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Fünftes Buch.
Die fliegende Gräfin

 

 

Der Wille hemmt eine Weile
die unfehlbaren Gesetze der Natur,
aber plötzlich rächen sie sich unversöhnlich!
Fünfzehn Jahre hat diese Frau
ihr Geschlecht verleugnen können,
und nun taucht die heiße Liebe auf.

Peladan, Semiramis.

 

 

I.
An Bord der »Sappho«

In dem kleinen Boot sitzend, das unter den Rudern des schwarzen Matrosen geradeaus fährt, wendet Tammuz den Kopf und sieht Aschera in den Armen Simzerlas weinen: auf der Terrasse all die andern.

So bewegt, daß er an das Ufer von Leukadia zurückzukehren wünscht; berauscht von dieser Traurigkeit, die seine Abreise wie ein Kielwasser in den Seelen der Gynandria läßt, erhebt er sich, trotz den Flüchen des Negers, der zu kentern fürchtet, streckt stehend die Hand aus und zeichnet, als letzten Abschiedsgruß, ein großes Kreuz in die Luft.

Auf der Terrasse haben sich alle Frauen unter dem seltsamen Segen dieses Metaphysikers gebeugt. Gewiß, jeder, der reines Sinnes ist, hat dieses Recht der Beschwörung. Hier wird die Gebärde des Helden zum Symbol seines Gefühls: je mehr er sich entfernt, um so mehr erhebt sich seine Seele, die zuerst darunter litt, ein seine Person so erwärmendes Milieu verlassen zu müssen, um Mitleid und Frömmigkeit zu geloben. Im Innern spricht er über Simzerla und ihre Gefährtinnen das Evangelium des Johannes, das besser als das Schwert die Bestürmungen und die Larven des Unsichtbaren zerstreut.

Die Yacht ist nur noch einen Pistolenschuß entfernt, als Tammuz aufhört, mit dem Blicke vom Schloß Teutat Abschied zu nehmen. Er bewundert das Lustschiff, das in der Form langgestreckt ist und an seinen beiden Masten rote Segel trägt. Die Sonne trifft das Kupfer, das auf dem gefirnißten und spiegelnden Holze funkelt. Das eiserne Paard wird losgemacht; er zögert, erstaunt über den Anblick des seltsamen Epheben, der ihn willkommen heißt.

Einen Augenblick fällt ihm auf, wie unwahrscheinlich das Abenteuer ist. Niemand hat ihm gesagt, daß er jemals die Fliegende Gräfin gesehen habe, die unsichtbar nachts an verlassenen Buchten landet. Das Boot hat ihn geholt, ohne daß ein Wort zwischen ihm und der lesbischen Herrscherin gewechselt wurde. Er fürchtet nichts, aber er wird entnervt, weil er die logische Verkettung nicht versteht, die ihm den Fuß auf dieses Deck setzen läßt.

Der Ephebe, der ihm die Hand reicht, hat den Kopf geschoren; Hals und Arme sind von der Meeresluft gebräunt; er trägt einen Trikotanzug aus roter Seide, das feste Brüste und Rundungen eines Ganymed andeutet.

– Seien Sie mir willkommen an meinem Bord, Herr Tammuz, und lassen Sie mir die Gerechtigkeit widerfahren, daß ich Ihnen zuvorgekommen bin, während Sie zu jenen gingen.

– Admiral, meldete der Kapitän, ein richtiger englischer Seebär, wir müssen die Ebbe benutzen, um die Spitze Décollé zu umsegeln. Wohin wollen Euer Gnaden?

– Wohin wünschen Sie zu fahren? fragte die Admiralin Tammuz.

Der schüttelte den Kopf: das war ihm einerlei.

– Segeln Sie mit dem Wind! befahl sie.

– Lichtet den Anker! gebot der Angelsachse.

Tammuz suchte mit den Augen die weiblichen Matrosen und bemerkte nur derbe Männer.

– Nicht wahr, man hat Ihnen gesagt, meine Mannschaft bestände aus Frauen, als sei das möglich bei der Segelschiffahrt. Die Yacht hat hinten eine kleine Schraube, die bei Windstille sechs Knoten erlaubt: aber der wahre Seemann liebt nur das Segel. Eilige Menschen und Kaufleute mögen den Dampf lieben; ich, ich gehe nirgends wohin, ich komme also immer zu früh.

– Klar zum Wenden! rief der Kapitän.

Der Schoner drehte, vor dem Winde ablaufend, und durchschnitt munter die Welle mit diesem Schnellen gut gebauter Schiffe, das der Gangart des Vollblutpferdes gleicht.

– Ja, dreihundert Tonnen, sagte sie, nachdem sie ihm die innere Einrichtung gezeigt hatte, wo Betten und Lampen so gut aufgehängt waren, daß weder Stampfen noch Schlingern störte.

In diesem schwimmenden Palast hatte die Fliegende Gräfin Boudoir, Baderaum, Salon mit Klavier und großem Harmonium, das an der Wand befestigt war, Bibliothek, Speisezimmer und mehrere Gemächer von einem bestimmten und bequemen Luxus.

– Leben Sie schon lange so, allein unter dem Himmel?

– Allein? Nein, ich werde von einer Schiffsmannschaft bedient, die um so ergebener ist, als alle ein Vergehen auf dem Gewissen haben, selbst der Kapitän. Ich habe Menschen gewählt, die von der Gesellschaft fast verworfen wurden, damit sie das Schiff lieben und treu sind. Jeder hier entspricht dem, was Sie in Frankreich Sträfling nennen. Das Land würde ihnen Verderben bringen: deshalb bleiben sie gern Matrosen.

– Sie sind allein? Was wird aus Ihrem Herzen, Ihren Sinnen?

– Mein Herz wird, was es in der Welt geworden wäre: ein Tabernakel der Verachtung, das sich schließt. Meine Sinne … habe ich welche? Nein, da ich mein Geschlecht verloren habe.

Melancholisch fügte sie hinzu:

– Ja, ich weiß, daß man eine Legende aus mir macht und daß sich die Journalisten mit mir beschäftigen. Man nennt meine Yacht ein schwimmendes Lesbos. Ich beunruhige mich über meinen Ruf so wenig wie über die Weiße meiner Haut! Das Meer spricht zu laut zu meinem Ohr, als daß ich die menschlichen Insekten zirpen höre. Sie begreifen mich noch nicht, Tammuz! Da aber geschrieben steht, daß alle außergewöhnlichen Frauen sich vor Ihnen aufstellen, melancholischer Paris der Ausnahme, werde ich Ihnen zeigen, daß Thalatta tröstet und tausend Dinge ersetzt.

– Ich bin frei, fuhr sie fort; ich hänge nur von den Winden ab, und diese waren mir nur dann entgegen, wenn ich ein Ziel hatte. Statt die Gleichgiltigkeit einer zu teueren Seele zu ertragen, erleide ich die Windstille eines Elementes. Oh, wie ziehe ich den silbernen Schaum auf meinen Schiffsverschanzungen dem Geifer des pariser Klatsches vor.

– Bei schönem Wetter lasse ich nachts ein kleines Harmonium aufs Deck tragen: dort schleudere ich in die Unendlichkeit die unendlichen Töne Beethovens. Aber, werden Sie sagen, eine verehrende und verehrte Seele würde durch ihre Gegenwart die Erregung in Glück verwandeln … Nun, es wird immer jemand oder etwas an der besten Argo fehlen.

In der Ferne sprang eine Schar Delphine lustig und plump, während an der Seite des Schiffes eine Menge Medusen vorbeizogen, die mit ihrem weißlichen Aussehen die grünen Wellen des Meeres betupften.


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