Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Siebenundvierzigstes Kapitel.

Die ewige Freude ist aller zeitlichen Leiden wert.

Mein Sohn / laß die Lasten / die du meinetwillen auf deine Schultern genommen hast / dich nicht mutlos / laß die Drangsale / die dich umgeben / dich nicht trostlos machen. Sieh nur auf meine Verheißung hin / sie soll dir bei jedem Ereignis Mut und Trost in die Seele legen. Ich bin ja reich und mächtig genug / für alles / was du tust / dir eine Vergeltung zu schaffen / die allen menschlichen Maßstab weit übersteigt. Es wird deine Arbeit hier nicht lange währen / und die Schmerzen / die dich jetzt zu Boden drücken / werden gestillt sein. Harre noch eine kurze Weile / und du wirst das Ende aller Plagen schnell kommen sehen. Es wird doch noch eine Stunde kommen / wo es heißen wird: Nun ist alle Arbeit und alle Unruhe zu Ende. Klein ist doch alles und von kurzer Dauer / was zeitlich ist und deshalb mit der Zeit vorübergeht.

Tu / was du tust. Arbeite fleißig in meinem Weinberge: ich selbst werde dein Lohn sein. Schreibe / lies / singe / seufze / schweige / bete / leide wie ein Mann / was unangenehm ist. Das ewige Leben ist all dieser und wohl noch heißerer Kämpfe wert. Es wird doch noch Friede werden an einem Tage / den der Herr kennt / und dann wird kein Tag und keine Nacht dieser Zeit mehr sein / sondern ein ewiges Licht / eine endlose Klarheit / ein unwandelbarer Friede / eine sichere Ruh. Dann wirst du nicht mehr schreien: Wer wird von diesem Leibe des Todes mich erlösen? nicht mehr schreien: Weh mir / wie lange währt mein Leben hier in diesem Lande? Denn der Tod wird getötet werden / und das Heil in ewiger Herrlichkeit glänzen / und wo das ewige Heil sein wird / da ist keine Angst mehr / nur Freude und Seligkeit / nur edle / liebliche Gesellschaft.

O wenn du die unverwelklichen Kronen der Heiligen gesehen hättest / gesehen hättest die Fülle der Herrlichkeit / in der sie jetzt unaussprechliche Freude genießen / sie / die einst die Welt mit Schmach und Hohn gekränkt und kaum des zeitlichen Lebens würdig geachtet hat: o ein solcher Anblick würde bis in den Staub dich erniedrigen / würde in einen andern Menschen dich verwandeln / daß du lieber unter allen Menschen stehen / als über einen einzigen gesetzt sein möchtest / daß du nach keinen Freudentagen auf Erden lüstern wärst / sondern vielmehr Freude hättest / recht vieles um Gottes willen leiden zu können / daß du es für den größten Gewinn ansähest / unter Menschen und von Menschen für nichts geachtet zu werden! O wenn du solche Anschauungen in deinem Gemüte / solche Gefühle tief im Herzen hättest / wie würdest du es wagen können / auch nur ein Klagewort auf deine Zunge zu nehmen? Ist es denn das ewige Leben nicht wert / daß man alles / was Arbeit und Plage heißt / dafür aushalte? Ist es denn eine so geringwertige Kleinigkeit / das Reich Gottes zu gewinnen oder zu verlieren? So hebe denn dein Auge gen Himmel! Sieh / ich bin hier / und alle Heiligen sind bei mir. Sie hatten in dieser Welt großen Kampf zu bestehen. Aber jetzt freuen sie sich / setzt sind sie getrost / jetzt haben sie Sicherheit / jetzt genießen sie Ruhe und werden im Reiche meines Vaters ewig bei mir bleiben.


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