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Wenn man die Körperkultur der Alten und die gymnastische Nacktheit als mildernden Umstand für die furchtbare Knabenschändung hinnimmt, muß man zugeben, daß Frauen, welche die gleiche Mühe zur plastischen Erziehung anwenden, dahin kommen, sich gegenseitig mit einem wohlgefälligen und bisweilen begehrlichen Auge anzusehen.
Der Zeitgenosse ist unsagbar häßlich: häßlich durch die Farbe seiner Anzüge, häßlich auch durch ihre Form; besonders häßlich, weil die vornehme Gebärde unmöglich geworden ist. Während der Degen des Offiziers lächeln läßt, da er leicht wie ein Spielzeug ist, machen der Gehrock, die Kleidung der Quäker, wie die dem Kellner des Cafés entlehnte Jacke ein vornehmes Benehmen unmöglich. In den Linien verwischt, im Ton verwischt, werden dem Zeitgenossen, bei Strafe der Lächerlichkeit, die Manieren verwischt.
Solange es Pagen und Musketiere gab, sah man keine perversen Frauen. Man muß es nur gestehen: der Mann von heute genügt keinem romantischen Anspruch. Selbst seine Liebkosung bleibt linkisch, weil er die Livree des Pöbels, den Anzug von jedermann trägt. Die Frau gehorcht so sehr dem äußeren Anblick, daß die Husaren, in Paris wie in der Provinz, die schönsten Heiraten machen, weil sie dem Auge des Wesens schmeicheln, das durchaus triebhaft ist und nur die Aeußerlichkeiten wahrnimmt.
Als er Lucia de Goulaine fragte, weshalb sie den Mann verabscheue, prüfte Tammuz mit großem Ernst die Worte der Gynandre.
– Nein, nicht Ihr Geschlecht stößt mich ab, sondern die dummen Streifen Ihres unförmigen Beinkleides, die schneidende Steifheit Ihrer Manschetten … Vielleicht in Kniehosen und Spitzenhemd, ja, vielleicht.
Der junge Mann nahm dieses Fragment des Gespräches sehr ernst.
Einige Tage darauf erschien er im Waffensaale: leichte Lackschuhe, seidene Strümpfe mit Zwickeln, Kniehosen aus Atlas, feines sich bauschendes Hemd, Spitzen an den Handgelenken; er trug den Kragen offen, war sehr parfümiert und achtete auf sein Benehmen und seine Haltung.
Das war eine Ueberraschung! Einen Zauber schien er auszustrahlen. Nach den lobenden Ausrufen fühlte er sich magnetisch werden: sie streiften ihn wohlgefällig, als gehöre er zu ihrem Geschlecht.
– Da der Berg nicht zu mir kam, bin ich zum Berge gekommen, sagte er.
Und bei sich selbst dachte er:
– Indem ich mich verweibliche, stelle ich die Verwandtschaft wieder her und vernichte ihre Absicht, sich gegen das Geschlecht zu wehren.
Alsbald überkam ihn die Lust, die Gynandria auf ihrem eigenen Gebiete zu schlagen; er verfiel auf einen erotischen Krieg, mit der Nervenkraft geführt.
Die Gynandre verkleidete sich als Mann, Tammuz verweiblichte sich: durch dieses Manöver stellte er den normalen Kontakt wieder her. So überlegen erschien sein Gehirn und sein Geschlecht den Augen der Gynandria, daß Stella von Senanques eines Abends den anderen Maupins erklärte:
– Tammuz fehlen die Brüste, und weiter nichts: er hat kleine Füße, er hat Waden, er hat schöne Beine. Wir haben uns entschlossen, Schoß und Hüften zu verabscheuen. Sein Handgelenk ist etwas flach aber weiß, sein Hals ist wahrhaftig rund; wenn er mit uns ficht, könnte man sagen: die vollkommenste Gynandre. Ferner, sein Gedanke ist uns überlegen, er denkt wie ein altes Buch und hat weder unsere Launen noch unsere Krämpfe. Ein Wunder, daß ein Mann am besten unser Ideal von den Feindinnen des Mannes verwirklicht! Wir sind nur unvollkommene Tammuz, nicht entwickelte Tammuz, im Wachstum stehengebliebene Tammuz; wir haben keinen Kopf oder nur den eines jungen Studenten, mit Rundungen des Körpers … Dieses einzugestehen, müßte uns beschämen, doch weniger als diese einfache Ueberlegung: ein Strumpf an Stelle einer Socke, eine Kniehose an Stelle des Beinkleides, eine Art Nachthemd an Stelle jenes gestärkten, ein Sammetrock, ein nackter Hals, etwas Parfüm: und Frauen, die ihren Ruf verloren haben, um die Verneinung des Mannes zu verkünden, verleugnen sich, sobald sie eine günstige Verkleidung sehen.