zu mir / als dem Urquell / zurückführen / denn ich bin ja der eine Geber aller Dinge. Lerne alle Dinge so ansehen / wie sie als so viele Bächlein aus dem höchsten Gut fließen / und leite eben darum alle Dinge zu mir / als ihrem Ursprung / wieder zurück.

Große und Kleine / Arme und Reiche / alle schöpfen aus mir / als ihrem lebendigen Brunnenquell / lebendiges Wasser. Und die mir aus freier Liebe dienen / die nehmen Gnade um Gnade von mir. Wer aber anderswo als in mir Ehre sucht oder in einem andern Gut als in mir / in einem Gut / das ihm besonders angehören soll / Freude finden will / der sucht umsonst; nirgends wird er dauerhafte Freude finden / überall wird es seinem Herzen zu eng sein / und auf allen seinen Wegen wird Hindernis und Herzeleid ihm begegnen. Du mußt also das Gute / das etwa in dir sein mag / nicht dir / und die Tugend / die du in irgend einem Menschen findest / nicht dem Menschen / du mußt alles Gute Gott zuschreiben / denn ohne Gott hat der Mensch nichts Gutes. Ich habe alles gegeben / was gut ist / und ich will alles wiederhaben und ich fordere den Dank / der alles mir wiedergibt / von allen / die Gutes empfangen haben / und treibe diesen Dank mit großer Strenge ein.

Dies ist die rechte Wahrheit / die alle eitle Ruhmsucht aus dem Herzen des Menschen verbannt. Und wenn in irgend einem Herzen die himmlische Gnade und die wahre Liebe Herberge nehmen / o da finden Neid und Eigenliebe und alles / was dir die Freiheit des Herzens rauben könnte / keine Stelle mehr. Denn die göttliche Liebe überwindet alles Ungöttliche und erweitert alle Kräfte der Seele. Hast du einmal die rechte Weisheit gefunden / dann findest du keine Freude mehr als in mir allein / dann ruht alle deine Hoffnung auf mir allein. Denn niemand ist gut / als Gott allein / und wer der Alleingute ist / der soll auch über alles gelobt und in allem verherrlicht werden. Amen.


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