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Erstes Buch.
Die Orchideen

 

 

Vorm Magus steht,
herrlich und unbegrenzt,
die übermenschliche Welt,
wo die reine Idee blüht.
Er denkt: das ist seine Handlung.
Weib, du kannst nur träumen,
und dein Traum endigt immer in der Liebe.

Peladan, Semiramis.

 

 

I.
Rückkehr aus dem Bois

Im Frack, fieberhaft und begeistert, wendet er sich nach rechts und links, in der offenen Droschke, unter den Wagen, die aus dem Portal der Saints Pères auf den Platz du Carrousel herauskommen.

Dieser kindliche Eifer, sich die Augen mit den Schönheiten des pariser Frühlings zu füllen, belustigt die Verdecke der Omnibusse.

– Halten Sie, sagt er zum Kutscher, der lächelt.

Er hebt sich etwas in die Höhe, wendet sich nach dem Louvre und grüßt diese Kathedrale des Schönen, wie man sich bekreuzigen würde.

– Er wird Ihren Kratzfuß nicht erwidern, er hat seine Pfeife zerbrochen Er ist gestorben., dieser Gambetta! schrie ein Straßenjunge.

Der junge Mann fährt aus seiner Ekstase auf, und sein Blick springt von dem pfeifenden Bummler auf das häßliche Denkmal für den populären Komödianten.

– Der Schwindel, lebendig und schmutzig, zum Götzen erhoben und den Verkehr sperrend, das ist das erste Wort von Paris! Weiter, Kutscher … nein!

Was grüßt er noch?

In der Mitte des Hofes, mit den vom Rollen der Wagen tönenden Fliesen, bemerkt er einen wunderbaren Hintergrund, wie ihn kein Theater je verwirklicht hat.

Unter dem mittleren Bogen des Tempels, jenseits der Tuilerien, zeigt sich der Obelisk und die unmerkbare Senkung der Champs Elysées; der Triumphbogen, die feenhafte Pforte eines Dorados des Traumes, blitzt auf, eine Atmosphäre des Ruhmes, ein Stäuben rosigen Feuers, in dem die untergehende Sonne ihre feinen und bleichen Goldgespinste erschöpft.

Diese Vertikale, der strenge Zeuge des alten Aegypten; dieser Name der Gefilde von Eleusis, der das göttliche Griechenland beschwört; dieser Bogen, der würdig ist, einen römischen Triumph hindurch ziehen zu lassen: entrollen den ganzen Reigen der großen Epochen im Geiste des Reisenden.

– Kutscher, ins Bois.

Die Droschke rollt auf der Rivolistraße dahin und fährt an der Terrasse der Feuillants entlang, wo Henri de Marsay dem »Mädchen mit den Goldaugen« begegnete.

In den Arkaden, wo Schaufenster mit Bildern von Künstlerinnen und englische Hotels abwechseln, wogt eine Menge von Menschen, lebhaft und schlendernd.

Der junge Mann gedenkt der Ermordung der durch Mariquita Balzac, Das Mädchen mit den Goldaugen., dieses abscheulichen Abenteuers, des schlimmsten in der »Menschlichen Komödie«, nach der »Liebe in der Wüste«. Er beklagt, daß der größte Romancier die menschliche Natur verleumdet hat: die Sodomie der Frauen konnte nur ein Laster sein, niemals eine Leidenschaft.

Der Kutscher, von einem Reisenden belustigt, der die Aussichtspunkte liebt, fährt an der Terrasse der Orangerie entlang und hält vor dem Obelisken.

Die untergehende Sonne erschöpft ihre feinen und bleichen Goldgespinste in einem Stäuben von rosigem Feuer, und der Phallus aus Granit wird zum Spott, wird besiegt angesichts dieser Kteïs Kteïs, griech. Kamm-Muschel, dann der weibliche Schoß. Diese Kamm-Muschel zeigt Botticellis »Geburt der Venus«., der feenhaften Pforte zu einem Dorado des Traumes, wo eine Atmosphäre des Ruhmes blitzt. Paris ist nicht mehr Babylon; Paris ist Ninive.

– Die Menge herrscht und die Frau emanzipiert sich, murmelte er.

Dieser symbolische Eindruck wird dem Geiste des Ankommenden bleiben.

Die Droschke steigt die Avenue hinauf und schließt sich dem Zuge an, in dem Omnibusse und Landauer sich mischen. Halb geschlossen, heften sich die Augen des Unbekannten auf die Lichtbucht, ohne einen Blick auf die blühenden Frauen im Frühlingskleide zu werfen, die in ihren mit Seide ausgeschlagenen Wagen vorbeifahren.

Seine Lippen, die seine Zunge für Augenblicke befeuchtet, falten sich und lächeln der schmeichelnden und warmen Brise zu: er streckt den Mund vor, um Paris zu küssen.

Paris, das lebende, Paris, das bebende, zerstäubt heute abend so feine Düfte, daß Traum unter den Augenlidern seiner Frauen aufblüht; als ob Genien die Wohlgerüche des neuen Frühlings ausleerten.

Dieser Verführung der ihn umgebenden Luft überläßt er sich, genießend und gedankenlos, das Auge durch die einander genäherten Wimpern immer auf die ungeheuere Bucht geöffnet, aus der das rosige Gold festlich strömt.

Plötzlich taucht in dem Strahlen, seine Betrachtung versperrend, ein Einspänner auf, von einer Frau gelenkt.

Groß, bleich und traurig, zügelt diese Frau ihr Pferd mit sicherer Hand: ihre Haare sind kurz, ein Filz bedeckt sie; ihre Büste wird unter einer dunklen Bluse aus Wolle androgynisch.

Man fühlt, daß sie leidend und verschlossen ist, zerrissen und stolz. Die Straffheit ihrer Haltung macht sie auffallend und unvergeßlich.

Ein Gedränge von Fuhrwerken hält den Einspänner und die Droschke auf und fügt sie für die Zeit eines Ave zusammen: der Blick des jungen Mannes stößt auf den der Sportdame.

Das Gesicht unbeweglich, sieht sie aus wie ein slawischer Cäsar; ihr schwarzes und stolzes Auge bleibt fest auf den Kömmling gerichtet. Sie verschließt ihre Seele, er sucht sie zu durchdringen; er wagt es, sie panzert sich; und dieser Kampf dauert weniger als eine Minute. Ein Strahl von Sympathie springt instinktiv aus dem Manne hervor und färbt die zu bleiche Wange der Frau mit einem leichten Rosa: ihr besänftigtes Auge hellt sich plötzlich auf.

Nur dies, dies beim Vorüberfahren, und sie rollen dahin in entgegengesetzter Richtung.

Welchen Eindruck trägt sie davon, während er nicht mehr in dem Kteïs-Bogen, der jetzt nahe ist, das Stäuben rosigen Feuers sieht; aber jenseits davon, hinter den grünen Linien des Bois, wie der Morgen einer Bestürmung, dieses geheimnisvolle Gesicht, dieser Kopf des slawischen Cäsaren, mit dem starren und doch sanften Auge, vom Nimbus des Verhängnisses umgeben.


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