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Tammuz setzte sich bei Goulaine fest, und unter ihren Vertrauten, wie er sich vorher bei Aril eingenistet hatte; aber dank dem Willen des Chevalier, durch Lilith unterstützt.
Drei Kapitanos des Royal Maupin, die seit den ersten Besuchen des jungen Mannes fortblieben, Epanvilliers, Rabastens und Valprevaire, verabscheuten ihn, weil sie Rose liebten und diese, ohne sich zu verstellen, für Tammuz eine Zärtlichkeit zeigte, die sie in den Augen der eifersüchtigen Frauen zu verweiblichen drohte.
Geheime Verschwörungen waren gehalten worden, auf denen man einen Hinterhalt vorbereitet hatte. Ein Telegramm lud Tammuz ein, im Waffensaal einen Imbiß zu nehmen, bei dem die drei Verschworenen einen Waffengang herbeiführen wollten.
Von einem seltsamen Instinkt getrieben, den Haß unter den Schmeicheleien fühlend, begierig, diese Seelen zu ergründen, entschloß er sich, die Maske anzulegen. Als Valprevaire ihm einen Degen reichte, sah Tammuz nur einen höhnischen Schein in den Augen seines Gegners aufleuchten und dachte:
»Sie will mir blaue Flecke beibringen: lassen wir sie gewähren! Daß ihr Blick tigerhaft wird, interessiert mich genug, um die Flecke zu ertragen.«
Ein ungestümer Ausfall durchdrang den Aermel seines Hemdes; er sah dann, daß die Floretts ihren Knopf verloren hatten. Er zögerte die Zeit eines Blitzes, betrachtete die Zeugen der Szene, Epanvilliers und Rabastens, die von Haß glühten; plötzlich entschlossen, machte er in der Luft, weit und langsam, mit dem Degen jenes Zeichen des Kreuzes, durch das Hamlet auf der Terrasse von Helsingör den Geist des Vaters beschwört; sich in seinen Kniekehlen beugend, kauerte er sich zusammen, beständig mit einem heftigen Ausfall drohend.
Da er aber keine Uebung hatte, fühlte er sich sofort schwach werden, sowohl in der Kniekehle wie im Handgelenk. Sich durch ein zweites Zeichen des Kreuzes eine Blöße gebend, streckte er sich unter dem Degen der Valprevaire so heftig aus, daß die Klinge in dem Brustleder der Gräfin zerbrach, während diese unter dem Stoß schwankte. Mit Mühe erhob er sich, an allen Gliedern zitternd; drei Zoll Stahl ragten anklagend aus dem Brustleder hervor. Die vier Personen betrachteten einander einen Augenblick schweigend, in verschiedener Weise bestürzt.
Als Lilith eintrat, fand Rabastens ihre Vernunft wieder; mit einem Sprung riß sie die Degenspitze aus dem Brustleder der Valprevaire, die einen Ausruf wie von Schmerz tat. Aber Lilith, erstaunt, Tammuz keuchend und das Florett zerbrochen zu sehen, rief:
– Die Kampfdegen!
– Ich habe mich geirrt, ließ Epanvilliers von ihren dünnen Lippen fallen.
– Du trägst das Schutzleder, und er …
Lilith zog ihren Reithandschuh ab und warf ihn der Raufboldin ins Gesicht.
– Feigling!
– Vouivre, achte auf deine Worte.
– Rose, Rose, rief diese, zur Tür eilend.
Rose, die sich in der Reitbahn verspätet hatte, kam, vom Ton des Rufes beunruhigt.
– Weißt du, was sie getan haben?
– Eine Verwechslung! sagte Tammuz.
– Sieh, wiederholte Lilith zornig, sieh die Kampfdegen, sieh das Schutzleder der Valprevaire.
Der Chevalier de Faventine erbleichte, ihre Lippen stammelten: mit einem Sprung war sie bei der Waffensammlung.
Lilith folgte ihr.
– Nun, ja! rief Rabastens.
– Duell zu sechs, Duell auf Leben und Tod.
Der Künstler in Tammuz wurde derartig von dem leidenschaftlichen Glanz ergriffen, den diese fünf Frauen mit nacktem Degen ausstrahlten, daß er sich zuerst damit beschäftigte, sie zu betrachten.
Die peinlichen Klänge der scheltenden Stimmen brachten ihm die Lage wieder zum Bewußtsein, und eine Erinnerung an Shakespeare sprang ihm auf die Lippen:
– Lasset eure glänzenden Degen; der Tau des Lachens würde sie rostig machen; was ein gefährliches Spiel war, macht nicht zu einem eigensinnigen Schrecken. Man wollte mich einschüchtern: ich wollte nicht furchtsam erscheinen, die Nerven haben das übrige getan.
– Tammuz, küssen Sie uns, rief Rabastens, von ihrem Zorn entnüchtert, endlich richtig sehend.
– Nein, erwiderte Tammuz, niemals wird eine von Ihnen dreien auch nur meine Hand berühren dürfen: ich vergesse, aber ich verzeihe nicht.
– Was euch dreien zu tun bleibt, sagte der Chevalier, das wißt ihr.
Sie verschwanden haßerfüllt im Ankleidezimmer.
Tammuz, mit Lilith und Rose zurückgeblieben, überlegte, ohne auf die Fragen zu antworten.
Wie hatte man ihn bestimmen können, ein Florett zu ergreifen? Als er den Hinterhalt bemerkte, wie konnte er da noch der leidenschaftlichen und nervösen Regung nachgeben, von seinem festen Begriff über das Duell abweichen?
Das allein suchte ihn heim. Diese seiner Lehre widersprechende Erscheinung hatte in ihm entstehen können: gegen seinen Gedanken handeln, wenn man Denker ist: ein beschämender Fall!
Als er sich von seinen Eindrücken erholt hatte, sagte er zu seinen beiden Freundinnen:
– Als ich das Komplott sah, hat meine Verachtung mich aus meinen Ideen geworfen. Schneller als der Lichtstrahl durcheilt den Raum mein Geist, der seine nächtlichen Studien und das umfassende Genie beschwört, dessen er sich bewußt ist. Von diesem Funkeln eine Idee, die Ueberlegenheit meines Schicksals, mein sittlicher Wert, meine Macht als Metaphysiker: all das gegen einen geschickt geführten Stahl, und all das sollte nicht den Sieg davontragen? Wenn zuweilen der Gerechte besiegt wurde, kam es daher, daß er nicht auch der Scharfsinnige war; oder der Scharfsinnige unterlag, weil er nicht der Gerechte war. Aber der Mensch, der eine schöne Seele und einen hohen Gedanken hat, der Mensch, der ich bin, kann nur durch ein höheres oder gleiches Wesen getötet werden: man muß Tammuz sein, um Tammuz zu töten! Dem Schicksal des Tammuz stellt sich das alberne schmutzige Leben einer Nervenkranken vergebens entgegen.
– Valprevaire ist beinahe von meiner Stärke, bemerkte der Chevalier.
– Sie glauben also, daß es der Körper ist, der sich schlägt? Nein, es ist die Seele und der Geist, die stechen und parieren. Ich habe sie nicht angegriffen, ich habe sie verurteilt; ich habe nicht als Gegner getroffen, sondern als Vollstrecker. Die Offiziere mögen Duellanten sein, ein Geist ist Richter und Henker: er verdammt und vollstreckt. Sie können glauben, daß die Persönlichkeit stark genug ist, um sich plötzlich zu dieser Höhe zu erheben; daß der Mensch mächtig genug ist, um sich zum Richter zu machen, wenn er sich in den Formen des Zweikampfes bewegt.
Die drei Verschworenen durchschritten im Straßenkleide den Saal, um nie mehr dorthin zurückzukehren.
Kaum hatte sich die Tür wieder geschlossen, als Lilith ins Ankleidezimmer lief, das Brustleder der Valprevaire holte und dessen innere Seite zeigte.
In der Höhe des Herzens befand sich ein frischer roter Fleck.
– Ein Viertel Zentimeter tiefer …
Auch der Chevalier betrachtete ihn.
– Sie haben Recht, das ist ein verhängnisvoller Stoß; er ist ideal, so richtig saß er; Sie haben als Richter getroffen.
– Ich war niemals so unzufrieden mit mir, bekannte Tammuz aufrichtig.
– Und ich, sagte Rose, war Ihnen niemals so zugetan.