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Ich bin vom Geschlecht des Schwertes!
Ich schulde nichts dem Schicksal:
meinen Ruhm habe ich selbst geschaffen!
Mein Geschlecht, das ist mein Wille!
Peladan, Semiramis.
– Ich werde Sie zu Goulaine führen, hatte die Baronin gesagt, als ob sie sich überwinden müßte und ihr Idol Aril verriete.
Man konnte leicht ahnen, daß zwischen der Führerin der Muskulösen, der Athletinnen und einer der bekanntesten Gynandres von der modernen Kunst eine Rivalität bestand.
Das Haus Goulaine, auf dem Quai Billy erbaut, etwas vor dem Trocadero, zeigte eine seltsame Anordnung: das Erdgeschoß aus zwei Sälen, die der Eingang trennte, diente nur als Waffenraum und Fechtsaal. Der Garten war nicht gepflegt und diente als kleine Reitbahn; das Treibhaus war in einen Turnsaal umgewandelt: beide schienen zu einer reichen Kadettenanstalt zu gehören.
An diese Stätte der Fechtkunst führte die Baronin Tammuz; sie stellte ihn einem großen und feinen Jüngling vor, in Kniehosen und Brustleder, die Maske vorm Gesicht, der mit einer Bewegung des Floretts seinen Gegner als Marquis de Concelles bezeichnete.
Als Tammuz die runden und geschmeidigen Formen des andern Fechters betrachtete, erkannte er eine Marquise.
Beide nahmen ihren Waffengang mit Eifer wieder auf.
Aus einer Garderobe erschien in Kniehosen und durchsichtigem Hemd, ihr Brustleder suchend, eine magere und elegante Frau.
– Baron de Brétancourt, Tammuz, rief Goulaine, ohne ihre Klinge von der des Gegners zu lösen.
Die Baronin betrachtete Tammuz, wie man einen Eindringling fixiert, und sprach zu Lilith:
– Vouivre, willst du einen Gang machen!
Mit einer Bewegung hakte Lilith den Gürtel ihres Rockes auf, der auf ihre Füße niederfiel: in Kniehosen aus schwarzer Seide stand sie da.
Tammuz setzte sich auf einen Schaukelstuhl und sah entzückt dem doppelten Angriff zu.
Diese Anmut der Bewegung und diese Rundung der Form, welche die ganze Frau sind, zeigten sich in ihrem vollen Werte unter seinen Augen.
»Ob schuldig oder nicht, diese wiederauferstandenen Mignons, diese kleinen Heiligen Georgs sind köstlich, dachte er. Sollte die Moral in einer Unehrlichkeit bestehen, die nicht zu erschüttern ist, und die Verteidigung der Tugend ganz darin liegen, daß vor der Wirklichkeit gelogen wird? Diese Frauen, die weder Mütter noch Gattinnen noch Geliebte sein wollen, diese Frauen sind in der Bewegung wunderbar plastisch. Als Moralist werde ich sie verdammen, wenn es sein muß: aber kann ich meine Augen leugnen, darf ich nicht den künstlerischen Eindruck, den sie bieten, bewundern?«
So bestürzt, folgte Tammuz den katzenartigen Sprüngen, den Listen der Gynandria.
Lucia de Goulaine, ehrlich in ihrem Spiel, rief mit offener Stimme »getroffen«, großmütig wie eine Löwin. Ihre Gegnerin, die Marquise de Concelles, überlegter und absichtlicher, ihre Finten vermehrend, fiel nur selten aus, aber traf jedes Mal.
Ihre hohe Gestalt beugend, die Kniehose aufgehakt, etwas Haut über dem Knie zeigend, glich Lilith de Vouivre einer Pantherin; auf der wiederhallenden Diele sprang sie zuweilen mit einem Panthersatz gegen die Baronin von Brétancourt an, die sich deckte und mit festem Handgelenk parierte.
Endlich hielten sie atemlos inne und nahmen ihre Masken ab.
Lucia, mit blassem und etwas flachem Gesicht, aber von gesunder Blässe und edler Zeichnung, mit roten und dünnen Lippen, mit starken Armen und kleinen Brüsten, senkte auf Tammuz einen Blick ohne Weiblichkeit, einen Mannesblick, leuchtender als gewöhnlich, und ohne Milde.
Concelles, sanguinisch mit rosiger Haut, feist mit starken Waden, breiten Schenkeln, warf ihr Florett mit silberner Muschel weg und fächelte sich mit ihrem Taschentuch.
Lilith verband geschickt wieder Strumpf und Kniehose.
Die Brétancourt deutete auf den jungen Mann:
– Ich biete Ihnen einen Waffengang.
– Danke, ich mache niemals unnütze Bewegungen.
Die Baronin, mit saturnischem Profil, von nervöser Magerkeit, erstaunte:
– Sie sind also weibisch?
– Ich weiß nicht, ob ich das bin; aber gerade Sie sollten mir das nicht vorwerfen.
– Und warum nicht? fragte Lucie.
– Sie pflegen männliche Eigenschaften: wäre es nicht eine richtige Antwort, wenn einige Männer die weiblichen Sitten pflegten?
– Weibisch, das wagen Sie zu gestehen?
– Ich gestehe nichts! Die Eigenart des Mannes liegt nicht darin, sich hinzustellen und einen Stahl zu schwingen: was den Mann macht, das ist der Kopf. Sie können sich wohl wie Männer gebärden, aber niemals mit Männlichkeit denken. Sie lernen alle Stöße, selbst die Finten, aber eine Idee, ein Gedanke wird niemals Ihre enge Stirn bewohnen.
– Sie mißbrauchen Ihre Geringschätzung der Fechtkunst.
Tammuz wurde gereizt und wandte sich gegen Lilith.
– Bin ich auf einer Wache? Haben Sie mich zu Haudegen geführt? Was bedeutet der Ton, in dem man zu mir spricht, und die Blicke, die man mir zuwirft? Sollte Vertierung die Frucht Ihrer gymnastischen Uebungen sein? Können Sie nicht mehr den denkenden Mann von Herrn Jedermann unterscheiden? Soll ich zu Aril gehen und ihr erzählen, welchen Empfang mir vier Bummlerinnen bereitet haben, die in ein Können vernarrt sind, das alle Soldaten leisten?
Lucia de Goulaine kam ihm zu Hilfe.
– Brétancourt ist unverschämt: das macht ihr Spaß! Ich hätte Sie warnen sollen: sie zieht diese Form von Liebenswürdigkeit allen anderen vor.
– Gewiß, mein Herr, wenn Sie mich nicht gereizt hätten – und reizen ist eine Art zu interessieren – hätte ich nichts gesagt.
– Sprechen Sie also niemals, wenn Ihre Lippen die Anmut der Frau verloren haben; seien Sie Mime; denn Ihre Gebärden haben alles, was Ihrer Sprechweise fehlt.
– Brétancourt, du bist ein Tier, sagte Lilith.
– Ich verbiete dir, in diesem Ton zu mir zu sprechen.
– Schickt euch Zeugen: das wird lustig sein.
Tammuz bewunderte die unauslöschbare Kindlichkeit der Frau, die sich bemüht, den launischen Anspruchsvollen zu spielen.
– Wenn ihr wüßtet, rief eine Stimme hinter den Kulissen.
– Trementine mit ihrem Klatsch, sagte Lilith als eine Art Ankündigung!
– O meine Kinder, welche Geschichte!
Die Ausruferin warf einen seidenen Staubmantel zurück und erschien in malvenfarbenem Kleide, das mit vielen Bändern besetzt war.
– O meine Kinder, Saint-Bohaire und Vaujours sind verrückt: sie haben sich im Sprechzimmer der Barmherzigen Schwester geohrfeigt, und warum? Wegen dieser berühmten Waise, die Simzerla in London traf, vor Hunger sterbend, und die sie ohne Hintergedanken in Pension gab, um ein hübsches Wesen vor Gewalt und Laster zu retten. Als nun Saint-Bohaire ihre Tochter besuchte, bemerkte sie die Miß, fragte sie aus, und seitdem brachte sie doppeltes Naschwerk. Vaujours, ihre Nichte besuchend, zog nach ihrer Gewohnheit, das zu nehmen, was andern gehört, das Mädchen an sich, das bald nicht mehr wußte, auf wen sie hören sollte, und sich, so gut sie konnte, zwischen diesen beiden unerwarteten Zärtlichkeiten teilte. Eines Tages forderte jede ihrerseits die kleine Engländerin auf, die eine oder die andere zur Adoptivmutter oder -tante zu wählen. Saint-Bohaire wurde gewählt: wütend ohrfeigte Vaujours in vollem Sprechzimmer ihre Rivalin. Kaltblütig zog Saint-Bohaire ihre Brieftasche und überreichte ihre Karte. Das Duell wird bei Ihnen stattfinden, Goulaine.
– Man müßte bestimmen, daß das Hemd ganz zurückgeschlagen wird, sagte Brétancourt; die beiden haben hübsche Brüste, das wird unbedeckt gut aussehen.
– Bis Blut fließt, sagte eine.
– Saint-Bohaire führt den Degen schlecht; die Aussichten sind nicht gleich; das Duell muß auf Pistolen stattfinden.
– Wie schrecklich, Blei ins Fleisch! Ein Stich, meintwegen.
So zwitscherten sie einen Augenblick, wieder Frauen geworden, zu gleicher Zeit sprechend, Tammuz vergessend, der sich gratulierte, in das Royal Maupin eingedrungen zu sein.
Da bemerkte er die anmutigste Jünglingsgestalt, in die sich eine Frau verkleidet hatte, wie sie auf der Schwelle stand und zuhörte.
Schlank, mit sanften und stolzen Augen, das Gesicht regelmäßig und von Geist erleuchtet, sagte die Ankommende mit klarer Stimme:
– Dieses Duell wird nicht stattfinden.
– Der Chevalier! rief man.
Alle stürzten ihr entgegen.
Diese Bewegung zeigte dem jungen Manne, welchen Zauber sie ausübte.
»Das ist also, dachte er, die berühmte Rose de Faventine.«
Sie begegnete dem Blick des Tammuz und lächelte.
Ein Aufleuchten von Sympathie verband diese beiden Wesen; mit unsagbarer Anmut kam sie auf ihn zu.
– Guten Tag, Sie, den ich nicht kenne und doch wiederkenne.
Tammuz fühlte wieder die Erregung von der »Rückkehr aus dem Bois«, die Erregung, die Prinzessin Simzerla hervorgerufen hatte, aber viel tiefer und stärker.
Er streckte die Hand nach einer Hand aus, die man ihm nicht bot, die sich aber nach einem Zögern zu seinen Lippen erhob.
Diese kurze Szene erkältete die Atmosphäre: Tammuz fühlte die plötzliche und eifersüchtige Feindschaft des ganzen Royal Maupin, wie auch die Ernsthaftigkeit dieser unerwarteten Gunst.
Er wollte diesen köstlichen Eindruck nicht verderben, indem er noch blieb; er drückte Lucia und Lilith die Hand, grüßte die Gruppe mit dem Kopfe und neigte sich vor Rose de Faventine in einer langsamen Verbeugung, wie sie der Mann nur der Frau erweist; in einer Verbeugung, die bedeutete:
»Sie sind etwas Besonderes, sind begehrenswert unter diesen Verirrten.«