Karl Simrock
Beowulf
Karl Simrock

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6. Beowulf.

Auch die dem ersten Theile unseres Gedichts zu Grunde liegende Ueberlieferung von Beowulfs Kampf mit Grendel und seiner Mutter, muß einst in Deutschland sehr bekannt gewesen sein, da sie in der Heldensage, in Märchen und Cultusgebräuchen Spuren hinterlaßen hat.

Den Namen Beowulf hat Grimm Myth. 342 als Bienenwolf gedeutet, dabei aber an den Specht gedacht, weil dieser Vogel den Bienen nachstellt und die römische Mythologie den Picus von Saturnus stammen läßt. Indessen ist es nicht nachgewiesen, daß die Deutschen den Specht, von dessen Heiligkeit wenig feststeht, jemals Bienenwolf genannt hätten (Müllenhoff a. a. O. 410), während unsere Thiersage den Bären als Honigdieb vorzuführen liebt. Auch gehört der Bär zu jenen kriegerischen und heiligen Thieren, unter deren Gestalt Götter zu erscheinen pflegen, und wir wißen sogar, daß er dem Thôr (Donar) heilig war, der selber den Beinamen Biörn führte.

Aber auch die Deutung des Namens Beowulf als Bienenwolf hat Müllenhoff aus onomatologischen Gründen verworfen. Damit wäre mit dem Specht auch die Biene und der Bär beseitigt. Und doch hat wieder Müllenhoff auf eine Reihe deutscher Märchen hingewiesen, die mit Beowulfs erstem Kampfe gleichen mythischen Inhalt verrathen; in allen aber besteht diesen Kampf ein Bär. Ich beziehe mich zunächst auf das altdeutsche Märe von dem Schretel und dem Waßerbären (Zeitschr. VI. 174 ff.), das im Wesentlichen desselben Inhalts wie unser Gedicht den Bären an die Stelle Beowulfs, das Schretel an die Grendels rückt. Den Inhalt berichte ich mit Benutzung des Gesammtabenteuer III., 258 von Von der Hagen gegebenen Auszugs:

Ein König von Norwegen schickt einem König von Dänemark einen zahmen Waßerbären zum Geschenk. Als der Normann, der ihn am Seile führt, mit ihm in Dänemark gelandet ist, kommt er am Abend in ein Dorf, wo er zu übernachten gedenkt. Da sah er einen weiten Hof, der einem Ritter oder reichen Manne zu gehören schien. Der Eigenthümer war aber nur ein schlichter Bauer, der traurig vor dem Hofe stand, in welchem er sich vor einem bösen Poltergeiste, der sein Wesen darin trieb, nicht länger aufzuhalten getraute. Als der Fremde ihn um Erlaubniss bat, mit seinem Bären die Nacht in dem Hofe zuzubringen, weil er mit Gott den bösen Geist zu vertreiben hoffe, fand der Bauer solch Vorhaben zwar vermeßen, gestattete es aber gern und gab auch dem Gast freigebig was er zur Abendkost bedurfte, seinem Bären aber einen Widder.

Beim Eingang segnete sich der Normann und trat in ein Backhaus: unbesorgt machte er Feuer, sott und briet, aß und trank und gab auch dem Bären zur Genüge. Dann legte er sich auf eine Bank und schlief ein; der Bär streckte sich am Feuer hin und entschlief auch. Da sprang ein Schretel (Kobold) hervor, kaum drei Spannen lang, scheuslich anzusehen, mit einem rothen Käppel; es trug an einem eisernen Spieß ein Stück Fleisch, setzte sich zum Feuer und briet es. Da erblickte es den Bären, verwunderte sich des greulichen Gesellen, wollte ihn aber hier nicht dulden, wo es bisher noch Alles vertrieben habe. Zuerst gab es ihm mit dem Spieß einen Schlag auf den Nacken und der Bär rümpfte sich und greinte es an. Das Schretel sprang wieder ans Feuer und briet sein Fleisch bis das Fett herauslief: dann gab es dem Bären abermals einen Schlag, welchen ihm dieser auch noch vertrug. Das Schretel briet sein Fleisch weiter, bis der heiße Braten zischte: da schlug es den Spieß dem Bären mit aller Kraft übers Maul. Jetzt sprang der Bär auf, ergriff das Schretel mit den Tatzen und krallte und biß es so grimmig, daß es laut schrie: weh, Herre, weh! Wie klein das Schretel war, so hatte es doch große Stärke: es griff dem Bären ins Maul und biß und kratzte ihn dermaßen, daß auch der Bär grässlich schrie und sein Geschrei über den weiten Hof scholl. Der grimmige Kampf der beiden Gewaltigen währte lange, bald lag das Schretel, bald der Bär oben und es war ein Wunder, daß nicht beide umkamen. Den Bärenführer ergriff die Angst dermaßen, daß er in den Backofen kroch und ängstlich aus der Ofenthüre zusah. Der Kampf währte bis Mitternacht, zuletzt aber trug doch der Bär den Sieg davon, das Schretel ergriff die Flucht, wohin, wer weiß das? der kampfmüde Bär streckte sich wieder auf den Estrich.

Der Normann kroch erst als es tagte ganz russig aus dem Ofen, nahm seinen Bären und führte ihn aus dem Hofe. Der Wirth stand vor dem Thore und bot ihm guten Morgen: er hatte Alles wohl gehört und freute sich, daß sein Gast noch am Leben war. Dieser dankte ihm und gieng mit dem Bären seines Weges. Nun nahm der Bauer wie gewöhnlich seinen Pflug, zog aufs Feld und trieb seine Ochsen vor sich her. Da lief das Schretel herbei und trat mit ganz blutigen Beinen auf einen Stein: sein Leib war überall zerkratzt und zerbißen und sein Käppel zerzerrt. So rief es den Bauer dreimal an und fragte, ob seine große Katze noch lebe? Der Bauer antwortete, sie lebe noch, dem Schretel zum Trotz und schwur, daß sie ihm fünf schöne Jungen gebracht, welche der alten ganz gleich sähen: das Schretel solle doch hinlaufen, sie zu schauen. Aber das Schretel rief: »Pfui! die eine Katze habe ihm schon so weh gethan, ihrer sechse würden es ums Leben bringen: es wolle zeitlebens nicht mehr in des Bauern Hof kommen.«

Schon die Brüder Grimm (Irische Elfenmärchen CXIX) haben bei dieser Märe an Beowulf und Grendel gedacht; aber erst Mone (Heldensagen 287) erkannte darin den wesentlichen Inhalt der beiden ersten Theile unseres Gedichts: »Beowulfs Kampf mit dem Unhold Grendel ist hier zum Kampfe des Eisbären mit dem Schretel geworden und wahrscheinlich hat der Wolfsname (?) des Helden die Verbildung der Sage in eine Thierfabel (?) veranlaßt. Einige Züge sind indes übrig geblieben, nämlich, daß der König von Norwegen den Bären dem König von Dänemark sendet, was dem Liede entspricht, worin Beowulf von König Hygelak von Gothland dem Hrodgar von Dänemark zu Hülfe geschickt wird.« Wenn hier Mone von Verbildung der Sage in eine Thierfabel spricht, so verkennt er in der vorliegenden selbständigen deutschen Faßung der Sage den Bezug auf Thôr (Donar), der die Gestalt des ihm geheiligten Thieres annimmt; wieviel auch sonst hier verbildet sei, in diesem Punkte hat sie die alte Göttersage vielmehr reiner erhalten als selbst das Beowulfslied, das sie zur Heldensage umbildete, indem es den Gott nicht mehr in der Gestalt des ihm geheiligten Thieres erscheinen ließ, und nur etwa noch dessen Namen beibehielt. Umgekehrt erkannte Müllenhoff a. a. O. 427 das Verhältniss der Märe von dem Schretel und Bären zu dem Mythus von Thor, der selber Biörn heißt; bezog aber Beowulf zuletzt doch nicht auf Thôr. Neuerdings hat sich nun Bouterweck Germ. I. 418 wiederum auf den Standpunkt Mones gestellt: er erkennt in dem Bären wohl noch den Beowulf, aber nicht mehr den unter der Gestalt seines heiligen Thieres verborgenen Gott. Wenn er hervorhebt, wie aus dem riesigen Ungethüm Grendel ein zwergartiger Kobold in rothem Käppchen geworden sei, so werden wir ihn in andern Nachklängen noch ganz als Waßerriesen wiederfinden. Das Schretel, das Diminutiv eines riesigen Waldgeistes, ist als Hausgeist aufgefaßt, dessen Gestalt und Tracht es angenommen hat.

Noch heute lebt das altdeutsche Märe als Märchen oder Sage im Volksmunde fort, aus welchem es neuerdings in sehr verschiedenen Gegenden aufgezeichnet worden ist, vgl. Müllenhoff a. a. O. 426. Ich beginne mit der norwegischen Faßung bei Asbjörnsen und Moe, welche ich nach Bresemanns Uebersetzung 1847 S. 183 folgen laße.

Das Kätzchen aus Dovre.

Es war einmal ein Mann oben in Finnmarken, der hatte einen großen weißen Bären (hvidbiörn) gefangen, den wollte er dem König von Dänemark bringen. Nun traf es sich, daß er gerade am Weihnachtsabend zum Dovrefjeld kam, und da gieng er in ein Haus, wo ein Mann wohnte, der Halvor hieß; den bat er um Nachtquartier für sich und seinen Bären.

»Ach, Gott helfe mir!« sagte der Mann, »wie sollte ich wohl Jemanden Nachtquartier geben können! Jeden Weihnachtsabend kommen hier so viel Trollen, daß ich mit den Meinigen ausziehen muß und selber nicht einmal ein Dach über dem Kopf habe.«

»O, Ihr könnt mich deswegen immer beherbergen,« sagte der Mann, »denn mein Bär kann hinter dem Ofen liegen und ich lege mich in den Bretverschlag.«

Halvor hatte Nichts dagegen, zog aber selbst mit seinen Leuten aus, nachdem er zuvor gehörig für die Trollen hatte zurichten laßen. Die Tische waren besetzt mit Reisbrei, Stockfischen, Wurst und was sonst zu einem herrlichen Gastschmaus gehört.

Bald darauf kamen die Trollen an; einige waren groß, andere klein, einige langgeschwänzt, andre ohne Schwanz, und einige hatten ungeheure lange Nasen, und alle aßen und tranken und waren guter Dinge. Da erblickte einer von den Trollen den Bären, der unter dem Ofen lag, steckte ein Stückchen Wurst an die Gabel und hielt es dem Bären unter die Nase: »Kätzchen, magst du auch Wurst?« sagte er. Da fuhr der Bär auf, fieng fürchterlich an zu brummen und jagte sie alle Groß und Klein aus dem Hause.

Das Jahr darauf war Halvor eines Nachmittags so gegen Weihnachten hin im Wald und haute Holz für den Heiligen, denn er erwartete wieder die Trollen. Da hörte er es plötzlich im Walde rufen: Halvor! Halvor! – Ja! sagte Halvor. »Hast du noch die große Katze?« riefs. »Ja,« sagte Halvor, »jetzt hat sie sieben Junge bekommen, die sind noch weit größer und böser als sie.« – »So kommen wir niemals wieder zu dir!« rief der Troll im Walde. Und von der Zeit an haben die Trollen nie wieder den Weihnachtsbrei hei Halvor aus Dovre gegeßen.

Obgleich hier Grendel in ziemlich gutmüthige Trolle vervielfältigt ist, so urtheilt doch Grimm Myth. 447, das Schretel mit dem zahmen Waßerbären entspreche dem Troll mit dem Hvidbiörn vollkommen.

Räumlich schließt sich am Nächsten die schleswigische Faßung an, welche Müllenhoff (Sagen, Märchen und Lieder 1845 S. 257) mittheilt und mit einer holsteinischen vergleicht. Bedeutend sehen wir sie unmittelbar neben den Auszug aus Beowulf gestellt. Das Schretel ist hier ein Waßermann und in der holsteinischen Faßung sogar noch ein Waßerriese. Den Schauplatz finden wir hier zuerst in eine Mühle verlegt. Wenn in der vorigen Faßung die Trolle nur alle Weihnachten das Haus beunruhigten, so erscheint hier der Waßermann nur alle sieben Jahre; aber sein Besuch endigte stäts damit, daß die Mühle abbrannte. Dießmal aber verhinderte das der Bär, der den Waßermann so zurichtete, daß er blutig zum Fenster heraus muste. Als die sieben Jahre wieder um waren, gieng der Müllerknecht einmal auf dem Waßerdeich spazieren. Da steckte der Waßerkerl den Kopf aus dem Waßer und fragte: Hast du die große Katze noch, die vor sieben Jahren bei dir war? Ja, sagte der Müllerknecht, die liegt unterm Ofen und hat sieben Junge. Da rief der Waßermann: »So komm ich in meinem ganzen Leben nicht wieder.«

Auch in Müllers und Schambachs niedersächsischen Sagen und Märchen Nr. 91 ist es eine Mühle, die durch den Kampf des Bären von dem allnächtlichen Spuk des Waßermanns befreit wird. Ebenso hei Kuhn nordd. Sagen Nr. 225. 2, wo der durch den Bären aus der »Katzenmühle« vertriebene Hausgeist ein Bieresel heißt, vgl. Mannhart Germ. Mythen 411. Gräße versichert Sagenkreise 86, er habe diese Sage als Kind oft erzählen gehört; S. 492 fügt er hinzu, sie gehöre Sachsen an und werde von der sogenannten »Katzenmühle« hei Buchholz berichtet; auch habe sie Ziehnert sächsische Volkssagen II., 17 poetisch bearbeitet. Nach Ziehnert waren es zwei Bären, die den Teufelsgeist aus der Mühle vertrieben. Auch am Harz muß die Sage nach dem kaum passenden Schluß einer Erzählung in Pröhles Harzsagen S. 62 bekannt gewesen sein. Man vergleiche auch Panzer II, 160, wo in einer sehr verstümmelten oberfränkischen Sage ein Holzfräulein die Rolle des Schretels spielt, die Verwandtschaft aber aus der Frage: Hast du deinen großen Katzaus noch? hervorgeht.

Wegen der Verwandlung des Gehöftes in eine Mühle vergleiche man was Mannhart Germ. Mythen 398 über die Auffaßung Donars (Thôrs) als Müller ausführt. Nicht selten erscheint die Mühle auch in einer noch zu wenig beachteten Märchenreihe von dem starken Hans, den wir zuweilen auch Johannes der Bär (Pröhle Jugendmärchen 112) oder Peter Bär (Colshorn Märchen und Sagen Nr. 5. Wolf Beiträge II, 67) genannt finden. Ihren Bezug auf den Mythus von Thor habe ich schon Handb. 312 nachgewiesen und dabei auch die Teufelsmühle hervorgehoben, welcher sich die Grendelmühle hei Honnef vergleichen läßt. In dem Märchen der starke Hansl (Zingerle II, 220) wird Hansl nach einer Mühle geschickt, worin es nicht geheuer ist, denn man sagte, die Teufel (vgl. oben die Trolle) hätten ihren Wohnsitz darin genommen. Hansl aber kehrte das Waßer ein, daß die Mühlsteine sich blitzschnell drehten, dann fieng er die Teufel einen nach dem andern, warf sie unter die Steine und malte sie alle samt dem Getreide hinunter, so daß das Mehl ganz schwarz wurde. Giebt man diesem starken Hansl den Namen Bär, welchen er in den verwandten Märchen führt, so ist die Uebereinstimmung mit unserm Gedichte fast noch stärker als in den vorher verglichenen Volkssagen, wo der Held in Bärengestalt auftritt. Der Kämpf des Bären mit den Unholden, welche ein Haus unwohnbar machen, scheint eine so geläufige mythische Vorstellung gewesen zu sein, daß sich daraus der Aberglaube bildete, welchen wir Gr. Myth. I Ausg. Anhang CLVIII unter 1099 finden: Soll die Hexe über das Vieh keine Macht haben, so sperre man nachtlang einen Bären in den Stall u. s. w.

Ehe ich weiter gehe, gedenke ich der Sitte bei gewissen Jahresfesten, namentlich zu Weihnachten und am ersten Maitage, und in weiterer Uebertragung auch wohl bei Hochzeiten, einen in Erbsenstroh gehüllten Burschen an einer großen »Erbskette« umzuführen, den man als Bären tanzen ließ, weshalb er auch der Bär genannt wurde. Vgl. Grimm Myth. 745. Kuhn nordd. Sagen 369. 384. 403. 433. In Ritzebüttel begleitet ihn ein hammertragender Curschmied. Colshorn Vorhalle 346. Die Sitte muß auch in Dänemark beim Maifeste gebräuchlich gewesen sein, wo nach Grimm Myth. 736 der Anführer des Zugs Gadebasse (Gaßenbär) wie das ihm als Maigräfin beigegebene Mädchen Gadelam (Gaßenlamm) heißt. Hier hat man wegen der Vorliebe des Alterthums für abgerichtete Bären in der Figur des Bären nur eine weltliche Zuthat des alten heidnischen Umzugs erkennen wollen. Aber abgesehen von dem Erbsenstroh, das wie der Hammer auf Thôr deutet, gieng das Umführen des Bären hie und da auch in christliche Umzüge über, was den weltlichen keineswegs aber den heidnischen Ursprung ausschließt. Jenes Klotzumwerfen zu Hildesheim und Halberstadt, Grimm Myth. 172. 743, bei welchem ein Jupitergeld urkundlich bezeugt ist, wird sich auch darum auf Donar (Thôr) bezogen haben, weil dabei der Domprobst in öffentlicher Procession einen Bären umführen muste. Grimm bemerkt, daß im Mittelalter das Umführen des Bären nebst Verabreichung eines Bärenbrots ein verbreiteter Gebrauch war, der auch in Mainz (Weisth. I, 533) und Straßburg (Schilter Gloss. 102) galt.

Nun finden wir in der Wilkinasaga cap. 140–146 einen der Helden Dietrichs Wildeber genannt; eigentlich sollte er Wildebär heißen, wie er in den zu Grunde liegenden deutschen Liedern gewiss geheißen hat. Um Wittich zu befreien oder K. Osantrix (Oserich-Ruother) zu erschlagen, wird dieser Held, und dieß erklärt uns seinen Namen, in eine Bärenhaut gehüllt und von einem Spielmann umhergeführt, der ihn Vitrleo (kluger Löwe) oder Vizleo (Weißleu) nennt, seine Klugheit rühmt, und wie er alle Künste und Spiele verstehe. Wenn der Spielmann die Harfe schlug, so hüpfte der Bär und tanzte darnach. Als aber der König, der grausamer Gemüthsart war, sich eine Kurzweil zu machen, seine Hunde auf den Bären hetzen läßt, ward Wildebär zornig, riß dem Spielmann sein Schwert aus der Hand, lief dem König nach und schlug ihm das Haupt ab u. s. w.

Die Verflechtung mit der deutschen Heldensage muste den alten Mythus, wenn er hier wirklich zu Grunde liegt, wesentlich umgestalten. Man wird nicht übersehen dürfen, daß Wildebär aus des Spielmanns Hand das Schwert empfängt, womit er König Osantrix erschlägt. So leiht Hunferdh, König Hrodgars Herold und mithin auch Sänger, dem Beowulf das Schwert, womit er den Kampf gegen Beowulfs [richtig: Grendels] Mutter zu bestehen gedenkt. Leider sind von dem verwandten mittelniederländischen Gedicht von dem bere Wislau, das den gleichen Gegenstand behandelt, nur wenige Zeilen bekannt gemacht; aus der Vergleichung des Ganzen würden sich vielleicht noch andere Beweise der Sagenverwandtschaft ergeben. Den Namen Wislau (wie oben Vizleo) erklärt Grimm Myth. 745 aus der Verwechslung des volksmäßigen Königs der Thiere mit dem durch gelehrte Vermittlung aus der Fremde eingewanderten. Oder hebt ihn der Spielmann liebkosend eine Stufe höher? Umgekehrt, den gezähmten Löwen am Hofe Constantins, den Asprian gegen die Wand zerwarf (Rother 1143), sah dieser für einen jungen Bären, ein berwelf an: mit einer noch weiter gehenden komischen Abstufung nennt unser Kobold (das Schretel) den Bären eine Katze. Wackernagel Zeitschr. VI, 185.

Jener Waßerbär, der mit dem Schretel kämpfte, war gezähmt; der Name Wildebär schließt die Zähmung nicht aus, vielmehr wird er c. 142 ausdrücklich für einen zahmen Bären ausgegeben. Bei Asbjörnsen war es ein weißer Bär, was mit Vizleo stimmen würde. Endlich in dem Märe von dem Schretel sahen wir dem Bären einen Widder gleichsam als Opfer gegeben; kann es damit im Zusammenhange stehen, daß der dänische Gadehasse sein Gadelam hei sich führt?


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