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Diese Plastik des Lasters von Grevin verwirklichend, ihrer geringsten Gebärde den Bruch niedriger Erotik gebend, verkörperte Aschtoret die Wollust von heute: Tammuz studierte sie während der Mahlzeit mit großem Interesse.
Alles war falsch und hübsch, alles war auf die Sinne abgesehen bei diesem aggressiven jungen Mädchen, das aus dem Orient den Ernst des Lüsternen geholt zu haben schien, um ihn wie eine Pariserin der Straße zu verrenken.
Niemals hatte Tammuz ein so herausforderndes Spiel der Geschlechtlichkeit gesehen.
Beim Nachtisch rückte das erstaunliche Kurtisanchen dem jungen Manne ganz nahe und fragte schmeichlerisch:
– Sie haben mir etwas ins Ohr zu sagen, nicht wahr?
Tammuz flüsterte:
– Sie müssen sehr müde sein, nachdem Sie diese Vorstellung gegeben.
Aschtoret verlor ihre Sicherheit, als ihr Bemühen dieses Ergebnis zeitigte, und machte eine so aufrichtig enttäuschte Miene, daß Tammuz komisch berührt wurde.
– Sie haben mich in Erstaunen gesetzt: einem Manne und einer Frau gleichzeitig den Hof machen; einen Seitenblick dem einen geben, einen Seitenstoß dem andern; mit Fuß und Ellbogen zugleich arbeiten; die Dosis so gut abwägen, daß jeder sich für den Vorgezogenen hält; schließlich zwei Wesen interessieren, die nicht an das glauben, was sie sehen: all das haben Sie geleistet. Das ist Kontrapunkt, wie Massenet lyrischer Musiker ist, im niedrigen Sinne. Sie haben den Bauchtanz für zwei und mit halbem Körper getanzt, ohne Ihren Stuhl zu verlassen, ohne die Hände zu benutzen, nur mit Grimassen. Sie haben eine schöne Laufbahn als Hetäre vor sich, wenn Sie dahin kommen, nicht soviel Albernheiten über die aufgezählten Namen und Werke zu sagen. Ihre »hi, oh, ah« sind hübsch zu hören; sobald Sie aber nicht bei der Aussprache der Vokale bleiben, werden Sie irgend jemand. Dann ist ein Mangel Ihres sitzenden Bauchtanzes, daß man fühlt, wie die Künstlerin entbrennt: verschleiern Sie, verschleiern Sie! Ihr Aufreizen zur Wollust, sehen Sie, ist so grob, als wollten Sie, um zu plaudern, eine antike Maske vornehmen. Lesen Sie Marivaux; nein, lesen Sie nichts! Schlagen Sie das Klavier der Wollust: Ihr Instinkt treibt Sie dahin und das Zeitalter ladet Sie dazu ein.
Aschtoret war wütend und tief betrübt. Auf dem Diwan, wo drei Zigaretten angezündet wurden, schmollte die Virtuosin des Körpers mit dem jungen Manne und streichelte die schweigende und lächelnde Stella.
Zwischen diesen beiden Zigaretten, die immer wieder von den beiden Schweigern angezündet wurden, verzehrte sich das Mädchen in seiner Armseligkeit. Schließlich ging sie an den Tisch, goß sich ein großes Glas Chartreuse ein und trank es.
– Sie trinkt sich Mut: entweder wird sie mich vergewaltigen oder Sie, sagte Stella.
Aschtoret kehrte zu ihnen zurück.
– Mir ist warm!
Sie hakte ihr Kleid auf und zog ihr Korsett aus.
Damit verging einige Zeit.
– Es ist dumm, ganz allein im Hemd zu sein. Stella, meine Liebe … Ah, aber heute abend fühle ich, daß ich sehr dumm bin …
Sie drehte sich um und goß sich noch eine Chartreuse ein.
– Mir ist noch wärmer.
Sie zog ihr Kleid aus und ließ sich berauscht auf Stella gleiten. Mit langsamer und nicht erregter Hand ließ diese die Achselbänder fallen und entblößte die Büste des Mädchens.
– Ich habe zwei Dinge zu tun, rief Aschtoret; schlafen oder dich plündern. Wenn ich dich plünderte … Ja, du langweilst mich mit deiner statuenhaften Miene … Statue, zieh dein Kleid aus.
Und sie begann Stella zu entkleiden.
Diese ließ sie gewähren, indem sie rätselhaft lächelte.
Tammuz begriff sogleich, welchen Eindruck Stella ihm lassen wollte: Aschtoret gehorchte dem geheimen Willen der Gynandre.
Als die Marquise von Senanques nackt war, streckte sie sich in der Stellung von Titians Venus aus und betrachtete Tammuz siegreich.
– Sie sind ein Meisterwerk, begann er, ein Meisterwerk edler Plastik, gesunder Färbung! Ich finde einige Linien der göttlichen Nike von Samothrake wieder. Welches Modell würden Sie für einen Dampt sein! Sie sind das echte Weib; nur Ihr Kopf macht Sie zur Gynandre. Ich danke Ihnen, daß Sie mich eines der schönsten Exemplare der menschlichen Form haben sehen lassen. Wenn ich eine Freude der Augen mit einem prophetischen Eindruck der Seele bezahlen darf, ob er auch traurig ist und ein Verhängnis zeigt: Sie sind dazu bestimmt, Stella, blendend und einsam zu wandern. Ihre männliche Ergänzung ist nicht von heute, Ihre männliche Ergänzung war jener Leonardo da Vinci, der seine Zeitgenossen an Scharfsinn übertraf, der eine Eisenstange drehte, das Lächeln der Sphinx erfand, wilde Pferde zähmte … Erklären Sie, wenn Sie können, die Melancholie, in die ich umschlage: der schöne Anblick Ihrer Nacktheit erfüllt mein Herz mit seelischen Tränen: ich beklage Sie unsagbar, ich beklage Sie eben so sehr, wie ich Sie bewundere.
Von dieser Aufrichtigkeit wurde Stella bewegt.
– Sie haben die Seele gesehen, als Sie den Körper erblickten!
– Ja, die Seele der Brunhilde, mit dem Flekken bedeckt, den eine Epoche sogar auf höhere Wesen setzt. Aber wo ist Siegfried?
– Siegfried ist ein Metaphysiker geworden; Siegfried hat keine Furcht mehr vor der Frau; er widersteht ihrem Zauber: so hat die Zeit das Heldentum gewandelt.
Aschtoret betrachtete stumpfsinnig diese beiden klagenden Menschen, die für sie unbegreifliche Worte sprachen; sie fühlte sich mehr als verschmäht, sie fühlte sich vergessen, weder diesen gelehrten Mann begreifend, noch diese nackte Frau, die ernst war wie eine Göttin von Giulio Romano, noch sich selbst, die, halb entkleidet, vor der melancholischen Gruppe kauerte.
Plötzlich überfiel sie Stella mit Liebkosungen, aber diese ergriff sie, legte sie nieder und setzte mit edler Gebärde ein Knie auf den Leib des Mädchens; sie mit beiden Händen haltend, sprach sie noch eine Weile mit Tammuz, der sich nicht gerührt hatte.
Schließlich gab Stella ihre Fesselung auf: Aschtoret schlief, hübsch in ihrer Magerkeit, mit den vorspringenden Brüsten, hübsch, aber gewöhnlich, eine Pariserin gegenüber der Marquise Phidias, wie Tammuz Stella nannte, als er ihr die Hand küßte, denn sie hatte gesagt:
– Gehen Sie! Sich wieder ankleiden, ist wenig dekorativ; damit säumen, hieße einen Traum für die Wirklichkeit aufs Spiel setzen: dafür stehen wir beide zu hoch.