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Kehre deinen Blick einwärts und hefte ihn auf dich selber / auf dein Innerstes / und erkühne dich nicht zu richten / was andere tun. Denn wer andere gern richtet / der arbeitet umsonst / verfehlt die Wahrheit öfter / als er sie trifft / und versündigt sich leichter / als er glaubt. Wer aber sich selbst erforscht / sich selber richtet / der arbeitet immer mit Segen. Wie unser Herz gegen eine Sache gestimmt ist / so urteilt unser Verstand von derselben. Den geraden / wahren Anblick der Dinge verlieren wir gar leicht / weil wir uns selbst mehr lieben als die Wahrheit. Wäre Gottes Wohlgefallen immer der einzige Zielpunkt unseres Herzens / so könnten die unangenehmen Eindrücke von außen nicht so leicht uns aus der Fassung bringen. Aber bald zieht uns etwas in uns / das wir selbst nicht wahrnehmen / bald kommt etwas von außen dazu und zieht uns mit fort. Viele suchen in allem / was sie suchen / nur sich selbst / aber sie merken es nicht / daß sie nur sich selber suchen. Sie glauben wohl auch / den inneren / festen Frieden zu haben / so lange alles nach ihrem Sinn und Wunsch geht. Wenn aber die Sache sich gegen ihren Willen dreht / so sind sie im selben Augenblick mit sich entzweit und lassen den Kopf hängen. Und weil doch jeder Mensch seinen eigenen Kopf / und jeder Kopf seine eigene Meinung hat / so entstehen auch unter Freunden und Bürgern / unter Ordensleuten und selbst unter den Andächtigen leider oft genug Mißverständnis und Zwietracht.
Alter Angewöhnungen können wir nur mit äußerster Mühe uns entwöhnen / und niemand sieht es gern / daß man ihn weiter führt / als sein Auge reicht. Wenn du dich mehr auf deine Einsichten und Übungen stützest als auf die Kraft Jesu Christi / der alles untertan sein soll / so wirst du selten und spät genug zur wahren Erleuchtung des Geistes gelangen können. Denn es ist Gottes Wille / daß wir uns ihm in allen Dingen vollkommen unterwerfen und auf den Flügeln der flammenden Liebe über den engen Kreis unsrer eigenen Einsichten hinaus uns sollen erheben lassen.